Skip to main content

Full text of "La España y sus adelantos hasta 1852"

See other formats


Google 


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  prcscrvod  for  gcncrations  on  library  shclvcs  bcforc  it  was  carcfully  scannod  by  Google  as  pari  of  a  projcct 

to  make  the  world's  books  discoverablc  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  Copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 

to  Copyright  or  whose  legal  Copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 

are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  cultuie  and  knowledge  that's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  maiginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  flle  -  a  reminder  of  this  book's  long  journcy  from  the 

publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  Steps  to 
prcvcnt  abuse  by  commercial  parties,  including  placing  lechnical  restrictions  on  automated  querying. 
We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  ofthefiles  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  fivm  automated  querying  Do  not  send  automated  queries  of  any  sort  to  Google's  System:  If  you  are  conducting  research  on  machinc 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  laige  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encouragc  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attributionTht  GoogXt  "watermark"  you  see  on  each  flle  is essential  for  informingpcoplcabout  this  projcct  and  hclping  them  lind 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  lesponsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  Copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can'l  offer  guidance  on  whether  any  speciflc  use  of 
any  speciflc  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  mcans  it  can  bc  used  in  any  manner 
anywhere  in  the  world.  Copyright  infringement  liabili^  can  be  quite  severe. 

Äbout  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organizc  the  world's  Information  and  to  make  it  univcrsally  accessible  and  uscful.   Google  Book  Search  hclps  rcadcrs 
discover  the  world's  books  while  hclping  authors  and  publishers  rcach  ncw  audicnccs.  You  can  search  through  the  füll  icxi  of  ihis  book  on  the  web 

at|http: //books.  google  .com/l 


Google 


IJber  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Realen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Bücher  dieser  Welt  online  verfugbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfältig  gescannt  wurde. 
Das  Buch  hat  das  Uiheberrecht  überdauert  und  kann  nun  öffentlich  zugänglich  gemacht  werden.  Ein  öffentlich  zugängliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  öffentlich  zugänglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermögen  dar,  das  häufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nu  tzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  Partnerschaft  lieber  Zusammenarbeit  öffentlich  zugängliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zugänglich  zu  machen.     Öffentlich  zugängliche  Bücher  gehören  der  Öffentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hüter.     Nie htsdesto trotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfügung  stellen  zu  können,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  veihindem.  Dazu  gehören  technische  Einschränkungen  für  automatisierte  Abfragen. 
Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  Tür  Endanwender  konzipiert  und  möchten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  für  persönliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
über  maschinelle  Übersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchführen,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  großen  Mengen 
nützlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fördern  die  Nutzung  des  öffentlich  zugänglichen  Materials  fürdieseZwecke  und  können  Ihnen 
unter  Umständen  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google-MarkenelementenDas  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  über 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  über  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalität  Unabhängig  von  Ihrem  Verwendungszweck  müssen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafürhalten  für  Nutzer  in  den  USA 
öffentlich  zugänglich  ist,  auch  für  Nutzer  in  anderen  Ländern  öffentlich  zugänglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  können  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulässig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  überall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Über  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zugänglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Bücher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstützt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppcn  zu  erreichen. 
Den  gesamten  Buchtext  können  Sie  im  Internet  unter|http:  //books  .  google  .coiril  durchsuchen. 


ijtvuu-      V  fM    iV 


r    1 


LA  ESPANA 


SüS  ADELANTOS  HASTA  1852. 


LA  ESPANA 


SUS  ADELANTOS  HASTA  1852; 


EL  BARON  JULIO  DE  MINUTOLI,  Dr. 

iSTIMO    DE    a.    H.    EL    BSV    DE    PBUSIA ,    V    SU    CONSUL    QU 
EN    KaPAÜA    T    POKTHOAL. 


OBRA    DEDICADA 

A  S.  M.  LA  REINA  D."  ISABEL  U. 

(Q.  D.  G.) 


BERLIN. 

VENDESE  EN  CASA  DE  ALEJANÜRO  DUNCKKR, 

LIDKERO  DE  S.  H.  EL  RET  DE  PROSIA, 

1852. 


SPANIEN 

UND    SEINE 

I 

FORTSCHREITENDE  ENTWFCKELÜNG 

HIT     BESONDERER 

BERÜCKSICHTIGUNG  DES  JAHRES  1851 


Db.  JULIUS  FEEYHERRN  VON  MINUTOLI, 


MIT   LITHOORAPBIBTEH  BEILA 


S|,a^   U'i'i.  ZU 


Harvard  Coilege  Ubnry 

^    GIftof 
M.  A.  a  Coolldfi 


Quien  dice  Espana  lo  dice  todo. 


Veritas  victrix. 

Cicero. 


Non  omnia  dicentur,  sed  maxime  insignia. 

PUniua  Not  hisU  14,  2. 


Da  veniam  scriptis,  quorum  non  gloria  nobis 
Caussa,  sed  utilitas  officiumque  fiiit. 

OvitL  ex  Ponto  3,  9.  55—56. 


A  S.  M. 

LA  REINA  D/  ISABEL  II 

(Q.  D.  G.) 


f^tnaxa : 


Con  razon  se  admira  y  venera  en  Espana  el  recuerdo  de 
Isabel  la  Catölica.  Esta  esceka  Soberana  elevö  su  patria  ä  una 
aüura  hxista  entonces  desconocida^  estendiö  su  dominacion  hasta 
las  tierras  y  tesoros  del  nuevo  mundo  y  y  enarbolö  vencedor  el 
estandarte  del  cristianismo  sobre  elpaganismo  y  la  incredulidad. 
La  Mstoria  ha  inmortaiizado  su  nombre  y  pregonado  su  fama 
por  todo  el  orbe. 

Con  igual  encomio  devrd  apreciar  la  posteridad  el  reinado 
de  V.  M.;  pues  en  el  su  sabio  gobiemo  ha  llegado  d  elevar  hasta 
tal  grado  los  intereses  materiales  e  intelectuales y  las  ciencias  y 
las  arteSy  el  comercio  y  la  industria^  quepor  sus  consecuencias 
ha  de  principiar  este  reinado  un  periodo  muy  interesante  en  la 
Mstoria  de  esta  gran  nacion. 


Seria  hasta  una  ofensa^  Sefiora.  el  atreverme  ä  citar  ejeni^ 
plos  ö  buscar  pruebas  para  comprobar  esta  verdad.  San  hechos 
recUizados  y  conocidos  de  todo  el  reino^  hechos  que  hablan  por 
st  soloSy  de  que  el  porvenir  apreciarä  toda  la  importanciay  que 
celebrarä  bendiciendolos. 

Lo  poco  6  nada  conocidos  que  son  estos  hechos  fuera  de 
Espaiiay  donde  se  juzgan  con  parcialidad  6  injiLsticia,  es  lo  que 
me  ha  inovido  d  escribir  esta  obra  para  instruir  de  ellos  d  mis 
compatriota^.  La  posicion  oßcial  en  que  mi  augusto  Soberano 
me  ha  colocado  en  los  dominios  de  V.  M.  (Q.  D.  G.)  y  en  los 
que  he  encontrado  la  mas  benevola  acogida,  me  haproporcio- 
nado  ocasion  de  inspeccionarlo  todo  por  mi  mismo  y  de  pod^er 
fundar  mi  opinion  sobre  mis  propias  observaciones.  Habiendo 
examinado  y  escrito  con  imparcialidad ^  no  he  podido  tener  la 
intencion  de  adular  ni  de  herir.  La  verdad  ni  observa  por  un 
vidrio  coloreado  ni  por  uno  ennegrecido;  su  ojo  escudrinador 
penetra  ha^ta  elfondo  con  unafuerza  irresistible ;  puede  callar 
donde  no  se  ve  obligada  d  hablar,  perojamds  atestiguar  lo  con- 
trario de  lo  que  ha  visto. 

Senora!  con  el  mas  profundo  respeto  doy  gracias  d  V.  M. 
por  haberse  dignado  hacerme  el  honor  de  aceptar  la  dedicacion 
de  esta  obra  que  conßo  servirä  no  solo  para  rectificar  la  opi- 
nion  que  generalmente  se  tiene  formada  de  Espana,  sino  tam^ 
bien  para  aumentar  el  interes  que  debe  atribuirse  d  sus  recientes 
adelantos. 


SENORA 


A  L.  R.  P.  de  V.  M. 


Jruuo  ^e  t/ILiiiiitoti. 


Madrid  y  abril  1852. 


PROLOGO. 


jQue  pais  tan  maravilloso  y  encantador  es  la  Espana! 
jQue  aleman  no  habra  sentido  una  vez  en  su  vida  el  vivo 
deseo  de  visitarla!  y  sin  embargo  este  pais  que  encierra  en 
sus  monumentos  una  historia  completa  de  razas ,  de  cultura 
y  de  las  artes,  y  que  en  sus  bellezas  nos  ofrece  tanta  riqueza 
y  variedad  como  cualquier  otro  pais  del  globo ,  nos  es  muy 
poco  conocido  en  sus  relaciones  interiores. 

Los  alemanes  estamos  al  corriente  de  su  historia  antigua: 
sabemos  seguir  las  diferentes  razas  que  inundaron  el  suelo 
iberico:  acompanamos  a  Amilcar,  ä  Anibal,  ä  los  Escipiones 
y  ä  Augusto  paso  a  paso  por  las  montaiias  y  los  valles ,  en 
sus  batallas  y  sus  victorias;  contemplamos  el  astro  descen- 
dente  del  hnperio  de  los  godos  y  la  decadencia  de  los  sober- 
bios  monumentos  que  hicieron  imnortal  la  dominacion  de  los 
moros;  admiramos  la  sabia  protectora  de  Cristöbal  Colon; 
permanecemos  asombrados  ante  el  trono  de  Carlos  I,  y  nos 
detenemos  delante  del  gobiemo  de  Felipe  11  obligados  a  tomar 


VIII 


aliento.  Los  alemanes  nos  hallamos  perfectamente  instmidos 
de  la  literatura  espaiiola;  conocemos  las  producciones  de  sus 
mejores  autores  y  las  obras  maestras  de  Murillo,  Velazquez, 
Ribera  y  Zurbaran.  Las  comedias  de  Calderon,  de  Lope  de 
Vega  y  de  Moreto  nos  deleitan  tanto  como  el  huinor  satirico 
del  ininortal  e  incomparable  autor  del  Ingenioso  hidaigo.  No- 
sotros  leemos  con  im  entusiasmo  siempre  naciente  las  des- 
cripciones  de  las  bellezas  naturales  de  Espana;  de  las  heladas 
cordilleras  del  Guadarrama  y  de  los  bosques  de  palmeras  de 
Elche ;  de  la  sublime  magnificencia  de  la  Sierra-nevada  y  de 
los  voluptuosos  campos  de  la  huerta  de  Valencia;  de  los  fabu- 
losos  portentos  de  la  Alhambra  y  de  las  estensas  y  poco  po- 
bladas  llanuras  de  Castilla ;  de  las  profimdas  sombras  de  Aran- 
juez  y  de  los  risueiios  y  floridos  jardines  de  Andalucia  con 
sus  olivos  de  etema  verdura  y  sus  naranjos  de  dorado  fruto. 
Si:  nosotros  buscamos  en  Espana  el  pais  de  la  poesia,  de  los 
Caballeros  y  de  las  damas ,  de  las  danzas  y  de  las  serenatas, 
de  los  mirtos  y  de  las  rosas ,  de  la  hermosura  y  del  placer. 

Todos  estos  encantos  tienen  fascinados  nuestros  sentidos, 
y  no  es  facil  salir  de  suefio  tan  fantastico  para  contemplar  la 
realidad. 

Los  terribles  golpes  y  las  duras  alternativas  del  destino ; 
las  tristes  pruebas  por  que  ha  pasado  la  Espana ;  las  guerras 
esteriores  y  civiles  que  han  conmovido  la  Iglesia  y  el  Estado 
hasta  sus  mas  profundos  cimientos,  produjeron  tal  impresion 
en  Alemania,  que  se  creyö  como  inmediato  un  desquiciamiento 
completo,  xma  ruina  total.  Esta  es  la  causa  porque  aun  en  el 
dia  sc  crce  que  la  instruccion  y  la  cducacion  del  pueblo,  la 
rcUgion,  las  ciencias  y  las  artes  estän  completamente  descui- 
dadas ;  poco  desarrollada  la  agricultura ,  y  el  comercio  y  la 
industria  totalmente  parahzados ;  y  por  la  cual  se  supone  que 


IX 


en  lugar  de  una  administracion  y  de  un  gobiemo  organizado 
existen  tan  solo  la  fuerza  y  el  despotismo ,  siendo  la  nacion 
pobrisima  material  e  intelectualmente.  Estas ,  por  desgracia, 
no  son  opiniones  que  carezcan  de  autoridad,  no;  son  los  jui- 
cios  de  hombres  cientificos  pronunciados  en  sus  discursos, 
estampados  en  libros  de  instruccion  y  estendidos  en  muchos 
circulos. 

Los  espafloles  no  gustan  de  escribir  sobre  su  estado  inte- 
rior:  viajan  poco,  y  por  esta  causa  tienen  pocas  relaciones 
eon  el  estranjero,  cuya  literatura,  a  escepcion  de  la  francesa, 
les  es  cuasi  desconocida.  Ademäs,  la  Espana  es  a  proporcion 
poco  visitada  por  los  estranjeros,  sobre  todo  por  los  alemanes. 
La  necesidad  de  conocer  el  idioma,  la  falta  de  aquellas  como- 
didades  para  viajar  que  se  encuentran  en  los  paises  mas  visi- 
tados  y  el  tiempo  mal  escogido  para  provincias  de  climas  tan 
diferentes,  son  causa  de  que  la  mayor  parte  de  los  viajeros 
se  circimscriban  ä  dar  por  mar  la  vuelta  a  la  peninsula,  visi- 
tando  tan  solo  algunos  puertos ;  y  de  que  empleando  muy 
poco  tiempo  para  poder  observar  bien,  toquen  en  sus  descrip- 
ciones  constantemente  los  estremos,  siendo  ü  optimistas  ö 
pesimistas. 

Por  lo  tanto  me  parece  oportuno  y  conveniente  el  tratar 
de  hacer  una  descripcion  la  mas  fiel  posible  del  importante 
estado  del  desarroUo  interior  y  de  los  progresos  de  Espana 
bajo  el  gobiemo  de  S.  M.  la  Reina  D.'  Isabel  11;  una  descrip- 
cion del  gobiemo  que  supo  resistir  a  los  movimientos  de  1848, 
mostrandose  digno  e  independiente  en  el  esterior  y  activo  y 
fiierte  en  el  interior.  En  todos  los  ramos  de  la  administracion 
se  ha  empezado  la  obra  con  fuerza  y  energia.  Un  escelente 
ejercito,  bien  disciplinado ,  instruido  y  equipado,  es  una  grau 
garantia:  con  sorprendentes  esftierzos  va  ä  reorganizarse  su  en 


otro  tiempo  floreciente  escuadra:  la  guardia  civil  sabiamente 
instituida  cuida  del  reposo ,  del  örden  y  de  la  seguridad ;  pla^ 
nes  de  estudios  para  las  escuelas  y  las  universidades ,  revisa- 
dos  y  examinados  con  madurez,  reglan  y  fomentan  la  instnic- 
cion  publica  y  la  educacion  cientifica:  los  acueductos,  los 
caminos  de  hierro,  las  calzadas  y  la  construccion  de  canales 
favorecen  las  comimicaciones  interiores,  el  comercio  y  la  agri- 
cultura ,  y  aseguran  un  dichoso  porvenir  a  la  actividad  indu- 
strial  que  progresa  rapidamente.  El  arreglo  de  la  deuda  del 
Estado  ha  elevado  el  credito  püblico ,  y  las  negociaciones  re- 
cientemente  tenninadas  con  Roma  han  impedido  la  ruptura 
de  los  intereses  de  la  Iglesia. 

Como  todas  las  cosas  son  susceptibles  de  perfeccionarse 
y  la  esperiencia  aconseja  cambios  continüos,  asi  debe  suceder 
en  Espana  donde  sus  entendidas  autoridades  trabajan  con 
finneza  y  probidad  escrupulosa  para  Uegar  a  la  perfeccion  y 
con  celo  patriötico  por  la  prosperidad  de  un  pueblo  en  el  cual 
el  principio  monärquico  estä  profiindamente  arraigado ,  y  el 
afecto  ä  su  actual  Soberana  tan  justamente  gravado  en  todos 
los  corazones. 

Si  los  sentimientos  de  justicia  nos  obligan  ä  reconocer  las 
virtudes  y  capacidad  hasta  en  nuestros  mismos  adversarios, 
con  muchisimo  mayor  placer  nos  apresuraremos  ä  conceder- 
selas  ä  una  nacion  aliada  nuestra  en  el  fondo  y  en  el  caracter, 
cuya  historia,  literatura  e  industria  han  conservado  tantos 
puntos  de  contacto  y  de  relaciones  con  nosotros.  He  creido 
por  lo  tanto  llenar  un  deber  hacia  mi  patria  proporcionändole 
con  la  descripcion  de  la  situacion  y  administracion  actual  de 
Espana  el  bosquejo  de  un  cuadro  cuya  ejecucion  y  perfec- 
cionamiento  cedo  gustoso  ä  otra  pluma  mejor  cortada  que 
la  mia. 


XI 


Yo  soy  prusiano  y  me  envanezco  de  serlo :  amo  a  mi  pa- 
tria  sobre  todas  las  cosas  del  mundo,  y  coloco  sus  institucio- 
nes  y  su  gobiemo  sobre  los  de  todas  las  demäs  naciones.  Por 
esto  en  mi  obra  no  quiero  comparar  sino  tan  solo  reimir  los 
hechos  de  un  modo  claro,  reservando  al  lector  reflexivo  el 
examen  y  juicio  subsiguiente.  Reserx'^o  para  mas  adelante 
ocuparme  de  la  Corte,  de  la  Iglesia,  de  la  politica  y  de  los 
empleados.  He  emprendido  este  trabajo  sin  mas  objeto  que 
averiguar  y  proclamar  la  verdad  y  los  hechos.  Para  este  fin 
he  visitado  las  escuelas ,  las  miiversidades ,  las  prisiones ,  los 
hospitales,  los  cuarteles,  los  establecimientos  püblicos,  las 
bibliotecas  y  los  archivos,  las  fabricas  y  los  talleres:  me  he 
puesto  en  relacion  con  los  directores  y  las  autoridades:  he 
estudiado  los  reglamentos  y  noticias  oficiales  donde  he  podido 
adquirirlas :  en  una  palabra  me  he  vaUdo  de  cuantos  medios 
licitos  han  estado  ä  mi  alcance.  A  pesar  de  todo  no  dudo 
haya  en  esta  obra  algunos  errores  e  inexactitudes ,  y  por  lo 
tanto  en  interes  del  asunto  y  de  la  verdad  agradecere  since- 
ramente  cuantas  rectificaciones  se  me  hagan,  del  mismo  modo 
que  reclamo  la  indulgencia  de  mis  lectores  por  las  faltas  que 
pueda  teuer  la  traduccion  al  aleman  de  las  ordenanzas  espa- 
jlolas  y  por  los  errores  inevitables  en  una  impresion  ejecuta- 
da  ä  tantisimas  leguas  de  la  residencia  del  autor. 

Me  resta  tan  solo  pagar  el  justo  tributo  de  mi  reconoci- 
miento  ä  cuantos  me  han  ausiüado  con  sus  consejos  y  me  han 
facUitado  este  trabajo:  ä  los  seflores  capitanes  generales  y 
gobemadores  de  las  provincias ;  ä  los  altos  fimcionarios  civi- 
les  y  mihtares ;  ä  los  rectores  y  profesores  de  las  universida- 
des;  ä  los  eruditos  y  a  los  archiveros;  a  los  industriales  y 
comerciantes ;  pero  ante  todos  al  digno  gefe  superior  del  cuer- 
po  de  ingenieros,  el  Exmo.  Sr.  D.  Antonio  Remon  Zarco  del 


XII 


Valle,  teniente  general  del  ejercito,  presidente  de  la  Academia 
real  de  ciencias  etc.  etc. ,  a  cuya  recomendacion  he  debido  las 
relaciones  mas  interesantes  y  el  conocimiento  particiliar  de 
los  oficiales  de  un  cuerpo  tan  distinguido  por  su  valor  como 
por  SU  saber  y  sölida  instruccion. 
Madrid  y  Abril  de  1852. 


EL  AUTOR. 


INHALTS  -VERZEICHNISS. 


ijreographische,   statistische   und   historische  Uebersicht  von 

Spanien  und  Charakteristik  seiner  Provinzen  und  Bewohner        1 

Die  Regierung 58 

Die  Spanische  Verfassung  vom  25  Mai  1845 63 

Das  Wahlgesetz  vom  23  Mai  1848 72 

Das   Ministerium    der   auswärtigen  Angelegenheiten.     Primera 

Secretaria  del  Despacho  de  Estado 87  * 

Das  Ministerium  der  Gmaden,  Justiz  und  des  öffentlichen  Unter- 
richts. Ministerio  de  Grracia,  Justicia  y  Instruccion  publica  88 
Friedensgerichte,  Untergerichte,  Appellhofe,  Ober- Tribunal, 
Geistliche  Gerichte ,  Spezialgerichte.  Gerichtsverfahren. 
Rechtsgeschichte.  Oeffentlicher  Unterricht,  Universitäten, 
Academien.     Studienpläne,  Elementarschulen. 

Das  Finanz-Ministerium.    Secretaria  de  estado  y  del  Despacho 

de  Hacienda    195 

Zollwesen.  Budget.  Steuergesetz.  Stempelgesetz.  Staats- 
schuld.   Lotterie.    Bank.     Geldmünzen. 

Das  Ministerium  des  Innern.    Secretaria  de  Estado  y  del  Des- 
pacho de  la  Gobemacion  del  Reino    235 

Provinzialverwaltung.  Gemeindeordnung.  Polizei.  Asseku- 
ranzen. Baupolizei  und  Bauten.  Marktverkehr.  Gasthofe. 
Mineralquellen.  Aerzte.  Armenpflege.  Gefangnisse.  Posten. 
Archive.     Zeitungen. 

Das  Ministerium  zur  Beförderung  der  materiellen  Interessen. 

Ministerio  de  fomento 340 

Minen.  Wegebau.  Elsenbahnen.  Brücken.  Kanäle.  Puertos. 
Maasse  und  Gewichte.  Landwirthschaft  Ackerbau.  Jagd. 
Fischerei.  Colonisation.  Industrie  und  Handel.  Cuba, 
Puerto  Rico  und  die  Philippinen. 


XII 

Das  Kj*iegs-MiQisterium.    Secretaria  de  Estado  y  del  Despacho 

universal  de  la  Guerra  ...-». 503 

Militairgerichtsstand.  Militair-Ober-Tribunal.  Militairstrafen. 
Infanterie.  Artillerie.  Ingenieure.  Cavallerie.  Guardia 
civil;  mozos  de  la  Escuadra.  Militair -  Verwaltung.  Inten- 
dantur. Militair-Aerzte.  Feldprediger.  Gehälter.  Pensionen. 
Wittwenkasse.  Ersatzwahlen.  Bekleidung,  Beköstigung, 
Sold  der  Soldaten.     Militairmusik.     Festungen. 

Das  Marine-Ministerium.    Ministerio  de  Marina 586 

Vei'waltung.  Marineschule.  Artillerie.  Kriegsflotte.  Han- 
delsmarine. 

Nachtrag 598 


( 

Geographische,  statistische  und  historische  Ueber- 
sicht  von  Spanien  und  Charakteristik  seiner 

Provinzen  und  Bewohner. 


Libcne  tnnt  eoglUtionet  Dottr«e,  «t  que  Tolont,  sie 
intucntur,  nt  e«  ccmimua,  qoM  Tidemut. 

Cicero  pro  HUone  XXIX.  79. 

Uas  Königreich  Spanien  im  westlichen  Europa  liegt  zwischen 
36°  0'  30''  bis  43°  46'  40"  nörcUicher  Breite  und  5°  34'  4"  ösüicher 
imd  7°^  2'  46"  westlicher  LSnge,  von  Madrid  aus  berechnet.  Die 
weiteste  Ausdehnung  von  Norden  nach  Süden,  vom  Cap  de  Penas 
nach  Tarifa,  beträgt  156  Leguas  (eine  Legua  etwa  -fj-  Preuss. 
Meile),  und  diejenige  von  Westen  nach  Osten,  vom  Cap  Finis- 
terra  bis  zum  Cap  Creus  198  Leguas.  Die  längsten  Tage  und 
Nächte  in  den  südlichen  Provinzen  zählen  14  Stunden  und  30 
Minuten,  die  in  den  nördlichen  15  Stunden  imd  15  Minuten. 

Der  Flächeninhalt  des  Spanischen  Festlandes  beträgt  14,855 
Quadrat- Leguas  (8441,17  Quadratmeilen  nach  Ritter),  welche 
von  12  —  14,000,000  Seelen  bewohnt  werden.  Nimmt  man  die 
Zahl  von  13,000,000  als  Mittelsatz  an,  so  wohnen  diu^chschnitt- 
lich  875  Menschen  auf  der  Quadrat-Legua.  Von  der  229  Leguas 
betragenden  Grenze  mit  dem  Festlande  kommen  87  auf  Frank- 
reich, 10  auf  Andora,  1  auf  Stadt  und  Festung  Gibraltar,  131 
auf  Portugal  Von  den  auf  487  Leguas  berechneten  Küstengren- 
zen gehören  250  dem  Mittelländischen  Meere  und  237  dem  At- 
lantischen Oceane  an. 

T.  Miaatoli,  Spanien.  1 


Spanien  ist  ein  Gebirgshochland,  im  Osten  sich  ziemlich  steil 
erhebend  und  nach  Westen  zu  sich  senkend.  Die  Haupt-Hoch- 
ebenen von  Neu-  und  Alt-CastiUen  hegen  2000  —  2200  Fuss 
über  dem  Meere.  Andahisien  bildet  die  dritte  abfallende  Stufe. 
Die  bedeutendsten  Caps  sind:  der  Ortegal,  Pefias,  Machichaco 
imd  Higuera  nach  dem  Cantabrischen ;  Creus,  Martin,  Palos  imd 
Gata  nach  dem  BEttelländischen  Meere  und  Gap  Finisterra  nach 
dem  Atlantischen  Oceane  zu.  Die  Gebirge  sind  nach  den  Spani- 
schen Lehrbüchern  zunächst,  in  einer  Ausdehmmg  von  236  Le- 
guas,  die  Pyrenäischen  Cordilleren,  vom  Gap  Creus  bis  zum  Gap 
Finisterra,  und  zwar:  die  Galiberischen  bis  Higuera;  die  Canta- 
brischen oder  centralen  bis  zur  Sierra  Alba,  auf  der  Grenze  von 
Asturien  und  Santander;  die  Asturianischen  oder  westUchen,  bis 
zur  Sierra  von  Ibia  imd  Buron,  welche  Asturien  von  Galicien 
treimen;  und  zuletzt  die  Gahcisch-Portugiesischen,  welche  Gali- 
cien von  Portugal  scheiden  und  sich  in  die  nördhchen  und  süd- 
lichen thcilen.  Die  Galiberischen  trennen  sich  in  die  östlichen 
oder  Aquitanischen ,  hohen  imd  niederen  Pyrenäen.  Die  höch- 
sten Punkte  sind  der  Nethu  imd  Anethu,  Nebenhöhen  des  Mala- 
detto,  12,460  Fuss  hoch;  der  Monte  perdido  oder  die  drei  Schwe- 
stern, 12,215  Fuss  hoch;  nach  Osten,  ein  weitverbreiteter  Ge- 
birgszug, die  Catalanischen  Pyrenäen  mit  dem  Monserrat  4471 
Fuss  hoch.  In  den  Central-Pyrenäen  hegen  die  Berge  von  Rei- 
nosa,  welche  die  Grenze  mit  den  Iberischen  CordiUeren  bilden, 
die  beim  Cap  von  Gata,  in  einer  Ausdehnung  von  190  Legiias 
auslaufen,  indem  sie  die  Halbinsel  in  zwei  mächtige  Senkungen 
oder  Flussgebiete  scheiden,  die  östüche  und  westliche;  diese 
bedeutend  grösser  als  jene.  Die  Sierra  von  Burgos,  von  Urbion, 
Muedo,  Ministra,  Molina,  Albarracin,  Cuenca,  Alcarraz,  Cullar, 
Filabres,  gehören  zu  demselben  Systeme;  der  liöchste  südüche 
Punkt  ist  der  Gabezo  de  Maria,  6861  Fuss  hoch.  In  derselben 
Kette  treten  der  5982  Fuss  hohe  Moncayo  hervor,  mit  dessen 
Ausläufern  sich  der  Gebirgszug  Carpeto-Vetonica,  so  wie  weiter 
unten  die  Guadarrama  häufig  verschUngt,  die  nach  einem  Laufe 
von  143  Leguas  im  Cap  Roca  in  Portugal  ausläuft;  sodann  die 


Serrania  von  Ciienca,  Anfang  der  Oretd-IIorminiana,  oder  der 
Höhen  von  Toledo,  welche  sieh  bis  zum  Cap  Espiehel  136  Le- 
giias  imd  bis  zum  Cap  Vincente  156  Legnas  Aveit  erstrecken. 
Die  Sierra  von  Alcarraz  bildet  den  Anfang  der  Marianischen 
Cordilleren,  auch  Sierra  Morena  genannt ,  welche  in  einer,  fast 
100  Leguas  betragenden  Länge  nach  dem  Cap  Vincente  sich 
ausdehnt.  Von  der  Sierra  Filabres  beginnt  die  Sierra  Penibetica 
oder  Nevada,  deren  Ausläufer  der  Fels  von  (iribraltar  bildet.  In 
einer  Länge  von  60  Leguas  gehören  dazu:  die  Sierra  de  las 
Cabras,  die  von  Ronda,  und  die  Gazules;  die  höchsten  Punkte 
sind  der  Mulhacan,  12,772  Fuss;  Picacho  de  la  Veleta,  12,459; 
Sierra  de  Lugar,  6861  Fuss  hoch.  In  der  östlichen  Sierra  de 
Gador  erhebt  sich  das  Gebirge  bis  7800  Fuss;  der  nördliche  Zug, 
der  Idubeda  der  Römer ,  steigt  in  der  SieiTa  von  Gudar  bis  zur 
Höhe  von  9000  Fuss.  Die  Hauptzüge  der  Cordilleren  des 
Spanischen  Festlandes  durchlaufen  eine  Strecke  von  1253  Leguas. 

Mit  diesem  Systeme  hängen  die  übrigen  Wasserscheiden 
zusammen,  die  sich  langsamer  oder  schneller  senken;  Cuencas 
bilden  Flussgebiete  nach  entgegengesetzten  Richtimgen;  Semi- 
cuencas  leiten  nur  nach  einer  Seite  ihre  Wasseradern  dem 
Meere  zu.  Die  Pyrenäen  senden  ihre  Flüsse  über  den  nörd- 
lichen Abhang  nach  dem  Cantabrischen  Meere.  Der  südliche  Ab- 
hang, von  den  Bergen  von  Reinosa  ab,  dem  nördlichen  der  (>ar- 
peto-VetonicÄ  oder  Guadarrama  gegenüber,  ergiesst  seine  Wasser 
in  den  Duero  und  heisst  von  da  ab:  Cuenca  dos  Duero,  Carpeto- 
Pirenaica  oder  Pirenaico-Carpetana.  Dies  Wasserbecken  enthält, 
auf  jeder  Seite  des  Stromes  eine  Legua  Breite  gerechnet,  2940 
Quftdrat-Leguas.  Das  Tajobecken,  Carpeto-Oretana  enthält  2568; 
das  des  Guadiana,  das  Oreto-Marianische  1712;  des  Guadalqui^ir 
oder  die  Mariani-Peiiica  1605;  des  Ebro  oder  Iberica  2996  Qua- 
drat-Leguas.  Der  Südabhang  der  Pefiibetica  gelit  hauptsächlich 
nach  dem  Mittelländischen  Meere,  zu  einem  kleinen  Theile  nach 
dem  Ocean,  er  heisst  Semicuenca  Traspenibetica  meridional.  i 

Im  Vergleiche  zu  den  vorgenannten  bilden  die  übrigen 
Cuencas  und  Semicuencas  eine  Orchiung  zweiten  Ranges.     Es 

1* 


sind  dies  zimächst  die  westlichen  Zweige  der  Pyrenäen;  Inter- 
pirenaica  oceidental  oder  das  Becken  des  Mino,  und  nach  Osten 
zu,  Interpirenaica  oriental,  das  Llobregat  -  Becken.  Von  den 
Iberischen  Cordilleren  flicssen  nach  Osten  der  Turia  oder  Gua- 
dalaviar  und  der  Jucar  und  Segura.  Von  den  westlichen  Ab- 
hängen der  Penibetica  fliesst  der  Guadalete,  von  denen  der 
Sierra  Morena,  der  Oriel  und  Tinto.  Die  Gaücischen  Pyrenäen 
endlich  haben  nach  Westen  die  Semicuenca  Traspirenaica  und 
die  Aquitanischen,  nach  Osten  die  Traspirenaica  orientaL  Die 
Flüsse  sind  entweder  Hauptflüsse  (principales),  je  nachdem  sie 
das  Wasser  von  einer  bedeutenderen  Cuenca  erhalten;  oder 
Nebenflüsse  (afluentes),  welche  sich  in  die  grösseren  ergiessen, 
oder  Zuflüsse  (subafluentes),  wenn  sie  den  letzteren  ilir  Was- 
ser zufüliren. 

Der  Lauf  des  Duero  wh'd  auf  150  Leguas  berechnet  Die 
Hauptbrücken,  welche  ihn  überschreiten,  sind  die  von  Aranda, 
Puente  de  Duero,  Tordesillas,  Toro  und  Zamora.  Mit  seinem 
rechten  Ufer  stehen  die  Kanäle  von  Castilla  imd  Campos  in  Ver- 
bindung. Der  projektirte  Kanal  von  Segovia  soll  im  linken  Ufer 
münden.  Der  Tajo  hat  einen  Lauf  von  170  Leguas;  er  nimmt 
61  Nebenflüsse  auf  und  war  früher  bis  Toledo  schiffbar.  Brücken 
verbinden  die  Ufer  dieses  Stromes  bei  Toledo,  Aranjuez,  Fuen- 
tiduena,  Puente  del  Arzobispo,  Almaraz  und  Alcantara.  Die  zur 
Rechten  damit  zu  verbindenden  Kanäle  von  Guadarrama,  Jarama 
und  Manzanares  sind  erst  begonnen.  Der  Guadiana  durchläuft 
130  Leguas  bis  zu  seinem  Ausflusse,  nachdem  er  40  Nebenflüsse 
in  sich  aufgenommen.  Die  schönsten  Brücken  überschreiten  ihn 
bei  Merida  und  Badajoz.  100  Leguas  berechnet  man  den  Lauf 
.des  Guadalquivir  mit  35  Nebenflüssen.  Die  prächtigsten  Brücken 
führen  bei  Andiijar,  Cordova  und  Sevilla  liinüber;  von  letztge- 
nannter Stadt  ist  er  flir  grosse  Fahrzeuge  schiffbar,  imd  nimmt 
den  Ferdinands-Kanal  in  sich  auf  Der  Ebro  vereinigt  die  Wasser 
von  150  Zuflüssen  in  seinem,  120  Leguas  zählenden  Laufe.  Er 
speist  den  Kaiserkanal  von  Aragon  und  die  Kanäle  von  Tauste 
und  San  Carlos.  Unter  seinen  Brücken  sind  die  von  Tudela  und 


Zaragoza  berühmt.  Der  Guadalaviar  oder  Turia  nimmt  in  einer 
Strecke  von  50  Leguas  28  Nebenflüsse  in  sich  auf;  der  Lauf  des 
Jucar  beträgt  74,  der  des  Segura  45,  der  des  Muio  60  Leguas. 

Das  Ehma  von  Spanien  ist  im  Allgemeinen  gesimd;  frisch 
in  den  Nordprovinzen,  heiss  im  Süden,  gemässigt  imd  milde  in 
den  Küstenstrichen,  hat  man  die  mittlere  Temperatur  auf  17^,06 
in  den  Mittelprovinzen,  auf  1 4°,96  im  nördlichen  Spanien  berech- 
net In  Cadiz  beträgt  die  mittlere  Temperatur  20°,5,  in  Barcelona 
17°,50,  die  höchste  33°,  die  niedrigste  0°;  in  Madrid,  bei  einer 
Lage  von  2412  Fuss  über  dem  Meere,  beträgt  die  mittlere  Tem- 
peratur 15°. 

Die  Fruchtbarkeit  des  Landes  ist  übergross.  Alle  Getraide- 
imd  Obstarten  des  mittleren  und  nördüchen  Europas  gedeihen 
in  Spanien;  aber  die  Früchte  des  Südens  reifen  in  seltener  Pracht 
und  Fülle.  Wein,  Oliven,  Mais  und  Reis,  Zuckerrolu*,  Baum- 
wolle und  Palmen  tragen  reichliche  Früchte.  Daneben  birgt  die 
spendende  Muttererde  in  ihrem  Schoosse  edle  Metalle,  Stem- 
kohlen,  Salz  und  Mineralquellen  in  grosser  Menge.  —  Wenn  es 
wahr  ist,  dass  Spanien  zur  Zeit  der  Römerherrschaft  40,000,000 
Bewohner  ernähren  konnte,  wenn  man  noch  heute  in  den  gross- 
artigen Trümmern  der  Römischen  und  Maurischen  Schöpfungen, 
in  den  Aquaeducten,  Bewässerungs-Anlagen,  Brücken  und  Hä- 
fen, in  den  ungeheueren  Umfassimgen  und  Befestigungen  der 
Städte ,  in  den  Prachtbauten  der  Tempel  und  Moscheen  —  die 
Mittel  erkennen  und  bewundem  muss ,  die  Spanien  so  gross,  so 
reich,  so  gewaltig  werden  und  herrschen  hessen,  durch  die  innere 
Kraft  seines  Bodens,  durch  die  Vollkommenheit  seiner  Industrie, 
durch  die  Ausdehnung  seines  Handels,  durch  den  Reichthum 
seiner  Europäischen  und  Americanischen  Besitzungen,  diu'ch 
den  Charakter  seines  Volkes  und  die  Herrschertugenden  seiner 
Könige  —  so  kann  man  dem  Gefiihle  der  Wehmuth  nicht  wehren, 
und  den  lebendigen  Wunsch  nicht  unterdrücken,  dass  nach  so 
vielen  traurigen  Phasen  der  Geschichte ,  nach  so  vielen  Verfol- 
gungen und  Erschütterungen,  nach  so  blutigen  Opfern  imd  so 
bitteren  Erfahrungen  —  das  über  Spanien  aufgegangene  Morgen- 


6 

roth  sich  zum  kräftigen  Lichte  entwickehi  möge;  dass  der  ange- 
brochene Tag  mit  Helle  und  Wärme  erleuchte  und  belebe,  dass 
das  schöne  Spanien,  seiner  weltgescliichtüchen  Vergangenheit 
emgedenk,  sich  die  ihm  gebührende  Stellung,  sich  seine  Zukunft 
sichere!  Nur  vorwäi'ts!  Der  Anfang  ist  gemacht!  Der  Donner 
der  Geschütze  ist  verhallt;  die  Opfer  des  Bürgerkrieges  sind  be- 
graben; die  Wunden  sind  vernarbt,  die  Thränen  getrocknet. 
Ruhe  und  Ordnung  sind  wiedergekehrt.  Der  Pflug  durch- 
sclmeidet  das  Land,  die  Esse  raucht,  der  Hammer  schallt,  die 
Spindel  eilt,  das  Segel  schwillt  —  der  Verkehr  mit  semer 
Wechselwirkiuig  belebt  das  Land.  Nicht  poUtisclie  Kämpfe, 
nicht  der  Ehrgeiz  und  die  Habsucht^  nicht  HypoÜiesen  mid  Hu-n- 
gespmnste  des  Egoismus,  nicht  die  zersetzenden,  auflösenden 
walmsinnigen  Ideen  socialistischer  Projektenmacher,  denen  gött- 
üches  und  menscldiches  Recht  weniger  gilt  als  der  Kitzel  des 
augenbückhchen  Simienrausches  —  nein,  die  Segnungen  des 
Friedens  sind  es,  der  Fleiss  des  Landmannes,  die  Kraft  und 
Lust  des  Ai'beiters,  die  allgemeine  Sicherheit  und  Ordnung,  das 
Vertrauen  zu  sich  selbst  und  zur  Regierung,  Gehorsam  dem  Ge- 
setz, Liebe  dem  Vaterlande,  Treue  der  Königin!  —  das  sind 
die  Losungsworte,  welche  Spanien  begleiten  mögen  bei  dem 
kräftigen  Fortschritte  auf  dem  betretenen  Wege,  um  das  Verlo- 
rene wieder  zu  gewimien. 

Es  gehören  freiüch  ungeheuere  Mittel,  Kraft  und  Ausdauer 
dazu,  und  wenn  man  auch  nicht  vor  den  Schwierigkeiten  zu- 
rückschrecken, so  soll  man  sich  dieselben  doch  nicht  als  zu  ge- 
ring vorstellen,  sondern  sie  sich  klar  machen,  um  mit  vereinten 
Kräften  den,  wemi  auch  langsamen,  so  doch  sicheren  Weg  zu 
verfolgen. 

Zu  diesen  Schwierigkeiten  zälile  ich:  die  Verschiedenartig- 
keit des  Bodens  und  Klimas,  der  Verschiedenartigkeit  des  Cha- 
rakters, der  Gewohnheiten  und  Interessen  der  Bewohner  ent- 
sprechend; den  Mangel  genau  bezeichneter  Grenzen  des  Land- 
besitzes; den  ]\Iangel  des  freien  Eigenthums,  wegen  Belastung 
des  Grundes  imd  Bodens  mit  Servituten;  die  dadurch,  namentlich 


durch  Missbrauch  des  Jagd-  und  Waiderechts  entzogene  ent- 
sprechende Benutzung;  die  zur  Anlage  und  Unterhaltung  hin- 
reichender Landstrassen  bestehenden  imgünstigen  Verhältnisse ; 
die  Hindemisse,  die  sich  der  Schiffbarmachung  der  Ströme  ent- 
gegenstellen; den  Mangel  an  Wasser;  die  Erderschütterungen 
und  die  der  Gesundheit  nachtlieihgen  Luftströmungen.  —  Aber 
auch  in  den  Abgaben-,  Steuer-  und  Schuldverhältnissen  hegen 
Schwierigkeiten,  die  nur  durch  Weisheit  und  Erfalxrung  erkaimt 
und  überwunden  werden  können. 

Die  in  den  Untemchts-Anstalten  gelehrte  Eintheilung  Spa- 
niens behandelt  die  physische,  politische,  ethnograi)hi- 
sche  und  administrative  Lage  des  Landes.  Es  werden  drei 
Theile  unterschieden:  das  Festland  (pemnsida),  die  Nachbai*- 
lander  (adjacentes)  imd  die  überseeischen  Colonien  (ultramar). 

Im  Festlande  bestanden  verschiedene  Königreiche,    zwei 
Ffirstenthümer  und  eine  Herrschaft.    Gegenwärtig  ist  das  Fest- 
land in  47  Provinzen  geüieilt,  von  denen 
zrnn  Königreich  Gahcien  —  La  Coruna,  Lugo,  Pontevcdi'a  und 

Orense  gehören ; 
zu  Leon  —  Leon,  Zamora  mid  Salamanca.  Einige  reclmen  Val- 
ladohd  imd  Palencia  hierher,  was  von  Andern  zu  Alt-Casti- 
Hen  gezählt  wird; 
zu  Alt-Castihen  —  Santander,  Burgos,  Logi'ono,  Soria,  Segovia, 

imd  Avila; 
zum  Fürstenthimi  Asturien  —  0 viedo ; 
zum  Königreich  Navarra  —  Pamplona ; 
zur  Herrschaft  Viscaya  —  Viscaya,  Guipuzcoa  und  Alava; 
zum  Königreich  Aragon  —  Zaragoza,  Huesca  imd  Teruel; 
zum  Fürstenttium  Catalonien  —  Lerida,  Gerona,  Barcelona  und 

Tarragona ; 
zum  Königreich  Valencia  —  Valencia,  Ahcante  und  Castellon 

de  la  Plana; 
zum  Königreich  Murcia  —  Murcia  und  Albacete ; 
zu  den  vier  Königreichen  von  Andalusien  —  Jaen,  Cordova, 
Sevilla,  Almeria,  Granada,  Malaga,  Cadiz  imd  Huelva; 


8 

zum  Königreich  von  Estremadura  —  Caceres  und  Badajoz ; 
zu  Neu-Castilien  —  Toledo,  Ciudad-Real,  Cuenca,  Guadalajara 
und  Madrid. 
Die  Nachbarländer  (adjacentes)  bestehen  in  den  Balearischen 
und  Canarischen  Inseln ;  in  den  festen  Plätzen  (presidios)  Genta, 
Penon  de  Velez,  Alliucemas  und  Melilla  auf  der  Africanischen 
Küste,  und  den  in  der  Nähe  belegenen  Chafarinen- Inseln  Fer- 
nando del  Po,  Aneboa  und  Corisco. 

jZu  den  überseeischen  Colonien  (ultramar)  gehören  in  Ame- 
rica die  Inseln  Cuba  und  Puertorico,  so  wie  die  Jungfrauen- 
Inseln. 

In  Asien  (Oceanien)  besitzt  Spanien  die  Philippinen,  die  Ma- 
rianen ,  die  Bissayer  Inseln ,  die  Caroünen  imd  Palaos. 

In  der  politischen  Eintheilung  Spaniens  unterschei- 
det man :  - 

1.  Das  rein  constitutionelle  Spanien  (Espana  uniforme)  um- 
fasst  die  34  Provinzen  der  Krone  von  CastUien  und  Leon  in  allen 
Zweigen  der  Verwaltung,  Besteuerung,  Gerichtsverfassung,  für 
Militair  und  Civil  übereinstimmend. 

2.  Das  incorporirte  Spanien  (Espana  asimilada)  enthält  die 
11  Provinzen  der  Krone  Aragon,  verschieden  in  der  Besteue- 
rung wie  in  einigen  privatrechtiichen  Bestimmungen. 

3.  Espana  foreal,  welches  die  vier  Provinzen  von  Navarra 
und  die  Basken  umfasst,  die  weder  mihzpflichtig  sind,  noch  die 
RegaUen  anerkennen,  sondern  ihr  Provinzial-Recht,  theils  in  der 
Verwaltung  und  im  gemeinen  Rechte,  theils  im  Betreff  der 
Steuern  haben,  zu  denen  sie  sich  selbst  einschätzen. 

4.  Espana  presidial,  welches  gemeinschaftliches  Civil-Recht 
mit  dem  übrigen  Spanien  hat,  jedoch  hinsichts  des  peinlichen 
Rechts  unter  dem  Kriegsgerichte  und  Kriegs  -  Recht  steht. 

5.  Espana  colonial,  die  überseeischen  Provinzen  in  Afirica, 
America  und  Asien,  welche  durch  Specialgesetze  von  Militair- 
chefs  regiert  werden. 

In  ethnographischer  oder  sprachlicher  Beziehung 
unterscheiden  sich  die  Spanischen  Provinzen  in  Castilianische, 


Lemosinische ,  Baskische ^  Galicische,  Atlantische,  Afincanische 
und  Malaiische. 

Hinsichts  der  Verwaltung  und  Regierung  sind  im  Fest- 
lande und  den  Inseln  nach  drei  neueren  Zeitabschnitten  Verän- 
derungen eingetreten. 

Am  17  und  25  April  1810  wurde  Spanien  durch  fremde 
Gewalt  in  38  Präfecturen,  111  Unter -Präfecturen  und  15  Miü- 
tair- Divisionen  (die  Inseln  nicht  mit  einbegriffen)  getheilt, 

am  27  Januar  1820  durch  die  Cortes  in  52  Provinzen  und 
13  Mihtair-Districte  geschieden,  und 

durch  Decret  vom  30  November  1833,  26  Januar  imd  21 
April  1834  und  8  September  1841  ist  die  noch  gegenwärtig  be- 
stehende Mihtair-,  kirchliche,  Justiz-  und  Provinzial-Eintheüung 
zur  Ausfuhrung  gekommen. 

Hinsichts  der  Militair-Eintheilung  umfa^sst  Spanien 
1 7  General-Capitanate,  und  zwar  1 1  auf  dem  Festiande,  3  in  den 
A<]yacentes  und  3  in  den  Colonien. 

L  Auf  dem  Festlande  bestehen  die  General-Capita- 
nate von: 

1.  Neu-Castilien  mit  den  6  Provinzen  von  Cuenca,  Ciudad- 

Real,  Toledo,  Madrid,  Guadalajara  und  Segovia,  mit  einem 
Militair-Gouvemement,  einer  Commandantschafb  der  Ar- 
fiUerie  und  den  übrigen  Mihtair-Commando's.  Es  gehö- 
ren dazu  2616  Quadrat-Leguas  mit  1,400,872  Einwohnern. 

2.  Catalonien  mit  den  Provinzen  Lerida,  Gerona,  Barcelona 

und  Tarragona;  enthält  14  Militair-Verwaltungen  (gobier- 
nos)  und  11  Commandantschaften  auf  1004  Quadrat-Le- 
guas und  eine  Bevölkerung  von  1,041,797  Seelen. 

3.  Andalusien  mit  den  Provinzen  von  Sevilla,  Huelva,  Cadiz 

und  Cordova;  enthält  ausser  der  Befehlshaberstelle  del 
Campo  de  Gibraltai*  1 1  Militair-Verwaltungen  und  7  Com- 
mandantschaften. Der  Flächeninhalt  beträgt  1109  Qua- 
drat-Leguas und  die  Bevölkerung  1,143,808  Seelen. 

4.  Valencia  imd  Murcia  mit  Castellon,  Valencia,  Murcia,  Ali- 

cante  und  Albacete;  hat  10  Verwaltungen  und  eben  so 


10 

viele  Commandantschaften  9  1486  Quadrat- Leguas  und 
1,430,205  Seelen. 

5.  Galicien  mit  Coruna,  Lugo,  Pontevedra  und  Orense;  mit 

15  Militair -Verwaltungen  und  4  Commandantsehaften, 
1052  Quadrat -Leguas  und  1,471,985  Einwohnern. 

6.  Aragon  mit  den  Provinzen  Huesca,  Zaragoza  und  Teruel; 

mit  7  Älilitaii' -Verwaltungen  und  5  Commandantsehaften, 
1233  Quadrat -Leguas  imd  751,195  Seelen. 

7.  Granada  mit  Granada,  Almeria,  Malaga  und  Jaen;  mit  7  Mi- 

litah' -Verwaltungen,  5  Commandantsehaften,  1174  Qua- 
drat-Leguas  und  1,211,124  Einwohnern. 

8.  Alt-Castilien  mit  Avila,  Leon,  Zamora,  Salamanca,  Valla- 

doUd,  Palencia  und  Oviedo;  mit  5  Gobiernos,  4  Comman- 
dantsehaften, 2400Quadrat-Leguas  und  1,542,803  Seelen. 

9.  Estremadura  mit  Caceres  und  Badajoz;  mit  7  Gobier- 

nos, 2  Commandantsehaften,  1211  Quadrat-Leguas  imd 
545,575  Seelen. 

10.  B  urgo  s  mit  Santander,  Soria  und  Logrono ;  mit  6  Gobiernos, 

5  Commandantsehaften,  1052  Quadrat-Leguas,  655,678 
Seelen. 

11.  Navarra  und  die  Vascongadas,  mit  Pamplona,  Viscaya, 

Guipuzcoa,  Alava;  mit  11  Gobiernos,  5  Commandant- 
sehaften, 566  Quadrat-Leguas,  502,705  Seelen. 
U.   In  den  Adjacentes  befinden  sich  3  General- Capitanate, 
und  zwar: 

1.  in  den  Africani sehen  Besitzungen  4  Gobiernos  und  1  Com- 

mandantschaft ; 

2.  auf  den  Balearen  mit  iliren  Provinzen  14  Gobiernos  und 

5  Commandantsehaften,   auf  147  Quadrat-Leguas  mit 
emer  Bevölkermig  von  229,197  Seelen; 

3.  auf  den  Canarischen  Inseln  8  Gobiernos  und  1  Comman- 

dantschaft,  auf  697  Quadrat-Leguas  mit  109,950  Seelen, 
in.   In  den  überseeischen  Colonien : 
1.  In  America:  a)  Cuba  mit  11  Verwaltungen  auf  3497  Qua- 
drat-Leguas mit  1,000,000  Seelen; 


11 

b)  Puertorico  mit  2  Gobiemos  auf  500  Quadrat- 
Leguas  mit  200,000  Einwolmeiii. 
2.  In  Asien  (Oceania)  auf  den  Philippinen;  8  Militair- Verwal- 
tungen mit  3,000,000  Seelen  auf  4300  Quadrat-Leguas. 
In  jedem  General-Capitanate  befinden  sich  so  viele  General- 
Commandanten,  als  Provinzen  zu  demselben  gehören. 

Die  Friedensstärke  des  Heeres  beläuft  sich  auf  90,000  Mann. 
Die  Seemacht  begreift  die  nachgenannten  4  Departements 
und  Depositar 

1.  Ferrol,   wozu  die  Civil -Verwaltungen  der  Küstenprovin- 

zen von  Pontevedra,  Cormla,  Lugo,  Oviedo,  Santander, 
Bilbao  und  Tolosa  gehören. 

2.  Cartagena  mit  den  Küstenstrichen  von  Almeria,  Murcia, 

Alicante,  Valencia,  Castellon  de  la  Plana,   TaiTagona, 
Barcelona,  Gerona  und  den  Balearen. 

3.  Cadiz  mit  den  Küsten-Districten  von  Granada^  Malaga,  Ca- 

diz  und  Genta,   Huelva  imd  Sevilla  mit  seiner  Fluss- 
scliiflfahrt,  und  mit  den  Canarischen  Inseln. 

4.  Die  Havana  mit  sämmtlichen  überseeischen  Colonien. 

Es  giebt  17  Tercios  navales  mit  35  Provinzen  der  Seedivi- 
sion,  und  53  Hafen  -  Capitains.  Die  Marine  bestand  zu  Anfang 
des  Jahres  1851,  mit  Ausschluss  der  im  Bau  begriffenen  Schiffe, 
im  Ganzen  aus  58  Falu-zeugen. 

Die  kirchliche  Eintheilung  Spaniens  mit  denAdjacenten 
wies  im  Jalu*e  1851  acht  Erzbisthümer,  mit  65  Diöcesen,  54  Bis- 
tliümem,  65  Kathedralen,  100  Collegiaten  und  20,462  Paroclüen 
nach.  Im  Jalu'c  1834  hatte  die  Spanische  Geistlichkeit  aus 
8  Erzbischöfen,  77  Bischöfen,  2393  Domlierren,  1889  Präben- 
darien,  16,481  Pfarrern,  4929  Vicaren,  17,411  Beneficiaten; 
27,757  ordinirten  Weltgeistlichen,  15,015  Sacristanen,  3927  Ad- 
ministranten ,  30,905  Mönchen  imd  24,700  Noimen  bestanden, 
welche  letztere  beide  in  1940  Klöstern  wohnten. 

Das  Erzbisthum  Santiago  lunfasst  die  BisÜiümer  Mon- 
donedo,  Lugo,  Orense,  Tuy,  Astorga,  Zamora,  Salamanca,  Avila, 
Ciudad-Rodrigo,  Plasencia,  Coria  und  Badajoz. 


12 

Das  Erzbisthum  von  Burgos  —  Santander,  Pamploaa, 
Galahori'a  und  Tudela. 

Das  Erzbisthum  von  Zaragoza  —  Tarazona,  Jaca, 
Huesca,  Barbastro,  Teruel  und  Albarracin. 

Das  Erzbisthum  von  Tarragona  —  Urgel,  Gerona^  Sol- 
sona,  Vieh,  Lerida,  Barcelona,  Tortosa  und  Iviza. 

Das  von  Valencia  —  Segorbe,  Orihuela,  Mallorca  und 
Menorca. 

Das  von  Granada  —  Almeria  xmd  Guadiz. 

Das  von  Sevilla  —  Cadiz,  Malaga  und  Genta,  die  Canari- 
sehen  Inseln  und  Tenerifa. 

Das  von  Toledo  —  Valladoüd,  Osma,  Segovia,  Siguenza, 
Cuenea^  Cordova,  Jaen  und  Cartagena. 

Eine  eximirte  Stellung  nehmen  ein  die  Bisthümer  von 
Oviedo  und  Leon,  und  die  bisehöflichen  Priorate  des  Ordens  von 
Santiago  in  Ueles  und  San  Marcos  de  Leon. 

Die  Kathoüsche  Kirche  in  den  Colonien  ist  durch  das  Erz- 
bisthum von  Cuba  oder  Santiago  vertreten,  dessen  Suffragane 
die  Bischöfe  von  Havana  mit  42,  und  von  Puertorico  mit  32  Pa- 
rochien  sind.  Zu  dem  Erzbisthum  von  ManiUa  gehören  die 
Bisthümer  von  Neu -Segovia,  Neu-Caceres  und  Cebu  mit  144 
Parochien. 

Jeder  Erzbischof  verwaltet  die  Diöcese  seiner  Residenz. 

Die  Mönchsklöster  in  Spanien  sind  faktisch  1835  aufgeho- 
ben. Gesetzhch  ward  diese  Aufliebung  durch  die  Bestimmimgen 
vom  29  Juh  1837  und  1  September  1841.  In  den  überseeischen 
Provinzen  bestehen  noch  8  Klöster  fiir  Mönche;  ausserdem  in 
Spanien  nur  noch  5  Missionshäuser  für  Asien  in  Valladoüd, 
Ocana  und  Monteagudo ;  so  wie  die  Aeseidapios ,  als  Bildungs- 
Anstalten  für  den  öffentUchen  Unterricht,  und  die  Hospitäler  von 
San  Juan  de  Dios  und  San  Vincente  Paul,  so  wie  die  Convente 
de  los  Santos  lugares  de  Jerusalem.  In  600  Nonnenklöstern 
wohnen  noch  gegenwärtig  12,000  Nonnen;  diese,  so  wie  14,000 
Mönche,  welche  die  Klöster  verlassen  haben,  erhalten  ihre  Ali- 


13 

mente  aus  Staatskassen ,  weil  die  Elostergüter  fiir  Nationalgut 
erklärt  und  eingezogen  worden  sind. 

Das  neue  Concordat  vom  16  März  1851  ist  zum  Gesetz  er- 
hoben. Dasselbe  beginnt  in  Artikel  1  mit  der  Darstellung  der 
Römisch -Katholischen  als  der,  mit  Ausschluss  jedes  anderen 
Cultus  allein  herrschenden  Kirche,  imd  schafft  (Art.  5)  ein  neun- 
tes Erzbisthimi,  und  zwar  das  von  Valladolid.  Es  sollen  danach 
bestehen  bleiben  die  Suffragan  -  Diöcesen  von  Almeria,  Astorga, 
Avila,  Badajoz,  Barcelona,  Cadiz,  Calahorra,  den  Canarischen 
Inseln,  Cartagena,  Cordova,  Coria,  Cuenca,  Gerona,  Guadiz, 
Huesca,  Jaen,  Jaca,  Leon,  Lerida,  Lugo,  Malaga,  Mallorca^ 
Menorca,  Mondonedo,  Orense,  Oriliuela,  Osma,  Oviedo,  Palen- 
cia,  Pamplona,  Plasencia,  Salamanca,  Santander,  Segorbe,  Se- 
govia,  Siguenza,  Tarazona,  Teruel,  Tortosa,  Tuy,  Urgel,  Vieh, 
und  Zamora.  Die  Diöcese  von  Albarracin  wird  mit  Teruel,  die 
von  Barbastro  mit  Huesca  vereinigt;  die  von  Ceuta  mit  Cadiz, 
die  von  Ciudad-Rodrigo  mit  Salamanca ;  die  von  Iviza  mit  Mal- 
lorca; die  von  Solsona  mit  Vieh;  die  von  Tenerifa  mit  den  Ca- 
narien;  die  von  Tudela  mit  Pamplona.  Dagegen  werden  neue 
Suffragan-Diöcesen  in  Ciudad-Real,  Madrid  imd  Vitoria  errichtet 
Die  Bischofsitze  von  Calahorra  und  Calzada  werden  nach  Lo- 
groiio,  der  von  Orihuela  nach  Alicante,  der  von  Segorbe  nach 
Castellon  de  la  Plana  verlegt.  Wo  Hülfsbischöfe  nöthig  sind, 
sollen  solche  angestellt  werden.  Desgleichen  General- Vicarien, 
wo  sie  nach  Ansicht  der  Bischöfe,  mit  Bezug  auf  die  neuen  Aen- 
derungen,  erforderlich  scheinen.  Hülfsbischöfe  sollen  sogleich 
in  Ceuta  imd  Tenerifa  eingesetzt  werden. 

Es  werden  von  jetzt  ab  zu  den  Erzbisthümem  nachgenannte 
Suffiragane  gehören: 

zu  Burgos  —  Calahorra  (oder  Logrofio),  Leon,  Osma,  Palencia, 
Santander,  Vitoria; 

zu  Granada  —  Almeria,  Cartagena  oder  Murcia,  Guadiz,  Jaen 
und  Malaga; 

zu  Santiago  —  Lugo,  Mondonedo,  Orense,  Tuy,  Oviedo; 

zu  Sevilla  —  Badajoz,  Cadiz,  Cordova,  die  Canarien; 


zu  Tarragona  —  Barcelona,  Gerona,  Lerida,  Vieh,  Tortosa, 

Urgel ; 
zu  Toledo  —  Ciudad-Real,  Coria,  Cuenca,  Madrid,  Pla^sencia, 

Siguenza; 
zu  Valencia  —  Mallorca,  Menorca,  Orilmela  oder  Alicante,  Se- 

gorbe  oder  Castellon ; 
zu  Valladolid  —  Astorga,  Avila,  Salamanca,  Segovia,  Zamora; 
zTi  Zaragoza  —  Huesca,  Jaca,   Pamplona,   Tarazona,  Teruel. 

(Art.  6.) 

Das  Privilegium  des  eximirten  Gerichtsstandes  der  Bischöfe 
von  Leon  und  0^iedo  fallt  fort  (Art.  8.) 

Mit  Bezug  auf  die  Veräusserung  der  Besitzungen  der  Mili- 
tair-Orden  von  Santiago,  Calatrava,  Alcantara  und  Montesa  sollen 
die  betreffenden  Ortschaften  der  geistlichen  Jurisdiction  des 
Grossmeisters  imterworfen  werden,  welcher  den  Titel  eines 
Bischofs  in  partibus  fuhren  wird.  (Art.  9.) 

Das  Capitel  der  Cathedral- Kirchen  soll  bestehen  aus  dem 
Decan,  der  stets  den  ersten  Platz  post  pontificalem  einnimmt^ 
aus  4  Würdenträgern,  dem  Archipresbyter,  Archidiaconus,  Sän- 
ger imd  Schulmeister,  so  wie  aus  dem  Schatzmeister  der  Metro- 
politane;  aus  4  Canonicis  de  oficio,  dem  Magistral,  Lectoral  und 
Doctoral,  so  wie  aus  einer  Anzahl  von  Canonicis  de  gracia. 
Ausserdem  sollen  bei  den  lürchcn  Beneficiaten  der  Capellane 
bestehen,  w^elche  wiederum  in  Presbyteres,  Diaconen  und  Sub- 
diaconen  getheilt  sind. 

Es  sollen  nach  Inhalt  des  Concordates  fungiren: 

Capittilare.    Beneficiaten. 

in  Toledo 

in  Sevilla 

in  Zaragoza 

in  Tarragona 

in  Valencia 

in  Santiago 


28 

24 

28 

22 

28 

28 

26 

20 

26 

20 

26 

20 

15 

Capitulare.    Beneficiaten. 

in  Valladolid ,    Granada,    Biirgos,    je    24 

und  20 72  60 

in  Barcelona,  Cadiz,  Cordova,  Leon,  Malaga, 

Oviedo  (6  Bisth.)  je  20  und  16 120  96 

in  Cuenca,  Jaen,  Lugo,  Palencia,  Pamplona, 
Salamanca,  Santander,  Badajoz,  Cartagena, 

Calahorra  (10  Bisth.)  je  18  und  14 180  140 

in  Almcria,  Astorga,  Avila,  Canarien,  Ciudad- 
Real,  Coria,  Gerona,  Guadiz,  Huesca, 
Jaca,  Lerida,  Mallorca,  Mondonedo,  Orense, 
Oriliuela,  Osma,  Plasencia,  Segorhe,  Se- 
govia,  Signenza,  Tarazona,  Teruel,  Tor- 
tosa,  Tuy,  Urgel,  Vieh,  Vitoria,  Zamora 

(28  Bisth.)  je  16  und  12 448  336 

in  Madrid 20  20 

in  Menorca 12  10 

(Art..  13.  17.)  Summa  ."TT     1014  796 

In  Toledo  bleiben  ausserdem  die  Würden  eines  Capellan 
mayor  de  los  Reyes  Catolicos,  in  Oviedo  die  des  Abtes  von 
Covadonga  (Art.  3)  bestehen. 

Da  nach  den  Bestimmungen  des  Concordates  der  Unterricht 
in  Allem  der  Lehre  der  Katholischen  Religion  conform  sein,  imd 
die  Bischöfe,  so  wie  die  mit  Ueberwachung  der  Reinheit  des 
Glaubens,  der  Sitten  und  des  Religionsunterrichtes  der  Jugend 
beauftragten  Diöcesan-Prälaten  frei  und  ungehindert  diese  Func- 
tionen in  allen  öflfentlichen  Schiden  erfüllen,  und  eine  besondere 
Vorsorge  bei  der  Gründung  tüchtiger  Bildungsanstalten  für 
Geistliche  beobachten  sollen ,  so  werden  Seminarien  ziu*  Ausbil- 
diuig  tüchtiger  Priester  errichtet,  und  femer  auch  Bedacht  ge- 
nommen werden,  «ut  ubi  necesse  sit,  domus  constituantur  et 
congregationes  religiosae  Sancti  Vincenti  a  Paulo,  S.  Pliilippi 
atque  alterius  regularis  Ordinis  ex  adprobatis ,  per  Apostolicam 
Sedem,  quae  simul  ecclesiasticis  viris  ad  se  recolligendum 


16 

iis  aliisque  ad  spiritualia  exercitia  peragenda,   caeterisque  id 
genus  piis  usibus  inservient».  (Art.  29.) 

Auch  fiir  Frauen  sollen  zu  einem  beschaulichen  dem  Wohl- 
thun  gewidmeten  Leben  ZufluchtsstÄtten  errichtet,  jedoch  Nie- 
manden der  Eintritt  (aditus  ad  religiosam  professionem)  gestat- 
tet sein^  der  nicht  vorher  seinen  Unterhalt  in  demselben  gesichert 
hat.  (Art.  30.) 

Die  zur  Deckung  der  Ausgaben  für  den  Cultus  vom  Staate 
herzugebenden  Mittel  sollten  bestehen: 

1.  in  dem  Ertrage  der,  der  Geistlichkeit  durch  Gesetz  vom 
3  April  überwiesenen  Güter ; 

2.  in  der  Almosen -Sammlung  der  Santa  Cruzada; 

3.  in  dem  Ertrage  der  Commenden  der  4  Militair- Orden; 

4.  in  Auflagen  auf  ländliches  und  städtisches  Eigenthum; 

5.  ausserdem  sollen  der  Geistüchkeit  alle  eingezogenen  Kir- 
chengüter, welche  noch  nicht  veräussert  sind,  überwiesen, 
und  das  Capital  der  zu  veräussernden  Güter  in  nicht  über- 
tragbare Inscriptionen  der  3procentigen  Staatsschuld  con- 
vertirt  werden. 

•  Nach  Art  31  des  Concordates  sollten  an  Besoldungen  fiir 
die  Geistliclikeit  vom  Staate  ausgesetzt  werden: 

1.  fiir  den  Erzbischof  von  Toledo 160,000  r. 

2.  fiir  die  Erzbischöfe  von  Sevilla  imd  Valen- 
cia, ä  150,000  r 300,000  - 

3.  fiir  die  von  Granada  imd  Santiago,  äl  40,000  r.  280,000  - 

4.  für  die  von  Burgos,  Tarragona,  Valladolid, 

Zaragoza,  ä  130,000  r 520,000  - 

5.  für  die  Bischöfe  von  Madrid  und  Barcelona, 

ä  110,000  r 220,000  - 

6.  fiir  die  Bischöfe  von  Cadiz,  Cartagena,  Cor- 

dova,  Malaga,  ä  100,000  r 400,000  - 

7.  fiir  die  Bischöfe  von  Almeria,  Avila,  Ba- 
dajoz,  Canarien,  Cuenca,  Gerona,  Huesca, 


17 

Jaen,  Leon,  LeticUt,  Lugo,  Malldrca,  Orense, 
Palencia,  Pamplona,  Salamanca,  Santander, 
Segovia,  Teruel  und  Zamora^  ä  90,000  r. . .       1,890,000  r. 

8.  die  übrigen  19  Bischöfe,  ä  80,000  r 1,520,000  - 

Die  Prälaten,  -welche  Cardinäle  sind,  er- 
halten ausserdem  jeder 20,000  - 

Die  Bischöfe  von  Ceuta  und  Tenerifa 
und  die  Prioren  der  Orden  erhalten 240,000  - 

In  Summa  für  die  Bischöfe 5,530,000  r. 

Die  Erzbischüfe  und  Bischöfe  verblei- 
ben übrigens  im  unverkürzten  Genuss  der 
von  ihnen  bewohnten  Paläste,  Residenzen 
und  Gärten. 

9.  Der  erste  Sitz  (Silla)  in  Toledo  erhalt 24,000  r. 

10.  die  in  den  übrigen  8  Metropolitan-Kirchen, 

a  20,000  r 160,000  - 

11.  in    den   übrigen    46    Suffiragan  -  Kirchen, 

a  18,000  r 828,000  - 

12.  in  100  CoUegiaten,  ä  15,000  r 1,500,000  - 

13.  die  Canonici  de  oficio  der  9  Metropolen, 

a  4  Dignitarien  zu  16,000  r 576,000  - 

14.  dieselben  der  46  Suffi*agan  -  Kirchen ,  184 
Dignitarien,  ä  14,000  r. 2,576,000  ^ 

15.  dieselben  der  100  CoUegiaten,  400  ä  8000  r.       3,200,000  - 

16.  die  übrigen  Canonici  de  gracia 

a)  in  9  MetropoUtan-Kirchen,  2 34  Digni- 
tarien, ä  14,000  r 3,276,000  - 

b)  in  den  45  Su&agan -Kirchen,   780 

k  12,000  r 9,360,000  - 

c)  für  die  100  CoUegiat-Kirchen  ist  im 
Concordate  noch  nichts  bezeichnet 

T.  Miinitoli,  Spanien.  2 


18 

1 7.  Die  Dotation  der  Parochien  in  den  Städten 
ist  auf  3  —  10,000  r.,  auf  dem  Lande  auf 
mindestens  2200  r.  berechnet;  nimmt  man 
auf  20,462  Parochien  den  geringen  Durch- 
schnittssatz von  4000  r 81,848,000  r. 

18.  Die  Coadjutoren  mid  Oeconomen  erhalten 
2  —  4000  r.  Ihre  Zahl  ist  noch  nicht  be- 
stimmt. 

Die  Stolgebüliren  bleiben  den  Pfarrern 
imd  Coadjutoren  wie  bisher. 

19.  Für  die  Kosten  des  Cultus  erhalten: 

a)  die  9  Metropolitan -Kirchen,  90  bis 

1 40,000 r.,durchschnittüch  11 5,000 r.       1,035,000  - 

b)  die  46  Suffragane  70  —  90,000  r., 
durchschnittUch  80,000  r 3,680,000  - 

c)  die  100  CoUegiaten  20  —  30,000  r., 
durchschnittlich  25,000  r 2,500,000  - 

20.  An  Administrations-Kosten: 

a)  9Metropolitan-Kirchen20— 30,000r., 
durchschnitthch  25,000  r 225,000  - 

b)  46  Suflfragan-Kirchen  16—20,000  r., 
durchschnittlich  18,000  r 828,000  - 

c)  20,462  Parochial-Kirchen  mindestens 

1000  r 20,462,000  - 

21.  Die  Seminarien,  deren  durchschnittlich  2  in 
jeder  Diöcese  sein  sollen,  also  in  46  Diöce- 
sen  92,  werden  mit  90—120,000  r.,   ein 

jedes  also  etwa  mit  105,000  r.  bedacht . .  •       9,660,000  - 

In  Summa 147,268,000  r. 

Rechnet  man  zu  diesen   10,000,000  Preussischen  Thalem  die 
weitere  Verpflichtung  des  Staates, 

a)  fiir  die  Dignitarien  der  CoUegiate, 

b)  für  die  Dotationen  der  Coadjutoren  und  Oeconomen, 

c)  fiir  die  Präbendarien, 


19 

d)  für  die  Unterhaltung  der  Congregations-Häuser  zu  sor- 
gen — 
so  dürfte  der  Ausfall  sehr  bedeutend  sein,  der  durch  eine  Etats- 
erhöhnng  gedeckt  werden  müsste.  Am  21  November  1851 
wnrde  die  erste  Königl.  Verordnung  zur  Ausfiihrung  der  Be- 
stimmungen des  Concordates  veröffentlicht 

Nach  der  Gerichts-Eintheilung  bestehen  in  der  Spani- 
schen Halbiosel  und  in  den  Ac^jacentes  15  Obergerichts-  oder 
Appelhöfe  (Audiencias  territoriales)  und  497  Untergerichtshöfe 
(partidos  judiciales).  Das  höchste  Gericht,  Tribunal  supremo  de 
la  Justicia,  befindet  sich  in  Madrid.  —  Die  Untergerichte  sind 
auf  die  Obergerichte  wie  folgt  vertheilt: 

1.  Obergericht  in  Coruiia,  mit  47  Untergerichten  in  den  vier 

Provinzen  Galiciens; 

2.  —  in  Oviedo,  mit  15  Untergerichten; 

3.  —  in  ValladoÜd  mit  47  Untergerichten  in  Leon, 

Zamora,  Salamanca,  Palencia  und  ValladoÜd ; 

4.  —  in  Burgos  mit  51   Untergerichten  in  Burgos, 

•   Santander,  Soria,  Logrono  und  Basken; 

5.  —  in  Navarra  mit  5  Untergerichten; 

6.  —  in  Zaragoza  mit  3 1  Untergerichten  in  Aragon ; 

7.  —         in  Barcelona  mit  36  Untergerichten  in  Catalo- 

nien; 

8.  —         in  Valencia  mit  45  Untergerichten  in  3  Pro- 

vinzen ; 

9.  —  in  Albacete  mit  36  Untergerichten  in  Albacete, 

Murcia,  Cuenca,  Ciudad-Real; 
10.  —  in  Granada  mit  50  Untergerichten  im  General- 

Capitanate ; 
11  •  —         in  Sevilla  mit  52  Untergerichten  im  General- 

Capitanate; 

12.  —         in  Caceres  mit  28  Untergerichten  in  Estrema- 

dura; 

13.  —         IQ  Madrid  mit  47  Untergerichten  in  Madrid, 

Guadalajara,  Toledo,  Segovia,  Avüa; 

2" 


20 

14.  Obergericht  in  MaUorca  mit  6  Untergerichten  auf  den  Ba- 

learen; 

15.  —         in  den  Canarischen  Insehi  mit  7  Untergerichten. 
In  den  Colonien  befinden  sich  Audienzen  in  Habana^  Puerto 

Principe,  Puertorico  imd  Manila. 

Die  Verwaltung  der  Polizei,  die  Steuerveranlagung  imd  Er- 
hebung, die  Regulirung  der  Militairpflicht,  wovon  weiter  unten 
gehandelt  werden  wird  —  leiten  in  den  einzehxen  Provinzen  die 
Provinzial  -  Gouverneure  mit  den  ihnen  zur  Unterstützung  zu- 
geordneten Junten  und  dem  erforderlichen  Subaltern-Personale. 


Das  Festland  von  Spanien  enthält  nach  den  neuesten  Ver- 
messungen, wie  schon  oben  angefahrt  ist,  14,855  Quadrat -Le- 
guas,  und  die  Bevölkerung  etwa  13,000,000,  so  dass  durch- 
schnittUch  875  Seelen  auf  die  Quadrat- Legua  berechnet  wer- 
den. Die  Adjacentes  enthalten  844  Quadrat-Leguas  mit  440,897 
Einwohnern,  Tnithin  522  auf  die  Quadrat -Legua. 

Die  Colonien  enthalten  8327  Quadrat-Leguas  mit  4,225,000 
Bewohnern;  also  507  Seelen  auf  die  Quadrat-Legua.  Alle  Spani- 
schen Besitzungen  zusammen  gefasst,  enthalten  20,024  Quadrat- 
Leguas  mit  16,339,449  Bewohnern,  mithin  durchschnittlich  68& 
Seelen  auf  die  Quadrat-Legua. 

Man  zählt  im  Gesammt-Spanien  12,000  Magisträte  (Ayunta^- 
mientos)  und  70,000  Stadträthe  (Consejales).  Es  bestehen  349 
Wahl-Districte,  nach  dem  Gesetze  und  der  Eintheilung  von  1846 ; 
10  Universitäten,  nach  dem  Königl.  Decrete  vom  17  December 
1845;  12  Districte  der  Ingenieure  für  Wege-,  Canal-,  Leucht- 
thurm-  und  Hafenbauten.  Es  giebt  160  grosse  Städte  (ciudades); 
4700  kleinere  Städte  (viUas);  14,500  geschlossene  Gemeinden 
(lugares  con  termino  deslindado);  2000  Weiler  (aldeas),  die  sich 
den  letzteren  zum  politischen  Verbände  anschliessen.  Ausserdem 
giebt  es  eine  sehr  grosse  Zahl  von  Meierhöfen  (caserias),  Land« 
häusem  (quintas),  Schlössern  (torres),  Pachthöfen  (cortijos), 
Gärten  (cigarrales)  und  Weideplätzen  (branas),  welche  gleichfalls 


21 

zu  den  zunächst  liegenden  Gemeinde-Verbänden  geschlagen  sind. 
Für  die  Steuererhebung  sind  45  Rent- Districte  mit  einer  ent- 
sprechenden Zahl  von  Hebestellen  abgegrenzt  und  den  Provinzial- 
Steuerbehörden  untergeordnet 

Die   schliessUche  Mittheilung  nachstehender   statistischen 
Uebersicht  wird  von  Interesse  sein.   Es  enthalten  die  Provinzen 


No. 


ProTins 


ga»a 


Gerichta- 
sprengel 


Wahl- 
Bezirke 


Ort- 

aehaflen 


Einwoh* 
nerxabl 


auf  die 
□Leg«» 


Hauptatadt 


Ein- 
wohner 


1 

2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 
10 
11 
12 
13 
14 
15 
16 
17 
18 
19 
20 
21 
22 
23 
24 
25 
26 
27 
28 
29 
30 
31 
32 
33 
34 
35 
36 
37 
38 
39 
40 
41 
42 
43 
44 
45 
46 
47 


Corufia .  . 
Lugo  .  .  . 
Pontevedra 
Orense .  . 
Asturien. 
Leon  .  .  . 
Zamora.  . 
Salamuica 
Avila  .  .  . 
S^ovia  . 
Valladolid 
Palencia  . 
Santander 
Bur^os .  . 
Soria  .  .  . 
Logroüo  . 
Alava.  .  . 
Viscaya  . 
Guipuzcoa 
Navarra  . 
Zaragoza. 
Tenid  .  . 
Huesca.  . 
Lerida  .  . 
Gerona.  . 
Barcelona 
Tarrsgona 
Casteuond. 
Valencia  • 
Alicante  . 
Murcia  .  . 
Albacete  . 
Ciudad-Real 
Cuenca .  . 
Guadalajara 
Madrid .  . 
Toledo  .  . 
Caceres.  . 
Badajoz  . 
Huelva  .  . 
Seirilla  .  . 
Cordova  . 
Jaen  .  .  . 
Almeria  . 
Granada  . 
Malaga .  . 
Cadiz.  .  . 


P. 


276 
343 
159 
254 
388 
510 
257 
475 
277 
199 
235 
258 
180 
395 
525 
134 
116 
108 
52 
280 
410 
399 
424 
346 
248 
220 
100 
198 
289 
164 
353 
482 
665 
686 
395 
205 
468 
615 
596 
258 
299 
336 
359 
220 
325 
270 
216 


14 

11 

11 

11 

15 

15 

7 

8 

6 

5 

9 

7 

11 

12 

5 

9 

5 

5 

4 

5 

13 

10 

8 

8 

6 

14 

8 

40 

21 

14 

9 

8 

10 

9 

9 

15 

12 

13 

15 

6 

16 

16 

12 

9 

15 

14 

14 


12 

10 

10 
9 

12 
8 
5 
6 
4 
4 
5 
4 
5 
6 
3 
4 
2 
3 
3 
6 
9 
6 
6 
4 
6 

13 
7 
6 

13 
9 
8 
5 
8 
7 
5 

11 
8 
7 
9 
4 

10 
9 
8 
7 

11 

10 
9 


925 
8452 
658 
858 
815 
1351 
495 
527 
389 
339 
274 
455 
657 
1112 
540 
285 
455 
120 
193 
828 
349 
292 
735 
910 
562 
544 
290 
134 
299 
156 
76 
122 
121 
333 
485 
225 
221 
257 
175 
90 
129 
111 
111 
114 
224 
115 
44 


455,670 
357,273 
360,000 
319,058 
434,635 
267,438 
159,425 
210,514 
157,095 
134,855 
184,647 
148,443 
166,150 
224,191 
115,619 
147,718 
66,988 
110,580 
108,590 
216,558 
306,598 
214,988 
209,609 
151,522 
214,150 
442,898 
255,477 
199,220 
451,417 
318,998 
281,040 
180,767 
277,785 
234,582 
159,373 
317,763 
276,515 
254,469 
510,905 
155,470 
375,776 
515,459 
266,919 
234,789 
370,974 
338,442 
321,105 


1578 

1042 

2264 

1256 

1120 

524 

620 

445 

498 

678 

786 

576 

925 

570 

356 

1102 

577 

1024 

2088 

775 

748 

539 

494 

457 

865 

2015 

1229 

1006 

1562 

1946 

796 

575 

449 

342 

405 

1550 

591 

381 

521 

517 

1250 

958 

745 

1067 

1141 

1255 

1487 


Coruiia  .  . 
Lugo  .  .  . 
Pontevedra 
Orense  .  . 
Oviedo  .  . 
Leon  •  .  . 
Zamora .  . 
Salamanca 
Avila  .  .  . 
Segovia.  . 
Valladolid 
Palencia  . 
Santander 
Burjgos  .  . 
Soria  .  .  . 
Logroüo  . 
Vitoria  .  , 
Bilbao.  .  . 
Tolosa  .  . 
Pamplona 
Zaragoza. 
Teruel  .  . 
Huesca  .  . 
Lerida . .  . 
Gerona  .  . 
Barcelona. 
Tarraffona 
Castellon  . 
Valencia  . 
Alicante  . 
Murcia  .  . 
Albacete  . 
Ciudad  .  . 
Cuenca  .  . 

Guadalajara 
Madrid  .  . 
Toledo  .  . 
Caceres.  . 
Badajoz  . 
Huelva  .  . 
Sevilla  .  . 
Cordova  . 
Jaen .... 
Almeria.  . 
Granada  . 
Malaga  .  . 
Cadiz  .  .  . 


20,000 

7,000 

3,800 

4,000 

10,500 

6,000 

10,000 

14,000 

5,000 

15,000 

21,000 

10,000 

18,000 

10,000 

5,500 

8,000 

12,000 

14,000 

5,000 

15,000 

45,000 

7,000 

9,000 

12,000 

6,400 

120,000 

11,000 

16,000 

60,000 

21,000 

35,600 

11,000 

10,000 

6,800 

6,000 

200,000 

15,000 

7,400 

12,000 

6,500 

120,000 

39,000 

19,000 

14,000 

56,000 

52,000 

60,000 


22 


Die  Adjacentes  enthalten : 

1.  die  Balearen:  Mallorca,  Menorca,  Iviza,  Cabrera,  Formen- 

tera  etc.:  147  Quadrat  -  Leguas ,  6  GerichtssprengeU 
7  Wahl-Bezirke,  108  Ortschaften,  229,197  Seelen,  1559 
auf  die  Quadrat-Legua;  Palma,  Mahon  die  Hauptstädte, 
mit  resp.  34,000  und  19,000  Einwohnern; 

2.  die  Africanischen  Plätze:  11,750  Einwohner,  Fernando 

del  Po  14,000,  Annobon  4000; 

3.  die  Canarischen  Inseln:  15  derselben  sind  bewohnt:  Te- 

nerifa,  Gran  Canaria,  Gomera,  Fuerteventura,  Lanzarote, 
Palma  und  Hierro  sind  die  bedeutendsten:  697  Quadrat- 
Leguas,  199,950  Einwohner,  121  Ortschaften,  6  Wahl- 
Bezirke,  9  Gerichtssprengel,  287  Einwohner  auf  die 
Quadrat-Legua;  Santa  Cruz  oder  Santiago  de  Teneri£5t 
ist  die  Hauptstadt  mit  8000  Einwohnern. 
Die  überseeischen  Colonien  enthalten : 

1.  America:  a)  Cuba:  3497  Quadrat-Leguas,  1,000,000  Seelen, 

288  auf  die  Quadrat-Legua.  Habana  mit  139,000  Ein- 
wohnern; 

b)  Puertorico:  500  Quadrat-Leguas  mit  200,000  Ein- 
wohnern; San  Juan  mit  30,000  Seelen; 

2.  Asien:    a)  Philippinen:    Manila  140,000  Einwohner;    693 

Seelen  auf  die  Quadrat-Legua  der  Inselflächen  durch- 
schnittlich ; 

b)  Marianen  oder  Ladronen:  15  Inseln  mit  der  Haup1>- 
Stadt  Agana; 

c)  die  neuen  Philippinen  oder  Carolinen  und  Palaos 
mit  47,000  und  resp.  20,000  Einwohnern. 


Werfen  wir  einen  Blick  auf  die  Geschichte  von  Spanien« 
—  Die  Geltiberier  im  nördlichen  und  westlichen,  die  Iberier 
im  östlichen  und  südlichen  Theile  Spaniens  sind  die  erstea 
geschichtlich  bekannten  Bewohner  der  Pyrenäischen  HalbinseL 
Die  Phönizier  und  Tyrier,  durch  Kenntnisse,  Eimstfertigkeit  und 
SchiSahrt  schon  in  ältester  Zeit  berühmt »  mochten  dies  Land 


23 

etwa  1100  Jahr  vor  Christi  Geburt  zuerst  besucht  haben.  Sie 
legten  ihre  ersten  Niederlassungen  in  Tarschisch  (Tartessus), 
spater  Grades  (Cadiz)  an,  und  beuteten  zunächst  die  dortigen 
reichen  Gold-  und  Silberminen  aus.  Etwa  um  das  Jahr  700  v.  Chr. 
verbreiteten  sich  die  Celten  über  die  gaaize  Halbinsel.  Die  Kar- 
thager, eine  Colonie  der  Tyrier,  bald  mächtiger  als  der  Mutter- 
staat»  besetzten  die  Balearen  und  Pithyusen,  und  eroberten  jene 
Niederlassungen  in  Spanien.  Nachdem  die  Römer  glüddiche  Er- 
folge gegen  die  Karthager  erkämpft  und  ihnen  Sicihen  und  Cor* 
sica  entrissen  hatten,  versuchten  die  Karthager,  seit  237,  sich 
durch  Eroberungen  im  Innern  Spaniens  zu  entschädigen.  Hamil- 
car  unterwarf  sich  nach  achtjährigem  Kampfe  mehrere  kleine  Völ- 
kerschaften, welche  ohne  inneren  Zusammenhang  das  Land  be- 
wohnten. Hasdi^ubal,  der  Erbauer  von  Cartagena,  und  Hannibal 
vollendeten  das  Werk.  Mit  Unterstützung  Spanischer  Mieths- 
truppen  aus  dem  nicht  unterworfenen  Theile  des  Landes  eroberte 
er  das  unter  Römischem  Schutze  stehende  Griechische  Sagunt^ 
wodurch  der  zweite  Punische  Krieg  herbeigeführt  wurde,  unter- 
warf sich  den  ganzen  östlichen  Küstenstrich  bis  zum  Ebro ,  und 
zog  mit  seinem  Heere  über  die  Pyrenäen,  um  17  Jahre  hindurch 
den  Römern  ein  Schrecken  zu  sein.  Allein  die  Angelegenheiten 
der  Karthager  verfielen  immer  mehr,  und  noch  vor  der  Beendi- 
gung des  Krieges  befanden  sich  die  Römer  im  Besitze  aller  Kax- 
thaginiensischen  Plätze  in  Spanien.  Zu  Anfang  des  zweiten 
Punischen  Krieges  hatten  die  Römer  das  Land  in  Hispania  cite- 
rior,  die  Länderstrecken  zwischen  den  Pyrenäen  und  dem  Ebro, 
und  in  Hispania  ulterior,  alles  übrige  südlich  vom  Ebro,  getheUt. 
Nach  dem  zweiten  Punischen  Kriege  ward  diese  Grenzlinie,  vom 
Cap  Gata  aus  nordwestlich,  unterhalb  Toledo  nach  Salamanca 
zu ,  den  Duero  entlang,  bis  zu  dessen  Mündung  nach  Porto  ge« 
zogen.  Allein  es  waren  noch  zwei  Jahrhunderte  erforderlich, 
bevor  das  Land  vollständig  unter  die  Herrschaft  der  Römer  ge- 
langte. Nach  langem  und  hartnäckigem  Kampfe  wurden  endlich 
die  tapferen  Lusitanier  unterworfen  xmd  die  Bewohner  der  nörd« 
liehen  Provinzen  besiegt,  nachdem  Yiriatus,  wie  später  Sertorius, 


24 

durch  Meuchelmord,  Numantia  nach  langer  Belagerung  im  J.  1 33 
diu'ch  Hunger  gefallen,  und  zuletzt  Augustus  im  J.  19  v.  Chr.  die 
tapferen  Cantabr er  (Basken)  bezwungen  hatte.  Augustus  benannte 
Hispania  citerior  von  da  ab  Tarraconensis  imd  theilte  durch  den 
Fluss  Anas  (Guadiana)  Hispania  ulterior  in  Baetica  im  Osten  imd 
Lusitania  im  Westen  desselben.  Er  gründete  die  Colonien  Caesa- 
rea Augusta  (Zaragoza)  und  Augusta  emerita  (Merida).  400  Jahre 
dauerte  seitdem  die  Römerherrschaft;  Römische  Sprache,  Sit- 
ten und  Gesetze  herrschten,  Künste  und  Wissenschaften  blühten 
in  Spanien  nicht  minder  als  in  Rom.  Pomponius  Mela,  Seneca, 
Lucan,  Trajan  xmd  Theodosius  der  Grosse  waren  geborene 
Spanier.  Unter  Constantin  dem  Grossen  wurde  eine  neue  Ein- 
theilung  des  Landes  durchgefulirt.  Tarraconensis  zerfiel  in  drei 
Theile:  in  Gallaecia  in  Nordwesten,  von  Zamora  aus,  die  Esla 
entlang,  über  Leon,  dem  Lauf  des  Bomesga  folgend,  östlich  von 
Oviedo  vorbei,  nach  dem  Hafen  von  Gijon ;  sodann  in  Tarraco- 
nensis im  engeren  Sinne,  von  Valencia  über  Cuenca  nach  Avila 
die  Grenze  ziehend;  und  tn  Carthaginiensis,  den  Theil  von  der 
eben  bezeichneten  Linie  bis  zur  Grenze ,  vom  Gap  Gata  bis  nach 
Salamanca  hinauf.  Die  Eintheilung  von  Süd -Spanien  in  Baetica 
imd  Lusitania  bUeb  im  verändert.  Spanien,  zu  welchem  die 
Balearen  und  Tingitanien  in  Afidca  gehörten,  bildete  damals  die 
erste  Diöcese  der  Römischen  Präfectur  von  GaUien ;  der  vierten 
der  Reihenfolge  nach.    (Man  vergleiche  Tafel  L) 

Seit  dem  Jalir  409  breiteten  sich  Vandalen,  Alanen  und 
Sueven  in  der  Pyrenäischen  Halbinsel  aus.  Sie  setzten  sich  in 
Baetica  (VandaUcia,  Andalucia),  Lusitanien  und  Galiden  fest 
Wallia  gründete  419  das  Reich  der  Westgothen  und  die  Van- 
dalen zogen  im  J.  429  nach  Africa  hinüber.  Eurich  verdrängte 
die  Römer  vollends  aus  Spanien;  er  nöthigte  auch  die  Alanen 
und  deiyenigen  Theil  der  Sueven  nach  A&ica  hinüber  zu  ziehen, 
welche  das  Land  südlich  der  Linie  vom  Ebro  nach  Salamanca 
und  Alcantara  zu,  und  das  linke  Ufer  des  Tajo  bis  zur  Mün- 
dung ins  Meer  inne  hatten.  Eurich  (st  483)  gab  dem  eroberten 
Lande  die  ersten  geschriebenen  Gesetze.    LeovigUd,  der  durch 


25 

die  Unterwerfung  der  Sueven  in  Galicien  bis  zum  Tajo  diese 
Eroberungen  vollendet  hatte,  starb  586,  und  sein  Sohn  Reccared 
trat  mit  seinem  Volke  (bis  dahin  Arianer)  zur  Katholischen  Kirche 
über.  Er  imd  seine  Nachfolger  begünstigten  die  sich  mehr  und 
mehr  entwickelnde  Macht  der  Geistlichkeit,  welche  sich  in  den 
Besitz  unermesslicher  Reichthümer  und  des  entschiedensten  Ein- 
flusses auf  die  Reg^erungs- Angelegenheiten  zu  setzen  gewusst 
hatte,  und  dazu  beitrug,  dass  das  Volk  in  Unwissenheit  und 
Aberglauben  versank.  Dazu  erschlaffte  der  kriegerische  Geist 
der  Westgothen  durch  Unthätigkeit  imd  Wohlleben,  und  so 
vermochte,  nach  Witiza's  Tode,  Roderich,  der  letzte  Konig,  es 
nichts  dem  Andrängen  eines  neuen  machtigen  Feindes  zu  wider* 
stehen.  Die  Araber  oder  Mauren,  welche  bereits  die  Afiicani- 
schen  Küstenstriche  erobert  hatten,  von  den  Söhnen  Witizas  zu 
Hülfe  gerufen,  setzten  sich  711  durch  die  Sclilacht  von  Xeres  de 
la  Frontera  nach  siebentägigem  Kampfe  in  den  Besitz  des  Rei- 
ches. Roderich  kam  auf  der  Flucht  um ,  und  nur  eiaem  kleioen 
Theile  der  Gothen,  unter  Pelajos  Anfuhrung,  gelang  es,  sich 
nach  den  Asturischen  Gebirgen  durchzuschlagen,  imd  unter 
seinen  Nachkommen  die  Unabhängigkeit  zu  behaupten,  welche 
die  Gründung  des  Königreiches  von  Asturien  zur  Folge  hatte,  zu 
dessen  Hauptstadt  Alfons  II  792  Oviedo  machte. 

Der  grösste  Theil  Spaniens  ward  nun  eine  Provinz  des  Ca- 
lifates  von  Bagdad,  bis  756  Abdorhaman  I,  der  letzte  Ommajade, 
Spanien  den  Abassiden  entriss  und  zu  Cordova  ein  eigenes  GaUfat 
stiftete,  das  jedoch  seit  1038  zerfiel,  weil  mehrere  Statthalter 
sich  für  unabhängig  erklärten  und  Könige  nannten.  So  regierten 
selbstständige  Arabische  Fürsten  zu  Zaragoza,  Toledo,  Valen- 
cia, Sevilla,  wo  allgemein  Maurische  Sprache  und  Sitten  herr- 
schend wurden.  Den  Christen  gestattete  man  die  freie  Ausübung 
ihrer  Religion;  man  beliess  ihnen  ihre  Gesetze  und  Obrigkeiten 
und  gewährte  der  Verbreitung  der  Juden  grossen  Vorschub,  da 
sie  in  den  Wissenschaften  den  ersten  Rang  einnahmen.  Industrie 
und  Kunst  erblühten  zu  neuem  Glänze;  Astronomie,  Medizin 
und  Philosophie  bildeten  sich  zu  besonderen  Schulen ;  der  Wohl- 


26 

stand  des  Landes  stieg  aufs  Höchste,  bis  die  Mauren  unterein- 
ander uneins,  ihre  Interessen  theilten,  besonders  verfolgten,  und 
ihren  Untergang  vorbereiteten. 

Schon  Carl  der  Grosse  hatte  die  Mauren  bis  an  den  Ebro 
zurückgedrängt,  und  mit  abwechselndem  Glücke  ward  seitdem 
von  den  Fürsten  in  Navarra,  Leon  und  Castilien  gegen  diese 
Macht  angekämpft  Alfons  III  hatte  schon  um  das  Jahr  900  Co- 
nisbra  und  Salamanca  erobert.  Sein  Sohn  Garsias  verlegte  die 
Residenz  von  Oviedo  nach  Leon  und  nahm,  statt  des  Asturischen, 
den  Eönigstitel  von  Leon  an.  Das  Reich  ward  aber  durch 
den  Hadschib  Almanzor  wieder  beschränkt  und  sogar  tribu1>- 
pflichtig  gemacht,  bis  Alfons  V  mit  dem  Verfall  der  Ommiga^ 
dischen  Herrschaft  das  Reich  zu  neuem  Glänze  erhob. 

Castilien  war  um  die  Mitte  des  zehnten  Jahrhunderts  durch 
Ferdinand  Gonzalez  als  unabhängige  Herrschaft  von  Leon  losge- 
rissen, durch  Almanzor  erobert  und  verwüstet,  und  erst  nach 
dessen  Tode  in  seinem  früheren  Umfange  wieder  hergesteUt 

Auch  Barcelona,  seit  865  von  Septimaoien  getrennt  und 
durch  eigene  erbliche  Markgrafen  regiert,  welche  die  übrigen 
Catalanischen  Grafschaften  mit  beherrschten,  fiel  auf  kurze  Zeit 
unter  Almanzors  Gewalt,  erhob  sich  jedoch  bald  wieder,  und 
erweiterte,  nachdem  die  mit  Frankreich  bestandene  Lehns- 
verbindung gelöst  war,  seine  Besitzungen  durch  Eroberungen 
und  Kauf. 

In  Navarra,  wo  auch  seit  der  ersten  Hälfte  des  neunten 
Jahrhunderts  die  ersten  xmabhängigen  Fürsten  aufgetreten  waren, 
und  Sancho  im  Jahre  905  den  Eönigstitel  angenommen  hatte, 
erweiterte  Sancho  UI  sein  Reich,  und  nahm  als  Gendahl  der 
älteren  Schwester  des  letzten  Grafen  von  Castilien,  nach  dessen 
Tode  1028  das  Land  in  Besitz  und  theilte  sein  Reich  später 
unter  seine  vier  Söhne.  Ferdinand  erhielt  Castilien  als  König- 
reich und  vereinigte  damit  1037  Leon;  Garsias  erhielt  das  König- 
reich Navarra  mit  Viscaya  und  Rioja;  Ramiro  die  Grafschaft 
Aragon  als  Königreich,  und  an  diesen  fiel  auch,  nach  seines 
Bruders  Gonzales  Tode,  dessen  östlicher  belegenes  Reich  So- 


27 

brarve.  Alfons  VI  eroberte  1085  Toledo  und  der  Cid,  Rodrigo 
Diaz  von  Vivar,  1094  Valencia,  das  jedoch  1102  wieder  aufge- 
geben werden  musste.  Die  darauf  entstandenen  Ritterorden 
von  Calatrava  (1164),  Santiago  de  ComposteUa  (1175)  und  Alcan- 
tara  (1219)  leisteten  ausgezeichnete  Dienste.  Die  Mauren  hat- 
ten schon  1086  die  Morabethen  aus  Africa,  wo  sie  1070  das  Reich 
von  Marocco  gegründet,  zu  Hülfe  gerufen.  Diese  hatten  auch 
die  Christen  bei  Zalacca  1086  besiegt,  sich  dann  aber  selbst  in 
den  Besitz  des  Arabischen  Spaniens  gesetzt  Die  Ahnohaden 
unterwarfen  dagegen  1145  Marocco,  drangen  1170  siegreich  in 
Spanien  ein,  bis  auch  ihre  Macht  1212  durch  Alfons  Vm  von  Ca- 
stilien,  mit  Aragon  und  Navarra  verbündet,  in  der  Schlacht  von 
Tolosa  gebrochen,  und  die  Arabische  Herrschaft  in  Spanien  auf 
Granada  beschränkt  wurde. 

Alfons  Enkel,  Ferdinand  der  Heilige,  vereinigte  1230  wieder 
das  ganze  Reich,  machte  XJntheilbarkeit  zum  Gesetz,  eroberte 
Cordova,  Murcia,  Jaen,  Sevilla  und  den  grossesten  Theil  von 
Estremadura,  und  zwang  Granada  zur  Anerkennung  der  Castle 
lischen  Lehnshoheit. 

Peter  I  von  Aragon  hatte  schon  1096  Huesca,  Alfons  I 
1118  Zaragoza  erobert.  Nach  der  Vereinigung.  Cataloniens  mit 
Aragon  unterwarf  Jacob  I  1230  —  1232  die  Balearen,  1238  Va- 
lencia, und  sein  Sohn  Peter  m  erwarb  1282,  als  Man&eds 
Schwiegersohn,  in  Folge  der  Sicilianischen  Vesper,  SiciUen. 

Heinrich  von  Burgund  hatte  durch  seine  Tapferkeit  und 
durch  seine  Verm&hlung  mit  der  Tochter  Alifons  VI  von  CastUien 
den  Titel  eines  Grafen  von  Portugal  erworben.  Sein  Sohn, 
Alfons  Henriquez,  setzte  die  Eroberungen  fort,  und  ward  nach 
dem  Siege  bei  Ourique  1139  zum  König  von  Portugal  gewählt, 
ausgerufen,  vom  Papst  anerkannt  imd  bestätigt,  worauf  dann 
auch  Algarbien  1253  mit  Portugal  vereinigt  ward,  und  1279  in 
dessen  unbestrittenen  Besitz  überging. 

Nach  mannigfachem  Regenten-  und  Länderwechsel  legte  die 
Vermahlung  zwischen  Ferdinand  von  Aragon  mit  Isabella,  der 
Erbin  von  GastiUen»  1469,  den  Grund  zur  Vereinigung  beider 


28 

Kronen,  welche  mit  Ferdinands  Thronbesteigung  1479  erfolgte, 
und  Spanien  im  raschen  Laufe  der  Begebenheiten  zu  einer  bis  dar 
hin  unerhörten  weltUchen  Macht  imd  Glanz  erhob.  Unter  diesem 
Herrscherpaare  schwand  1492  nach  zehnjährigem  Kampfe  der 
Rest  des  Maurischen  Reiches ,  imter  welchem  in  Spanien  Land- 
bau, Handel,  Künste  und  Wissenschaften  die  höchste  Stufe  er- 
reicht hatten.  Die  Bevölkerung  war  damals  dicht  und  wohlha- 
bend ,  und  aus  weiter  Feme  strömten  die  Jünger  der  Wissen- 
schaften herbei,  um  in  den  Schulen,  Bibliotheken  und  namentlich 
auf  der  Universität  zu  Cordova  die  Griechische  und  Arabische 
Literatur,  Natiu-wissenschafl  imd  die  Aristotelische  Philosophie 
zu  studieren. 

Wohl  geschali  Grosses  in  und  fiir  Spanien  unter  jenem 
grossen  Königspaare,  Grosses  durch  die  Weisheit  dieser  gekrön- 
ten Häupter,  durch  die  Talente  ihrer  Staatsdiener,  durch  das 
Genie  und  die  Ausdauer  von  kühnen  Seefahrern,  die  man  er- 
kannt hatte  und  zu  benutzen  verstand;  Grosses  durch  die  Gnade 
Gottes,  der  das  Füllhorn  des  irdischen  Ueberflusses  über  Spanien 
ausschüttete. 

Wen  darf  es  überraschen,  wenn  unter  den  gegebenen  Um- 
ständen auch  die  menschliche  Schwachheit  und  UnvoUkommen- 
heit  ihr  Recht  geltend  machten ;  wenn  es  nicht  immer  leicht  war, 
das  rechte  Maass  zu  finden,  die  richtigen  Mittel  zu  wählen; 
wenn  sich  unter  so  vielen  auch  böse  Rathgeber  einstellten; 
und  wenn  man  einen  poUtischen  Fehler  beging,  indem  man  die 
Menschenrechte  nach  demjenigen  Bekenntnisse  abwägen  zu 
müssen  glaubte,  welches,  als  das  alleinseligmachende,  die  Aus- 
schUesslichkeit  für  sich  in  Anspruch  nahm,  mochten  auch  die 
Thaten  der  Bekenner  nicht  mit  der  Lehre  in  Uebereinstimmung 
zu  bringen  sein. 

Die  Herstellung  des  allgemeinen  Land&iedens  sollte  den 
Missbräuchen  des  Faustrechtes  ein  Ende  machen;  eine  Revision 
der  Gesetze,  eine  strenge  Rechtspflege ;  die  Umbildung  der  durch 
Sitten  und  eigenthümliche  Rechtsverhältnisse  vielfach  getrennten 
Bevölkerung  zu  einer  Nationalität  —  waren  Aufgaben,  welche 


29 

sich  der  Cardinal  Ximenes,  jener  ausgezeichnete  Staatsmaon^  ge- 
stellt, und  worin  er  im  vollen  Einverständnisse  mit  seiner  erha- 
benen Königin  gehandelt  hatte. 

Christoph  Columbus  Entdeckungen  erweiterten  die  Besitzun- 
gen Spaniens  in  das  Unbegrenzte,  überschwemmten  das  Land 
mit  Grold  und  Schätzen.  Die  Erwerbimgen  von  Neapel  und  Na- 
varra;  der  Eriegsmhm  des  Gronsalvo  Femandez  von  Cordova; 
und  endlich  die  Laufbahn  Carls  I,  des  Sohnes  der  Infantin  Jo- 
hanna, der  seiaem  Vater  in  den  Niederlanden,  seinem  mütter- 
lichen Grossvater  1516  in  Spanien,  seinem  väterlichen  Grossvater 
1519  in  den  Oesterreichischen  Erblanden  folgte,  der  1521  die  Un- 
ruhen in  Castilien,  Valencia  und  Mallorca  mit  Kraft  und  Weisheit 
unterdrückte,  durch  seine  Kriege  mit  Franz  I,  durch  welche  er 
Mailand  erwarb,  und  durch  seinen  siegreichen  Feldzug  nach  der 
Afiicanischen  Küste  Spanien  zur  ersten  politischen  und  müitairi- 
schen  Macht  Europas  erhob. 

Das  Schicksal  vergönnte  es  jedoch  nicht,  dass  Spanien  sich 
auf  diesem  Höhenpunkte  behauptete.  Mit  der  Verfolgung  der 
Juden  und  Mauren  nahm  eiu  System  seinen  Anfang,  das,  mögen 
die  Motive  gewesen  sein,  welche  sie  wollten,  die  verderblichsten 
Folgen  nach  sich  zog.  Die  den  Juden  bewilligt  gewesenen  Vor- 
rechte hatten  allerdings  einen  nachtheiligen  Einfluss  auf  Ver&s- 
sung,  Regierung  und  das  öffentliche  WohL  Ihre  Ernennung  zu 
Steuererhebem,  zu  Generalpächtem,  zu  Finanz -Directoren  und 
Ministem  machte  sie  übermüthig;  ihre  Herrschsucht  und  Ehrgeiz 
wussten  den  Einfluss  auszudehnen;  das  an  sich  ziehen  alles 
baaren  Geldes  und  der  schamloseste  Wucher  machten  ßegierungs- 
massregeln  nothwendig;  aber  die  allgemeine  Verfolgung  und 
Ausweisung  ward  das  Signal  zu  Ungerechtigkeiten,  zur  unerlaubt 
ten  Selbsthülfe,  zur  BeMedigung  der  Leidenschaften  und  zu  Raub 
und  Plünderung,  während  dadurch  gleichzeitig  der  erste  Schritt 
zur  Einsetzung  der  Inquisition  in  einem  Lande  geschah,  wo  bis 
dahin  Duldung  geherrscht  hatte  und  nun  durch  Unduldsamkeit 
die  innere  Ruhe  und  der  Wohlstand  aufs  Tiefste  erschüttert 
wurden.  —   Ein  übelverstandenes  Besteuerungs- System,  der 


30 

Uehermuth  allmächtiger  Vasallen,  Familienstreitigkeiten  unter 
den  nachfolgenden  Monarchen,  lösten  die  innere  Spannkraft  mehr 
und  mehr.  Die  entdeckten  Schätze  Americas  befriedigten  die 
Habsucht  nicht.  Man  vemaclü&ssigte  die  Bestellung  der  heimi- 
schen Fluren;  man  zog  in  grossen  Schaaren  in  die  neue  Welt, 
um  für  den  heimischen  Frieden  Gefahren,  Abenteuer  und  die 
Aussicht  auf  Reichthümer  emzutauschen.  Ein  unglückliches 
Colonialsystem  in  Westindien,  die  Erschöpfung  der  Kassen,  die 
Ausschreibung  fast  imerschwinglicher  Steuern,  die  Aenderung 
der  Politik,  das  Schwächen  des  Vertrauens  und  das  Sinken  der 
moralischen  Macht,  bildeten  die  Glieder  einer  trostlosen  Kette 
von  Erfahrungen.  Portugals  Eroberxmg  konnte  kein  Ersatz  sein 
f3r  die  losgerissenen  Niederlande;  England  und  Holland  trium- 
phirten  über  Spaniens  Seemacht  und  Handel,  und  die  glänzenden 
Beweise  der  Tapferkeit  der  Spanischen  Heere,  das  Genie  eines 
Alba,  das  Talent  eines  Don  Juan  von  Oesterreich  hielten  den 
Verfall  nicht  auf.  Mag  die  Behauptung  unrichtig  sein,  dass  das 
Inquisitions-Tribunal  in  seiner  traurigen  Thätigkeit  34,382  Ange* 
klagte  lebendig,  17,690  Angeklagte  im  Bilde  verbrannt  und 
291,450  zur  Einsperrung,  Geisselung  und  Einziehung  der  Güter 
verurtheilt  hat:  die  Folgen  dieses  Tribunals  sind  über  das  Land 
verbreitet  worden.  Misstrauen,  Furcht  und  Entsetzen  lockerten 
die  heiligsten  Bande  bis  zur  Auflösung;  der  Lebensmuth  erstarb, 
die  Zuversicht  schwand.  Die  Hörsäle  schlössen  sich,  die  Schulen 
verödeten,  die  Werkstätten  standen  leer,  das  Land  entvölkerte 
sich  immer  mehr,  imd  in  üppigem  Wachsthum  überwucherte  die 
Natur  den  sonst  so  sorgsam  bestellten  Acker. 

Auf  PhiHpp  n  und  PhiKpp  m  folgte  Philipp  IV  und 
Carls  n  Tod  1700  ohne  Nachkommen.  Der  Successions-Erieg 
schloss  1713  mit  dem  Utrechter  Frieden,  und  mit  der  Abtretung 
Gibraltars  an  England  war  die  Reihe  der  Verluste  immer  noch 
nicht  geschlossen.  Unter  Carl  m  entfaltete  sich  wieder  eine 
segensreiche  Thätigkeit;  Schiffe  wurden  gebaut,  ein  wohldisci« 
plinirtes  Heer  unterhalten,  die  Ruhe  im  Lande  vollständig  ge* 
sichert^  Landstrassen  wurden  angelegt^  für  Unterricht^  Kunst  und 


31 

Wissenschaft  auf  königliche  Weise  gesorgt  und  eine  erfreuliche 
Zukunft  vorbereitet 

Allein  es  sollten  noch  heftige  Stürme  durchgekämpft  wer* 
den;  Stürme,  welche  das  ganze  Land  aufs  Tiefste  erschütterten; 
Stürme,  in  denen  sich  die  Vaterlandsliebe  der  Spanier  durch 
ihren  wahrhaft  grossen  Helden-  und  Todeskampf  wider  fremde 
Gewalt,  in  engster  Vereinigung  aller  vaterlfindischen  Interessen, 
nnverwelkliche  Lorbeeren  errungen  hat;  Stürme  endlich,  wo  die 
Hingebung  und  Tapferkeit  selbst  im  beklagenswerthen  Bruder- 
kampfe erprobt  werden  sollte. 

Ziehen  wir  lieber  einen  Vorhang  über  diesen  düsteren  letzten 
Theil  des  historischen  Bildes,  dessen  Detaillinmg  uns  keinerlei 
Genugthuung  verschaffen  wurde,  und  verweilen  wir  lieber  einige 
AugenbHcke  vor  den  lieblichen  Gestalten ,  welche,  in  poetischer 
Schönheit  und  Mannigfaltigkeit  ihres  Gleichen  suchend,  wie  eine 
Allegorie  oder  Apotheose,  den  kostbaren  Rahmen  des  Gemäldes 
bilden.  Ich  meine  die  Spanische  Kunst  und  Literatur,  deren 
Blüthe  und  Höhe  gerade  in  der  sonst  für  Spaniens  Geschichte 
so  düsteren  Zeit  ihren  Preis  errungen  haben.  Romantischer 
Ernst  und  Tiefe  ist  der  Charakter  des  Spanischen.  Die  Idealität, 
der  Reichthum,  das  Glühende  und  Ueberfliessen  der  Phantasie 
die  vorzüglichste  Eigenschaft  der  Sprache.  Die  Sprache  ist 
der  reinste  Abdruck  der  Eigenthümlichkeit  eines  Volkes,  die 
uns  nicht  weniger  lebendig  in  der  Poesie  des  Dichters ,  als  in 
den  begeisterten  Schöpfungen  der  Maler  und  Gomponisten  ent- 
gegen tritt  Die  kriegerischen  imd  Liebesabenteuer  des  langen 
Kampfes  zwischen  den  Spaniern  und  Arabern  liessen  die  der 
Spanischen  Poesie  eigenthümUche  Romanze  entstehen.  An  Stoff 
konnte  es  nicht  fehlen,  wo  die  wunderbaren  Thaten  Carls  des 
Grossen  und  seiner  Paladine,  die  Züge  und  Siege  des  Gampeador, 
die  E&mpfe  und  der  Untergang  der  Mauren,  der  Triumph  des 
Christenthnms,  eine  unendliche  Abwechselung  von  Gedanken, 
Bildern  und  Farben  gewährten.  Ein  wunderbarer  Zauber  liegt 
in  der  Leetüre  jener  Gedicht -Sammlungen,  der  den  Leser  mit 
unsichtbaren  Fesseln  umstrickt  und  ihn  durch  lebendige,  einfache. 


32 

wahrhaft  poetische  Darstellung  mitten  in  die  Handlung  versetzt. 
Das  Poema  del  Cid,  das  Poema  de  Alexandro  aus  dem  Hten, 
der  Cancionero  general  und  der  Cancionero  de  Romances  aus 
dem  16ten,  derRomancero  general  aus  dem  17ten  Jahrhunderte, 
enthalten  herrliche  Bilder.  Als  im  16ten  Jahrhunderte  der  Reich- 
thum  der  Italienischen  Poesie  sich  zu  den  ursprunglichen  Formen 
der  Spanischen  Dichtkunst  gesellte,  als  Lope  de  Veja,  Galderon 
und  Cervantes  ihre  unübertroffenen  Meisterwerke  geschrieben, 
hatten  die  Spanische  Poesie  und  Literatur  ihren  Gipfel  erreicht. 
Die  literarische  Fruchtbarkeit  dieser  Heroen  erscheint  uns  unbe- 
greiflich; denn  von  Lope,  Felix  de  Vejo  Carpio  (f  1635)  existiren 
allein  26  Quartbände  mit  Dramen  und  Komödien,  von  denen 
jeder  Band  12  Stücke  enthält  Von  Calderon  de  la  Barca  (f  1687), 
dem  ersten  dramatischen  Dichter  Spaniens,  sind  noch  108  Dra- 
men und  Trauerspiele  vorhanden;  und  auch  die  vielen  Werke  in 
Prosa,  welche  Don  Miguel  de  Cervantes  Savedra,  dessen  Don 
Quixote  aUeia  ihn  unsterblich  gemacht  haben  würde,  geschrieben, 
geben  Zeugniss  von  eben  so  reicher  Gedankenfülle  als  von  dem 
angestrengtesten  Fleisse. 

Mit  Freuden  nehme  ich  fiir  meine  Deutschen  Landsleute 
den  Vorzug  in'  Anspruch,  diese  poetischen  Schönheiten  am 
höchsten  gewürdigt^  am  fleissigsten  und  geistreichsten  bearbeitet 
zu  haben.  Herders,  Bouterwecks,  Tiecks,  Schlegels,  Gries  und 
Malsburgs  treffliche  Arbeiten  bedürfen  weder  eines  Commentais 
noch  einer  Empfehlung. 

Unter  den  historischen  Werken  haben  Mendoza's  (f  1575) 
Geschichte  des  Aufruhrs  der  Mauren  von  Granada,  Geronimo 
Zuritas  —  Geschichte  von  Spanien,  Antonio  de  SoUs  —  Ge- 
schichte der  Eroberung  von  Mexico  als  classische  Werke  einen 
unbestrittenen  Werth.  Es  dürfen  aber  hier  nicht  unerwähnt 
bleiben:  Juan  de  Mena  (1456),  Roscan  (1544),  Verfasser  von 
Sonetten  im  Petrarkischen  Stil,  Garcilaso  de  la  Veja  (1533), 
Montemayor  (1575),  Herrera  (1578),  der  erste  Dichter  classischer 
Oden,  Ponce  de  Leon  (1591). 

Die  hohe  Achtimg,  in  welcher  die  Dichter  und  Geschieht* 


33 

8c)ireiber  in  ihrem  Yaterlande  standen,  ist  ein  ehrendes  Zeug- 
niss  für  das  Erkennen  und  Würdigen  ihres  Talentes.  Sie  kann 
in  einem  Lande  nicht  überraschen,  wo  selbst  gekrönte  Haupter, 
wie  Alfons  X  im  13ten  Jahrhundert,  Don  Juan  Maria  von  Casti- 
lien  im  14ten  Jahrhundert,  in  seinem  «  Grafen  von  Lucanor »,  sich 
nicht  scheuten,  mit  schriftstellerischen  Arbeiten  sich  zu  beschäf- 
tigen, und  die  edelsten  Ritter  die  Chroniken  ihrer  Zeit  nieder- 
schrieben, wie  der  Marquis  Enrique  de  Villena,  am  Hofe  Jo- 
hanns n  von  CastiUen,  und  der  Ritter  Lopez  de  Mendoza. 

Auch  die  neueste  Zeit  hat  in  Spanien  der  lyrischen  Dicht- 
kunst ihren  Tribut  nicht  versagt.  Der  Herzog  von  Rivas,  Espron- 
ceda,  Zorilla,  die  dramatischen  Schöpfungen  von  6il  y  Zarate, 
Hartzembusch,  Garcia  Guttierez,  die  Spottgedichte  Lara's  zeugen 
von  Talent,  und  es  hat  weder  unter  den  Deputirten,  noch  imter 
den  Muüstem  an  Rednern  gefehlt,  die  als  oratorische  Grössen  in 
den  Cortes- Sitzungen  be\vundert  wurden. 

Auch  die  Baukunst  hat  Spanien  mit  Schätzen  angefüllt.  Es 
ist  besonders  die  Berührung  des  Gothischen  und  Arabischen 
Stils  und  Geschmackes  bezeichnend  und  erfolgreich.  Aus  dem 
Geiste  der  neuen  christUchen  Völker  hat  sich  die  Gothische  Bau- 
kunst entwickelt ;  sie  gehört  Deutschland  mehr  an  als  Italien  und 
Spanien,  aber  es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  die  Berührung  mit 
der  leichten,  zierhchen,  üppigen  Maurischen  Bauart  auf  die  lieb- 
lichere und  kunstreichere  Entwickelung  des  Neugothischen  Stils 
wesentUch  mit  eingewirkt  hat.  Der  Cinco  ciento  Stil  in  Spanien 
hat  seine  höchste  Vollendung  erreicht ,  als  die  Künstler  mit  den 
Schöpfungen  Bramante  s  und  Cellini's  zu  wetteifern  begannen, 
und  aus  jener  Epoche  der  Kunstgeschichte  stammt  der  soge- 
nannte «  Plateresco  »  oder  Berruguete-Stil ,  der  mit  Recht  seinen 
Meister  verewigt  hat  Herrera,  von  dem  Spanien  $o  edle  Werke 
grossartiger  Baukunst  aufbewahrt,  beabsichtigte  unter  der  Re- 
gierung PhiUpps  n  die  klassische  Ornamentik  wieder  herzustel- 
len, welche  in  den  Ueberladungen  der  von  Churriguera  ausge- 
führten  Prachtbauten  ihren    Cuhninationspunkt   bereits   über- 

T.  Iffinutoli,  SpanleiL  3 


34 

schritten  hatte  und  dann  auch  bald  darauf  in  den  Rococo-Stil 
überging. 

Unter  den  vorzüglichsten  Spanischen  Baumeistern  verdie- 
nen besonders  hervorgehoben  zu  werden: 

Mateo  Maestro  —  1160,  Juan  de  Arandia  —  1499, 

Alonso  Berruguete  —  1500,     Alonso  Rodriguez  —  1500, 
Juan  de  Badajoz  —  1512,         Pedro  de  Ibarra  —  1520, 
Diego  Riano  —  1525,  Pedro  Redel  —  1550, 

Juan  de  Herrera  —  1670,  Franzisco  Mora  —  1596, 
Jose  Churiguerra  —  1727,  Franzisco  ^abatini  —  1760. 
Hinsichts  der  Baudenkmäler  haben  wenige  Länder  der  Welt 
so  Vieles,  so  Grossartiges,  so  Mannigfaltiges  aufzuweisen  als 
Spanien,  wo  man  die  Weltgeschichte  in  ihren  Phasen  auch  in 
und  durch  die  Baukunst  studieren  und  verfolgen  kann.  Von 
Phönizischen  imd  Celtiberischen  Bauten ,  durch  Römische  Tem- 
pel und  Theater,  durch  die  prächtigsten  Kathedralen  von  Burgos, 
Toledo,  Valencia  und  Sevilla  gelangt  man  in  die  Maurischen 
mährchenhaften  Paläste  nach  Sevilla,  Cordova  und  Granada. 
Daran  schliessen  sich  Herreras  Werke  in  Badajoz,  Sevilla,  Escu- 
rial,  deren  Entartung  man  folgt  bis  zu  den  Prachtbauten  der 
Paläste  im  Französischen  Geschmack. 

Die  Malerei  konnte  in  Spanien  in  der  Vollendung  nicht 
ziuilckbleiben.  Auch  sie  giebt  in  Museen  und  Kirchen  ein  treues 
Bild  des  Spanischen  Charakters:  Gediegen,  ernst,  religiös; 
schwärmerisch;  bekleidet  und  züchtig.  Die  Heilige  Jimgfrau  ist 
die  Schutzpatronin  des  Spaniers.  Sie  und  die  Karche  mit  ihren 
nächsten  Umgebungen  vereinigten  die  Andächtigen  und  Künstler 
sich  durch  Geschenke  zu  verewigen.  Begeisterung,  Anbetung, 
aus  innerstem  eigenen  —  oder  fremdem  Drange,  Griflfel  und  Pin- 
sel leihend  —  schmückten  Gemälde  und  plastische  Werke  zu- 
nächst die  Kirchen  und  Klöster,  seltener  die  Paläste  der  Fürsten 
oder  gar  Privat-Wohnimgen.  Das  Gesagte  wird  eine  Bestätigung 
finden  in  dem  Gegenstande,  in  der  Auffassung  xmd  in  der  Aus- 
fCihrung  der  Compositionen  von  Murillo,  Velasquez,  Ribera  und 
Zurbaran.    Spanien  ist  noch  jetzt  sehr  reich  an  herrüchen  6e- 


35 

mälden  Spanischer,  ItÄÜenischer  und  Deutscher  Meister,  wiewohl 
es  die  Fremden  nicht  haben  fehlen  lassen,  seine  Kunstschätze, 
sei  es  gegen  Zahlung  sei  es  mit  Gewalt,  zu  entföhren. 

Man  versichert,  dass  der  Marschall  Soult  37  sechsspännige 
Wagen  mit  Gemäldekisten  dem  Armee-Corps,  das  er  in  Spanien 
commandirte ,  habe  folgen  lassen,  und  dass  er  diese  Schätze 
glücklich  nach  Frankreich  geschleppt  habe.  Marschall  Sebastian! 
soll  nicht  ganz  so  thätig  gewesen  sein  imd  sich  mit  24  Wagen- 
ladungen mit  Bildern,  die  er  mit  sich  fortgenommen,  begnügt 
haben.  Im  Jahre  1835,  bei  Aufliebung  der  Klöster,  ist  auch  Vieles 
an  Kunstschätzen  über  Seite  geschafft  und  ins  Ausland  verkauft 
worden;  Veranlassung  genug  zu  der  gesetzlichen  Bestimmung, 
dass  Gemälde  unter  keiner  Bedingung  aus  dem  Lande  geschafft 
werden  dürfen.  Dagegen  begreift  man  aUerdings  weniger  die 
Absicht  des  Gesetzes,  welches  auch  den  Eingang  von  Kunstwer- 
ken und  Bildern  überhaupt  erschwert,  indem  es  von  jedem  Ge* 
m&lde,  ob  gut  oder  schlecht,  klein  oder  gross,  auf  Leinwand, 
Kupfer  oder  Holz  gemalt ,  eine  hohe  Eingangssteuer  erhebt. 

Der  Reichthum  von  guten  Bildern  im  Museum  von  Madrid 
ist  sehr  gross.  Es  befinden  sich  dort  27  Bassaaos,  49  Breughels, 
8  Gemälde  von  Alonso  Cano,  10  von  Claude  Lorrain,  22  von 
Vandyk,  18  von  Guido  Reni,  55  von  Lucas  Gordano,  13  von 
Antonio  Moro,  46  von  MuriUo,  3  von  Parmigniani,  21  von  Poussin, 
10  von  Raphael,  53  von  Ribera^  62  von  Rubens,  23  von  Snyders, 
52  von  Teniers,  43  von  Titian,  27  von  Tintoretto,  62  von  Velas- 
quez,  24  von  Paul  Veronese,  10  von  Wouwerman,  14  von  Zur- 
baran  etc. 

Im  wohlverstandenen  Interesse  der  Kunst  wäre  es  sehr  zu 
wünschen ,  dass  der  KönigL  Gesandte ,  Graf  Athanasius  von  Ra- 
czynski,  als  competenter  Kunstrichter,  wie  als  Sammler  und  Be- 
schützer der  Kunst  rühmlichst  bekannt,  die  Zahl  seiner  vortreff- 
liclien  wissenschaftlichen  Arbeiten  durch  eine  Geschichte  der 
iranischen  Schule  und  durch  eine  Kritik  der  in  Spanien  vorhaji- 
denen  Kunstwerke  vermehren  möchte. 

Auch  die  Spanische  Musik  hat  ihre  Geschichte,  ihre  Schulen 

3' 


36 

und  Conservatorien,  ihre  Componisten  und  deren  klassische  Com- 
positionen.  Es  ist  wohl  in  wenigen  Ländern  so  viel  fiir  Musik 
verausgabt  worden,  und  finden  sich  wohl  in  wenigen  Bibliotheken 
so  -viele  Werke  alter  und  klassischer  Musik  als  in  Spanien.  Lei- 
der muss  man  weit  zurück  gehen  bis  man  bewährte  Componisten 
findet,  und  muss  lange  suchen  bis  man  ihre  vergessenen  Werke 
ans  Tageslicht  fördert.  Allein  die  Schätze  sind  vorhanden,  und 
wenn  auch  wenig  geordnet,  so  doch  zugänglich,  und  Kenner 
und  Sammler  alter  Musik  werden  die  Bibliotheken  von  Madrid, 
Salamanca,  Toledo  und  Barcelona  nicht  unbefriedigt  verlassen, 
imd  wenn  sie  suchen,  auch  in  vielen  Kathedralen  und  vorma- 
ligen Kloster -Bibliotheken  eine  reiche  und  interessante  Emdte 
machen. 


Zur  Vervollständigung  der  oben  gegebenen  historischen 
Uebersicht  wird  ein  chronologisches  Verzeichniss  der  Könige 
von  Spanien,  imter  Angabe  ihres  Sterbejahres,  von  Interesse 
sein. 


Gothische  Könige. 

Ataulfo 415 

Sigerico 415 

Walia 419 

Teodoredo  (Teodorico) .  451 

Turismundo 453 

Teodorico  (II) 466 

Eurico 483  (484) 

Alarico 507 

Gresalico 511 

Amalarico 531 

Teudio 548 

Teudisclo 549 

Agila 554 

Atanagildo 567 

Leuva  I 573 

Leovigildo 586 


Recaredo  I 601 

Leuva  11 603 

Witerico 610 

Gimdemaro 612 

Sisebuto 621 

Recaredo  II 621 

Suintila 631 

Sisenando 636 

Chintüa 640 

Tulga 642 

Chindasvindo. .   —  649  (f  652) 

Recesvindo   672 

Wamba 680 

Ervigio 687 

Egica 701 

Witiza 711 

Rodrigo. 


Könige  voa  Asturien. 

Don  Pelajo 737 

Don  Favila 739 

Don  Alonso  I 757 

Don  Fruela  I 768 

Don  Aurelio 774 

Don  Süo 783 

Mauregato 789 

Don  Bermudo  I 791 

Don  Alonso  II 842 

Don  Ramiro  I 850 

Don  Ordono  I 866 

Don  Alonso  m 910 

Don  Garsia 914. 

Könige  von  Leon. 

Don  Ordono  ü 924 

Don  Fruela  11   925 

Don  Alonso  IV 931 

Don  Ramiro  11 950 

Don  Ordono  m 957 

Don  Sancho  I 966 

Don  Ramiro  m 982 

Don  Bermudo  11 999 

Don  Alonso  V 1027 

Don  Bermudo  HI 1037 

Dona  Sancha 1069. 

Könige  von  Castilien  und  Leon. 

Don  Fernando  I 1067 

Don  Sancho  H 1073 

Don  Alonso  VI 1108 

Donna  Uraca 1 126 

Don  Alonso  Vn  Emper.  1 1 57. 


37 

Trennung  von  CastUien  und  Leon. 
E<önige  von  Castilien. 

Don  Sancho  ni 1158 

Don  Alonso  Vm 1214 

Don  Enrique  I 1217 

Doila  Berenguela 1244 

Don  Fernando  m. 

Könige  von  Leon. 

Don  Fernando  U 1 188 

Don  Alonso  IX 1230 

Don  Fernando  in. 

Definitive  Vereinigung  von  Leon 
und  Castilien. 

San  Fernando  m 1252 

Don  Alonso  X  Emper. . .  1284 

Don  Sancho  FV 1295 

Don  Fernando  IV 1312 

Don  Alonso  XI 1350 

Don  Pedro  I 1369 

Don  Enrique  11   1379 

Don  Juan  1 1390 

Don  Enrique  HI 1407 

Don  Juan  n 1454 

Don  Enrique  IV 1474 

Doöa  IsabeUa  Cat 1504 

Don  Fernando  V 1516 

Dona  Juana 1555 

DonFeUpel 1506 

Don  Carlos  I  (V) 1558 

Don  Felipe  11 1598 

Don  Fehpe  m 1621 

Don  Felipe  IV 1665 

Don  Carlos  n 1700 


38 

Don  FeUpe  V 1746      Don  Carlos  m 1788 

Don  Luis 1724      Don  Carlos  IV  —  1808,  f  1819 

Don  Fernando  VI 1759      Don  Fernando  VH 1833 

Dona  Isabel  II  que  felizmente  reina, 
geboren  den  10  October  1830;  als  Königin  ausgerufen  den 
29  September  1833;  für  majorenn  erklärt,  und  zwar  um  ein 
Jahr  anticipirt  durch  Cortesbeschluss  vom  10  October  1840. 
Vermählt  den  10  October  1846  mit  Don  Franzisco  de  Asis,  Sohn 
des  Infanten  Franzisco  de  Paida. 

Wir  tragen  noch  die  Könige  von  Aragonien  nach : 

Don  Ramiro  (Sohn  Sancho'sIII    Don  Jaime  II 1327 

von  Navarra)  .  1035—1063      Don  Alonso  IV 1336 

Don  Sancho 1094      Don  Pedro  IV 1387 

Don  Pedro  I 1104      Don  Juan  1 1395 

Don  Alonso  I 1134     Don  Martin 1410 

Don  Ramiro  ü 1137      Don  Fernando  I  (Sohn 

Dona  Petronilla,    1151  Don  Juans  von  Casti- 

verm.  mit  Ramon  Be-  lien  und  Dona  Eleo- 

renguer  Graf  von  Bar-  nor ,    T.  Pedro's  IV 

celona 1162  von  Aragon)..  1412—1416 

Don  Alonso  11 1196     Don  Alonso  V 1458 

Don  Pedro  11 1213      Don  Juan  II 1479 

Don  Jaime  I 1276     Don  Fernando  II  (verm. 

Don  Pedro  in 1285  mit  Dona  Isabel  von 

Don  Alonso  HI 1291  Castihen) 1516 

Vielleicht  wird  man  nicht  mit  Unrecht  es  missbilUgen,  dass 
der  letzte  historische  Abschnitt  der  Spanischen  Geschichte  zu 
kurz  gefasst  ist^  um  einen  Anschluss  an  die  Gescliichte  der  Gegen- 
wart bilden  zu  können,  dass  vielmehr  eine  Lücke  entstanden 
sei,  welche  zum  besseren  Verständnisse  der  jetzigen  Regiertmgs- 
periode  auf  irgend  eine  Weise  ausgefüllt  werden  müsse.  Die 
Ergänzung  dieser  Lücke,  die  Kämpfe  gegen  fremde  Gewalt,  die 
Kämpfe  für  die  Verfassung,  die  Kämpfe  um  den  Thron  —  be- 
treffen politische  Rechtsfragen,  deren  Besprechimg  in  dieser  Ar- 
beit ausgesetzt  bleiben  soll.    Ich  habe  es  auch  absichtlich  ver- 


39 

mieden,  hier  die  successiven  Verluste  der  Krone  historisch 
hintereinander  aufzuzählen.  Der  Vergleich  der  früheren  geschil- 
derten  Macht  mit  der  Gegenwart  lässt  ja  Spielraum  genug  zu 
ernsten  Betrachtungen!  während  die  Geschichte  im  raschen 
Fluge  vorwärts  eilt,  Alles  mit  sich  fortreissend,  was  nicht  hinter 
der  Zeit  zurückbleiben ,  verkümmern  und  vergessen  sein  wiU. 

Wir  ziehen  an  den  Gräbern  der  Verstorbenen  vorbei,  zwar 
mit  Trauer  im  Herzen  um  den  Verlust,  aber  ims  erhebend  an 
den  Vorbildern  der  Dahingeschiedenen.  Wir  vermissen  imgem 
das  Besitzthum,  das  uns  Neid  und  Schlauheit  oder  offene  Gewalt 
entrissen.  Wir  sehen  mit  Unbehagen  die  Gapitalien  und  Be- 
sitzungen unserer  Vorfalu^en,  die  ohne  unsere  eigene  Schuld 
verloren  gegaagen,  in  den  Händen  Anderer.  Aber  wir  sind 
darum  nicht  niedergeschlagen  oder  muthlos.  Wir  sind  ims  un- 
serer eigenen  Kraft  bewusst  und  zählen  mit  Zuversicht  auf 
höheren  Beistand,  der  niemals  ausbleibt,  wenn  man  mit  Ernst 
und  Ausdauer  das  Rechte  mit  den  rechten  Mitteln  erstrebt.  Und 
dazu  ist  vor  allen  Dingen  Offenheit  xmd  Wahrheit  nothwendig. 
Die  Selbsttäuschung  ist  ein  Unglück,  die  Täuschung  Anderer  ein 
Unrecht ! 

Es  mag  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Motive,  welche 
V.  Hügel  in  seiner  Schrift  «Spanien  und  die  Revolution»  an- 
fuhrt, die  richtigen  sind.  Die  Werke  von  Fievees  «  de  l'Espagne 
et  des  consequences  de  Imtervention  armee»;  von  Jullians 
«Precis  historique  des  prindpaux  evenements  qui  ont  amene 
la  revolution  d'Espagne»,  xmd  von  Pradt  «Europa  nach  dem 
Congresse  von  Aachen»  enthalten  höchst  iateressante  Betrach- 
tungen, aber  Nichts,  was  dazu  beitragen  könnte,  die  jetzige 
Regienmg,  ihre  Kräfte  und  Mittel  zu  beurtheilen.  Wenn  es  aber 
eben  darauf  ankommt^  zu  beweisen,  dass  Spanien  sich  in  einem 
Entwickelimgsprozesse  befindet,  der  in  festen  Schritten  kräftig 
vorwärts  schreitet,  so  will  ich  aus  amtlichen  Quellen  eimge  No- 
tizen über  die  Verhältnisse  Spaniens  am  Schlüsse  des  vergange- 
nen Jahrhunderts  anfuhren,  um  an  jenen  Zahlen-Verhältnissen 
zu  prüfen,  ob  und  in  w^elchen  Progressionen  der  Fortschritt  eine 
befriedigendere  Zukimft  angebahnt  hat. 


40 

Aus  dem  Censo  de  la  riqueza  territorial  y  industrial  de 
Espaiia  geht  hervor,  dass  in  Spanien  im  Jahre  1799  vorhan- 
den waren:  256,000  Geistüche;  darunter  69,000  Mönche  in  2122 
Klöstern,  und  35,000  Nonnen  in  1130  Klöstern. 

51,000,000  Piaster  betrug  das  Einkommen  des  Clerus  und  der. 
Klöster ;  ein  Drittel  mehr  als  die  Einnahme  aus  den  Staatsgütern. 

Es  waren  dagegen  in  Spanien  nur  270,300  Handwerker, 
90,700  Landwirthsehafttreibende,  964,000  Tagelöhner,  276,000 
Diener,  37,700  Fabrikanten,  39,780  Kaufleute. 

Es  betrugen  damals  in  ganz  Spanien  nach  amtlichen  Schätzun- 
gen an  Werth  343,000,000  r.  die  Kunsterzeugnisse  aus  dem  Pflan- 
zenreiche, 372,000,000  r.  die  aus  dem  Thierreiche,  344,000,000  r. 
die  aus  dem  Mineralreiche,  113,000,000  r.  die  Kunsterzeugnisse 
aus  verschiedenen  gemeinschaftüch. 

Dagegen  betrug  die  Seelenzahl  auf  dem  Spanischen  Fest- 
lande 1808  nur  7,800,000,  die  Staatseinnahme  von  1825  nur 
den  vierten  Theil  der  Einnahme  von  1818. 


Es  ist  ein  grosser  Vorzug,  dass  Spanien  so  wenig  von  den 
Folgen  des  24  Februar  1848  berülu't  ist,  da  doch  die  Demokra- 
tie von  ganz  Europa  untereinander  in  ihren  Sympathien  für 
Frankreich  wetteiferte  und  ihre  Elemente  auch  über  Spanien 
vertheilt  und  in  Bereitschaft  gehalten  haben  wird.  Allein  es  ist 
auch  die  Kraft  der  Regienmg,  die  Zuverlässigkeit  der  Armee 
und  die  BLlugheit  und  Energie  der  damals  am  Ruder  befind- 
lichen Staatsmänner  gebührend  anzuerkennen,  welche  vereint 
es  möglich  machten,  dass  die  Versuche  der  Stönmg  der  Ord- 
nung in  schnellster  Zeit  beseitigt  wurden.  An  solchen  Ver- 
suchen hat  es  nicht  gefehlt.  Der  27  März,  7  Mai  und  13  Mai 
haben  ihre  Opfer  gefordert,  unter  denen  General  Fulgosio,  6e- 
neral-Capitain  von  Madrid,  der  edelsten  eins  war.  Aber  nicht 
allein  Madrid,  auch  Sevilla  versuchte  seine  Revolution,  und  Cata- 
lonien  ward  von  Cabrera  heimgesucht^  während  der  Graf  Monte- 
molin  von  seinem  Vorsatze,  nach  Spanien  zu  gehen,  nur  durch 
Verhaftung  auf  der  Französischen  Grenze  abgehalten  wurde. 


41 

Spanien  hat  in  den  letzten  Jahren  in  der  öffentlichen  Mei- 
nung in  demselben  Masse  gewonnen,  wie  an  innerer  Ausbildung 
und  äusserer  Kraft  zugenommen.  Die  Anerkennung  der  Köni- 
gin Seitens  Preussens  hat  wesentlich  dazu  beigetragen;  Oester- 
reich  und  andere  Mächte  folgten;  die  Regierung  ward  freier, 
selbststSndiger  und  thatkräftiger.  Das  Protectorat,  welches  ttian 
Spanien  aufdrängen  wollte,  um  welche  Ehre  sich  zwei  Nationen 
stritten ,  es  hat  nach  der  würdigen  und  festen  Haltung  des  Gou- 
vernements keine  Veranlassung  gefunden  sich  geltend  zu 
machen ;  es  hat  vielmehr  dadurch  Spanien  in  die  Lage  gesetzt, 
unabhängig  und  neutral  dem  Gesammt-Europa  gegenüber  da  zu 
stehen  und,  nachdem  die  inneren  Kämpfe  nachgelassen,  den 
dauernden  Interessen  des  Landes  seine  Aufinerksamkeit  zu  lei- 
hen, den  Arbeiten  des  Friedens  Vorschub  zu  gewähren,  und  auf 
die  Entwickelung  der  National-Bildiuig  und  des  National- Wohl- 
standes hinzuwirken.  Nachdem  die  früher  durch  Castillo  y 
Ayensa  in  Rom  versuchte  Verständigung  zu  keinem  Resultate 
gefuhrt  hatte,  erleichterte  die  Expedition  der  Spanischen  Armee 
nach  Italien  die  Anknüpfung  der  Unterhandlungen  und  den  Ab- 
schluss  des  Concordates.  Die  Regulirung  der  die  öffentliche 
Schuld  betreffenden  Vei'hältnisse  fand,  als  eine  Ehrensache  der 
Nation,  die  Billigung  des  In-  und  Auslandes.  Der  Abschluss  des 
Vertrages  vom  26  August  1850,  welcher  die  gegenseitige  Aus- 
liefenmg  der  Verbrecher  mit  Frankreich  stipulirte ,  erhöhte  die 
öffentliche  Sicherheit,  insbesondere  der  nördlichen  Grenzprovin- 
zen; so  wie  der  Postvertrag  vom  1  April  1849  den  gegenseitigen 
Verkehr  durch  Ermässigung  des  Brief-  und  Zeitimgsporto's  auf 
sehr  erwünschte  Weise  erleichtert,  und  eine  sehr  wichtige  und 
zweckmässige  Postrefoim  in  Spanien  selbst  herbeigeführt  hatte. 
Auf  gleichen  Grundlagen  bendiende  Vertrage  wie  mit  Frank- 
reich wurden  am  22  Juli  1850  mit  Portugal,  am  2  November 
1850  mit  der  Schweiz  und  im  December  1851  mit  Preussen  ab-' 
geschlossen«  Die  seeräuberischen  Züge  des  General  Lopez  ge- 
gen Cuba  in  den  Jahren  1850  und  1851  haben  den  verdienten 
Lohn ,  tmd  die  Strafe  die  Billigung  von  ganz  Europa  gefunden. 


42 

Die  ünterwerfimg  des  Sultans  von  Golo  bekundet  deutlich  ge- 
nug den  Tribut,  welcher  nur  der  energischen  und  gerechten 
Handlungsweise  einer  starken  Regierung  gezollt  wird. 

Die  Justiz-  und  Zoll -Reformen;  die  Einführung  der  Rech- 
nungs-ControUen;  die  Reorganisirung  der  Provinzial-Verwaltun- 
gen;  die  Einführung  gi-össerer  Sparsamkeit;  das  Festhalten  des 
Rechtsprinzipes  ohne  Rücksicht  auf  den  Stand  des  Schuldigen ; 
die  Herstellung  der  öffentüchen  Ordnung  und  Sicherheit;  die 
Thätigkeit  an  den  Strassen-  und  Canal-Arbeiten;  die  Aufstellung 
neuer  Reglements  fiir  den  öffentlichen  höheren  Unterricht;  die 
Rüstigkeit  auf  den  Wei'ften  des  Marüie-Depots  —  alle  diese  An- 
fiihrungen  bilden  eben  so  viele  Lobeserhebungen  für  die  Re- 
gierung. 

Die  vielen  neuen  Gesetze,  welche  die  Gazetta  de  ])fadrid 
veröffentlicht,  widerlegen  durch  die  That  den  Vorwurf  der  Un- 
thätigkeit,  den  man  den  Mnisterien  wohl  gemacht.  Wenn  man 
kein  Recht  hat,  sich  über  das  zu  wenig  zu  beklagen,  und  zuge- 
stehen muss,  dass  das  zu  viel  ungünstig  wirkt,  weil  ihm  nicht 
allein  die  notliwendige  Uebereuistimmung  verschiedener  Mini- 
sterien häufig  felilt  und  Declarationen  unmittelbar  nach  dem  Er- 
scheinen des  neuen  Gesetzes  noth wendig  w^erden,  sondern  auch 
weil  es  einen  schwankenden  mid  unsicheren  Zustand  herbei- 
fuhrt, weim  fortgesetzt  mit  neuen  Verordnungen  experimentirt 
wird,  bevor  die  vorhergehenden  Zeit  gefunden  haben,  sich  in 
ihren  Licht-  imd  Schattenseiten  erfahrungsmässig  zu  bewähren 
—  so  bekundet  jene  Fruchtbarkeit  der  Ministerien  jedenfalls  das 
lobenswerüie  Streben,  das  mögüchst  Vollkommene  aufzusuchen 
und  in  Ausfuhnmg  zu  bringen. 

Zu  den  Fragen  des  Jahrhunderts  gehöi't  auch  die  sociale. 
Ich  zweifle  nicht,  dass  Spanien,  wenn  es  nicht  etwa  ganz  darüber 
hinauskommt,  so  doch  später  davon  betroffen  werden  wird  als 
die  übrigen  Länder  Europas.  Die  Industiie  sclu*eitet  rüstig  und 
sicher  vorwärts.  Es  ist  bei  der  schwachen  Bevölkerung,  bei  der 
Menge  noch  unbebauten  Landes  nirgends  ein  Ueberfluss  an  ar- 
beitskräAigen  Händen,  aber  überall  Gelegenheit  zur  Arbeit.  Die 


43 

Lage  des  Spanischen  Arbeiters  ist  gut.  Seine  Behandlung  ist 
human;  sein  Auskommen  ist  gesichert;  die  Arbeitszeit  ist  so  ein- 
getheilt,  dass  er  nicht  übermässig  angestrengt  wird  und  ihm 
Zeit  bleibt  zur  Erholung  und  zu  seuiem  Vergnügen.  Bei  seinem 
natürUchen  und  praktischen  Verstände  begreift  er  wold,  dass 
die  politischen  Wühlereien  nur  nachÜieiUg  auf  diejenige  Pro- 
vinz, von  wo  sie  ausgehen,  genaJirt  und  verbreitet  werden,  also 
auch  auf  ihn  selbst  zurückwirken  müssen.  Er  föhlt,  dass  im 
glücklichsten  Falle  nur  wenige  Einzelne  dabei  vorübergehend 
gewinnen  und  ihi*en  Elu'gciz  befriedigt  sehen  können,  während 
alle  Uebrigen  und.  das  Gesanmitwohl  darunter  leiden ,  luid  die 
Wunden,  die  solche  Ereignisse  schlagen,  lange  nachbluten  müs- 
sen, bis  der  Heilungsprozess  beginnen  und  nach  dem  Ausschnei- 
den des  wilden  Fleisches  beendet  werden  kann.  Der  Spanier  ist 
voller  Selbstbewusstsein;  er  ist  stolz;  er  erniedrigt  sich  nicht 
und  erkennt  den  Unterschied  der  Stande  nicht  in  so  weit  an, 
um  den  Vornehmeren  andere  Vorzüge  als  die  der  Glücksgüter 
einzuräumen;  aber  der  Spanier  ist  dessenmigeachtet  nicht  De- 
mokrat, denn  das  monarchische  Prinzip  wurzelt  zu  tief  im  Volke. 
Darum  begreift  auch  der  Spanische  Arbeiter  selir  wohl,  dass 
demokratische  Bestrebungen  in  revolutionäi*en  Bewegungen  den 
Vorwand  bilden  und  seine  Theilnahme  nur  als  Mittel  zum  Zweck 
benutzt  w^erden  soll. 

Die  Regierung  ist  stark ,  wemi  sie  will !  Die  Armee  ist  vor- 
trefflich: disciplinirt,  ausgerüstet  und  zuverlässig.  Die  Haltung 
der  Provinzial-Militair-  und  Civil- Chefs  ist  eine  ernste  und  wür- 
dige, welche  mit  Achtung  imd  Verti'auen  erfiillen  muss.  Ich 
zweifle  nicht,  dass  mit  Kraft  und  Energie  und  Nachdruck  gehan- 
delt werden  wird,  wenn  es  darauf  ankommen  sollte. 

Bevor  wir  zur  Verwaltung  übergehen,  um  daraus  die  Ver- 
hältnisse, Kräfte,  Eigenthümlichkeiten  des  Landes  näher  kennen 
zu  lernen,  um  zu  beurtheilen,  ob  und  wie  weit  die  geistige  und 
materielle  Entwickelung  und  der  Fortschritt  sich  bethätigen,  ist 
es  wohl  nothwendig ,  noch  einen  Blick  auf  den  Charakter  und 
die  Eigenthümlichkeit  der  Landesbewohner  zu  werfen;   um 


44 

daraus  zu  ermessen,  mit  welchen  Schwierigkeiten  die  Regierung 
zu  kämpfen  hat,  und  auf  welche  Mittel  sie  in  ihren  Bestrebungen 
angewiesen  ist. 

Ein  Bück  auf  die  Landkarte  von  Spanien  sollte  zu  der  Vor- 
aussetzung fuhren,  dass  dieser  in  sich  abgeschlossene,  abgerun- 
dete, durch  natürliche  Grenzen  nach  Aussen  geschützte  Länder- 
complex  so  recht  von  der  Natur  darauf  angewiesen  sei,  im  innig- 
sten Zusammenhange  und  in  der  Gemeinschaft  nationaler  Ge- 
iuhle  und  Interessen,  vereinigt  durch  das  Band  der  Sprache  — 
ähnlich  wie  Frankreich  —  nach  Innen  imd  Aussen  eine  einzige, 
einige,  feste,  compacte  Masse  zu  bilden.  Man  sollte  diese  Vor- 
aussetzimg um  so  sicherer  aufstellen  können ,  als  die  Natur  die- 
ses interessanten  Landes,  seine  klimatischen  und  Boden-Verhält- 
nisse, die  Geschichte  seiner  Cxdtur,  welche  in  ihren  zwei  Haupt- 
epochen von  Afiica  herüber  gekommen  ist  und  die  Stämme  je- 
ner Welttheile  in  Spanien  heimisch  gemacht  hat,  und  die  hier- 
durdi  bedingten ,  faktisch  bestehenden  Eigenthünüichkeiten  des 
Charakters ,  der  Sitten  imd  Trachten  und  äusseren  Erscheinun- 
gen schon  zu  der  Ansicht  gefuhrt  haben,  dass  die  Pyrenäen  die 
Grenze  zwischen  Europa  und  Africa  bilden,  «  and  that  the  country 
is  at  least  a  neutral  ground  between  the  hat  and  the  turban. » 

Allem  diese  durch  die  Natur  angewiesene  innere  Gemein- 
schaft besteht  thatsächlich  nicht  Wie  Deutschland  durch  ver- 
schiedene Stämme  und  Sonderinteressen  und  die  daraus  sich 
entwickelnden  Erscheinungen  durch  Egoismus,  Eifersucht  imd 
Neid,  trotz  aller,  nicht  ohne  Sclmierzen  und  Wunden  versuchten 
Anstrengungen,  über  die  Schwierigkeiten  der  Form  den  Gedan- 
ken der  Einheit  nicht  verwirklichen  konnte  —  gerade  so  sehen 
wir  Spanien  geschieden  und  zerklüftet  nach  seinen  einzelnen 
provinziellen  Bestandtlieilen ;  je  nachdem  ilmen  entweder  die 
Geschichte  eine  abgesonderte  Stellung  und  politische  Vorrechte 
angewiesen,  oder  ihre  inneren  Verhältnisse  und  charakteristi- 
schen Eigenthünüichkeiten  eine  schnellere  Entwickelimg,  Arbeit 
und  Industrie,  Handel  und  Reichthum,  und  die  nachtheiligen 
Folgen  derselben,    Selbstsucht  und  Eifersucht  herbeigeführt 


45 

haben.  Wie  der  Catalonier  auf  die  Frage :  «  ob  er  Spanier  sei  ?  » 
mit  «Nein!  ich  bin  Catalane!»  antwortet,  so  fehlt  auch  die  Ge- 
meinschaft und  Sympathie  zmschen  Andalusiem  und  CastiHanern, 
zwischen  Valencianem  und  Basken,  zwischen  den  Bewohnern 
von  Estremadura  imd  denen  von  Leon  und  Galicien.  Die  Folgen 
dieser  Sonderstellung  der  einzelnen  Theile  zu  einander  sind  nicht 
ohne  nachtheilige  Rückwirkung  gebüeben.  Aber  trotz  der  Ver- 
schiedenheit der  einzelnen  Provinzen,  trotz  der  Geschiedenheit 
ihrer  Bewohner,  trotz  der  heterogenen  Interessen,  die  keine  An* 
näherung  herbeifuhren  können,  sondern  gerade  das  Gegentheil 
bewirken  —  alle  Spanier,  ohne  Unterschied,  und  abgesehen  von 
allen  übrigen  Ansichten  und  Vorurtheilen  —  alle  Spanier  sind 
übereinstimmend  in  dem  erhebenden,  kräftigenden  National- 
bewusstsein ,  in  den  loyalen  Gesinnungen  für  ihre  Königin ,  in 
ihrer  Anhänglichkeit  an  ihre  Kirche,  und  in  ihrer  Abneigung  und 
Hass  gegen  alles  Fremdländische,  das  sich  zu  irgend  einem  Ein- 
flüsse im  Lande  erheben  und  behaupten  möchte. 

Die  unbegrenzte  Verehnmg  der  Königin,  die  Zartheit  in  der 
Zurückhaltung  aller  Urtheile  über  das  Königliche  Haus  sind  eben 
so  achtungs-  als  nachahmenswerth.  Es  liegt  auch  hierin  ein  Be- 
weis, dass  in  Spanien  das  monarchische  Prinzip  unerschütterlich 
fest  im  Volke  wurzelt.  —  Der  Spanier  ist  Katholik ;  er  ist  es  im 
vollsten  Sinne  des  Wortes.  Bei  allem  Stolze  über  die  im  Lande 
herrschende  Freiheit,  hat  Spanien  die  freie  Ausübung  des  Glau- 
bens nur  auf  die  MitgUeder  der  Römisch -Katholischen  Kirche 
beschränkt  Aber  der  Spanier  liebt  seine  Religion,  er  ehrt  seine 
Kirche;  er  duldet  keine  Beeinträchtigimg  derselben,  und  zwar 
eben  so  wohl  aus  Gewohnheit  als  aus  Bedürfniss  und  Ueber- 
zeugung.  Man  verweise  mich  zur  Widerlegimg  dieses  Urtheils 
nicht  auf  die  Aufhebung  der  Inquisition ,  oder  die  Ausweisung 
der  Jesuiten,  auf  die  Zerstörung  der  Klöster  und  die  Verfolgung 
der  Mönche,  nicht  auf  die  Einziehung  der  Kloster-  und  Kirchen- 
güter und  die  unterlassene  Alimentation  der  Kloster -Geistlichen 
in  den  Jahren  1836  bis  1842.  Die  Beurtheilung  jener  Massregeln 
liegt  ausserhalb  des  Bereiches  dieser  Arbeit.    Jene  Thatsachen 


46 

haben  mit  der  Liebe  und  Achtung  vor  der  Kirche  nicht«  zu 
schaffen.  Es  waren  allerdings  Vertreter  der  Kirche,  oder  doch 
Männer,  welche  eine  Bevorzugung  aus  ihrer  ausschliesslichen 
Stellung  zur  Kirche  und  aus  ihrem  Dienste  in  derselben  in  An- 
spruch genommen  hatten,  aber  —  mit  emem  Worte  —  es  han- 
delte sich  dabei  um  die  Personen  und  nicht  um  die  Sache. 

Wenn  endlich  der  Spanier  das  Fremde  hasst.,  so  ist  er  sich 
dabei  der  Geschichte  seines  Vaterlandes,  der  Nachtheile  bewusst, 
welche  fremder  Einfluss  über  Spanien  gebracht  hat.  Wo  dieser 
Einfluss  ein  entschieden  schädlicher  war.  wo  fremde  Macht  dem 
Lande  unheilbringend,  wo  fremde  Armeen  verwüstend  und  zer- 
störend in  den  Pro\'inzen  gehaust ,  wo  fremde  Gewalt  mit  Un- 
menschlichkeit Kriege  gefiihrt  und  die  Denkmäler  der  Kunst 
und  Wissenschaft  selbst  aus  Gotteshäusern  mit  sich  hinweg- 
geschleppt oder  verniclitet  hat  aus  blosser  Zerstönmgslust  — 
da  werden  solche  Gefiihle  der  Erbitterung  natürlich;  sie  sind 
nicht  ungerecht,  sondern  begründet.  Wir  Deutsche  mögen  es 
immerliin  dankbar  anerkennen,  dass  die  Bezeichnung  «Aleman» 
das  Mistrauen  des  Spaniers  gegen  den  Fremden  leicht  beseitigt. 
Wir  mögen  diese  JIrscheinung  mit  Genugthuung  aufnehmen,  als 
den  Beweis ,  dass  das  deutsche  Element  sich  in  Spanien  in  sei- 
ner Ehrenhaftigkeit  bewährt  hat;  wir  mögen  aus  dieser  That- 
sache  Veranlassung  nehmen,  dafiir  zu  sorgen,  dass  diese  Ach- 
tung der  Spanier  vor  dem  Deutschen  (Charakter  niemals  erschüt- 
tert, sondern  nur  immer  mehr  gesteigert  werde. 

Ausser  den  oben  angefahrten  EigenthümUchkeiten  ist  der 
Spanier  stolz ;  er  ist  ritterlich,  grossmüthig,  verschwiegen,  massig 
und  beseelt  von  glüliender  Liebe  fiir  sein  Vaterland.  Heiter  und 
lebhaft,  nicht  ohne  Geist  imd  Witz,  liebt  er  Tanz,  Gesang  und 
höfliche  Worte.  Gereizt,  erhitzt,  steigert  sich  die  Leidenschaft- 
lichkeit zur  Rache.  Der  sittliche  Werth  in  den  unteren  Schich- 
ten der  bürgerlichen  Gesellschaft  ist  tief  begründet.  Der  Spa- 
nier ist  schön-  und  wohlgebaut;  gewandt  und  ausserordentlich 
kräftig.  Dieser  gesunden  und  festen  Natur  erfreut  sich  auch  die 
Spanierin,  deren  schöne  Formen,  grazieuse  Bewegungen,  witzige 


47 

und  pikante  Redegewandtheit,  deren  Geschmack  in  der  Toilette 
und  liebenswürdige  Lebendigkeit  in  der  Gesellschaft  zu  allge- 
mein bekannt  und  gesucht  sind,  um  sie  hier  noch  besonders 
als  Rechtfertigung  für  den  Mangel  grosser  Thätigkeit  in  den 
häuslichen  Berufsgesch&ften  anzuführen.  Wenn  es  überhaupt 
einer  Rechtfertigung  bedürfte,  so  würde  diese  zunächst  in  den 
klimatischen  Einflüssen  zu  suchen  sein,  welche  in  der  Hitze  des 
Sonmiers  wenigstens  Körper  imd  Geist  lähmen  und  zur  massi- 
gen Beschäftigung  rathen ,  imd  —  da  sie  zur  Ruhe  mahnen  — 
in  den  frischeren  Tageszeiten  eine  Erheiterung  ausser  dem  Hause 
erklärlich  machen. 

Von  der  ausnehmenden  Muskelkraft  und  Ausdauer  der  Spa- 
nier hat  man  kaiun  eine  Vorstellung.  Man  folge  einmal  den  An- 
strengungen ,  welche  das  Militair  auf  Uebungen  imd  Märschen 
in  der  erschöpfenden  Hit^e  leichten  imd  frohen  Sinnes  erträgt. 
Man  beobachte  die  Hafenarbeiter,  von  denen  je  4  eine  Last  von 
12  Centnem,  auf  Kopf  imd  Schulter  vertheilt,  rüstigen  Schrittes 
auf  weiten  Strecken  fortbewegen.  Man  sehe  die  Fischer  und 
Schiffer  in  ihren  Handtierungen,  oder  die  Feldarbeiter  in  Cata- 
lonien  in  den  felsigen  Weinbergen,  oder  in  Valencia  und  Murcia 
in  den  bewässerten  und  sumpfigen  Ebenen  in  der  sengenden 
Sonnengluth  arbeiten !  Ich  bin  im  Jidi  von  Madrid  nach  Valen- 
cia 60  Meilen,  im  August  von  Madrid  nach  Sevilla  84  Meilen, 
später  von  Madrid  nach  Barcelona  98  Meilen  mit  der  Diligence 
gefahren,  und  dieselben  Vorreiter  (adelantero),  Burschen  von  15 
bis  16  Jahren,  haben  jedesmal  die  ganze  Strecke  vom  Anfang 
bis  zum  Endpimkte  zu  Pferde  zurückgelegt  imd  auf  jeder  Sta- 
tion ihr  Pferd  nodi  selbst  gesattelt  und  angespannt.  Man  sieht 
die  Spanischen  Damen  in  leichten  Gewändern  im  heftigsten  Zug- 
wind in  den  Zimmern  oder  auf  dem  Paseo,  imbeschadet  ihrer 
Gesundheit,  gehen  und  sitzen;  sie  gehen  in  der  Kühle  wie  in 
der  heissen  Sonne  im  blossen  Kopf;  sie  ertragen  im  Winter  die 
em^^dlichste  Zimmerkälte.  Schon  die  Spanischen  Ejnder  sind 
sdir  abgehärtet;  man  hört  äusserst  wenig  Kindergeschrei  (no 
giitan  los  ainos)  sagen  die  Ammen  und  schleppen  die  geduldi* 


48 

gen  Säuglinge  zu  Stierkämpfen ,  zu  allen  Vergnügungen,  in  Kir- 
chen- und  Strassengedränge  mit  herum,  ohne  dass  die  kleinen 
Geschöpfe  lästig  werden. 

Die  Falschheit  luid  Hinterlist,  die  man  den  Spaniern  wohl 
nachsagt,  entspricht  dem  Bilde,  das  man  sich  im  Auslande  von 
dieser  Nation  zu  entwerfen  pflegt  wo  man,  wenn  auch  nicht  ge- 
rade immer  einen  galanten  Räuber,  so  doch  mindestens  einen 
Stierkämpfer,  einen  Castagnettentänzer  oder  sonst  einen  leiden- 
schaftUch  aufgeregten  Menschen  in  ihm  zu  erkennen  glaubt. 
Eine  solche  aufgeregte  Vorstellung  von  den  Spaniern  im  Allge- 
meinen ist  durchaus  falsch.  Der  Spanier  ist  im  Gegentheil  in 
allen  Momenten  des  Lebens,  die  nicht  eben  durch  eine  gewisse 
Aufregung  und  Leidenschaftlichkeit  bedingt  werden,  ernst,  ru- 
hig, gehalten  und  durchaus  anständig.  ^  Bei  Volks-  imd  Kirchen- 
festen und  öffentlichen  Lustbarkeiten,  wo  viele  Tausende  ver- 
sammelt, wo  die  Aufmerksamkeit  gefesselt,  die  Theilnahme  in 
erhöhtem  Maasse  in  Anspnich  genommen  und  der  Raum  für 
die  Zuschauer  beschränkt  war  —  habe  ich  nirgends,  weder  in 
grossen  noch  in  kleinen  Städten,  ein  unanständiges  Drängen,  ein 
Schreien,  Stossen,  Necken  oder  lautes  Zanken  wahrgenommen. 
Ich  habe  bei  solchen  Gelegenheiten  niemals  eine  Schlägerei,  nie- 
mals Händelsüchtige  oder  Trunkenbolde ,  niemals  eine  Wider- 
setzlichkeit gegen  Abgeordnete  der  Obrigkeit  wahrgenommen. 
Niemals  habe  ich  femer  bemerkt,  dass  man  sich  an  öffentlichen 
Orten  auch  nur  die  mindeste  Unziemlichkeit  oder  auch  niu*  Ver- 
traulichkeit gegen  Frauenzimmer  erlaubt  hätte  —  sondern  überall 
ohne  Ausnahme  habe  ich  den  anständigsten  Ton  im  Umgang  und 
Haltung  gefunden;  imd  zwar  in  einem  Grade,  wie  er  unter  dem 
weniger  glühenden  Himmelsstrich  nördlicherer  Länder,  in  denen 
weniger  Leidenschaftlichkeit  und  mehr  Bildung  und  Sitte  zu 
Hause  sein  soll,  nicht  eben  allgemein  ist.  Um  jedoch  der  Wahr- 
heit die  Ehre  zu  geben,  muss  ich  anfiihren,  dass  sich  die  Aus- 
brüche der  Leidenschaftlichkeit  in  dem  Spanischen  National- 
vergnügen,  dem  Stierkampfe,  falls  dabei  die  sonst  üblichen  For- 
men verletzt  und  die  Wünsche  des  Publikums  getäuscht  werden. 


49 

nicht  zurückhalten  lassen,  diese  dann  vielmehr  die  Gesammt- 
masse  der  Zuschauer  ergreifen,  welche  ihre  Verstimmung  durch 
laute  Aeusserung  des  Missvergnügens  und  gegen  die  Sitzbänke 
des  Amphitheaters  auslassen,  die  sie  oft  sSmmtlich  zertrümmern. 

Zur  Begründung  des  oben  angefiihrten  Urtheils  über  die 
charakteristische  Verschiedenheit  der  einzelnen  Spanischen  Pro- 
vinzen und  ihrer  Bewohner,  muss  auf  die  geschichtlichen  Mo- 
mente, welche  diese  Verschiedenheit  motiviren,  zurückgegangen 
werden.  Als  die  Römer  sich  nach  Karthagos  Fall  in  Andalusien 
festsetzten,  nannten  sie  die  Provinz  nach  dem  Baeüs  (Guadal- 
quivir)  Baetica.  Diese  Bezeichnung  ward  in  Vandalacia  oder 
Belad  al  Andalosch  verwandelt,  nachdem  mit  dem  Einfall  der 
Gothen  die  Vaadalen  sich  im  Süden  Spaniens  niedergelassen  — 
und  diese  dann  später  den  Mauren  hatten  weichen  müssen.  — 
Von  da  ab  erhob  sich  das  Land  zu  einer  früher  nicht  gekannten 
Blüthe.  Kunst  und  Wissenschaften  übten  ihre  Herrschaft  nicht 
allein  über  die  vier  Königreiche ,  in  welche  Andalusien  getheilt 
ward,  die  Königreiche  von  Jaen,  Granada,  Cordova  und  Sevilla, 
sondern  auch  in  weiteren  Regionen  über  ganz  Spanien  aus. 
Cordova  war,  zur  Zeit  der  Finstemiss  in  Europa,  der  glänzende 
Stern  des  Lichtes ,  und  als  dieser  Stern  bleicher  und  matter  ge- 
worden und  endlich  untergegangen  war,  erglänzte  einige  Jahr- 
hunderte später  noch  einmal  Sevilla  in  den  Meisterschulen  der 
Murillo,  Velasquez  und  Cano. 

Durch  die  Sierra  Morena,  durch  die  starren  Gebirgszüge 
der  schneebedeckten  Kuppen  von  Granada  und  Ronda  geschützt, 
vom  Meere  in  seinen  weiten  Küstenstrichen  umspült,  von  einem 
majestätischen  Strome  durchschnitten,  birgt  Andalusiens  Boden 
die  edelsten  Metalle,  und  spendet  es  in  überreicher  Fülle  die 
Früchte  aller  Zonen.  Dieser  Ueberfluss,  dieser  Wechsel,  diese 
Gegensätze  in  der  prachtvollen  Natur,  die  Thäler  und  Schluchten, 
Bäume  und  Sträucher,  Flüsse  xmd  Quellen,  Burgen  und  Schlösser, 
die  im  Farbenglanz  und  Mannigfaltigkeit  schöner  Formen  zu 
wetteifern  scheinen,  —  sie  spiegeln  sich  wieder  in  dem  Andalu- 
sischen  Msgo;  in  seiner  bunten  malerischen  Tracht;  in  seiner 

T.  Minatoli»  Spulen.  4 


50 

Laune  und  Liebenswürdigkeit;  in  seiner  Leidenschaftlichkeit  der 
Gefühle;  in  der  Ruhe  und  Unerschrockenheit  des  ritterlichen 
Hochländers  9  der  seiner  Zeit  den  Franzosen  genug  zu  schaffen 
gemacht  hat  Da  die  gütige  Natur  Andalusiens  allein  fiir  Alles 
sorgt,  warum  soll  der  Mensch  dort  nicht  auch  die  Annehmlich- 
keit des  dolce  far  niente  geniessen  dürfen?  Dass  die  Andalusier 
leicht-  und  abergläubisch  und  zu  Uebertreibimgen  geneigt  sind, 
behaupten  ihre  Landsleute  in  den  übrigen  Provinzen. 

Castilien  umfasst  die  früheren  Celtiberischen,  Oretanischen 
und  Carpetanischen  Gebiete.  Der  nordwestliche  Theil,  von  den 
Gothen  Bardulia  genannt,  ward  von  den  Mauren  als  Castilien 
bezeichnet,  wegen  der  Reihe  von  befestigten  Thürmen,  welche 
an  den  Grenzen  gegen  Leon  und  Aragon  angelegt  waren.  Aus 
Alt -Castilien  wurden  die  Mauren  zuerst  von  den 'Spanischen 
Gothen  verdrängt.  Die  dort  errichtete  Grafschaft  erklärte  sich 
762  unter  dem  Grafen  Rodrigo  Fruelaz  für  unabhängig.  Ferdi- 
nand I  nahm  den  Eönigstitel  von  Castilien  zugleich  mit  dem  von 
Leon  an,  nachdem  er  sich  mit  Sancha,  Tochter  und  Erbin  Ber- 
mudo's  ni  vermählt  hatte.  Diese  später  wieder  getrennten  Reiche 
wurden  denmächst  an  Isabella  vererbt,  welche  ganz  Spanien 
unter  ihrem  Scepter  vereinigte.  El  coro  corazon  y  Castilla  — 
Herz  und  Burg  —  die  beiden  schönsten  Kaiserlichen  Provinzen, 
auf  einem  über  2000  Fuss  über  dem  Meere  erhobenen  Tafellande 
belegen,  mit  den  Gebirgsketten  der  Guadarrama,  der  Sierra  von 
Cuenca  und  Toledo  lungeben,  von  den  Flussgebieten  des  Tsgo, 
des  Guadiana  und  Duero  durchschnitten,  bietet  der  kräftige  Bo- 
den in  seinen  weiten  baimüoseh  Ebenen  reiche  und  sichere 
Emdten  der  treflflichsten  Cereaüen,  so  wie  vorzüglichen  Wein 
und  Obst.  Der  Castihaner  ist  männlich,  kräflig,  ernst  und  ruhig; 
brav  und  zuverlässig;  gefaUig,  ohne  zuvorkommend  zu  sein. 
Der  Gleichförmigkeit  des  Bodens  entspricht  die  praktische  Gleich- 
mässigkeit  seiner  Haltung.  Er  bUckt  mit  Selbstbewusstsein  auf 
die  übrigen  Provinzen,  mit  Lächeln  auf  die  bunte  Tracht  und 
den  Dialekt  des  Andalusiers  hinab.  Er  ist  seinem  Gott  imd  seiner 
Königin  treu.   Spanien  ist  ihm  das  erste  Reich  der  Welt^  Castilien 


51 

seine  vorzüglichste  Provinz,  und  er  selbst  der  beste  Spanier. 
Er  ist  stolz  auf  sein  Vaterland,  stolz  auf  seine  altcastilianische 
Abstammung,  unvermischt  mit  maurischem  und  jüdischem  Blute, 
stolz  auf  seine  Geschichte,  und  stolz  auf  seine  Sprache. 

Im  Herzen  von  Castilien  liegt  la  Corte;  la  muy  noble,  leal, 
Imperial,  coronada  y  muy  heroica  villa  de  Madrid,  die  Residenz 
in  der  ganzen  Bedeutung  des  Wortes ;  angeblich  lange  vor  Er- 
bauung Roms  gegründet,  von  den  Römern  Majoritum  genannt; 
zur  Maurenzeit  ein  zu  Toledo  gehörendes  befestigtes  CasteU, 
ward  es  1083  durch  Alonso  VI  erobert,  durch  Enrique  IV  1461 
erweitert,  von  Carl  V  zur  Jagdzeit  häufig  besucht  und  durch 
Philipp  II  1560  zur  Residenz  erhoben.  Damals  lag  Madrid  im 
tiefen  Walde,  dessen  Bewohner,  Bären  und  Wölfe,  ihren  Durst 
im  schiffbaren  Manzanares  löschten.  Heute  sucht  man  den  Wald 
und  die  Schiffe  vergebens ,  aber  la  Corte  mit  ihrer  Pracht  imd 
ihrem  Reichthimi  und  Königssitz  liegt  noch  immer  2412  Fuss 
über  dem  Meeresspiegel  erhaben. 

Valencia,  das  Maurische  Paradies;  geschützt  durch  die 
Gebirge  mit  ewigem  Schnee  und  den  befruchtenden  Wasseradern. 
Zinnober,  Eisen,  Marmor  und  Jaspis  bilden  die  Reichthümer  der 
Felsenregion.  Früchte  aller  Himmelsstriche  und  Produkte  aller 
Zonen,  von  der  hohen  Palme  bis  zur  kleinen  Cochenille,  gedeihen 
in  der  von  der  Turia  bewässerten  Ebene.  Der  Jucar -Kanal  del 
Rey  und  das  Wassersystem  von  Aljamesi  sind  wahrhafte  Wim- 
derwerke  von  hebenden  und  giessenden  Wasserwellen,  werth 
studiert  zu  werden.  Die  einfache  Idee,  die  colossale  Arbeit  der 
Ausfuhrung  derselben,  in  der  Niveüirung  und  Bewässerung  der 
huerta,  steht  unübertrc^en  da.  Das  tiefgesättigte  Blau  des 
Meeres,  über  welches  sich  das  glänzende  Licht  des  wolkenlosen 
Himmels  spannt,  in  seiner  sengenden  Gluth  die  heimliche  Arbeit 
in  der  Werkstätte  der  Natur  überwachend,  die  aus  dem  befiuch- 
teten  Schoosse  der  Muttererde  die  Pflanzen  des  Südens  wuchernd 
hinaustreibt  —  auch  in  diesem  Bilde  sind  die  Bewohner  des 
Landes  repräsentirt  Still  und  mit  ausdauerndem  Fleiss  greifen 
äe  ein  in  den  Mechanismus  des  Schaffens.    Der  Schweiss  des 

4' 


52 

Angesichts  wetteifert  mit  der  Gluth  der  Sonne  und  der  Leiden- 
schaft, wenn  sie  aus  der  stillen  Einförmigkeit  des  ärmlichen 
häuslichen  Lebens  hinausgesprengt  Avird  zur  entfesselten  Kraft. 

Das  benachbarte  Murcia,  arm  an  Wasser  und  Fruchtbar- 
keit, mit  Ausschluss  des  breiten  Beckens  des  Segura  (Lorea),  wo 
es  noch  immer  fehlt  an  Scheuem  fiir  das  Getraide,  an  Fässern 
für  Wein  und  Oel,  und  an  Wegen  zum  Absatz  des  Ueberflusses, 
Murcia  war  die  Lieblingsprovinz  der  Karthager,  ihr  Reichthum 
stachelte  die  FamiHe  Hannibals  zum  Kriege  gegen  Rom  auf.  Die 
Gothen  in  Murcia  widerstanden  den  Mauren  mit  grosser  Tapfer- 
keit imd  Theodomir  konnte  sich  wenigstens  für  seine  Lebenszeit 
eine  tmabhängige  Souverainetät  bewahren.  Nachdem  das  Chalifat 
der  Ommajaden  gestürzt,  trat  Murcia  zwar  imter  der  Famihe 
der  Beni  Tahir  als  unabhängiger  Staat  auf,  allein  nach  Auflösung 
desselben,  1260,  gelangte  es  an  Spanien.  Der  Africanische 
Typus  ist  den  Bewohnern  unverkennbar  aufgedrückt.  Wie  die 
Natur  sich  hier  in  den  Extremen  gefallt ,  im  Mangel  und  Ueber- 
fluss,  in  sterilen  Gebirgskarsten,  welche  reiche  Lager  edler  Me- 
talle bergen  —  in  der  Einsamkeit  der  vulkanischen  Charakteristik 
—  so  auch  der  Mensch.  Es  giebt  nur  Reiche  und  Arme.  Die 
Bewohner  sind  verschlossen,  abergläubisch,  plötzlich  heftig  auf- 
brausend und  rachsüchtig.  Es  zeigt  sich  unter  ihnen  der  Hang, 
sich  dahin  zu  wenden ,  von  wo  die  Bevölkerung  imd  Cultur  der 
Provinz  ausgegangen  —  nach  der  Africanischen  Küste,  wo  seit 
etwa  10  Jahren  in  der  Gegend  von  Oran  Tausende  von  Auswan- 
derern eine  neue  Heimath  gesucht  und  gefunden  haben. 

Catalonien  (Cataluna  —  Gotholunia).  Eine  andere  Natur, 
ein  anderer  Boden,  ein  anderes  Klima,  eine  andere  Sprache  und 
ein  anderer  Charakter  seiner  Bewohner.  Die  Pyrenäen  mit  ihren 
Gebirgszügen  steigen  aus  den  kalten  Regionen  in  die  wärmeren 
Ebenen  hinab.  Scharf  imd  zackig  treten  die  Felsen  bis  an  die 
See  hinaus ;  hier  öde  und  kahl,  keinem  Halme  den  Durchgang, 
keiner  Wurzel  einen  Haltpunkt  gönnend,  dort  bedeckt  mit  der 
üppigen  Fülle  von  Myrthen  und  Granaten,  geschützt  durch 
stachhche  Aloe  und  Caktus,  überragt  durch  Rohr  und  einzelne 


53 

Palmen.  Blendend  roth  leuchten  von  den  Höhen  die  Stämme  der 
Korkeichen  herunter,  welche  ihre  Bekleidung  abgesprengt  haben, 
und  unter  den  dunkelgrünen  Oliven  wiegen  sich  die  jungen  Saa^ 
ten,  ohne  uns  zu  verrathen ,  welche  Anstrengungen  nothwendig 
waren,  um  die  dunkle  unfi*uchtbare  Erde  und  den  kalten  kiesigen 
Untergrund  und  die  zu  Tage  steigenden  Felsplatten  durch 
fleissiges  Düngen  imd  Aufbragen  besserer  Erde  zu  Eom-  und 
Weinland  umzuschaffen.  Der  Boden  ist  störrisch;  er  will  erkannt 
und  eigen  behandelt  sein;  dann  aber  fögt  er  sich,  und  lohnt 
seinem  Pfleger  den  mühsamen  Fleiss.  Der  alte  Celtiberische 
Unabhangigkeitssinn  in  dem  Catalanen,  der  weder  Spanier,  im 
eigentlichen  Sinne  des  Wortes  genommen,  noch  Franzose  ist, 
scheint  keinesweges  erstorben.  Ein  energischer  Charakter  herrscht 
in  der  Natur  und  in  den  Menschen.  Der  Catalanische  Fleiss  und 
Ausdauer  im  Landbau  und  am  Webstuhl  sind  sprichwörtlich 
geworden.  Entschlossen,  tapfer  und  verwegen,  sind  die  Cata- 
lonier  unter  guter  Führung  vortreffliche  Soldaten ;  als  Seeleute 
sind  sie  ausgezeichnet.  Die  Betriebsamkeit  des  Cataloniers  ist 
nicht  frei  von  Egoismus. 

Der  Boden  vermag  seine  Bewohner  nicht  alle  zu  ernähren; 
diese  sind  deshalb  auf  Handel  und  Industrie  angewiesen.  Der 
Handel  hat  sich  weit  ausgedehnt  und  reichen  Gewinn  gebracht; 
die  Industrie  ist  voran  geeilt  und  sucht  im  kräftigen  Fortschritte 
die  Concurrenz  mit  dem  Auslande  halten  zu  können.  Ihr  gebührt 
Anerkennung;  und  die  Regierung  hat  sie  geschützt  auf  Kosten 
der  übrigen  Provinzen.  Hierin  liegt  der  Schlüssel  zur  Ueberhe- 
bung  Cataloniens,  den  übrigen  Provinzen  gegenüber,  und  zum 
Neide,  zur  Eifersucht  und  zum  Missvergnügen  der  übrigen  Pro- 
vinzen —  Catalonien  gegenüber. 

Die  Industrie  ist  der  Stolz  und  die  verwundbare  Stelle  des 
Cataloniers,  der  darin  nicht  allein  eine  Quelle  der  Wohlhabenheit, 
sondern  die  Lebensader  seines  Herzblutes  erbUckt  Man  sagt: 
«  die  Gatalonier  wären  allzeit  fertig  zur  Revolution. »  Wohl  mög- 
lieh, dass  die  Beeinträchtigung  ihrer  vermeintlichen  Rechte  des 
Schutzes^  oder  des  Prohibitiv- Systems,  zu  irgend  welchen  ver- 


54 

zweifelnden  Schritten  fuhren  könnte  —  aber  das  Thörichte  eines 
solchen  Beginnens  sollte  den  Verständigen,  den  Fabrik -Unter- 
nehmern und  den  Capitalisten,  wie  den  Fabrikarbeitern  —  billi- 
gerweise deutlich  genug  vor  Augen  schweben,  um  es  auch  nur 
noch  auf  einen  Versuch  ankommen  zu  lassen.  Was  könnte  mit 
dem  Versuche  erreicht  werden  ?  möge  er  ein  Endziel  verfolgen, 
welches  er  nur  immer  wolle,  er  kann  nicht  gelingen,  er  muss 
auf  das  NachtheiUgste  auf  das  Land  zurückwirken.  Die  Regie- 
rung ist  stark;  sie  kann  und  wird  Gewalt  mit  Gewalt  vertreiben. 
Die  Regierung  würde  aber  als  Strafe  fiir  eine  widerq)enstige 
Provinz,  im  Interesse  der  übrigen  Provinzen,  den  Schutzzoll 
Cataloniens  ohne  Beeinträchtigung  der  Staats-Einnahmen  schwin- 
den lassen  können,  und  dadurch  jene  Lebensader  auf  eine  Weise 
berühren,  welche  nicht  blos  die  Fabrikanten,  sondern  auch  die 
auf  Fabrikarbeit  angewiesene  Bevölkerung  der  Provinz  in  die 
allerbedenklichste  Lage  versetzen  müsste. 

Nachdem  die  Mauren  bis  ztun  Ebro  zurückgedrängt  waren, 
wurde  imter  Ramon  Berenguer  die  Souverainetät  in  Catalonien 
erblich;  1137  ward  es  mit  Aragon  vereinigt.  Diese  Provinz  hat 
den  am  entschiedensten  ausgeprägten  Hass  gegen  Frankreich 
bis  auf  heute  bewahrt^  wie  sie  die  Ansicht  festhält,  dass  ihr  der 
erste  Platz  unter  den  sämmtlichen  Provinzen  Spaniens  gebühre. 

Wie  Estremadura  in  seinen  Naturschönheiten,  in  seinen 
Thälem  und  malerischen  Bergabhängen,  in  seinen  Waldungen 
und  belaubten  Felsschluchten  den  Uebergang  bildet  von  Andsr 
lusien  zu  Castilien,  so  liegt  auch  der  Charakter  seiner  Bewohner 
zwischen  den  Eigenthümlichkeiten  der  Castilianer  und  Andalusier. 
Einfach,  treuherzig,  zufrieden,  indifferent  und  indolent,  wie  es 
das  Isolirte  der  Ortschaften  in  den  wenig  bevölkerten  Ebenen 
mit  sich  bringt  Ferdinand  Cortez  und  Pizarro,  welche  in  dieser 
Provinz  geboren,  waren  talentvolle,  hervorragende  Persönlich- 
keiten, mit  Eigenschaften,  auf  welche  die  Mehrzahl  der  jetzigen 
Bevölkerung  keinen  Anspruch  macht 

Galiciens  Elima  ist  gemässigt  und  feucht  Seine  lieb^ 
liehen  Thäler  mit  waldgekrönten  Bergen,  seme  saftigen  Wiesen 


55 

und  glätschemden  Bäche  erinnern  an  die  Schweiz.  Gutes  Vieh, 
treffliches  Korn,  saftiges  Obst,  Fische  und  Wild  in  Ucberfluss. 
Aber  wie  die  Schweiz,  so  duldet  auch  diese  Provinz  nicht  alle 
ihre  Kinder  in  ihrem  Schoosse.  In  ganz  Spanien  \md  Portugal 
findet  man  die  Gallejos  in  den  verschiedensten  Verrichtungen 
unter  den  arbeitenden  Klassen  verbreitet.  Ihre  Körperkraft  imd 
Unverdrossenheit,  ihre  Treue  und  Zuverlässigkeit  wird  allgemein 
gerühmt  Sie  kehren  mit  dem  ersparten  Gelde  nach  Jahren  in 
ihre  Heimath  zurück,  reich»  an  Er&hrungen  und  an  Liebe  für 
die  Wiege  ihrer  Kindheit.  Der  sittüche  Werth  dieser  Kinder  der 
Natur  wird  gerühmt 

Das  Prindpado  de  las  Asturias,  durch  seine  gebirgige 
und  abgeschlossene  Lage  unzugängUch  für  die  Römischen  und 
Maurischen  Eroberungen,  ward  der  Ausgangspunkt  der  Spanisch- 
Gothischen  Monarchie.  Viehzucht  wird  in  bedeutendem  Umfange 
getrieben.  Es  finden  sich  noch  herrüche  Wälder  in  dieser  Pro- 
vinz,  und  da  der  Grundbesitz  sehr  getheilt  ist,  so  fehlt  es  nir- 
gends an  fleissigen  Händen.  Der  Charakter  der  Bewohner  dieser 
stillen  ThSler  hat  die  Unverdorbenheit  der  Sitten,  wie  sie  sich 
in  den  abgeschlossenen  Landestheilen  länger  bewahrt,  erhalten« 
Die  Gemüthlichkeit  der  Asturier,  ihre  anspruchslose  Freundlich- 
keit, ihre  Offenheit  und  Gastfreiheit  machen  den  angenehmsten 
Eindruck. 

Die  Baskischen  Provinzen,  Alava,  Guipuzcoa  und  Viscaya 
—  las  Vascongadas;  die  alten  Cantabrer,  die  ursprünglichen  Be- 
wohner dieser  Provinz ;  niemals  vertrieben,  niemals  unteirjocht, 
eben  so  fest  unter  einander  vereinigt  als  nach  Aussen  sich  ab- 
schliessend; von  grosser  Körperkraf^  voll  Muth,  Tapferkeit  und 
Energie  des  Charakters.  So  wie  die  Felsen,  denen  sie  den  Me- 
taUreichthum  abgewinnen,  um  ihn  mit  kräftiger  Hand  im  Feuer 
zu  bearbeiten,  starr  imd  unbewegUch  ihre  Form  bewahren,  so 
die  Bewohner  des  Landes  ihren  Stolz,  ihre  Unbeugsamkeit,  ihre 
Ruhe  und  ihre  Sprache,  welche  nach  Humboldts  Meinung  die 
ursprüngliche  in  ganz  Spanien  war.  In  der  stürmischen  und 
tückischen  Bucht  von  Yiscaya>  wo  die  Meeresströmimg  der  kühn- 


56 

sten  und  kräftigsten  Seeleute  bedarf,  sind  die  Bewohner  dieser 
Provinz  in  ihrem  Elemente.  Und  doch  war  es  von  der  Seeseite, 
dass  im  Jahre  870  die  Normannen  in  das  Land  kamen  und  den 
Basken  unter  Zuria  ihre  Repräsentativ -Verfassung  aufdrangen. 
Später  bildeten  sich  Herrscliaften ,  Seiiorias,  welche  im  14ten 
Jahrhundert  das  Land  durch  Verheirathung  an  Aragon  brach- 
ten, von  wo  aus  es  Peter  der  Grausame  mit  der  Erone  von  Ca- 
stiüen  vereinigte.  Ihre  Fueros  waren  den  Bewohnern  jedoch  bis 
in  die  neueste  Zeit  bewahrt  und  deren  Entziehimg  wohl  ein  we- 
senüicher  Grund  ihrer  Parteinahme  fiir  Don  Carlos.  Ihre  eigen- 
thümliche  Stellung,  der  MiHtair Verpflichtung  gegenüber,  die  Be- 
vorzugung gegen  die  übrigen  Provinzen  hinsichts  der  Steuer- 
ämter, des  Stempelpapiers,  der  Taxen  und  der  der  Gesammt- 
bevölkerung  zuerkannte  Adel  haben  lange  Zeit  die  Eifersucht 
der  übrigen  Provinzen  wach  erhalten.  Die  Basken  nennen  ihr 
Land  Euscaleria. 

Leon,  eins  der  ältesten  selbstständigen  Königreiche  in  Spa- 
nien, das  erste,  welches  mit  starker  Hand  dem  Vordringen  der 
Mauren  ein  Ziel  setzte  und  sie  mehr  und  mehr  zurückdrängte 
bis  zum  Duero  und  Tormes,  wohin  Alonso  der  EathoUsche 
739  —  757  sein  Reich  ausdehnte  und  das  Christenthum  verbrei- 
tete. Den  Namen  Leon  erhielt  das  Land  im  Jahre  910  unter 
Garsia,  als  er  seine  Residenz  von  Oviedo  nach  Leon  verlegte. 
Nach  Bermudo's  EI  Tode  im  Jahre  1037  kam  die  Krone  durch 
Vermählung  seiner  Tochter  Sancha  mit  Ferdinand  von  Casti- 
lien  an  das  letztgenannte  Königreich.  Die  Natur  bietet  dort  we- 
nig besonders  Interessantes.  Künste  und  Wissenschaften  haben 
dort  nicht  tiefe  Wurzeln  geschlagen,  Salamanca  ausgenommen. 
Das  offene  Land  ist  auf  Ackerbau  und  Viehzucht  hingewiesen, 
welche  unverändert  in  derselben  Weise  fortgetrieben  werden, 
als  die  Altvordern  dies  gethan  hatten.  Das  Klima  ist  rauh  und 
feucht.  Die  Menschen  sind  einfach,  offen,  sittlich,  gemüthlich, 
aber  wemg  empfanglich  für  Alles,  was  über  den  engen  Gesichts- 
kreis ihres  ein&chen  Lebens  hinausgeht  Auffallend  ist  die 
äusserst  geringe  Sympathie  für  Castilien. 


57 

Aragon  war  nächst  Castilien  der  mächtigste  und  kriege- 
rischeste Staat  in  Spanien.  Durch  das  Becken  des  Ebro  getheilt, 
durch  schroife  Gebirgszüge  der  Soria,  Albarracin  und  Morula 
durchschnitten,  den  scharfen  Luftströmungen  über  den  Moncayo 
ausgesetzt,  entbehrt  das  Land  auch  der  südUchen ,  warmen  imd 
fruchtbaren  Ebenen  nicht  Die  frischen,  kräftigen,  kühnen,  gei- 
stig angeregten  Bewohner,  von  glühender  Vaterlands-  und  Frei- 
heitsliebe durchdrungen,  sind  sich  so  vollständig  genug,  dass 
eine  starre  Unbeugsamkeit  melurfach  hervorgetreten  ist.  Der 
Aragonese  hasst  den  CastUianer.  Jaime  I  bestätigte  zuerst  1246 
in  Huesca  die  Fueros  des  Landes.  1137  gelangte  Aragon  durch 
die  Verbindung  der  Tochter  Ranairo's  U,  Petronella,  mit  dem  Gra- 
fen Samon  Berenguer  von  Barcelona  an  Catalonien.  Der  Ruhm 
der  Stadt  Zaragoza^  begründet  durch  ihre  Universität,  wurde  er- 
höht durch  die  Art  ihrer  Vertheidigung,  in  welcher  die  Einwoh- 
ner  Alles  vereinigt  und  übertroflFen  haben,  was  Heldenmuth  und 
Vaterlandsliebe  an  Opfern  erheischten. 

Navarra  endlich  ward  1512  mit  Castilien  verbunden  und 
hat  lange  seine  Fueros  de  Sobrarbe,  welche  König  Inigo  Arista 
zu  Pamplona  842  beschworen,  erhalten.  König  Sancho  m  war 
es,  der  die  Maurische  Kette  von  Navarra  in  Navas  de  Tolosa 
brach.  Das  in  seinen  steüen  Felsthälem  zerklüftete  Land,  nach 
Aussen  gesichert  imd  abgeschlossen,  bewohnen  kräftige,  brave 
und  kühne  Hochländer.  In  den  Ebenen  wird  der  Ackerbau  noch 
in  der  althergebrachten  einfachen  Weise  fortgetrieben ;  die  eben 
so  einfachen  Bewohner  sind  sich  selbst  genug,  sie  vermeiden 
die  Berührung  mit  den  Nachbarn  und  hassen  die  Fremden.  An 
Unerschrockenheit  und  Gewandtheit  sind  die  Schmuggler  und 
Jäger- von  Navarra  nirgends  übertroffen. 


Die   Regierung. 


Vi«  eontili  ezpen,  mole  rait  ciia: 
Vün  tempentun  Di  qaoqae  prorehnnt 
In  najo«.  — 

Horatü  tum.  L.  IQ,  4,  65—67. 

Die  Regierungsform  in  Spanien  ist  die  monarchisch -reprasen« 
tative,  festgestellt  durch  eine  Verfassung,  welche  in  den  Cortes 
1837  entworfen,  durch  die  Cortes  im  Jahre  1845  revidirt  und 
am  25  Mai  desselben  Jahres  sanctionirt  und  veröffentlicht  wor- 
den ist.  Auf  Grund  dieser  Verfassung  theilen  die  Landes-Depu- 
tirten  in  zwei  Kammern,  dem  Senat  und  dem  Gongresse,  die  ge- 
setzgebende Gewalt  mit  dem  Könige,  während  dem  Könige  die 
ausübende  Gewalt  allein  zusteht  Der  Senat  ist  aus  200  Mit- 
gliedern zusammengesetzt;  im  Gongresse  befinden  sich  349  De- 
putirte. 

Die  Königin  Dona  Isabel  n  von  Bourbon  fuhrt  den  Bei- 
namen der  Katholischen.  Die  GivilUste  ward  im  Jahre  1849  auf 
45,900,000  Realen  (3,050,000  Thk.  Preuss.)  festgesetzt  Das  erst- 
geborene  Kind  des  Königs  heisst  jedesmal  Prinz  oder  Prinzes- 
sin von  Asturien ;  die  übrigen  Kinder,  die  Brüder,  Schwestern, 
Oheime  und  Tanten  des  Königs  —  Infanten  und  In&ntimien. 
Die  am  19  December  1851  geborene  Prinzessin  von  Asturien 
heisst  Maria  Isabel  Franzisca  de  Assis,  Ghristina  Franzisca  de 
Paula. 

Unter  den  Spanischen  Orden  ist  der  höchste  der  des  Gol- 
denen Vliesses,  von  Philipp  dem  Guten,  Herzog  von  Burgund, 
1430  bei  seiner  Vermählung  gestiftet    Die  Königin  ist  Gross- 


59 

meisteriB  des  Ordens,  welcher  zur  Zeit  51  Mitglieder  zählte 
daninter  10  gekrönte  Häupter,  und  zwar  Seine  Majestät  der  Kö- 
nig von  Preussen  seit  dem  10  Februar  1818. 

Der  Orden  Carls  m,  vom  Könige  gleiches  Namens  am  19 
September  1773  gestiftet  Die  Königin  ist  Grossmeisterin.  Der 
Patriareh  von  Indien  ist  Grosskanzler  imd  Minister  des  Ordens, 
dessen  Capitel  aus  1 5  Mitgliedern  besteht.  Die  Zahl  der  Gross- 
kreuze beträgt  282. 

Der  Americanische  Orden  der  IsabeUa  der  Katholischen 
ward  vom  Könige  Ferdinand  VII  1815  am  24  März  gestiftet 
Die  Königin  ist  Grossmeisterin  und  präsidirt  dem,  aus  10  Mit- 
gliedern bestehenden  Ordens-Gapitel.  Die  Zahl  der  Inhaber  des 
Grosskreuzes  beträgt  461.  / 

Durch  Königliches  Decret  vom  28  October  1851  ist  fest- 
gestellt worden,  dass  die  höchsten  Klassen  dieser  Orden  von 
jetzt  ab  nur  nach  vorangegangener  Prüfung  der  Verdienste  der 
zu  Betheiligenden  im  Einverständnisse  mit  dem  Staats-Ministe- 
rium ertheilt  werden  sollen.  Bei  Bewilligung  der  unteren  Klas- 
sen soU  der  Minister-Präsident  und  der  betreffende  Disciplinar- 
Minister  gehört  w^erden.  Mit  Bezug  auf  auszuzeichnende  Hof- 
beamte sollen  der  Minister -Präsident  und  der  Haushofineister 
zusammentreten,  und  über  Personen,  welche  keinen  Dienstver- 
hältnissen angehören,  soll,  um  sie  decoriren  zu  können,  das  Or- 
dens-Gapitel entscheiden. 

Dieselben  Bestimmungen  sind  auf  die  Ertheilung  des  Damen- 
Ordens  der  Königin  Maria  Luise,  1791  gestiftet,  ausgedehnt,  des- 
sen Inhaberinnen  sich  auf  237  belaufen. 

Der  Militair- Orden  San  Fernando  und  HermenegUde  zählt 
130  Grosskreuze. 

Der  Orden  von  Santiago  de  Gompostella,  von  Ferdinand  11, 
König  von  Leon,  1 1 70  gestiftet,  enthält  4  höhere  Würdenträger, 
78  Ritter  profesos,  79  non  profesos. 

Der  Orden  von  Galatrava,  vom  Könige  Sancho  HI  von  Ca- 
stilien  1158  errichtet,  zählt  2  Gonmiandeure ,  33  Ritter  profesos, 
48  non  profesos. 


60 

Der  Orden  von  Alcantara,  1177  von  Ferdinand  11  gestiftet» 
zählt  2  Würdenträger  und  67  Ritter. 

Der  Militair- Orden  von  Montesa  zählt  25  Ritter  profesos 
und  30  non  profesos. 

Der  Militair-Orden  von  San  Juan  de  Jerusalem  zahlt  22  Mit- 
glieder. Die  Reorganisation  dieses  Ordens  ist  durch  EönigL 
Decret  vom  28  Oetober  1851  in  Aussicht  gestellt. 

Endlich  hat  Ferdinand  VU  noch  Medaillen  zur  Belohnung 
für  Tapferkeit  gestiftet. 

Die  Decoration  mit  Spanischen  Orden  erfolgt  jederzeit  auf 
feierliche  Weise  in  Gegenwart  des  Capitels. 

Der  Hofstaat  des  Königlichen  Hauses  besteht  aus  der  Ge- 
neral-Intendanz, mit  dem  General  -  Intendanten,  8  Oficialen  und 

3  Supernumerarien,  einem  General  -  Cassirer  mit  9  Oficialen  und 

4  Supemumerarien,  einem  General -Schatzmeister,  Rendanten, 
4  Oficialen,  einem  Archivar  mit  5  Oficialen,  einem  Consultor 
general,  1  Advocaten,  1  Alcaiden,  einem  Principal  delPalacio, 
einem  General -Director  der  Königl.  Caballerizas  (Stamimker), 
einem  Visitator  general  del  Real  Patrimonio. 

Die  Königliche  Kapelle  besteht  aus  dem  Procapellan  mayor 
(dem  Patriarchen  von  Indien),  1  Secretair,  3  Beamten,  2  Archi- 
Ysiien;  dem  Tribunal  der  Kapelle  mit  1  Richter,  1  Fiscal,  2  No- 
taren, 1  Portero  Alguazil. 

Zu  den  Chefs  der  Etiquette  und  des  Ceremoniels  gehören 
9  hohe  Würdenträger,  Herzöge,  Marquis  und  Grafen,  ein  Mayor 
Domo,  2  Primeros  Caballerizas,  1  Secretair,  3  Oficiale,  der  Be- 
wahrer des  Königlichen  Siegels  (Real  estampilla)  mit  1  Secretair 
und  3  Oficialen. 

Das  Königlich  Spanische  Wappen  ward  mehrfachen  Verän- 
derungen unterworfen.  Der  goldene  Thurm  im  rothen  Felde  für 
Castilien;  der  schreitende  rothe  Löwe  im  silbernen  Felde  für 
Leon,  je  zweimal  in  dem  kreuzweis  getheilten  Schilde,  war 
das  älteste  Wappen.  1332  liess  Alonso  XI  das  alte  Banner  von 
Castilien,  eine  rothe  Schärpe  aus  zwei  grünen  Drachenköpfen 
sich  erhebend,  hinzufugen.    Heinrich  11  entfernte  dies  Zeichen 


61 

wieder.  Die  Vereinigung  von  Aragon  und  Castilien,  1479,  unter 
Ferdinand  und  Isabella  veränderte  auch  das  Wappen.  Der  Schild 
ward  getheilt  Das  erste  und  vierte  Feld  erhielten  Castilien  und 
Leon,  das  zweite  und  dritte  Aragon,  im  goldenen  Felde  4  rothe 
Linien.  Sicilien,  Navarra,  Jerusalem,  und  der  Adler  des  Evan- 
gelisten Johannes  wurden  hinzugefiigt.  Desgleichen  die  Devisen 
F,  welche  Isabella  als  den  Anfangsbuchstaben  des  Namens  ihres 
Gemals,  und  Y,  welchen  Ferdinand  als  den  Anfangsbuchstaben 
des  Namens  der  Köni^  wählte,  mit  dem  Motto  «tanto  mota.» 
Nach  der  Eroberung  Granadas,  1492,  wurde  dessen  Symbol, 
ein  oben  geöflBieter  rothkömiger  Granatapfel  im  silbernen  Felde 
unten  in  den  Wappenschild  hinzugefugt.  Unter  Karl  V  wurden 
die  Wappen  des  Römischen  Kaiserthums,  von  Oesterreich,  Bur- 
gund,  Brabant  und  Flandern  mit  aufgenommen,  und  der  Adler 
mit  dem  doppelköpfigen  des  Kaiserreichs  vertauscht.  Die  Kette 
des  Goldenen  Vliesses,  der  Stab  von  Burgund  und  die  Säulen 
des  Herkides ,  mit  dem  Motto  « plus  ultra »  umgaben  das  Wap- 
pen. Philipp  n  liess  den  Adler  fort,  fiigte  aber  die  Felder  von 
Portugal  und  Artois  hinzu;  letztere  entfernte  Philipp  IV,  wo- 
gegen Philipp  V  die  Bourbonischen  Lilien  hinzufugte.  Die 
Farben  der  Spanischen  Flagge  sind  roth  und  gelb,  Castiliens 
Farben. 

Der  höhere  Spanische  Adel  theilt  sich  in  Grandes  und  Titu- 
lados  del  Reino.  Die  letzteren  sind  FamiÜen,  die  von  Alters  her 
die  Titel  Herzog,  Marquis,  Graf,  Visconde  und  Baron  fiihren, 
welche  Titel  jedoch  nur  auf  den  ältesten  Sohn  vererben.  Die 
Grandezza  wird  von  der  Königin,  theils  als  persönliche  Aus- 
zeichnung, theils  erblich,  ertheilt;  sie  zerfSUt  in  3  Abstufungen 
oder  Klassen.  Zu  den  Vorrechten  der  Granden  gehört  die  Erlaub- 
niss,  bei  gewissen  feierlichen  Gelegenheiten  bedeckten  Hauptes 
vor  dem  Throne  erscheinen  zu  dürfen,  und  die  Führung  des 
Pradicates  ExceUenz.  Einzelne  Familien  gemessen  besondere 
Vorrechte,  oder  sind  besonderen  Verpflichtungen  imd  Ceremo- 
nien  unterworfen,  welche  fort  imd  fort  vererbt  werden.  So  soll 
der  Herzog  vonMedinaceli  bei  jedem  Thronwechsel  die  Spanische 


62 

Krone  fiip  sich  in  Anspruch  nehmen,  dieserhalb  zur  Unter- 
suchung gezogen  y  verurtheilt,  und  gegen  ein  Lösegeld  von 
30,000  r.  wieder  begnadigt  werden.  Der  Herzog  von  Higar  er- 
hält das  Kleid,  welches  die  Königin  bei  gewissen  feierUchen 
Gelegenheiten  getragen,  zum  Geschenk,  und  zu  seinem  Namens- 
tage wird  ihm  tmter  zahlreicher  Begleitung  die  Königliche 
Krone  ins  Haus  gesandt 

Der  Artikel  7  des  Königl.  Decretes  vom  28  December  1846 
und  die  Instruction  vom  4  Februar  1847  bestimmen,  dass  die 
Titulirten  in  Successionsfallen  gehalten  sein  sollen,  ihre  Bestäti- 
gungs-Urkunden  alsbald  einzulösen,  widrigenfalls  sie  nicht  allein 
nicht  anerkannt,  sondern  wenn  sie  sich  der  neuen  Titel  vorher 
bedienten,  noch  ausserdem  mit  ansehnlichen  Geldbussen  bestraft 
werden  wurden. 

Die  Zahl  der  Herzogstitel  beträgt  66,  worunter  33  die  Gran- 
dezza erster,  5  die  der  zweiten  und  28  die  der  dritten  Klasse 
haben.  Die  ältesten  Herzöge  sind  die  von  Benavente  seit  1461 
und  Villahermosa  seit  1470.  —  Die  Zahl  der  Marquis  beträgt 
419,  darunter  19  mit  der  Grandezza  erster  IQasse.  Die  ältesten 
von  ihnen,  die  Marquis  von  Villena,  Falces  und  Astorga  fuhren 
diese  Titel  seit  den  Jahren  1445,  1455  und  1465.  Man  zählt 
416  Grafen,  darunter  17  mit  der  Grandezza  erster  Klasse.  Die 
ältesten  sind  die  Grafen  de  la  Ventosa  seit  1425,  Castanneda  seit 
1429  und  Haro  seit  1431.  —  Visconden  giebt  es  48;  unter  ihnen 
ist  der  Visconde  Muruzäbal  de  Andion  der  älteste.  Sein  Patent 
datirt  aus  dem  Jahre  1407.  Unter  den  40  Baronen  des  Landes 
fuhrt  der  älteste,  der  von  Biguezal,  sein  Patent  nur  bis  auf  das 
Jahr  1631  zurück.  Die  meisten  Ernennungen  gehören  dem  vori- 
gen Jahrhundert  an.  —  Ausserdem  sind  in  Spanien  noch  10  Her- 
zogs-, Marquis-  und  Grafentitel  anerkannt,  welche  an  Inländer 
von  Fürsten  in  Deutschland,  Frankreich,  Rom  und  Neapel  er- 
theilt  sind. 

Es  besteht  unter  dem  Vorsitze  der  Königin  eine  permanente 
Deputation  de  la  Grandezza  de  Espana  aus  6  MitgUedem,  welche 
die  bezüglichen  Angelegenheiten  bearbeiten. 


63 

Ein  zweites  Collegiom,  «Cuerpo  colegiado  de  Caballeros 
Hijos-Dalgo  v,  eine  Adelskammer^  aus  18  wirklichen  und  7  Ehren- 
mitgliedern bestehend,  fuhrt  unter  dem  Vorsitze  eines  Präsiden- 
ten die  Geschäfte,  die  sich  auf  AdelsverhSltcdsse  beziehen. 

Die  erste  Spanische  Ver&ssuBg  datirt  aus  dem  Jahre  1812. 
Sie  war  in  vielen  Punkten  auf  die  Französische  Constitution  von 
1791  basirt,  jedoch  nicht  eigentlich  zur  Ausföhrung  gekommen. 
Durch  Ferdinand  VIT  1814  aufgehoben,  trat  sie  im  Jahre  1820 
vor  der  Französischen  Intervention  wieder  vorübergehend  ans 
Licht.  Nach  Ferdinands  Tode  erschien  sie  1834  bedeutend  ge- 
mässigt, ein  Werk  Martinez  de  la  Rosa,  als  Statut  royal.  .  1837 
wurde  die  neue  Verfasstmg  entworfen,  welche  im  monarchisch- 
conservativen  Sinne  8  Jahre  später  revidirt  wurde  und  noch 
heute  gilt. 


Die  Spanische  Verfassung 

vom  25  Mai  1845. 

Constitution  de  la  Monarquia  Espaiiola. 

Titel  I.     Von  den  Spaniern. 

Art  1.    Spanier  sind 

a)  aUe  in  den  Spanischen  Besitzungen  Geborenen; 

b)  die  Kinder  eines  Spaniers  oder  einer  Spanierin,  auch  ausser- 
halb Spaniens  geboren; 

c)  die  Fremden,  welche  Naturalisations- Patente  erhalten  haben; 

d)  diejenigen,  welche  auch  ohne  dergleichen  in  einer  Gemeinde 
der  Spanischen  Monarchie  Bürgerrechte  erhalten  haben. 

Die  Eigenschaft  ab  Spanier  geht  verloren  durch  Naturalisation 
in  einem  fremden  Lande,  oder  durch  Annahme  eines  Amtes  einer 
fremden  Regierung  ohne  Erlaubniss  des  Königs. 

Ein  Gesetz  wird  die  Rechte  bestimmen,  welche  die  Fremden  ge- 
messen, die  natoralisirt  sind  oder  Gemeinde-Bärgeirechte  (vecindad) 
erworben  haben. 

Art.  2.  Alle  Spanier  können  ungehindert  ihre  Gedanken  drucken 
und  veröffentlichen  lassen,  ohne  alle  Censur,  indem  sie  sich  den  die- 
serhalb  ergangenen  Gesetzen  unterwerfen. 


64 

Art.  3.  Jeder  Spanier  hat  das  Recht,  unter  Beobachtung  der 
vorgeschriebenen  Gesetze,  Bittgesuche  an  die  Cortes  oder  den  Kö- 
nig zu  richten. 

Art.  4.    In  der  ganzen  Monarchie  gelten  dieselben  Gesetze. 

Art.  5.  Alle  Spanier  können  je  nach  ihren  Fähigkeiten  und 
Verdiensten  zu  öffentlichen  Aemtem  und  Geschäften  zugelassen 
werden. 

Art.  6.  Jeder  Spanier  ist  verpflichtet,  für  das  Vaterland  die 
Waffen  zu  ergreifen,  wenn  er  durch  das  Gesetz  dazu  aufgefordert 
wird;  und  eben  so  im  Verhältniss  seines  Vermögens  zu  den  Staats- 
lasten beizutragen. 

Art.  7.  Kein  Spanier  darf  von  seinem  Wohnsitz  zurückgehal- 
ten, entfernt  oder  verhaftet,  noch  seine  Wohnung  gewaltsam  eröff- 
net werden,  ohne  dass  die  hierüber  bestehenden  Gesetze  beobach- 
tet sind. 

Art.  8.  Wenn  in  aussergewöhnlichen  Fällen  die  Sicherheit  des 
Staates  in  der  ganzen  Monarchie  oder  in  einem  Theile  derselben 
die  zeitweise  Aufhebung  der  vorstehenden  Bestimmung  nothwendig 
werden  sollte,  so  wird  dies  durch  ein  Gesetz  bestimmt  werden. 

Art  9.  Kein  Spanier  darf  in  Anklagestand  versetzt  oder  ver- 
urtheilt  werden  anders  als  durch  den  zustehenden  Bichter  oder 
Gerichtshof,  auf  Grund  der  älteren  Stra%esetze,  und  in  der  Form, 
die  solche  vorschreiben. 

Art.  10.  Die  Strafe  der  Güter-Confiscation  soll  niemals  ausge- 
sprochen und  kein  Spanier  seines  Besitzthums  beraubt  werden 
anders  als  wenn  das  Gemeinwohl  dies  wirklich  erfordert,  und  nach 
vorangegangener  entsprechender  Entschädigung. 

Art.  11.  Die  Religion  der  Spanischen  Nation  ist  die  Aposto- 
lisch-Römisch -Katholische.  Der  Staat  ist  verpflichtet  den  Cultus 
und  die  Diener  der  Kirche  zu  erhalten  (mantener). 

Titel  U.     Von  den  Cortes. 

Art.  12.  Die  gesetzgebende  Gewalt  beruht  in  den  Cortes  ge- 
meinschaftlich mit  dem  Könige. 

Art.  13.  Die  Cortes  bestehen  aus  zwei  gesetzgebenden  Körpern 
mit  gleicher  Machtvollkommenheit,  dem  Senat  und  dem  Congress 
der  Deputirten. 

Titel  m.     Vom  Senate. 

Art.  14.  Die  Zahl  der  Senatoren  ist  unbegrenzt,  ihre  Emen- 
i^^^uig  gebührt  dem  Könige. 

Art.  15.  Nur  solche  Spanier  können  zu  Senatoren  ernannt 
werden,  welche  nach  zurückgelegtem  SOsten  Jahre  zu  nachstehenden 
Klassen  gehören: 


65 

Präsidenten  von  irgend  einem  gesetzgebenden  Körper; 
Senatoren  oder  Deputirte,  die   dreimal  zu  den  Cortes- Versamm- 
lungen berufen  waren; 
Minister  der  Krone; 
Staatsrathe; 
Erzbischöfe; 
Bischöfe; 

Granden  von  Spanien; 

General -Capitaine  des  Heeres  und  der  Flotte; 
General -Lieutenants  des  Heeres  und  der  Flotte; 
Gesandte; 

bevollmächtigte  Minister; 
Tribunals  -  Präsidenten ; 
Minister  und  Fiscale  der  Tribunale. 

Die  in  obigen  Kategorien  Begriffenen  müssen  ausserdem 
eine  Rente  von  30,000  Realen  entweder  aus  eigenen  Besitzun- 
gen, oder  aus  Aemtern,  die  sie  nur  auf  Grund  erwiesenen 
Vergehens  verlieren  können,  oder  aus  Jubiläums -Besoldun- 
gen, Pensionen  oder  Wartegeld  beziehen. 
Titulirte  von  Castilien,  welche  60,000  Realen  Rente  beziehen; 
diejenigen,   welche  seit  Jahr  und  Tag  8000  Realen  an  directen 
Steuern   zahlen ,    Senatoren   oder    Cortes  -  Deputirte   gewesen 
sind,  oder  Provinzial-Deputirte,  oder  Alcalden  in  Städten  von 
30,000  Seelen,   oder  Präsidenten   von  Junten   oder  Handels- 
Tribunalen. 

Die  zur  Ernennung  von  Senatoren  nothwendigen  Bedingungen 
können  durch  ein  Gesetz  abgeändert  werden. 

Art.  16.  Die  Ernennung  der  Senatoren  erfolgt  durch  Special- 
Decret,  und  darin  wird  der  Titel  angeführt,  auf  welchen  sich  in 
Uebereinstimmung  mit  Vorstehendem  die  Ernennung  gründet. 

Art.  17.    Das  Amt  eines  Senators  ist  lebenslänglich. 

Art.  18.  Die  Söhne  des  Königs  und  des  Thronerben  sind  vom 
25ten  Lebensjahre  ab  Senatoren. 

Art.  19.  Ausser  der  gesetzgebenden  Gewalt  steht  den  Sena- 
toren zu: 

a)  Die  Minister  zu  richten,  wenn  solche  durch  den  Congress  der 
Deputirten  in  Anklagestand  gesetzt  sind. 

b)  In  Capital -Verbrechen  gegen  die  Person  oder  das  Ansehn  des 
Königs,  oder  gegen  die  Sicherheit  des  Staates  in  Gemässheit 
der  gesetzlichen  Bestimmungen  zu  entscheiden. 

c)  Ueber  die  Mitglieder  aus  ihrer  Mitte,  in  den  Fällen  und  For- 
men, wie  das  Gesetz  es  vorschreibt,  zu  Gericht  zu  sitzen. 

T.  Mlnntoli,  Spanieo.  5 


66 


Tit  IV.    Vom  Congress  der  Deputirten. 

Art.  20.  Der  Congress  der  Deputirten  besteht  aus  denjenigen, 
welche  in  den,  nach  dem  Gesetz  abgegränzten  Wahlbezirken  erwählt 
sind.  Für  jede  50,000  Seelen  der  Bevölkerung  wird  wenigstens  ein 
Deputirter  ernannt. 

Art.  21.  Die  Deputirten  werden  durch  dir ecte  Wahl  bestimmt, 
und  können  jederzeit  wiedergewählt  werden. 

Art.  22.  Um  Deputirter  werden  zu  können,  muss  man  Spanier, 
weltlichen  Standes  sein,  das  25te  Lebensjahr  vollendet  haben,  eine 
Rente  von  ländlichem  Grundbesitz  beziehen,  oder  an  directen  Steuern 
so  viel  zahlen,  als  das  Wahlgesetz  erheischt,  und  ausserdem  den 
im  Gesetze  vorgeschriebenen  sonstigen  Bedingungen  entsprechen. 

Art.  23.  Jeder  Spanier,  der  sich  im  Besitz  dieser  Eigenschaften 
befindet,  kann  für  jede  Provinz  zum  Deputirten  gewählt  werden. 

Art.  24.    Die  Deputirten  werden  auf  5  Jahre  gewählt. 

Art.  25.  Die  Deputirten,  welche  von  der  Regierung  oder  aus 
der  Königlichen  Kasse  Gehalt  beziehen,  ein  Amt  erhalten,  das  nicht 
in  der  Stufenleiter  ihrer  respectiven  Laufbahn  liegt,  einen  Auftrag 
gegen  Bezahlung,  Ehren  oder  Orden  annehmen,  müssen  der  Wie- 
derwahl unterworfen  werden. 

Titel  V.    Von  den  Sitzungen  und  Machtvollkommenheiten  der 

Cortes. 

Art.  26.  Die  Cortes  versammeln  sich  alljährlich.  Es  steht  dem 
Könige  zu,  sie  zusammen  zu  berufen,  die  Sitzungen  zu  suspendiren, 
zu  schUessen,  und  den  Congress  der  Deputirten  aufzulösen;  jedoch 
in  letzterem  Falle  mit  der  Verpflichtung,  innerhalb  dreier  Monate 
andere  Cortes  wählen  zu  lassen  und  einzuberufen. 

Art.  27.  Die  Cortes  werden  bei  einer  Thronerledigung  oder 
sobald  der  König  sich  auf  irgend  eine  Weise  in  die  Unmöglichkeit 
zu  regieren  versetzt  sieht,  sofort  zusammen  berufen. 

Art.  28.  Jeder  der  gesetzgebenden  Körper  entwirft  seine  Ge- 
schäfts-Ordnung,  und  prüft  die  Eigenschaften  derjenigen  Individuen, 
die  ihn  bilden.  Der  Congress  entscheidet  demnächst  über  Gesetz- 
lichkeit und  Gniltigkeit  der  Wahlen  der  Deputirten. 

Art.  29.  Der  Congfess  der  Deputirten  erwählt  einen  Präsiden- 
ten, Vice -Präsidenten  und  Secretair. 

Art.  30.  Der  König  eröfl&iet  oder  schliesst  die  Cortes  in  Per- 
son oder  durch  die  Minister. 

Art.  31.  Der  König  ernennt  für  jede  Sitzungs- Periode  unter 
den  Senatoren  den  Präsidenten  und  Vice -Präsidenten  des  Senats, 
und  dieser  wählt  seine  Secretaire. 


67 

Art  32.  Es  darf  nicht  einer  der  gesetzgebenden  Körper  ver- 
einigt sein,  ohne  dass  der  andere  es  nicht  gleichfalls  wäre;  aus- 
genommen in  dem  Falle,  wo  der  Senat  richterliche  Functionen 
ausübt. 

Art  33.  Die  gesetzgebenden  Körper  dürfen  nur  in  Gegenwart 
des  Königs  vereinigt  berathen. 

Art  34.  Die  Sitzungen  des  Senats  und  des  Congresses  sind 
öffentlich,  und  lediglich  in  dem  Falle,  wo  sie  irgend  einen  Vorbehalt 
wünschen,  darf  eine  geheime  Sitzung  statt  finden. 

Art  35.  Der  König  und  jeder  einzelne  der  gesetzgebenden 
Körper  hat  das  Recht  der  Gesetzes -Vorlage. 

Art  36.  Die  Gesetze  über  Besteuerung  und  öffentlichen  Credit 
w^erden  zuerst  dem  Congresse  der  Deputirten  vorgelegt. 

Art  37.  Die  Beschlussnahme  in  jedem  gesetzgebenden  Körper 
erfolgt  nach  Mehrheit  der  Stimmen;  um  jedoch  über  Gesetze  gültig 
zu  votiren,  ist  eine  Stimme  über  die  Hälfte  der  Gesammtzahl,  welche 
die  Versammlung  bildet,  nothwendig. 

Art  38.  Wenn  einer  der  gesetzgebenden  Körper  einen  Ge- 
setzes -  Vorschlag  verwirft,  oder  der  König  die  Genehmigung  ver- 
weigert, so  darf  in  derselben  Sitzung  über  denselben  Gegenstand 
von  ihm  kein  neuer  Vorschlag  eingebracht  werden. 

Art  39.  Ausser  der  gesetzgebenden  Gewalt,  welche  die  Cortes 
mit  dem  Könige  gemeinschaftlich  ausüben,  gebühren  ihnen  noch 
folgende  Rechte: 

a)  Von  dem  Könige,  dem  Thronerben,  dem  Regenten  oder  der 
Regentschaft  des  Königreichs  den  Schwur,  die  Constitution 
und  die  Gesetze  aufrecht  halten  zu  wollen,  entgegen  zu  nehmen. 

b)  Den  Regenten  oder  die  Regentschaft  des  Königs  zu  ernennen, 
und  den  Vormund  des  minderjährigen  Königs,  wie  es  die  Con- 
stitution vorschreibt. 

c)  Die  Verantwortlichkeit  der  Minister  zu  verwirklichen,  welche 
durch  den  Congress  angeklagt,  und  durch  den  Senat  gerichtet 
werden. 

Art  40.  Die  Senatoren  oder  Deputirten  sind  unverletzhch  in 
Betreff  ihrer  Meinungen  bei  Ausübung  ihres  Amtes. 

Art  41.  Die  Senatoren  können  weder  in  Anklagestand  ge- 
setzt, noch  verhaftet  werden,  ohne  vorhergegangenen  Beschluss  des 
Senates;  es  sei  denn  dass  sie  in  flagranti  betroffen  würden  oder 
der  Senat  nicht  vereinigt  wäre.  Jedoch  wird  in  jedem  Falle  so  bald 
als  möglich  jener  Versammlung  Nachricht  gegeben,  damit  dieselbe 
das  Erforderliche  veranlassen  kann.  Eben  so  wenig  können  die 
Deputirten  während  der  Dauer  der  Sitzungen  ohne  Erlaubniss  des 
Congresses  in  Anklagestand  versetzt  oder  verhaftet  werden;  es  sei 
denn  dass  sie  in  flagranti  betroffen  sind.    Aber  in  diesem  Falle,  oder 

5" 


68 

wenn  sie  in  Anklagestand  versetzt  und  verhaftet  sind,  während  des 
Schlusses  der  Cortes,  muss  dem  Congresse  so  bald  als  möglich  Nach- 
richt gegeben  werden,  zu  seiner  Kenntniss  und  Beschlussnahme. 

Titel  VI.     Vom  Könige. 

Art.  42.  Die  Person  des  Königs  ist  geheiligt  und  unverletzlich 
und  der  Verantwortlichkeit  nicht  unterworfen;  verantwortlich  sind 
die  Minister. 

Art.  43.  Die  Macht  der  Ausfiihrung  der  Gesetze  gebührt  dem 
Könige,  und  seine  Autorität  erstreckt  sich  über  Alles,  was  zur  Auf- 
rechthaltung der  äusseren  und  inneren  Ordnung  gehört,  und  zur 
Sicherheit  des  Staates  nach  aussen  —  der  Constitution  und  den 
Gesetzen  entsprechend. 

Art.  44.    Der  König  sanctionirt  und  veröffentlicht  die  Gesetze. 

Art.  45.  üeber  die  Prärogative,  welche  die  Constitution  dem 
Könige  anweist,  hinaus  —  ist  er  berechtigt: 

1)  die  Decrete,  Verordnungen  und  Anweisungen,  welche  zur  Aus- 
führung der  Gesetze  gehören,  zu  expediren; 

2)  zu  sorgen,  dass  im  ganzen  Königreiche  schnelle  und  tüchtige 
Justiz  administrirt  werde; 

3)  das  Begnadigungsrecht  für  Verbrecher  nach  Vorschrift  des 
Gesetzes  auszuüben; 

4)  den  Krieg  zu  erklären  und  zu  fuhren,  Frieden  zu  schliessen, 
und  den  Cortes  nachträglich  amtliche  Mittheilung  von  den 
Verhandlungen  zu  machen; 

5)  über  die  bewaflhete  Macht  zu  verfugen,  und  sie  nach  Belieben 
zu  vertheilen; 

6)  die  diplomatischen  und  Handels  -  Beziehungen  mit  den  übrigen 
Mächten  zu  leiten; 

7)  das  Münzrecht  auszuüben,  mit  der  Befugniss,  sein  Bildniss  auf 
die  Münzen  zu  setzen; 

8)  über  die  Anlegung  der  fiir  die  Verwaltung  bestinunten  Fonds 
zu  verfügen; 

9)  die  öffentlichen  Beamten  zu  ernennen,  und  Ehren -Bezeugun- 
gen und  Auszeichnungen  aller  Art,  je  nach  Lage  der  Gesetz- 
gebung, zu  bewilligen; 

10)  die  Minister  nach  freiem  Willen  zu  ernennen  und  zu  entlassen. 

Art.  46.  Der  König  muss  durch  ein  besonderes  Gesetz  er- 
mächtigt werden,  um: 

1)  irgend  einen  Theil  des  Spanischen  Grundes  und  Bodens  ver- 
äussern, abtreten  oder  vertauschen  zu  können; 
.  2)  um  fremde  Truppen  in  das  Königreich  aufzunehmen; 
3)  um   Offensiv -AUiance- Verträge,    specielle   Handels -Verträge 


69 

und  solche  abzuschliessen,  durch  welche  irgend  einer  fremden 
Macht  Subsidien  zugesichert  werden; 
4)  um  seinem  immittelbaren  Nachfolger  die  Krone  abzutreten. 
Art.  47.    Bevor  der  König  eine  Vermählung  eingeht,  wird  er 
die  Cortes  davon  in  Keimtniss  setzen,  deren  Genehmigung  die  Sti- 
pulationen und  Ehe -Verträge,  welche  Gegenstand  besonderer  ge- 
setzlicher Bestimmung  werden,  unterworfen  sind. 

Dasselbe  wird  bei  der  Vermählung  des  Thronfolgers  statt  finden. 
Art.  48.    Weder  der  König  noch  der  Thronfolger  können  eine 
Verbindung  mit  einer  Person  eingehen,   welche  durch   ein  Gesetz 
von  der  Thronfolge  ausgeschlossen  ist. 

Titel  Vn.     Von  der  Thronfolge. 

Art.  49.  Die  legitime  Königin  von  Spanien  ist  Donna  Isabella  II 
von  Bourbon. 

Art.  50.  Die  Thronfolge  in  Spanien  ist  die  Ordnung  der  Erst- 
geburt^ wobei  stets  die  ältere  der  jüngeren  Linie  vorangeht;  in  der- 
selben Linie  der  nähere  dem  ferneren  Grade;  in  demselben  Grade 
der  Prinz  der  Prinzessin ;  und  in  demselben  Geschlechte  der  Aeltere 
dem  Jüngeren. 

Art  51.  Sollten  die  ehelichen  Descendenten  der  Königin  Isa- 
bella n  von  Bourbon  verstorben  sein,  so  werden  nach  der  fest- 
gesetzten Ordnung  ihre  Schwester  und  die  Geschwister  ihres  Vaters, 
Prinzen  und  Prinzessinnen,  wenn  sie  nicht  ausgeschlossen  sind,  auf 
dem  Throne  folgen. 

Art.  52.  Wenn  alle  bezeichneten  Linien  ausgestorben  sein  soll- 
ten, so  werden  durch  ein  Gesetz  neue  Aufforderungen,  wie  sie  der 
Lage  der  Dinge  am  meisten  entsprechen,  erlassen  werden. 

Art.  53.  Jeder  Zweifel  über  eine  Thatsache  oder  ein  Recht, 
welches  die  Thronfolge  betrifft,  soll  durch  ein  Gesetz  gelöst  werden. 

Art.  54.  Diejenigen,  welche  unfähig  sind  zu  regieren,  oder 
welche  Handlungen  begangen  haben,  durch  welche  sie  das  Recht 
auf  die  Krone  verlieren,  werden  durch  ein  Gesetz  von  der  Thron- 
folge ausgeschlossen. 

Art.  55.  Wenn  eine  Königin  regiert,  so  hat  ihr  Gemahl  in  kei- 
ner Weise  Antheil  an  der  Regierung  des  Königreiches. 

Titel  VIH    Von  der  Minderjährigkeit  des  Königs  und  der 

Regentschaft. 

Art.  56.  Der  König  ist  bis  zum  vollendeten  14ten  Lebensjahre 
minderjährig. 

Art.  57.  Ist  der  König  minderjährig,  so  wird  der  Vater  oder 
die  Mutter  desselben,  und  in  deren  Ermangelung  der  nächste  Ver- 
wandte zur  Thronfolge,  nach  der  in  der  Verfassung  vorgeschriebe- 


70 

neu  Ordnung,  die  Regentschaft  übernehmen,  und  zwar  fiir  die  ganze 
Zeit  der  Mmderjahrigkeit  des  Königs. 

Art.  58.  Der  nächste  Verwandte,  welcher  die  Regentschaft  zu 
fuhren  hat,  muss  Spanier  sein,  das  zwanzigste  Lebensjahr  vollendet 
haben,  und  nicht  von  der  Thronfolge  ausgeschlossen  sein.  Vater 
und  Mutter  des  Königs  können  die  Regentschaft  nur  übernehmen,  so 
lange  sie  unvermählt  bleiben. 

Art.  59.  Der  Regent  wird  vor  den  Cortes  den  Eid  leisten, 
dass  er  dem  minderjährigen  Könige  treu  sem,  und  die  Verfassung 
und  die  Gesetze  aufrecht  erhalten  wird. 

Wenn  die  Cortes  nicht  vereinigt  sein  sollten,  so  wird  sie  der 
Regent  sofort  zusammen  berufen,  und  inzwischen  denselben  Eid  vor 
dem  Staats-Ministerium  ablegen,  und  verheissen,  ihn  vor  den  Cortes 
zu  wiederholen,  sobald  dieselben  zusammengetreten  sein  werden. 

Art.  60.  Sollte  Niemand  vorhanden  sein,  dem  das  Recht  der 
Regentschaft  zufiele,  so  werden  die  Cortes  eine  solche  aus  1,  3  oder 
5  Personen  ernennen.  Bis  dass  dieselbe  ernannt  sein  wird,  regiert 
das  Staats-Ministerium. 

Art.  61.  Befindet  sich  der  König  in  der  Unmöglichkeit,  seine 
Macht  auszuüben,  und  wird  diese  Unmöglichkeit  von  den  Cortes 
anerkannt,  so  wird  während  der  Behinderung  der  erstgeborene  Sohn 
des  Königs  die  Regentschaft  führen,  wenn  er  volljährig  und  vier- 
zehn Jahr  alt  ist.  In  dessen  Ermangelung  die  Gemtdilin  des  Königs, 
und  in  deren  Ermangelung  die  zur  Regentschaft  Berufenen. 

Art.  62.  Der  Regent  und  die  Regentschaft  werden  alle  Macht 
des  Königs  haben,  in  dessen  Namen  sie  die  Regierungs-Acte  voll- 
ziehen. 

Art.  63.  Es  soll  der  Vormund  des  minderjährigen  Königs, 
wenn  er  mittelst  Testaments  des  verstorbenen  Königs  ernannt  ist, 
stets  Spanier  von  Geburt  sein.  Sollte  ein  solcher  nicht  ernannt 
sein,  so  wird  Vater  oder  Mutter,  so  lange  sie  im  Wittwenstande 
sich  befinden,  Vormund  sein.  In  ihrer  Ermangelung  ernennen  die 
Cortes  den  Vormund,  jedoch  sollen  die  Aemter  des  Regenten  und 
Vormundes  ausschliessUch  in  der  Person  des  Vaters  oder  der  Mut- 
ter des  Königs  vereinigt  sein  dürfen. 

Titel  IX.     Von  den  Ministem. 

Art.  64.  Alles  was  der  König  in  der  Ausübung  seiner  Macht 
bestimmt  oder  veranlasst,  soll  durch  den  betreffenden  Minister  ge- 
gengezeichnet sein,  und  kein  öffentlicher  Beamter  wird  bei  dem 
Mangel  dieses  Erfordernisses  Folge  leisten. 

Art.  65.  Die  Minister  können  Senatoren  oder  Deputirte  son, 
und  Theil  nehmen  an  den  Berathungen  der  gesetzgebenden  Körper; 


71 

jedoch  köanen  sie  lediglich  dort  mitstiimneii,  wohin  sie  als  Mitglie- 
der gehören. 

Titel  X.     Von  der  Verwaltung  der  Gerichte. 

Art.  66.  Den  Tribunalen  und  Gerichtshöfen  gebührt  es  aus- 
schUesslich,  in  Civil-  und  Criminal- Fällen  die  Gesetze  anzuwenden, 
ohne  dass  sie  andere  Functionen  übernehmen  können  als  zu  ent- 
scheiden, und  dafür  zu  sorgen,  dass  die  Entscheidung  vollstreckt 
werde. 

Art.  67.  Die  Gesetze  werden  den  Tribunalen  und  Gerichts- 
höfen vorschreiben,  was  sie  zu  thun  haben;  die  Organisation  der 
Einzelnen,  ihre  Befugnisse  imd  die  Art  der  Execution;  so  wie  die 
Fähigkeiten,  welche  üire  Mitglieder  besitzen  müssen. 

Art  68.  Die  Urtheilsprüche  in  Criminalsachen  sollen  öffentlich 
sein,  und  zwar  in  der  vom  Gesetz  vorgeschriebenen  Form. 

Art.  69.  Kein  Magistratuale  oder  Richter  soll  seinem  Berufe 
entzogen  werden,  weder  vorübergehend,  noch^  für  immer,  anders  als 
durch  rechtskräftiges  Urtheil;  eben  so  wenig  suspendirt,  als  durch 
richterlichen  Act  oder  auf  Befehl  des  Königs,  sobald  derselbe  aus 
begründeter  Veranlassimg  befiehlt,  dass  er  vor  ein  competentes  Tri- 
bunal gestellt  werde. 

Art  70.  Die  Richter  sind  persönlich  verantwortlich  fixr  jede 
Verletzung  des  Gesetzes,  die  sie  begehen. 

Art  71.    Die  Justiz  wird  im  Namen  des  Königs  ausgeübt. 

Titel  XI.     Von  den  Provinzial  -  Deputationen  und  den 

Ayuntamientos. 

Art  72.  In  jeder  Provinz  wird  eine  Provinzial-Deputation  sein, 
in  der  vom  Gesetz  vorgeschriebenen  Form  erwählt,  und  aus  der 
vorgeschriebenen  Zahl  von  Individuen  zusammengesetzt. 

Art  73.  In  den  Gemeinden  sollen  Alcalden  und  Ayuntamientos 
fungiren;  die  letzteren  werden  durch  diejenigen  Gemeinde-Mitglieder 
gewählt,  denen  das  Gesetz  dies  Recht  einräumt. 

Art.  74.  Das  Gesetz  wird  die  Organisation  und  die  Attribu- 
tionen der  Ayuntamientos  festsetzen,  und  die  Einmischung  in  beide 
Corporationen,  welche  den  Abgeordneten  der  Regierung  zusteht. 

Titel  Xn.    Von  den  Steuern. 

Art.  75.  In  jedem  Jahre  wird  die  Regierung  den  Cortes  das 
General -Budget  der  Staats -Einnahmen  und  Ausgaben  für  das  fol- 
gende Jahr  vorlegen,  und  den  Plan  der  Besteuerung,  und  die  Mittel 
die  Steuern  zu  erheben,  so  wie  die  Beläge  über  die  Eintreibung  und 
Anlegung  des  Ueberschusses  —  zur  Prüfung  und  Genehmigung. 


72 

Art.  76.  Es  darf  keinerlei  Staats-Steuer  oder  Communal- Abgabe 
auferlegt  und  eingezogen  werden,  die  nicht  durch  das  vorberathene 
oder  ein  Special-Gesetz  genehmigt  ist. 

Art.  77.  Gleiche  Ermächtigung  ist  nothwendig,  um  über  das 
Staats -Eigenthum  zu  disponiren,  und  um  auf  den  Credit  der  Na- 
tion Capitalien  aufzunehmen. 

Art.  78.  Die  öflFentliche  Schuld  steht  unter  dem  besonderen 
Schutz  der  Nation. 

Titel  Xni.     Von  der  Militaumacht 

Art.  79.  Die  Cortes  werden  jedes  Jahr  auf  den  Vorschlag  des 
Königs  die  Müitairmacht  zu  Land  und  zu  Meer  festsetzen. 

Zusatz -Artikel. 

Art.  80.  Die  überseeischen  Provinzen  werden  durch  besondere 
Gesetze  regiert. 

En  Palacio  den  23  Mai  1845. 

Ich  die  Königin. 

(Folgen  die  Unterschriften  des  Minister-Präsidenten  und  sämmtlicher 

Staats  -  Minister.) 


Wahlgesetz  vom  23  März  1846. 

Titel  I.     Zahl  der  Deputhten  und  Wahl  -  Districte. 

Art.  1.  Die  Deputirten- Kammer  soll  bestehen  aus  349  Abge- 
ordneten, welche  in  eben  so  vielen  Wahl-Districten  direct  ge- 
wählt sind. 

Art.  2.  Zu  diesem  Behufe  sollen  die  Provinzen  in  Wahl- 
Districte  getheilt  werden,  in  der  Weise,  dass  auf  je  35,000  Seelen 
eines  Districts  ein  Deputirter  kommt;  jedoch  in  den  Provinzen,  wo 
sich  ein  Ueberschuss  von  17,500  Seelen  wenigstens  findet,  soll  ein 
Deputirter  mehr  gewählt  und  ein  Wahl  -  District  mehr  gebildet 
werden. 

Art.  3.  Die  Zahlen  der  Deputirten  und  Wahl -Districte  sollen 
in  jeder  Provinz  diejenigen  sein,  welche  der  anliegende  Status,  der 
einen  Theil  dieses  Gesetzes  bildet,  bestimmt. 

Titel  n.     Notliwendige  Requisite  eines  Deputirten. 

Art.  4.  Um  Deputirter  sein- zu  können,  wird  Folgendes  erfor- 
dert: Der  Betreffende  muss  Spanier,  weltUchen  Standes  sein,  das 
25te   Lebensjahr  vollendet  haben,    und   eine  Rente  besitzen  von 


73 

12,000  Realen,  die  auf  Grundstücken  beruht,  in  der  Weise,  dass  er 
über  diese  schon  ein  Jahr  bevor  die  Wahlen  begonnen  haben,  ver- 
fugen konnte :  oder  er  muss  jährlich  unter  der  vorgedachten  Modi- 
fication  1000  Realen  directe  Steuern  bezahlen. 

Art.  5.  Die  Rente  über  12,000  Realen  wird  dadurch  nachge- 
wiesen, dass  der  Betheiligte  (Verpflichtete)  Bürgschaft  leistet  für 
seine  seit  Jahr  und  Tag  zu  zahlende  Abgabe.  —  Der  Steuer-Betrag 
der  1000  Realen  wird  nachgewiesen,  indem  der  Besteuerte  seine 
diesfallige  Zahlung  mit  der  Quittung  der  betreffenden  Hebestelle 
bescheinigt. 

Art.  6.  Bei  Berechnung  der  Rente  und  des  Steuersatzes  wird 
als  eigener  Besitz  gerechnet: 

a)  Bei  den  Ehegatten  die  Güter  ihrer  Frauen,  so  lange  die  ehe- 
liche Gemeinschaft;  dauert. 

b)  Bei  den  Vätern  die  Güter  ilurer   Söhne,    so  lange  sie  deren 
rechtmässige  Verwalter  sind. 

c)  Bei  den  Sölmen,  deren  Güter,  von  welchen  aus  irgend  einer 
Veranlassung  die  Mutter  den  Niessbrauch  hat. 

Art.  7.  Der  Steuersatz,  welchen  eine  GeseUschaft,  Association 
oder  Unternehmung  zahlt,  nützt  den  Theilnehmem  oder  Actionairen 
in  dem  Verhältnisse  desjenigen  Antheils,  welchen  ein  Jeder  daran 
zu  besitzen  nachzuweisen  vermag. 

Art  8.  Der  Stand  eines  Deputirten  schliesst  folgende  Amts- 
Verhältnisse  aus: 

a)  General-Capitaine  einer  Provinz; 

b)  General-Commandanten  in  den  Marine-Departements; 

c)  Fiscale  der  Appelhöfe; 

d)  Gouverneure  der  Provinzen; 

e)  Steuer-Intendanten. 

Diejenigen,  welche  in  irgend  einer  der  gedachten  Kategorien 
begriffen  sind,  sollen,  wenn  sie  zu  Deputirten  gewählt,  zwischen 
dieser  Stellung  und  dem  Amte,  das  sie  bekleiden,  wählen  können, 
indem  die  Berechnung  des  Termins  von  der  Genehmigiuig  der 
Wahl-Acten  der  resp.  Wahl-Districte  anfängt.  Erfolgt  binnen  Mo- 
natsfrist keine  Entscheidung^  so  wird  angenommen,  dass  der  Ge- 
wählte auf  die  Stelle  als  Deputirter  verzichtet. 

Art.  9.  Die  in  dem  vorigen  Artikel  bestimmte  Incompatibilität 
bereift  nicht  diejenigen  Beamten  der  gedachten  Klassen  in  sich, 
welche  in  Madrid  residiren. 

Art  10.  Die  Provinzial-  oder  Local- Beamten,  welche  eine 
Civil-  oder  MiUtair- Stellung  oder  eine  Gerichtsbarkeit  irgend  einer 
S^sse  inne  haben,  können  nicht  in  denjenigen  Districten  zu  Depu- 
tirten erwählt  werden,  welche  ganz  oder  theilweise  ihren  Befehlen 
unterworfen  sind.    Wenn  diese  Beamten  auf  ihre  Aemter  verzichten 


74 

oder  abgesetzt  werden,  oder  aus  irgend  einer  anderen  Ursa^^he  ihr 
Amt  verlieren  sollten,  so  sollen  sie  in  den  gedachten  Districten  nur 
sechs  Monate  nachdem  die  Ausübung  ihres  Amtes  au%ehört  hat, 
gewählt  werden  können. 

Art.  11.  Eben  so  wenig  sollen  zu  Deputirten  gewählt  werden 
können  y  wenn  auch  sonst  die  nothwendigen  Bedingungen  vorhan-» 
den  sind: 

a)  Diejenigen,  gegen  welche,  wenn  die  Wahlen  statt  finden,  Cri- 
minal-Process  schwebt,  sobald  über  sie  die  Verhaftung  ver- 
fugt ist. 

b)  Diejenigen,  welche  in  Folge  eines  Richterspruches  körperhche, 
denlüthigende  oder  entehrende  Strafen  erlitten  haben,  und 
nicht  in  integrum  restituirt  worden  sind. 

c)  Diejenigen,  welche  sich  wegen  physischer  oder  moralischer 
Unfähigkeit  unter  gericlitlicher  Aufsicht  befinden. 

d)  Diejenigen,  welche  fallirt  oder  ihre  Zahlungen  eingestellt  ha- 
ben, oder  deren  Vermögen  gerichtlich  verwaltet  wird. 

e)  Diejenigen,  welche  bereits  mit  der  zweiten  Steuer -Rate  in 
Rückstand  geblieben  sind. 

Art.  12.  Wenn  dasselbe  Individuum  in  zwei  oder  mehreren 
Districten  zugleich  zum  Deputirten  gewählt  ist,  so  soll  es  sich,  An- 
gesichts des  Congresses,  fiir  einen  derselben  entscheiden,  und  zwar 
innerhalb  der  acht  Tage,  welche  dem  Zeitpunkte  folgen,  wo  seine 
letzten  Wahl- Acten  genehmigt  worden  sind,  sofern  er  überhaupt 
als  Deputirter  zugelassen  ist.  Ist  er  nicht  zugelassen,  so  soU  er 
innerhalb  zweier  Monate  sich  entscheiden,  und  diese  gerechnet  wer- 
den von  dem  Augenblick  der  Genehmigung  der  Wahl-Acten.  Ist 
eine  Wahl  innerhalb  jener  Termine  nicht  getroffen,  so  entscheidet 
das  Loos,  welchem  Districte  der  Deputirte  angehören  wird. 

Art.  13.  Das  Amt  eines  Deputirten  ist  ein  unbesoldetes  und 
ein  freiwilliges.  Der  Gewählte  kann  diesem  Amte  entsagen,  nach- 
dem er  seinen  Platz  im  Congresse  eingenommen  hat,  wie  auch 
vorher. 

Titel  ni.    NoÜiwendige  Eigenschaften,  um  Wähler  sein  zu 

können. 

Art.  14.  Es  soll  einen  Anspruch  daraufhaben,  in  die  zur  Wahl 
gebildeten  Listen  aufgenommen  zu  werden,  jeder  Spanier  in  dem 
Wahl -Districte,  wo  er  wohnhaft  ist,  sofern  er  das  25te  Lebens- 
jahr vollendet  hat,  und  sofern  er  zu  der  Zeit,  wo  die  gedachten 
Listen  angelegt  oder  berichtigt  werden,  und  resp.  ein  Jahr  vorher, 
400  Realen  directe  Steuern  zahlt.  Diese  Bezahlung  wird  nach- 
gewiesen durch  die  Quittung  des  letzten  Jahres. 


75 

Art.  15.  Um  den  Steuersatz  zu  berechnen,  werden  die  im  Ar- 
tikel 6  enthaltenen  Bestimmungen  über  die  Wahl -Befugnisse  an- 
gewendet. 

Art.  16.  Auch  soll  ein  Recht  zur  Aufnahme  in  die  betreffen- 
den Listen  für  folgende  Personen  statt  finden,  sobald  die  Hälfte  des 
im  Artikel  14  bezeichneten  Steuersatzes  bezalilt  wird,  und  die  übri- 
gen in  demselben  gedachten  Eigenschaften  sich  vorfinden. 

a)  Die  Mitglieder  der  Academia  Espaflola  de  la  Iiistoria  und  de 
San  Fernando; 

b)  die  Doctoren  und  Licenciaten; 

c)  die  Mitglieder  der  geistlichen  Capitel  und  die  Parochial- 
Geistlichen; 

d)  die  Magistrate,  Richter  erster  Instanz  und  die  Fiscal-Procurator  en ; 

e)  die  im  activen  Dienst  befindlichen  Beamten,  und  diejenigen 
zur  Disposition  gestellten  pensionirten  Beamten,  deren  Jahr- 
gehalt die  Summe  von  8000  Realen  erreicht; 

f)  die  in  Ruhestand  versetzten  Officiere  der  Armee  und  Flotte, 
vom  Capitain  einschliesslich  aufcvärts; 

g)  die  Advocaten,  wenn  sie  schon  ein  Jahr  practisirt  haben; 

h)  unter  gleichen  Bedingungen  die  Aerzte,  Chirurgen  und  Phar- 

maceuten; 
i)  die  Architecten,  Maler  und  Bildhauer,  sobald  sie  einen  acade- 

mischen  Grrad  in  einer  Academie  der  Künste  erlangt  haben; 
k)  die  Professoren  und  Lehrer  eines  jeden  Erziehungs- Institutes, 

welches  aus  öffentlichen  Fonds  unterhalten  wird. 

Art  17.  Wenn  sich  in  einem  Districte  nicht  150  Wähler  aus 
den  im  Artikel  14  und  16  aufgestellten  Bedingungen  finden,  so  soll 
solche  Zahl  aus  der  Reihe  derjenigen  ergänzt  werden,  welche  die 
meisten  directen  Steuern  zahlen.  In  diesem  Falle  sollen  auch  Wäh- 
ler sein  aUe  diejenigen,  welche  eine  Steuer -Quote  zahlen,  die  der- 
jenigen gleich  ist,  welche  der  Mindest -Steuernde  aus  der  Reihe  der 
zur  Vervollständigung  der  gedachten  Zahl  Bezeichneten  entrichtet. 

Art.  18.  Es  sollen  in  die  Wahl -Listen  nicht  eingeschrieben 
werden  können,  wenn  auch  die  nöthigen  Bedingungen  vorhanden 
sind,  diejenigen,  welche  sich  in  irgend  einem  der  Fälle  begriffen 
finden,  die  Artikel  11  dieses  Gesetzes  aufzählt. 

Titel  IV.     Die  Aufstellung  der  Listen  der  Wähler. 

Art.  19.  Die  ersten  Urwähler -Listen,  welche  aufgestellt  und 
abgeschlossen  werden  nach  Maassgabe  der  in  diesem  Gesetze  auf- 
gestellten Regeln,  sollen  permanent  sein,  und  nur  durch  diejenigen 
Berichtigungen  geändert  werden  können,  welche  alle  zwei  Jahre 
gemacht  werden. 


76 

Art.  20.  Diese  ersten  Listen  sollen  durch  die  Gouverneure  der 
Provinzen,  nach  Anhörung  der  Alcalden  und  Orts  -  Obrigkeiten,  ge- 
bildet werden.  Es  sollen  dabei  die  entsprechenden  Daten  aus  den 
Steuer -Listen  herbeigeschafft,  und  überhaupt  alle  Mittel  aufgewen- 
det werden,  um  eine  grösstmögUche  Sicherheit  und  Genauigkeit  zu 
erreichen.  Sind  diese  Listen  aufgestellt,  so  sollen  die  Gouverneure 
die  für  jeden  District  bestimmten  in  allen  Ortschaften  desselben 
veröffentlichen,  und  es  soll  zu  einer  abermaligen  Berichtigung  und 
Abschliessung  in  derselben  Weise  und  auf  demselben  Wege  vor- 
geschritten werden,  welche  fiir  diese  Operation  durch  vorstehendes 
Gesetz  bezüglich  der  folgenden  Jahre  vorgeschrieben  worden. 

Art.  21.  Was  die  zweijährige  Berichtigung  der  Listen  anbelangt, 
so  soll  der  Alcalde  jeder  Ortschaft,  unterstützt  von  den  zwei  durch 
die  Obrigkeit  ernannten  Käthen,  die  in  seinem  Bezirk  gehörenden 
revidiren,  und  ein  ausfahrUches  Memoire  entwerfen,  in  welchem  er 
umständlich  die  vorgeschlagenen  Beweggründe  der  Berichtigung 
auseinander  setzt. 

Dieses  Memoire  soll  die  folgenden  Fälle,  und  zwar  jeden  für 
sich  behandelt,  enthalten. 

a)  Die  in  die  letzten  Listen  eingeschriebenen  Urwähler,  welche 
inzwischen  fallirt  haben; 

b)  diejenigen,  welche  ihren  Wohnsitz  gewechselt  haben; 

c)  diejenigen,  welche  das  Wahlrecht  verloren  haben; 

d)  diejenigen,  welche  es  inzwischen  erlangt  haben. 

Dieses  Memoire  soll  vollständig  aufgestellt,  und  dem  Gouver- 
neur der  Provinz  zugefertigt  werden,  und  zwar  in  den  ersten  vier- 
zehn Tagen  des  December  im  Jahre  bevor  die  Berichtigung  erfolgt. 

Art.  22.  Der  Gouverneur  wird  sogleich  nach  Einsendung  der 
Memoire  Seitens  der  Alcalden,  so  wie  nach  Eingang  der  in  den 
Steuer -Aemtern  und  sonstigen  Bureau's,  welche  zu  befragen  er  für 
zweckmässig  hält,  gesammelten  Daten,  die  erste  Berichtigung  der 
Listen  aufstellen,  und  nach  einer  solchen  sie  in  den  ersten  vierzehn 
Tagen  des  folgenden  Jahres  für  jeden  District  und  zwar  in  allen 
Ortschaften  seines  Verwaltungs- Bezirks  veröffentUchen,  und  in  jedem 
einzelnen  Falle  jeder  Section  die  ihr  zugehörenden  Urwähler  über- 
weisen. Einer  jeden  Urwähler -Liste  wird  der  Gouverneur  eine 
namentliche  Aufzählung  der  von  ihr  ausgeschlossenen  Individuen 
beifügen,  und  ingleichen  der  neu  eingescliriebenen.  Li  beiden  Listen 
wird  er  auf  die  verschiedenen  in  den  vier  vorgedachten  Fällen  des 
letzten  Artikels  genannten  Gründe  besonders  Bezug  nehmen. 

Art.  23.  Bis  zum  Slten  desselben  Januars  wird  der  Gouver- 
neur alle  Beclamationen  über  unbegründete  Aufnahme  und  Aus- 
schUessung  oder  sonstige  Lrrthümer  der  Listen  erster  Berichtigung 
aufnehmen. 


77 

m 

Art  24.  Jedes  Individuum,  welches  Urwähler -Ansprüche  zu 
haben  glaubt,  kann  die  Au&ahme  seines  Namens  in  die  Urwähler- 
Liste  fordern.  Nur  die  in  die  Liste  eingeschriebenen  Urwähler  haben 
das  Recht,  die  Aufnahme  oder  die  Ausschliessung  irgend  einer  an- 
deren Person,  und  die  Berichtigung  irgend  welches  in  den  Listen 
ypi^efallenen  Irrthums  zu  beantragen. 

Art.  25.  Einer  nicht  mit  Belägen  versehenen  Reclamation,  Aus- 
schliessung oder  Aufnahme  betreffend,  soll  der  Gouverneur  keine 
Folge  geben. 

Art.  26.  In  den  ersten  vierzehn  Tagen  des  nächsten  Februar 
wird  der  Gouverneur  in  dem  Amtsblatte  der  Provinz,  oder  auf  wel- 
chem Wege  es  ihm  sonst  zweckmässig  erscheint,  eine  Aufzählung 
deijenigen  Personen  publiciren,  deren  Ausschliessung  zu  Reclama- 
tionen  gefuhrt  hat,  und  in  dieser  Namen  und  Wohnsitz  einer  jeden 
derselben  aussprechen.  Ingleichen  die  Gründe,  auf  welche  die  Re- 
clamation basirt,  oder  die  Reclamationen,  welche  gegen  diese  selbst 
begründet  sind. 

Art.  27.  Die  Personen,  gegen  welche  eine  Reclamation  gerich- 
tet worden  ist,  sollen  dem  Gouverneur  mit  Belägen  versehene  Vor- 
stellungen einreichen,  welche  sie  zur  Wahrung  ihres  Rechtes  für 
nothwendig  halten.  Jedoch  muss  dies  immer  vor  dem  5ten  des  kom- 
menden März -Monats  geschehen.  Der  Gouverneur  soll  keiner  Vor- 
stellung oder  Reclamation,  welche  nach  diesem  Termine  eingereicht 
wird,  Gehör  geben. 

Art.  28.  Der  Gouverneur  soll  nach  Anhörung  des  Provinzial- 
Rathes  über  aUe  Reclamationen  und  Vorstellungen  entscheideif, 
welche  ihm  präsentirt  worden  sind,  und  ein  Register  der  von  ihm 
gefällten  Entscheidungen  in  chronologischer  Ordnung  föhren. 

Art.  29.  Zum  1  April  wird  der  Gouverneur  über  alle  Recla- 
mationen und  Vorstellungen  entscheiden.  Die  Listen  zweiter  Be- 
richtigung drucken  lassen,  und  je  für  jeden  District,  und  zwar  in 
allen  Ortschaften  seines  Verwaltungs- Bezirkes  veröffentlichen,  und 
in  jedem  einzelnen  Falle  jeder  Section  die  ihr  zugehörenden  Ur- 
wähler überweisen. 

Art.  30.  Gegen  die  vom  Gouverneur  erlassenen  Entscheidun- 
gen soll  vor  dem  Territorial -Gerichtshofe  der  Recurs  eingelegt 
werden  können.  Dies  kann  nur  Seitens  derer  geschehen,  deren  Re- 
clamationen oder  Vorstellungen  von  den  gedachten  Ent-scheidungen 
betroffen  sind. 

Art.  31.  Die  Beschwerde  soll  innerhalb  der  ersten  vierzehn 
Tage  des  April,  durch  den  Procurator  oder  einen  einfachen  Bevoll- 
mächtigten oder  durch  den  Beschwerdeführer  selbst  eingereicht 
werden.  Der  Appelhof  wird  sofort  von  dem  Gouverneur  die  be- 
treffenden Original  -  Documente  erfordern ;  nach  deren  Eingang  wird 


78 

sie  der  erkennende  Gerichtshof  dem  Fiscal  und  Vertheidiger  des 
Beschwerdeführers  zugehen  lassen,  in  der  Weise,  dass  ein  Jeder  sie 
einen  Tag  informationis  causa  einsehen  kann.  Diese  Sachen  sollen 
beschleunigt  und  ihnen  vor  anderen  der  Vorzug  gegeben  werden. 

Nach  gemachter  Relation  in  mündlicher  Verhandlung  sprechen 
der  Fiscal,  der  Vertheidiger  und  dann  der  Hof,  welcher  sofort  die 
Entscheidung  fallt. 

Diese  Entscheidung,  gegen  welche  es  keinen  weiteren  Recurs 
giebt,  wird  das  Gericht  mit  dem  gedachten  Original -Documente  des 
Gouverneurs  innerhalb  der  letzten  vierzehn  Tage  des  April  zurück- 
schicken, und  erhält  der  Beschwerdeführer  auf  seinen  Wunsch  Ab- 
schrift der  Sentenz.    Alles  dies  geschieht  ex  officio. 

Der  Gouverneur  soll  die  Listen  Angesichts  dieses  Urtheils- 
Spruches  berichtigen,  wenn  derselbe  dazu  Veranlassung  giebt. 

Art.  32.  Am  15  Mai  soll  der  Gouverneur  die  Listen  für  als 
geschlossen  erklären,  und  können  darin  keine  weiteren  Verände- 
rungen mehr  vorgenommen  werden. 

Art.  33.  Nur  diejenigen  Personen  haben  ein  Recht  zu  votiren, 
welche  in  den  resp.  Ürwähler-Listen  eingeschrieben  sind.  Kein  Ur- 
wähler kann  zugleich  in  mehreren  Listen  eingeschrieben  sein. 

Art.  34.  Jede  Deputirten-Wahl  muss  in  genauer  Befolgung 
derjenigen  Listen  statt  finden,  welche  zur  Zeit,  wo  die  Wahl 
anfangt,  abgeschlossen  sind,  die  Wahl  mag  statt  finden,  wann 
sie  will. 

Art.  35.  Die  Modalitäten  und  Termine,  welche  dies  Gesetz  für 
Ae  Bildung,  Berichtigung  und  Abschliessung  der  Wahl -Listen  auf- 
stellt, können  aus  keinem  Grunde  geändert  werden. 

Dessenungeachtet  wird  das  Gouvernement,  um  die  ersten  Listen 
zu  bilden,  die  nach  diesem  Gesetz  aufgestellt  werden,  die  Tage  an- 
geben, an  denen  die  verschiedenen  Operationen  beginnen  sollen.  Es 
wird  der  Termin  zwar  ausnahmsweise  ausgedehnt,  aber  in  keiner 
Weise  an  den  vorgeschriebenen  Operationen  selbst  etwas  geändert 
werden  können. 

Titel  V.     Ueber  den  Walil- Modus  selbst. 

Art.  36.  Nach  der  Publication  dieses  Gesetzes  wird  das  Gou- 
vernement die  Provinzen  in  so  viel  Wahl-Districte  eintheilen,  als 
die  Zahl  der  Deputirten  erheischt,  welche  auf  eine  jede  kommen, 
und  wird  diejenigen  Orte  bezeichnen,  welche  die  Districts- Mittel«* 
punkte  sein  sollen. 

Wenn  einmal  durch  das  Gouvernement  diese  Bezeichnungen 
veröffentlicht  worden  sind,  so  können  sie,  sei  es  ganz,  sei  es  theil- 
weis,  nur  Kraft  eines  Gesetzes  verändert  werden. 

Art  37.    Die  Wahl  geschieht  ausschliesslich  in  einem  Locale 


79 

im  IGttelpunkte  des  Districts.  Ausgenommen  sind  die  im  folgenden 
Artikel  bezeichneten  Fälle. 

Art.  38.  Wenn  die  Urwähler  eines  Bezirkes  die  Zahl  von  600 
überschreiten,  und  wenn,  gleichviel  ob  gedachte  Zahl  überschritten 
wird  oder  nicht,  sie  nur  mit  Schwierigkeit  nach  dem  Centrum  des 
Districts,  behufs  Abgabe  ihres  Votums,  gelangen  können,  so  soll 
dieser  in  die  erforderUchen  Unter-Abtheilungen  geschieden  werden. 
Doch  ist  dafür  zu  sorgen,  dass  ein  jeder  wenigstens  200  Wähler  zählt. 

Die  Abtheilung  des  Districtes  in  Sectionen  und  die  Bezeichnung 
der  Ortschaften,  welche  Sections- Mittelpunkte  bilden  sollen,  ge-* 
schiebt  durch  den  Gouverneur,  und  wird  durch  die  Regierung  be- 
richtigt und  approbirt. 

Ohne  deren  Autorisation  dürfen  femer  weder  vollständige  noch 
theilweise  Aenderungen  vorgenommen  werden. 

Art.  39.  Der  Gouverneur  wird  diejenigen  Gebäude  oder  Lo- 
cale  bezeichnen,  wo  die  Urwähler,  behufs  Abgabe  ihres  Votums, 
sich  vereinigen  sollen. 

Art.  40.  Die  Abtheilung  der  Sectionen  und  die  Bezeichnung 
ihrer  resp.  Mittelpunkte  und  der  Gebäude  und  liocale,  von  denen 
der  vorige  Artikel  redet,  sollen  in  sämmtlichen  Ortschaften  eines 
jeden  Districts  veröffentlicht  werden  —  fünf  Tage  vor  dem  Anfangs- 
Termin  der  Wahlen. 

Art.  41.  Am  ersten  Wahltage  sollen  sich  die  Urwähler  um 
acht  Uhr  Morgens  an  den  vorgezeichneten  Punkten  einfinden,  und 
ihnen  der  Alcalde  des  Sections-  und  Districts -Mittelpunktes  präsi- 
diren,  oder  in  seiner  Verhinderung  sein  Stellvertreter.  * 

Art.  42.  Sofort  treten  der  Alcalde  teniente  oder  der  sonst 
präsidirende  Beamte  in  seiner  Eigenschaft  als  interimistischer  Se- 
cretair,  die  Scrutatoren,  vier  Urwähler,  und  zwar  die  zwei  ältesten 
and  die  zwei  jüngsten  in  der  Versammlung,  zusammen.  Im  Fall 
des  Zweifels  über  das  Alter  wird  der  Präsident  entscheiden. 

Art.  43.  Ist  so  das  interimistische  Bureau  gebildet,  so  beginnt 
sofort  die  Abstimmung  behufs  definitiver  Abstimmung. 

Jeder  Urwähler  wird  dem  Präsidenten  einen  Zettel  geben, 
welchen  er  geschrieben  mitbringen  oder  im  Wahl -Acte  schreiben 
kann.  Auf  diesem  werden  zwei  Urwähler  als  Wahl-Secretaire  be- 
zeichnet Der  Präsident  legt  den  Zettel  in  Gegenwart  des  Urwäh- 
lers in  die  Urne;  dessen  Name  und  Wohnort  wird  in  einer  Liste 
bemerkt.  Diese  Abstimmung  darf  vor  zwölf  Uhr  nicht  abgeschlossen 
werden,  ausgenommen,  es  hätten  bereits  sämmtliche  Urwähler  des 
Districts  oder  der  Section  ihr  Votum  abgegeben. 

Art.  44.  Nach  Abschluss  der  Abstimmung  geht  das  proviso- 
rische Bureau  zum  Scrutinium  über,  und  es  liest  der  Präsident  mit 
lauter  Stimme  die  Zettel,  während  die  Wahl-Secretaire  die  Zahl 


80 

der  Zettel  mit  derjenigen  der  in  den  numerirten  Listen  der  Stim- 
menden Verzeichneten  vergleichen. 

Wenn  in  Betreff  des  Inhaltes  eines  oder  einiger  Zettel  bei  einem 
der  Urwähler  Zweifel  entstehen  sollten,  so  kann  dieser l)eanspruchen, 
dass  die  Zettel  ihm  gezeigt  werden,  um  sich  mit  eigenen  Augen  von 
der  Genauigkeit  des  Vorgelesenen  zu  überzeugen. 

Wenn  das  Scrutinium  abgeschlossen  ist,  so  bleiben  als  Scruti- 
niums-Secretaire  diejenigen  vier  Wähler  zurück,  welche  bei  dem 
gegenwärtigen  Wahl -Acte  die  grösste  Stimmenzahl  auf  sich  ver- 
einigt haben.  Diese,  so  wie  der  Alcalde  oder  präsidirende  Beamte, 
bilden  dann  das  definitive  Bureau. 

Art.  45.  Wenn  als  Resultat  des  Scrutiniums  sich  nicht  die 
Wahl  einer  genügenden  Zahl  von  Wahl-Secretairen  ergiebt,  so  sol- 
len der  Präsident  und  die  Gewählten  aus  den  gegenwärtigen  Ur- 
wählern diejenigen  herauswählen,  welche  fehlen,  um  das  Bureau 
vervollständigen  zu  können.  Im  Fall  der  Stimmen -Gleichheit  ent- 
scheidet das  Loos. 

Art.  46.  Unmittelbar  darauf  und  unter  der  Direction  des  defi- 
nitiv constituirten  Bureau's,  sollen  die  Deputirten- Wahlen  beginnen, 
und  bis  vier  Uhr  Naclunittags  dauern.  Vorher  kann  nur  in  dem 
Falle  aufgehört  werden,  wenn  bereits  alle  Urwähler  der  Section 
oder  des  Districtes  ihre  Stimmen  abgegeben  haben. 

Art.  47.  Die  Abstimmung  wird  geheim  sein.  Der  Präsident 
giebt  dem  Urwähler  einen  rubricirten  Zettel.  Darauf  schreibt  die- 
ser an  Ort  und  Stelle  und  unter  den  Augen  des  Bureau's,  oder 
lässt  durch  einen  anderen  Urwähler  den  Namen  desjenigen  Candi- 
daten  schreiben,  welchem  er  sein  Votum  geben  will,  und  giebt  den 
Zettel  gefaltet  dem  Präsidirenden  zurück.  Dieser  legt  den  Zettel 
in  Gegenwart  des  Urwählers,  dessen  Name  und  Wohnort  auf  einer 
numerirten  Liste  vermerkt  werden,  gefaltet  in  die  Urne. 

Art.  48.  Ist  der  Termin  um  vier  Uhr  Nachmittags  geschlossen, 
so  werden  der  Präsident  und  die  Wahl-Secretaire  das  Scrutinium 
der  Votanten  beginnen.  Jener  liest  mit  lauter  Stimme  die  Zettel; 
diese  vergleichen  ihre  Zahl  mit  der  Zahl  der  in  der  Liste  vermerk- 
ten Stimmgeber.  Die  Wahl-Secretaire  werden  die  Genauigkeit  durch 
Verlesung  controUren,  die  Zettel  prüfen  und  sich  ihres  Inhalts  ver- 
sichern. 

Art.  49.  Wenn  ein  Zettel  mehr  als  einen  Namen  enthält,  so 
gilt  nur  der  zuerst  geschriebene  Name. 

Art.  50.  Nach  vollendetem  Scrutinium,  und  nachdem  den  Wäh- 
lern das  Ergebniss  mitgetheilt,  werden  in  ihrer  Ge^nwart  alle  Zetr 
tel  verbrannt. 

Art.  51.  Sofort  werden  zwei  Listen  angelegt,  welche  die  Na- 
men der  Wahlmänner  enthalten,  die  bei  der  Deputirten -Wahl  con- 


81 

cnrrirt  haben,  und  welche  das  Ergebniss  der  Stimmen  mittheilen, 
die  jeder  Candidat  gehabt  hat.  Präsident  und  Wahl-Secretaire  le- 
galisiren  beide  Listen  durch  ihre  Unterschriften  und  blirgen  für  ihre 
Richtigkeit  und  Genauigkeit. 

Eine  dieser  Listen  schickt  der  Präsident  durch  Expressen  so- 
gleich an  den  Gouverneur,  und  dieser  lässt  sie^  sobald  er  sie  em- 
pfangt, in  das  Amtsblatt  einrücken.  Die  andere  Liste  wird  vor  acht 
Uhr  des  Morgens  des  folgenden  Tages  an  die  Thür  des  Wahl- 
Locales  angeschlagen. 

Art.  52.  Sind  die  Listen,  von  denen  der  vorige  Artikel  spricht, 
angelegt,  so  nehmen  Präsident  und  Wahl-Secretaire  das  Protocoll 
der  Wahl-Junta  jenes  Tages  auf,  und  drücken  dabei  besonders  die 
Zahl  der  Urwähler  der  einzelnen  Sectionen  aus,  so  wie  die  Zahl  der 
an  der  Deputirten-Wahl  überhaupt  betheiligten  Personen,  und  end- 
lich die  Zahl  der  Stimmen,  welche  jeder  Candidat  erhalten  hat. 

Art.  53.  Um  acht  Uhr  Morgens  des  folgenden  Tages  wird  mit 
der  Deputirten-Wahl  fortgefahren;  sie  dauert  bis  vier  Uhr  Abends, 
und  kann  nur  in  dem  einzigen  Falle  geschlossen  werden,  dass  alle 
Urwähler  des  Districts  oder  der  Section  bereits  ihr  Votum  abge- 
geben haben. 

Art.  54.  Nach  Abschluss  der  Abstimmung  dieses  Tages,  und 
nach  Beendigung  aller  Wahl -Operationen,  welche  Art.  47  —  51  vor- 
geschrieben, entwerfen  und  zeichnen  Präsident  und  Wahl-Secretaire 
das  Protocoll  der  Wahl -Junta,  nach  Maassgabe  der  Vorschrift  des 
Art  52. 

Art  55.  Am  folgenden  Tage  nach  Vollendung  der  Abstim- 
mung, um  10  Uhr  Morgens,  werden  Präsident  und  Wahl-Secretaire 
das  allgemeine  Ergebniss  der  abgegebenen  Stimmen  bekannt  machen, 
das  Protocoll  über  den  Hergang  aufnehmen,  dabei  die  Gesammtzahl 
der  Urwähler  in  der  Section  angeben,  so  wie  die  Zahl  derjenigen, 
welche  an  der  Wahl  Theil  genommen,  und  die  Zahl  der  Stimmen, 
welche  jeder  Candidat  erhalten  hat. 

Art  56.  Die  Listen,  welche  für  das  Publicum,  gemäss  der  Vor- 
sehrift  des  Art  51,  ausgelegt  gewesen,  und  die  Protocolle,  von  de- 
nen Art  52  und  55  sprechen,  werden  urschriftlich  in  das  Archiv 
der  Orts -Obrigkeit  niedergelegt. 

Von  dem  letzten  dieser  Protocolle  werden  an  demselben  Tage, 
wo  es  entworfen  wurde,  Präsident  und  Scrutiniums-Secretaire  zwei 
legalisirte  Abschriften  nehmen:  eine  wird  jener  unmittelbar  dem  Prä- 
sidenten des  Bureau's,  Districts  oder  der  Section,  wo  das  General- 
Scmtinium  statt  gefunden  hat,  mittheilen ;  das  andere  Protocoll  wird 
der  Präsident  dem  Scrutiniimis-Secretair  ausUefem,  der  die  meisten 
Stimmen  erhalten  hat,  oder  demjenigen  Secretair,  der  dem  ersteren 
ans  einem  oder  dem  anderen  Grunde  in  der  Reihe  zunächst  folgt. 

T.  BQiratoli,  Sptni».  ß 


82 

Im  Fall  der  Stimmen-Gleichheit  zwischen  den  Wahl-Secretairen  ent- 
s(;heidet  das  Loos. 

Art.  57.  Drei  Tage  nachdem  die  Deputirten-Wahl  in  den 
Sectionen  statt  gefunden  hat,  soll  das  Gesammt  -  Scrutinium  der 
Stimmen  in  dem  Hauptorte  des  Districts  in  einer  Junta  statt  finden, 
welche  zusammengesetzt  ist  aus  dem  Bureau  der  Section  gedachten 
Ortes,  oder  dem  Bureau  der  ersten  Section,  in  so  fern  mehr  als 
eine  vorhanden,  und  den  stiramfuhrenden  Secretairen,  welche  mit 
den  ProtocoUen  der  anderen  Sectionen  concurriren  werden. 

Der  Präsident  und  die  stimmzählenden  Secretaire  derjenigen 
Section,  wo  die  Junta  abgehalten  wird,  werden  bei  solcher  diese 
Dienstleistungen  verrichten. 

Wenn  Krankheits  halber  oder  wegen  eines  Todesfalles,  oder  aus 
sonst  irgend  einem  Grunde,  gar  kein  Stimmzähler  bei  der  Junta  des 
General-Scrutiniums  sich  einfände,  so  wird  der  Präsident  des  resp. 
Bureau's  dem  Präsidenten  besagter  Junta  die  Copie  des  ProtocoUs 
einsenden,  welche  der  Stimmzähler  hatte  mit  sich  fuhren  sollen.  Zu 
der  Zeit,  wo  das  Scrutinium  statt  findet,  werden  beide  Abschriften 
beider  ProtocoUe  verglichen,  um  festzustellen,  ob  sie  vollkommen 
übereinstimmen. 

Art.  58.  Nachdem  das  General -Resume  der  Stimmen  des  Di- 
stricts aufgestellt  worden  ist,  so  wird  der  Präsident  denjenigen  Can- 
didaten,  welcher  die  absolute  Majorität  der  Stimmen  erhalten  hat, 
als  Deputirten  proclamiren. 

Art.  59.  In  den  Wahl-Districten,  welche  nicht  in  Sectionen 
eingetheilt  sind,  wird  ohne  Weiteres  der  Candidat  als  Deputirter 
proclamirt,  welcher  die  absolute  Stinmien-Mehrheit  in  dem  Scrutinio 
erhalten  hat,  von  welchem  Art.  55  redet. 

Art.  CO.  Geht  aus  dem  ersten  General-Scrutinium  kein  Candi- 
dat mit  absoluter  Stimmen-Mehrheit  hervor,  so  wird  der  Präsident 
die  beiden  Namen  proclamiren,  welche  die  meisten  Stimmenzahlea 
für  sich  erhalten  haben,  damit  betreflFs  ihrer  zu  einer  engeren  Wahl 
geschritten  werde. 

Im  Falle  der  Stimmen-Gleichheit  soll  das  Loos  entscheiden. 

Art.  61.  Diese  Wahl  soll  acht  Tage  nach  stattgefundenem 
General-Scrutinium  beginnen.  Der  Alcalde  des  Hauptortes  des  Di- 
stricts wird  zu  dem  Zwecke  die  entsprechende  Benachrichtigung 
dem  Präsidenten  der  Section  zukommen  lassen.  Diese  werden  in 
den  betreffenden  Ortschaften,  resp.  in  den  ihrigen,  den  Termin  für 
die  engere  Wahl  pubUciren,  und  an  dem  bezeichneten  Tuge  werden 
sich  die  Wahl -Junten  mit  denselben  Bureaux,  wie  bei  der  ersten 
Wahl,  aufs  neue  vereinigen,  und  es  werden  dann  die  entsprecht!- 
den  Operationen  wie  dort  vorgenommen  werden. 


83 

Art.  62.  Der  Präsident  und  die  Stimmzähler  jeder  Section 
und  der  Präsident  und  die  Vocale  der  Junten  des  General- Scruti- 
niums  werden  die  Tage  bestimmen,  wo  mit  Stimmen-Mehrheit  über 
alle  Reclamationen  und  Zweifel  entschieden  werden  soll.  Diese, 
80  wie  die  Resolutionen  und  die  Motive  derselben  werden  zu  Pro- 
toGoll  genommen, 

Art.  63.  Die  Junta  des  General-Scrutiniums  soll  nicht  berech- 
tigt sein,  weder  irgend  ein  ProtocoU,  noch  ein  Votum  zu  annuUiren, 
aber  sie  soll  in  dem  ProtocoU,  was  sie  entwirft  und  durch  den  Prä- 
sidenten und  die  stimmzählenden  Secretaire  bestätigen  lässt,  alle  die 
Reclamationen,  Zweifel  und  Proteste  verzeichnen,  welche  in  Betreff 
der  Nullität  der  Protocolle  und  Voten  eingereicht  werden;  und 
ausserdem  werden  sie  ihre  eigene  Meinung"  über  diese  Reclamatio- 
nen, Zweifel  und  Proteste  beifugen. 

Art.  64.  Das  Original-ProtocoU  der  Junta  des  General-Scruti- 
niums soll  in  dem  Archive  der  Obrigkeit  des  Hauptortes  im  Di- 
stricte  niedergelegt  und  drei  Abschriften  davon  durch  den  Präsi- 
denten und  die  stimmzählenden  Secretaire  dem  Gouverneur  einge- 
schickt werden.  Eine  dieser  Abschriften  wird  in  dem  Archive  der 
Provinzial- Regierung  niedergelegt,  eine  andere  dem  Ministerio  ein- 
gesandt, die  dritte  dient  als  Beglaubigung  für  die  Gewählten,  dem 
Congresse  gegenüber. 

Art.  65.  In  den  Wahl -Junten  können  nur  die  Wahlen  selbst 
Gegenstand  der  Verhandlungen  sein.  Alles  übrige  dort  Vorge- 
nommene soll  als  Null  angesehen  werden;  ganz  abgesehen  davon, 
dass  auch  ausserdem  gegen  den  Betreffenden  eingeschritten  wird, 
wenn  irgend  ein  Excess  dabei  statt  gefunden  haben  sollte. 

Art.  66.  Nur  die  Wähler,  die  Civil -Autoritäten  und  sonstige 
vom  Präsidenten  etwa  eingeladene  Hülfs-Beamten  sollen  Eintritt  in 
die  Wahl-Junten  haben. 

Kein  Wähler,  welches  auch  sein  Stand  sei,  soll  sich  in  den 
Wahl- Junten  mit  Waffen,  Stock  oder  Spazierrohr  einfinden  dürfen. 
Wer  dies  thun  würde,  soll  aus  dem  Local  gewiesen  und  des  activen 
und  passiven  Wahlrechts  bei  jener  Wahl  beraubt  werden. 

Ausserdem  sollen  noch  anderweite  Strafen  über  ihn  verfugt 
werden  können. 

'  Nur  die  Autoritäten  sollen  in  den  gedachten  Junten  den  Stock 
oder  andere  Amts-Insignien  tragen  dürfen. 

Art.  67.  Dem  Präsidenten  der  gedachten  Junten  kommt  es  zu, 
die  Ordnung,  für  welche  er  streng  verantwortlich  ist,  aufrecht  zu 
erhalten. 

Zu  diesem  Behuf  ist  er  durch  gegenwärtiges  Gesetz  mit  der 
erforderlichen  Machtvollkommenheit  bekleidet  worden. 

6* 


84 


Titel  VI.    Besondere  Dispositionen. 

Art.  68.  In  Erwägung  der  besonderen  Verhältnisse  der  Cana- 
rischen  Inseln  soll  das  Gouvernement  betrefiiB  ihrer  berechtigt  sein, 
da  wo  es  nothwendig  scheint,  die  in  diesem  Gesetze  för  die  Wahl« 
Operationen  bestimmten  Termine  abzuändern  und  ihnen  angemesse- 
nere zu  substituiren. 


Titel  Vn.    Uebergangs- Bestimmungen. 

Art.  69.  In  den  Districten,  wo  aus  irgend  einem  Grunde  keine 
directen  Steuern  gezahlt  werden  zu  der  Zeit,  wo  in  Gemässheit  des 
gegenwärtigen  Gesetzes  die  ersten  Wahl -Listen  gebildet  werden, 
sind  in  die  Listen  die  150  wohlhabendsten  Einwohner  einzutragen. 

Art.  70.  In  den  ersten  allgemeinen  Wahlen,  welche  in  Ge- 
mässheit des  gegenwärtigen  Gesetzes  statt  finden,  solU  was  die  Be- 
rechnung der  Steuer-Quote  anlangt,  nicht  der  Nachweis  des  Jahres- 
Besitzes  einer  Rente  oder  Zahlung  einer  Steuer  seit  Jahr  und  Tag 
gefordert  werden,  welchen  Art.  5  und  14  vorschreibt. 

Art.  71.  Die  Cortes-Deputirten  sollen  nach  diesem  Gesetz  zu 
den  ersten  allgemeinen  Wahlen  gewählt  werden. 

Den  28  März  1846. 


Die  Königin. 

Der  MiniBter  des  Innern 

Xavier  de  Burgos. 

Provinzen. 

Seelen. 

Deputirte. 

1. 

Alava 

67,523 

2 

2. 

Albacete 

180,763 

5 

3. 

Alicante 

318,444 

9 

4. 

Almeria 

1 

234,789 

7 

5. 

Avila 

137,903 

4 

6. 

Badajoz 

316,022 

9 

7. 

Balearen 

229,197 

7 

8. 

Barcelona 

442,273 

13 

9. 

Burgos 

224,407 

6 

10. 

Caceres 

231,398 

7 

11. 

Cadiz 

324,700 

9 

12. 

Canarias 

199,950 

6 

13. 

Ca.<tteIlon 

*199,920 

6 

14. 

Ciadad  Real 

277,788 

8 

15. 

Cordova 

315,459 

9 

16. 

Coru&a 

435,670 

12 

17. 

Cuenca 

234,582 

7 

18. 

Gerona 

214,150 

6 

85 


Provinzen. 

Seelen. 

Deputirte. 

19. 

Granada 

370,974 

11 

20. 

Ghiadalajaia 

159,044 

5 

21. 

Gitiipuzcoa 

104,491 

3 

22. 

Huelva 

133,470 

4 

23. 

Huesca 

214,874 

6 

24. 

Jaen 

266,919 

8 

25. 

Leon 

267,438 

8 

26. 

Lerida 

151,322 

4 

27. 

Logrofio 

147,718 

4 

28. 

Lugo 

357,272 

10 

29. 

Madrid 

369,126 

11 

30. 

Malaga 

338,442 

10 

31. 

Murcia 

280,694 

8 

32. 

Navarra 

221,728 

6 

33. 

Orense 

319,038 

9 

34. 

Oviedo 

434,635 

12 

35. 

Palencia 

148,492 

4 

36. 

Fonteyedra 

360,002 

10 

37. 

Salamanca 

273,314 

6 

38. 

Santander 

166,730 

5 

39. 

Segovia 

134,855 

4 

40. 

Sevilla 

367,300 

10 

41. 

Soria 

115,619 

3 

42. 

Tarragona 

233,477 

7 

43. 

Teruel 

214,988 

6 

44. 

Toledo 

276,952 

8 

45. 

Valencia 

467,685 

13 

46. 

Yaüadolid 

184,647 

5 

47. 

Vincaya 

111,436 

3 

48. 

Zamora 

159,425 

5 

49. 

Zaragoza 

304,823 
In  Summ 

9 

a   349 

Das  Gesetz  vom  16  Februar  1849  bestimmte  nachträglich 
Näheres  über  die  Zeit^  in  welcher  die  Wahlen  angekündigt^  und 
dass  die  mit  Aemtem  bedachten  Deputirten  einer  Wiederwahl 
miterworfen  werden  sollten. 

In  den  Gortes- Sitzungen  des  Jahres  1851  ward  auch  die 
Nothwendigkeit  zm*  Sprache  gebracht »  Ergänzungen  imd  Ab- 
änderungen im  Wahlgesetze  zu  berathen,  theils  in  Betreff  der 
Unvereinbarkeit  der  Ausübung  des  Amtes  als  Deputirter,  theils 


86 

um  die  Missbräuche  bei  den  Wahlen  durch  Vorbeugungs-  und 
Strafgesetze,  wie  sie  dem  neuen  Codigo  penal  entsprechen,  zu 
verhindern.  Es  wurde  deshalb  den  Cortes  am  5  Nov.  1851  eine 
Vorlage  gemacht,  wonach  die  qu.  Strafbestimmungen  zur  An- 
wendung gebracht,  und  insbesondere  für  jede  Art  des  Missbrauchs 
bei  den  Wahlen  der  Verlust  des  activen  und  passiven  Wahlrechts 
ausgesprochen  werden  soUte.  Es  war  darin  in  Vorschlag  ge- 
bracht, die  Entziehung  des  Wahlrechtes  fiir  den  Fall  grober  und 
wiederholter  Excesse  auf  den  ganzen  Walil-District  auszudeh- 
nen, und  die  Paragraphen  199,  300,  331,  405,  417,  418,  420  des 
Codigo  penal  auf  Diejenigen  zur  Anwendung  zu  bringen,  welche 
mittelbar  oder  unmittelbar,  besonders  in  amtUcher  Eigenschaft, 
den  Wählern  das  WaJdrecht  erschweren^  oder  unmöglich  machen 
sollten. 


Die  Regierung  besteht  aus  Sieben  Ministerien  oder  Secre- 
tarias  delDespacho  deEstado  (Staats -Secretariate).  Diese  sind: 

1.  das  Staats -Ministerium  der  auswärtigen  Angelegenheiten 
(Primera  Secretaria  de  Estado); 

2.  das  Ministerium  der  Gnaden  imd  Justiz  (Gracia  y  Jusücia), 
welchem  durch  KönigHches  Decret  vom  20  October  der 
öffenthche  Unterricht,  und  was  dazu  gehört,  imtergeord- 
net  ist; 

3.  das  Finanz -Ministerium  (Hacienda); 

4.  das  Ministerium  des  Innern  (Gobernacion); 

5.  das  Ministerium  fiir  Beförderung  materieller  Interessen 
(Fomento); 

6.  das  Kriegs -Ministeriiun  (Guerra); 

7.  das  Marine -Ministerium  (Marina). 

Die  Minister  werden  vom  Könige  ernamit;  sie  bilden  ge- 
rn einschaftiich  den  Minister -Rath.  Entweder  bestinmit  der  Kö- 
nig, dass  Einer  von  denselben  die  Präsidentschaft  übernehmen 
soll  (presidencia  del  Consejo  de  Ministros),  oder  er  ernennt  zu 
diesem  Behufe  einen  besonderen  Minister -Präsidenten  ohne  Per- 


87 

tefeuille  (presidente  sin  cartera).  Jeder  Minister  erhält  ein 
persönliches  Gehalt  von  120,000  r.,  für  die  Beamten  seines 
Bureaus  gewöhnlich  24,000  und  für  Amts-Unkosten  30,000  r. 
Eine  gleiche  Remuneration  ist  durch  Königliches  Decret  vom 
25  October  1851  für  den  Minister  -  Präsidenten  ohne  Porte- 
feuille etatsmässig  festgesetzt  worden.  —  Der  Staatsrath  (Consejo 
Real),  am  6  Juli  1845  errichtet,  aus  34  ordentlichen  und  20 
ausserordentlichen  Mitgliedern  bestehend,  vereinigt  sich  zur  Fest- 
stellung der  Verwaltungs- Grundsätze,  zur  Berathung  und  Be- 
gutachtung der  zu  erlassenden  Gesetze,  und  zur  Bearbeitung  der 
Vorlagen  fiir  die  Gortes. 


Staats -Ministerium    der  Auswärtigen  Angelegenheiten. 
(Primera  Secretaria  del  Despacho  de  Estado.) 

Saum  eniqae  de«Qt  potteritas  rependit 
Tadtaa,  AnnaL  IV,  85. 

Dasselbe  besteht  ausser  dem  Minister  aus  einem  Unter- 
Staats-Secretair,  4  Abtheilungs- Chefs,  14  Abtheilungs-MitgUe- 
dem,  7  Hülfs- Arbeitern  und  dem  Archive  (Registratur  und 
Ganzlei)  mit  6  Unter -Beamten,  welche  verschiedenen  Rangklas- 
sen angehören. 

Zu  diesem  Ministerio  gehört  femer  das  Bureau  zum  Ueber- 
setzen  aus  fremden  Sprachen  (de  la  Interpretacion  de  lenguas), 
die  Agentur  für  die  Gesuche  nach  Rom  (Vagaderia  y  Agencia 
general  de  Preces  a  Roma)  und  die  Introductoren  der  Gesandten. 

Das  Corps  diplomatique  besteht  aus  vier  Gesandten:  in  Rom, 
Paris,  London  und  Neapel;  aus  acht  bevollmächtigten  Ministem: 
in  Berlin,  Lissabon,  Wien,  Washington,  Turin,  Mexico,  Con- 
stantinopel  und  China;  aus  vier  Minister- Residenten:  in  Brasi- 
lien, Belgien,  Daaemark  und  Holland;  und  aus  fünf  Charges 
d'affaires  in  Schweden,  Equator,  Uruguay,  Chili  und  Venezuela. 
An  Gehalt  beziehen  die  Spanischen  Gesandten  300,000  r. 

die  bevollmächtigten  Minister 200,000  » 

die  Minister  «Residenten  und  Charges  d'a£ESaires  80  —  100,000  » 


88 

Das  Corps  der  im  Auslande  accreditirten  Consuln,  Vice- 
Consulu  und  Considar  -  Agenten  besteht  aus  316  Beamten,  von 
denen  6  als  General- Consubi  und  2  (Tanger  imd  Tunis)  als  Ge- 
schäftsträger fungiren. 

Zum  Ressort  des  Auswärtigen  Ministerii  gehören  ausserdem: 

1.  Das  Tribunal  de  la  Rota  Romana ,  der  höchste  geistliche 
Gerichtshof.  Derselbe  besteht  aus  einem  Apostolischen 
Delegaten  mit  dem  Range  eines  Legaten  a  latere,  aus  6 
von  der  Königin  ernannten  Auditoren  mit  dem  Range  der 
Staats -Räthe,  aus  34  Ehren-Mitgliedern,  2  Supernumera- 
rien, einem  Assessor,  einem  Fiscal  und  einem  Abreviador; 

2.  die  Junta  de  reclamaciones  de  creditos,  12  Mitglieder 
zälilend ; 

3.  die  permanente  Deputation  de  la  Grandeza  de  Espana; 

4.  das  Cuerpo  colegiado  de  Caballeros  H\jos-Dalgo  (Adels- 
Eammer); 

5.  die  Ordens- Capitel 

a)  des  goldenen  VHesses  (del  toison  de  oro); 

b)  des  Ordens  Carls  III; 

c)  des  Americanischen   Ordens   Isabella    der  Eatho- 
Uschen ; 

d)  des  Damen -Ordens  der  Königin  Maria  Luisa. 

Der  Ausgabe -Etat  für  das  Ministerium  der  Auswärtigen 
Angelegenheiten  beläuft  sich  nach  dem  neuesten  Budget  auf 
9,369,242  Realen. 


Ministerium  der  Gnaden,  der  Justiz  und  des  öffentlichen 

Unterrichts. 


Qaod  rectqjB  ei  honettom  et  eum  initnt* 
eat,  id  coltuii  opinor  bonnm. 

Cicero  Farad. 


Es  umfasst  dies  Ministerium  Alles  was  die  Rechtspflege 
und  Verwaltung  betrifft:  die  Revision  imd  Umarbeitung  der 
Gesetzbücher,  die  Beaufsichtigung  des  Gerichts -VerfSihrens,  die 


89 

Visitation  der  Gerichte,  die  Auslegung  zweifelhafter  Rechtsbe- 
stinunungen,  die  Entscheidung  in  Competenz-Conflicten.  Das 
Justiz  -  Ministerium  repräsentirt  die  weltliche  und  kirclUiche 
Justiz -Verwaltung  und  Disciplin  (los  puntos  de  religion  y  disci- 
plina).  Die  Regulirung  der  Cathedral-  und  Parochial-Verhält- 
nisse,  die  Sorge  für  die  vormaligen  Kloster-Geistlichen  liegt  ihm 
ob;  es  bearbeitet  die  Adels  -  Privilegien ,  die  Indulte,  Dispense 
und  Gnadensachen ;  es  ernennt  die  Verwalter  (magistrados)  imd 
Präbendarien  der  Orden  von  Santiago,  Alcantara,  Calatrava  und 
Montesa,  jedoch  unter  Vorbehalt  des  Appels  nach  Rom.  Das 
Ministerium  hat  in  einer  gemeinschaftUchen  Commission  mit 
dem  Päbstiichen  Nuntius  die  Angelegenheiten  des  Clerus  regu- 
lirt;  insbesondere  die  Abgrenztmg  der  Diöcesen,  die  Herstellung 
einer  Uebereinstimmung  hinsichts  der  Parochial-,  Collegial-  imd 
Cathedral-GeisÜichen,  die  Sorge  für  die  Ausbildimg  der  Priester 
in  Seminarien,  die  Ueberweisung  der  geistüchen  Jurisdiction 
und  Disciplin  au  die  Bischöfe  —  kurz ,  es  ist  dabei  darauf  abge- 
sehen gewesen  eine  Ausgleichung  herzustellen,  wie  sie  dem 
Staats-  und  Kirchen -Interesse  am  entsprechendsten  erschien 
und  demnächst  den  Festsetzungen  des  Goncordates  zum  Grunde 
gelegen  hat 

Das  Justiz -Ministerium  besteht,  ausser  dem  Minister,  aus 
dem  Unter-Staats-Secretair,  8  Oficiales  de  la  Secretaria,  Gefes 
de  Negociado  (Abtheilungs-Chefs),  20  Räthen,  10  Hülfsarbeitem, 
einem  Oficial  Registrator  und  aus  dem  Archive  mit  einem  Vor- 
steher und  10  Arbeitern,  und  3  E^assen  -  Beamten.  Die  etats- 
mässigen  Ausgaben  des  Ministerii  betragen  20,881,799  Realen. 

Die  zum  Ressort  des  Justiz -Ministerii  gehörende  GeistUch- 
keit  ist,  ihrer  Zusammensetzung  und  Ihren  durch  das  Goncordat 
sanctionirten  Rechten  nach,  bereits  in  der  Einleitung  aufgeführt 
worden. 

Eben  so  ist  dort  der  Gerichts -Einiheilung  und  Vertheilung 
auf  die  Provinzen  im  Allgemeinen  Erwälmung  geschehen.  Zur 
Ergänzung  muss  hier  bemerkt  werden:  Das  höchste  Justiz- 
Tribunal,  «Tribunal  supremo  de  Justicia»,  befindet  sich  in  Ma^ 


90 

drid;  es  besteht  aus  einem  Tribunals  -  Präsideuten  und  drei 
Kammer- Präsidenten.  In  vier  Senaten,  von  denen  der  dritte, 
«Sala  de  Indias»,  die  überseeischen  Angelegenheiten ,  luid  der 
vierte ,  « Sala  de  Gobiemo  de  Tribunal » ,  die  Administrations* 
Sachen  bearbeitet  —  sind  12  Räthe  imd  9  Eliren-MitgUeder  ver- 
theilt  Ein  General-Procurator  (fiscal)  und  4  General-Advocaten 
(abogados  fiscales)  sind  etatsmässig  angestellt.  Ausser  den  15 
Appelliöfen  (audiencias)  auf  dem  FesÜande  und  den  Adjacentes 
sind  in  den  überseeischen  Colonien  deren  \'ier  organisirt,  und 
zwar  in  Habana  und  Puerto-Principe  auf  Cuba,  in  Puerto-Rico 
auf  den  Antillen,  und  in  Manila  auf  den  Philippinen.  Der  Chef 
der  Appelhöfe  fährt  den  Titel  Regente;  dieselben  zählen  je 
7  — 12  RäÜie  (ministros),  eine  Anzahl  von  Ehren -MitgUedem, 
1  Fiscal  und  3  Advocaten.  An  den  Unter-Gerichten,  deren  497 
bestehen,  fungirt  in  der  Regel  nur  ein  Richter,  ein  Procurator 
und  ein  Fiscal;  an  dem  Unter- Gericht  in  Madrid  acht,  in  Barce- 
lona imd  Valencia  vier. 

Zum  Ressort  des  Justiz- Minis terii  gehören  ausserdem: 

1.  Das  Special -Tribunal  für  die  Orden  (Militair-Orden),  aus 
einem  Decan,  drei  Räthen,  Fiscal,  General-Procurator,  Se- 
cretair  und  Kanzler  zusammengesetzt. 

2.  Die  Gesetz  -  Redactions  -  Commission,  aus  einem  Chef-, 
einem  Vice -Präsidenten,  acht  Mitgliedern  und  einem  Se- 
cretair  bestehend. 

3.  Die  Commission  zur  Beaufsichtigung  der  Rechtsschulen, 
zur  Ausbildung  von  Notarien.  Diese  Schulen  sind  in  Ma- 
drid, Barcelona,  Burgos,  Caceres,  Coruüa,  Granada^  Mal- 
lorca, Oviedo,  Pamplona,  Sevilla,  Valencia,  Valladolid  und 
Zaragoza. 

4.  Die  Junta  consiütativa  ecclesiastica,  aus  einem  Präsiden- 
ten und  7  Mitgliedern  zusammengesetzt. 

5.  Die  General-Direction  der  Archive  der  Gesammt-Monarchie, 
in  so  weit  solche  die  Angelegenheiten  betreffen,  welche  im 
Justiz-Ministerio  bearbeitet  werden.  Sie  besteht  aus  einem 
Director  und  einer  berathenden  Junta  von  10  MitgliedenL 


91 

6.  Die  Salarien-Kasse  für  den  Clerus,  mit  einem  Director  und 
5  Oficialen. 

7.  Die  Direction  zur  Unterstützung  und  Erziehung  der  Witt- 
wen  und  Waisen  verstorbener  Unter -Richter  (seit  dem 
28  November  1848  dem  Ministerio  mitergeordnet),  mit 
einem  Präsidenten  und  5  Mitgliedern. 

8.  Das  Vicariato  general  castrense ,  neuerdings  vom  Kriegs- 
Ministerium,  und 

10.  die  Aufsicht  der  frommen  Stiftungen  de  los  Santos  luga- 
res  de  Jerusalem,  vom  Finanz -Ministerium  übernommen. 

Die  Spanische  Gerichtsverfassung  hat  viel  Eigenthüm- 
liches.  Es  wird  dem  Leser  von  Interesse  sein,  hieräber,  wie 
über  die  Bestimmung  und  Zusammensetzung  der  vielen  ver- 
schiedenen Gerichtshöfe,  über  den  Gang  des  Prozesses  und  end- 
lich über  die  Geschichte  des  Spanischen  Rechts  Einiges  zu  er- 
fahren. 

Die  Alcalden  (Orts -Obrigkeiten,  Bürgermeister)  üben  neben 
ihren  polizeiüchen  Functionen  in  vier  Fällen  die  Justiz.  In  ver- 
söhnenden und  freundschaftlichen  Worten  bemühen  sie  sich,  in 
ihrer  Eigenschaft  als  Friedensrichter  die  streitenden  Parteien 
zu  vergleichen.  In  Streitigkeiten,  deren  Objekt  nicht  300  r. 
übersteigt^  entscheiden  sie  endgültig  und  rechtskräftig.  Sie  ha- 
ben den  ersten  AngriflF  und  die  Voruntersuchung  bei  Criminal- 
Verbrechen.  In  Fällen,  die  so  dringend  sind,  dass  es  nicht 
möglich  erscheint,  ohne  Gefahr  des  Verlustes  sich  an  den  Rich- 
ter erster  Instanz  zu  wenden,  sind  sie  ermächtigt,  die  Sache  selbst 
zu  übernehmen,  und  durch  vorläufige  Entscheidung  sicher  zu 
stellen. 

In  jedem  Gerichts -Bezirke  muss  als  Richter  ein  juristisch 
aasgebildeter  Beamte  (letrado)  angestellt  sein.  Die  Gerichte 
erster  Instanz  sind  in  der  Regel  mit  einem ,  allein  je  nach  der 
Grösse  des  Ortes  oder  Sprengeis  mit  2  bis  3  Richtern  besetzt 
Ausserdem  sind  zwei  oder  mehr  Gerichts-Schreiber  (escribanos) 
angesteDt,  und  ein  Anwalt  (promotor  fiscal)  zur  Vertretimg  des 
ölBTentlichen  MinisteriL     Zur  Betreibung  der  Rechtssachen  im 


92 

Interesse  der  Parteien  sind  die  RecLts-Beistände  (procuradores), 
zur  Aufrechthaltung  der  Ordnung  und  Subaltern-Verrichtungen 
Alguaziles  angestellt. 

Die  Richter  erster  Instanz  entscheiden,  mit  Ausnahme  der- 
jenigen  Gegenstände  und  Personen,  welche  einem  besonderen 
Verfahren  oder  einem  privilegirten  Gerichtsstande  unterworfen 
sind,  in  Civil-  imd  Ciiminal- Sachen.  Die  Civil -Prozesse  sind 
ihrem  Objecte  nach  menores,  500  —  2000  r.,  oder  mayores, 
welche  darüber  hinausgehen.  Die  Richter  müssen  von  Amts- 
wegen einschreiten,  wo  Gefalir  im  Verzuge  ist.  Bei  Criminal- 
Vergehen  haben  sie  gemeinschaftUch  mit  der  Polizei-Behörde  zu 
operiren.  Die  Richter  erster  Instanz  stehen  überall  in  gleichem 
Range.  Einige  Gerichte  stehen  nach  dem  Umfange  ilirer  Thätig- 
keit  in  höherem  Range.  Biese  Rangklassen  heisscn  entrada  — 
ascenso  —  imd  termino. 

Die  Audiencias  de  Reino  üben  die  Gerichtsbarkeit  inhö* 
herer  Instanz  über  mehrere  Provinzen  aus.  Sie  bilden  für  alle 
Special -Gerichte  und  privilegirten  Gerichtsstände,  so  wie  über 
sänmitUche  Gerichte  ihres  Bezirks,  die  zweite  imd  respective 
dritte  Instanz,  und  fuhren  den  Namen  der  Stadt,  m  welcher  sie 
residiren,  mit  Ausnahme  der  Audienz  von  Mallorca,  welche  in 
Palma ,  und  der  von  den  Canarischen  Inseln ,  welche  in  las  Pal- 
mas ihren  Sitz  hat.  Die  Gesammtheit  der  MitgUeder  des 
Ober- Gerichts  bildet  die  Audiencia  plena;  die  einzelnen  Abthei- 
lungen oder  Senate  (salas),  deren  drei  sein  müssen,  bestehen  aus 
mindestens  3  MitgUedem.  Referenten  (relatores)  tragen  die 
einzideitenden  Prozesse  den  einzelnen  Senaten,  ein  Secretair  die 
darauf  gegründeten  Vorlagen  der  Plenar -Versammlung  vor, 
welche  über  die  Einleitung  oder  Zurückweisung  per  decretum 
besddiesst  Escribanos  de  Camera  oder  Gerichts-Sclureiber;  Pro* 
curadores,  Rechts -Beistände;  Agentes  fiscales,  Staats -Anwälte; 
ein  Siegel -Be wahrer  oder  Canzlei-Inspector  (canciller  registra- 
dor),  ein  Repartidor,  welcher  die  eingehenden  neuen  Sachen 
clirono logisch  auf  die  drei  Senate  vertheilt,  Porteros  oder  Thür- 
steher^  und  Alguaziles,  Gerichtsdiener  —  bilden  das  höhere  und 


93 

TJnterbeamten-Personal  der  Audienzen.  Diese  Tribunale  verwal- 
ten auch  die  freiwillige  Gerichtsbarkeit  (justicia  voluntaria)  ne- 
ben der  Instruction  der  Processe  und  Führung  der  Criminal-Unter- 
suchungen  (justicia  contenciosa).  Sie  haben  zu  erkennen  unds 
fiir  die  VoUstreckung  der  Urtheile  zu  sorgen ;  sich  jedoch  um  in- 
nere Verwaltungs-  und  Gemeinde-Vermögens-Angelegenheiten 
so  wenig  zu  bekümmern  als  die  Gerichte  erster  Instanz.  Da- 
gegen liegt  es  in  ihrer  Stellung  und  Verpflichtung,  die  Unter- 
Richter in  ihrer  Praxis  und  in  ihrer  moralischen  Führung  zu 
überwachen ;  weshalb  sie  regelmässige  Revisionen  vorzunehmen 
haben.  Sie  halten  die  Prüfungen  der  Unterbeamten  ab,  ver- 
eidigen dieselben,  imd  erkennen  über  sie  in  Untersuchungs- 
Sachen  in  erster  imd  zweiter  Instanz,  so  wie  über  die  Unter- 
richter und  Alcalden.  Ueber  Prozesse  mid  Untersuchimgen 
der  Untergerichte  entscheiden  sie  in  zweiter  und  dritter  In- 
stanz; sie  leiten  die  NuUitäts-Klagen  ein,  und  resohören  in  zwei- 
ter Instanz  in  Untersuchungen  wider  Prälaten,  Geistliche  und 
Richter  wegen  Vergehen  wider  die  Verfassung. 

Das  höchste  Justiz-Tribunal  in  Madrid  muss  vorkom- 
mende Zweifel  in  der  Auslegimg  der  Gesetze  lösen,  muss  sich 
die  Breven,  Bullen  und  Apostolischen  Erlasse  vorlegen  lassen, 
um  sie  zu  prüfen  und  aufzubewahren.  Die  Durchsicht  und  Be- 
förderung der  nach  Rom  bestimmten  Preces,  die  Entscheidimg 
in  Competenz-Conflicten  und  Nulhtäts-Klagen  (seit  dem  4  Novem- 
ber 1838)  gehören  zum  Ressort  dieser  Behörde,  welche  die 
höchste  Instanz  für  die  geistlichen  Gerichte  der  überseeischen 
Provinzen,  wie  für  die  Königlichen  Patronats-Sachen  bildet;  die 
Untersuchungen  wider  höhere  Richter,  Beamte  der  ersten  Kate- 
gorien, Bischöfe  und  Erzbischöfe  fuhrt,  welche  sich  gemeiner 
Verbrechen  oder  Vergehen  wider  die  Verfassung  schuldig  ge- 
macht haben. 

Daneben  besteht  die  Jurisdiccion  ecclesiastica  ordi- 
naria.  Der  Erzbischof  und  die  Bischöfe  üben  durch  provisores 
und  vicarios  generales  die  jurisdiccion  espiritual,  so  wie  die 
jurisdiccion  temporal  especial  oder  privilegiada;   letztere  wird 


94 

ganz  ähnlich  der  weltlichen  Gerichtsbarkeit,  jedoch  in  erster 
Instanz  durch  committirte  Geistliche  der  niederen  Grade,  in  zwei- 
ter Instanz  durch  die  Erzbischöfe  selbst  gehandliabt.  Die  Bischöfe 
exentos  stehen  unmittelbar  unter  dem  Pabste,  doch  hat  das  Con- 
cordat  diesen  privilegirten  Gerichtsstand  aufgehoben.  In  dritter 
Instanz  entscheidet  in  diesen  Untersuchungen  das  Tribunal  de 
la  Rota  in  Madrid.  An  den  geistlichen  Gerichten  sind  gleich 
wie  bei  den  weltlichen  RäÜie,  Fiscale,  Procuratoren  angestellt. 
Diese  geistlichen  Gerichte  behandeln  jedoch  auch  Ehescheidungs- 
sachen, Nichtigkeit^- Erklärungen  geschlossener  Ehen,  Bigamie, 
Blutschande,  Ehebruch,  Meineid,  Ketzerei  (mit  Bezugnahme  auf 
das  Tridentiner  Concil  —  conf.  Decret  vom  5  Mai  1774)  neben 
den  Untersuchimgen  die  sie  wider  Welt-  und  Kloster-Geistliche 
niederen  Grades  fuhren. 

Die  Juzgados  ecclesiasticos  especiales,  geistliche  Son- 
dergerichte, beti'effen  zunächst  die  militairische  geistliche  Ge- 
richtsbarkeit. Sie  wird  durch  den  Ober-Capellan  der  Armee  und 
Flotte  (Capellan  mayor  vicario  general  de  los  ejercitos  y  ar- 
mada)  ausgeübt  oder  durch  seine  Delegirten,  imd  betrifft  die  Un- 
tersuchung wider  die  Feldpröbste. 

Eine  gemischte  weltliche  und  kirchliche  Gerichts- 
barkeit wird  ausgeübt: 

über  die  Militair-Orden,  und  umfasst  dieselbe  nicht 
allein  die  Bewohner  der  jenen  Orden  eigenthOmlich  angehö- 
renden Besitzimgen,  sondern  die  Inhaber  oder  Ritter  der  Or- 
den selbst; 

über  die  Cruzada,   indem  zu  den  betreffenden  Unter- 
suchungen in  Madrid  der  geistliche  Ordens -Chef  —  in  den 
Provinzen  geistliche  Delegirte  desselben  zugeordnet  werden ; 
bei  Vermächtnissen  (espolios)  imd  Gehalts -Vacan- 
zen  (anualidades)  der  Bischöfe  und  niederen  GeistUchen. 
Die  ordentliche  Militair-Gerichtsbarkeit  wird  durch 
stehende  Kriegs- Gerichte,  mit  Kriegs -Räthen  und  ausserordent* 
liehen  Mitgliedern  besetzt.,  ausgeübt.   Die  General -Capitaine  mit 
den  Auditeuren  bilden  in  Criminal-  wie  in  Civilsachen  des  Mili- 


95 

tairs  die  MiKtair- Gerichte.  Auch  die  commandirenden  Generäle 
erkennen  in  Contracts-  und  Beschwerde -Sachen,  deren  Gegen- 
stand Geld  oder  Geld^eswerth  betrifft  In  letzter  Instanz  entschei- 
det in  beiden  Fällen  das  oberste  Kriegs -Gericht.  Die  Regiments- 
Obersten  und  Gouverneure  entscheiden  ausser  in  Disciplinar- 
A'ergehen  auch  in  Bagatellsachen.  Die  Kriegs -Gerichte  werden 
aus  Mihtairs  verschiedener  Grade  zusammengesetzt.  Das  Kriegs- 
Gericht  dehnt  seine  Competenz  auf  die  Frauen  und  Kinder  der 
Soldaten  bis  zu  deren  zurückgelegtem  seehszehnten  Lebens- 
jahre aus. 

Durch  den  Utrechter  Frieden  wurde  der  Militair- Gerichts- 
stand auch  auf  die  sich  zeitweise  in  Spanien  aufhaltenden  Aus- 
länder übertragen,  zur  grossen  Genugthuung  derselben;  denn 
die  Gerechtigkeit  und  Gerichtsbarkeit  wurden  acht  miUtairisch, 
fest,  energisch  und  rasch  gehandhabt  und  ohne  viele  Kosten, 
während  die  Klagen  aller  Länder  und  Zeiten  über  kostbare  imd 
langsame  Justiz -Administration,  über  die  Kunst  der  Rechts- 
Beistände,  die  Prozesse  in  die  Unendlichkeit  zu  verlängern  und 
zu  vertheuem,  auch  in  Spanien  ihren  Wiederhall  gefunden 
haben.  In  der  neuesten  Zeit  hat  man  diese  fueros  de  los 
estranjeros  angreifen  und  auflieben  wollen,  allein  Dank  sei 
es  den  energischen  Protestationen  der  betheiligten  General- 
Capitaine,  das  Ministerium  hat  bestimmt,  dass  es  bei  den  be- 
stehenden Observanzen  auch  femer  bewenden  solle,  jedoch  ohne 
es  der  Justiz -Behörde  zu  verwehren,  diese  Angelegenheit  im 
vorschriftsmässigen  Wege  zur  nochmaligen  Prüfung  und  dem- 
nächstiger  Entscheidimg  vorzubereiten. 

Die  Juzgados  especiales  de  guerra  y  marina,  die 
Special-Kriegs-  imd  Marine -Gerichte  ergänzen  sich  aus  ihren 
Heeres-  und  Tnippentheilen.   Sie  finden  sich 

a)  in  der  Marine:  In  den  Küsten -Provinzen  wird  die  Ge- 
richtsbarkeit durch  die  Marine -Commandanten  ausgeübt, 
denen  je  ein  Assessor  letrado,  juristisch  ausgebildet,  zu- 
geordnet ist.  Vom  Commandanten  wird  in  erster  Instanz, 
durch  einen  der  drei  Departemental- Commandanten  von 


96 

Cadiz,  Cartagena  und  Ferrol,  denen  Auditeure  zur  Seite 
stehen,  in  zweiter  Instanz,  und  von  dem  Kriegs -Gerichte 
in  Madrid  in  dritter  Instanz  entschieden.  In  Geldforderun- 
gen bis  zum  Betrage  von  500  r.  entscheiden  die  Ad- 
jutanten endgültig.  Das  Verfahren  ist  ein  summarisches, 
und  schliesst  mit  einer  kurzen  Acten -Registratur. 

b)  In  der  Artillerie  entscheiden  in  den  Provinzen  in  Rechts- 
streitigkeiten und  Untersuchungssachen  die  Sub-Inspecto- 
ren,  welchen  ein  Justiz -Assessor  zugeordnet  ist  Die  hö- 
here Instanz  bildet  der  in  Madrid  residirende  General- 
Director,  welchem  gleichfalls  ein  Justiz  -  Assessor  zur 
Seite  steht. 

c)  In  der  Königlichen  Garde  der  Hellebardiere  ent- 
scheidet in  erster  Instanz  der  Sargento  mayor  mit  einem 
eigens  angestellten  Justiz -Rathe,  in  der  höheren  Instanz 
das  Kriegs- Tribunal. 

d)  Bei  den  Ingenieuren  untersucht  und  erkennt  in  den 
Provinzen  der  Sub-Inspector  des  Corps  in  erster  Instanz, 
und  in  letzter  Instanz  der  Ober- General  in  Madrid,  unter 
Zuziehimg  eines  beigeordneten  Rechts -Verständigen. 

e)  Die  Cuerpos  de  milicias  tragen  ihre  Streitsachen  den 
Provinzial- Chefs  zur  rechtsgültigen  Entscheidung  vor. 

Der  Gerichtshof  de  hacienda  publica  erkennt  in  den,  auf 
Instanz  der  Provinzial-Intendanten  eingeleiteten  Untersuchun- 
gen, deren  Gegenstand  eine  Benachtheiligung  der  fiscalischen 
Steuern  und  Einnahmen  betriflft,  wie  bei  Defraudationen,  bei 
Contrebande  und  selbst  bei  Brandstiftungen. 

Die  Handels-Tribunale,  welche  in  Hauptstädten,  Hafen- 
Plätzen  imd  in  Fabrik- Städten  imd  Districten  errichtet  sind,  be- 

r 

schränken  ihre  Competenz  auf  Handelssachen. 

Die  Minen-Gerichte  instruiren  in  summarischem  Pro- 
cesse  unter  dem  Vorsitze  des  Minen-Inspectors  oder  eines  As- 
sessors die  Streitsachen,  welche  unter  den  Arbeitern  und  deren 
Familien  anhängig  gemacht  werden. 


97 

Gericht  für  Post-  irnd  Wege-Beamte;  die  Entscheidimg 
erfolgt  durch  die  Local- Chefs,  die  Bestätigung  durch  die  Pro- 
vinzial-  Oberbeamten. 

Für  Press-Vergehen  bestehen  endlich  auch  besondere 
Gerichtshöfe,  welche  im  öflFentlichen  Verfahren  die  Uebertretun- 
gen  des  Gesetzes  auf  Gnmd  der  Anklage  des  Anwalts  instruiren. 

Von  den  Valencianischen  Scliiedsgerichten  in  Betreff  der 
Klagen  in  Berieselungssachen,  wird  weiter  imten  gesprochen 
werden. 

Die  im  Spanischen  Civil -Prozesse  gebräuchhchen  Schrift- 
stücke entsprechen  den  bei  uns  üblichen.  Es  sind  la  demanda 
—  la  citacion  y  emplazamiento  —  las  excepciones  —  la  acumu- 
ladon  —  la  contestacion  a  la  demanda  —  la  compensacion  — 
la  reconvencion  —  la  replica,  dupUca,  conclusion  para  pnieba  — 
la  conclusion  para  definitiva  —  la  sentencia  —  la  ejecucion.  Es 
giebt  1 32  Formulare  fiir  jede  Art  von  Klagen  und  Anträgen,  zur 
Aufiiahme  von  Acten  freiwilliger  Gerichtsbarkeit  etc. ,  die  man 
nur  auszufüllen  oder  zu  ergänzen  braucht,  um  sie  formgerecht 
dem  Gerichte  übergeben  zu  können. 

Das  Gerichts- Verfahren  in  Spanien  im  Civil-  wie  im  Crimi- 
nal-Prozess  ist  öffentlich;  der  Gang  des  Civil -Prozesses  folgen- 
der. Der  klagende  Theil  wendet  sich  mit  seinen  Ansprüchen 
mündlich  an  den  Alcalden.  Dieser,  in  seiner  Eigenschaft  als 
Friedensrichter,  ladet  beide  Theile  vor,  welche  ein  jeder  einen 
Vertrauensmann  mitbringen,  die  sich  bemühen,  die  Interessenten 
zu  einem  Vergleiche  zu  vermögen.  Gelingt  es  nicht,  so  wird 
ihnen  dies  amtlich  bescheinigt,  imd  der  Kläger  an  den  Richter 
erster  Instanz  verwiesen.  Dort  wird  die  Klage  substanzürt»  die 
nöthigen  Beweismittel  angegeben,  und  die  Vorladimg,  Anhörung 
und  Veruriheilung  des  Verklagten  beantragt.  Der  Bichter  for- 
dert letzteren  durch  Mittheilimg  der  Klageschrift  auf,  sich  bin- 
nen 20  Tagen  dagegen  zu  rechtfertigen.  Diese  Frist  kann  auf 
40,  60  bis  80  Tage  ausgedehnt  werden.  Die  Parteien  erscheinen 
nur  beim  Handels -Gerichte  persönlich,  bei  den  übrigen  Gerich- 
ten müssen  sie  sich  durch  Advocaten,  und  zwar  geschworene 

T.  DfimitoU,  Spanien.  'J 


98 

Procuradoren ,  welche  bei  diesem  Gerichte  angestellt  sind,  ver- 
treten lassen.  Beruhigt  sich  eine  Partei  bei  dem  ergangenen  Er- 
kenntnisse nicht,  so  wird  die  Klage  als  Appellation  bei  der 
Audienz  eingereicht,  und  der  letzteren  werden  die  Acten  vom 
ersten  Richter  übersandt.  Welchem  Senat  (sala)  die  Sache  zu- 
geschrieben wird,  kann  man  vorher  nicht  wissen,  da  die  ein- 
gehenden neuen  Sachen  in  gleicher  Folge- Ordnung  dem  ersten, 
zweiten  oder  dritten  Senate  zugetheilt  werden.  In  zweiter  In- 
stanz können  die  Parteien  bei  Instruction  der  Sache  persönlich 
anwesend  sein.  Ist  das  zweite  Erkenntniss  mit  dem  ersten 
gleichlautend,  so  ist  die  Sache  rechtskräftig  imd  dagegen  ein 
weiteres  Rechtsmittel  nicht  zulässig.  Lautet  es  reformatorisch, 
so  ist  ein  Appel  an  eine  andere  Sala  desselben  Audienz -Tribunals 
zulässig.  Hatte  die  erste  Sala  entscliieden,  so  instruirt  die  zweite 
den  Recurs;  wäre  der  Bescheid  von  der  zweiten  erlassen  ge- 
wesen, so  würde  der  Recurs  an  die  dritte ;  wäre  er  von  der  drit- 
ten ergangen  —  an  die  erste  gewiesen  werden.  Durch  diese 
dritte  Entscheidung  ist  die  Sache  definitiv  erledigt.  Den  Acten 
erster  Instanz  wird  eüi  Blatt  mit  den  später  ergangenen  Ent- 
scheidungen beigeheftet,  worauf  sie  an  den  ersten  Richter  zu- 
rück gehen,  welcher  das  Urtlieil,  eventuell  im  Wege  der  Execu- 
tion,  vollstreckt.  Nur  in  besonderen  Fällen  ist  ausnahmsweise 
eine  Nullitäts- Klage  zulässig.  Sie  wird  an  das  Ober -Tribunal 
in  Madrid  gerichtet  und  wird  nur  gegen  Deposition  einer  be- 
trächtlichen Summe  eingeleitet.  Diese  ist  mit  der  Bestätigung 
des  früheren  Erkenntnisses  zugleich  verfallen.  Das  Verfahren 
in  Criminal-Prozessen  ist  dem  eben  geschilderten  Instanzenzuge 
ähnlich.  Zwei  gleichlautende  Erkenntnisse  beendigen  die  Sache 
ein  für  allemal.  In  Criminal-Untersuchungen  kann  das  Erkennt- 
niss erster  Instanz  zum  Nachtheile  des  Angeklagten  in  zweiter 
Instanz  abgeändert  werden. 

Wenn  auch  durch  vorstehende  Ai*beit  nur  der  Versuch  ge- 
macht werden  sollte,  den  faktischen  Zustand  des  Landes  imd 
seiner  Verwaltung  zu  schildern,  ohne  in  den  einzelnen  Zweigen 
der  Verwaltung  auf  die  geschichtliche  Fortbildung  derselben  zu- 


99 

rfickzngehen,  so  erscheint  es  doch  fast  nothwendig^  bei  der  Ent- 
wiekelimgderRechtsgeschichte  Spaniens  einige  Augenblicke 
zu  verweilen;  theils  weil  es  in  der  That  ein  hohes  Interesse  ge- 
wahrty  die  Elemente  des  Spanischen  Rechts  geschichtlich  au£su- 
suchen  und  durch  die  mannigfachen  Phasen  der  Zeit  zu  verfol- 
gen; theils  weil  sich  in  dem  Entwickelimgsgange  schon  firühzeitig 
dieselben  Einflüsse  bemerkbar  machen,  welche  Jahrhimderte 
spater  ihr  Recht  immer  wieder  zu  behaupten  wussten,  und  end- 
lich weil  in  der  Geschichte  des  Spanischen  Rechtes  auch  die 
Grundlagen  der  Gemeinde -Verfassung  des  Landes  studiert  wer- 
den können. 

Strabo,  im  dritten  Buche,  erzählt,  dass  als  die  Römer 
ihre  Herrschaft  über  Spanien  ausdehnten,  das  Land,  mit  Aus- 
schluss der  Ostküste,  wo  phönizische,  griechische  und  kar- 
thaginiensische  Colonisten  statt  der  Reichthümer,  die  ihnen  die 
Schätze  des  Bodens  durch  den  Handel  gewährten,  ihre  heimische 
Cultur,  Religion  und  Gesetze  eingeführt  hatten,  von  vielen  Stäm- 
men bewohnt  gewesen  sei,  welche  im  Zustande  völliger  Barbarei 
gelebt  hätten.  In  dem  Tsgo-Thale  gab  es  allein  30  verschiedene 
Stämme,  welche  das  Recht  des  Eigenthums,  die  Grundlage  der 
Civilisation,  nicht  eiimial  kannten.  Die  Bewohner  der  Niederung 
pflegten  abwechselnd  das  Land  zu  bebauen  und  die  Emdte  zu 
theilen ;  die  Bergbewohner  begnügten  sich  mit  der  Jagd  und  den 
Früchten  des  Waldes.  Die  Römer,  welche  das  Talent  zu  coloni- 
siren  und  zu  cultiviren  in  hohem  Maasse  besassen,  errichteten 
überall  feste  Plätze,  von  wo  aus  in  weiteren  und  immer  weiteren 
Umkreisen  das  Land  vertheilt^  Gemeinden  gebildet,  Verbindungs- 
wege gebaut,  Abgaben  eingefordert,  und  nach  und  nach  Ord- 
nung und  Gesetz  zur  Geltung  gebracht  wurden.  An  den  Acker- 
'  bau  schloss  sich  die  Industrie.  Der  Ueberfluss  entwickelte  den 
Verkehr,  der  Handel  die  Wohlhabenheit.  Legate  und  Procon- 
snln,  vom  Senat  und  den  Kaisern  eingesetzt,  verwalteten  das  in 
Plx^vinzen  eingetheilte  Land,  in  welchem  sich,  namentlich  in  Bae- 
tiea  und  Lusitanien,  auch  Wissenschaft  und  Künste  geltend 
machten.    So  zweckmässig,  energisch  und  staatsklug  auch  Rom 

7" 


i 


100 

in  der  Verwaltung  Spaniens  zu  Werke  ging,  so  rasch  auch  der 
Entwickelungs-Prozess  sicli  gestaltete,  so  gross  auch  die  Genug- 
thuung  war,  diese  Bestrebungen  vielfach  anerkannt  zu  sehen,  so 
waren  doch  noch  Jahrhunderte  nothwendig  gewesen,  um  den 
Nacken  der  ursprünglich  freien  Stamme  vollständig  unter  das 
Römische  Joch  zu  beugen;  sei  es,  indem  man  die  nicht  zu  be- 
ruhigenden möglichst  vernichtete,  oder  dass  diese,  die  feindhehe 
Uebermacht  anerkennend,  ihren  Widerstand  aus  Mangel  an 
Selbstvertrauen  und  an  talentvollen  Führern  aufgaben.  Caesars 
Kämpfe  mit  den  Lusitaniem ,  imd  Augustus  Anstrengungen  ge- 
gen die  kräftigen  Cantabrer  zeigen  ims  die  letzten  ohnmäch- 
tigen Anstrengungen  der  ursprüngUchen  Landesbewohner  gegen 
einen  Gegner,  der  es  nicht  verschmähte,  durch  Gift  und  Dolch 
dem  Schwerte  vorzuarbeiten.  Die  einzelnen  Provinzen  erblüh- 
ten von  jetzt  ab  mehr  und  mehr.  Die  grösseren  Städte  bildeten 
kleine  Republiken,  und  strebten  dahiii,  durch  besondere  Privile- 
gien das  Römische  Bürgerrecht  zu  enverben,  um  nicht,  als 
Fremde  betrachtet,  von  dem  Stimmrecht  in  den  Comitien  und 
von  der  Anstellungs -Berechtigung  ausgeschlossen  zu  bleiben. 
Die  Kaiser  entschlossen  sich  später,  den  sämmtUchen  Spanischen 
Provinzen  das  Bürgerreclit  zu  ertheilen;  und  damit  übertrug 
sich  stillschweigend  die  Römische  MunicipaUtäts -Verfassung  auf 
die  Spanischen  Städte.  Diese  hatten  nun  ihre  Curie,  ihre  Duum- 
vbn,  Decxu-ionen,  Aedilen  —  dem  Senate,  den  Consuln,  den 
Prätoren  imd  Aedilen  des  Mutterstaates  entsprechend.  Da  die 
Römer  darauf  sahen,  dass  die  Beamten  vermögend  sein  mussten, 
so  ward  ziu:  Uebemahme  des  Amtes  eines  Decurio  ein  Vermögen 
von  mindestens  25  Joch  Acker  oder  100,000  Sesterzien  erforder- 
hell.  Jede  poUtische  Gemeinde  hatte  ihr  Gemeinde- Vermögen; 
es  bestanden  schon  SeelenUsten  und  vollständige  Steuer-Regi- 
ster. Die  Wahlen  geschahen  durch  die  Curien.  Die  Aemter  wur- 
den an  die  Aristocratie  vertheilt,  und  dem  Volke  nur  das  Stimm- 
recht bei  verschiedenen  öffentÜchen  Angelegenheiten  und  die 
Uebemahme  untergeordneter  Posten  gestattet.     Die  Provinzen 


101 

erhielten  dann  das  Recht ,  sich  in  Provinzial-Concilien  zu  ver- 
einigen, sich  darin  durch  Abgeordnete  vertreten  zu  lassen,  und 
durch  Abgeordnete  den  Kaisern  ihre  Wünsche  vorzutragen.  Die 
Condlien  wurden  stark  besucht;  die  sämmtlichen  bedeutenderen 
Städte  waren  in  denselben  vertreten.  Die  Verhandlungen  waren 
öffentlich.  Es  bestanden  aber  auch  juristische  Conveute,  um  die 
Rechts -Verwaltung  in  den  Provinzen  zu  regeln  und  in  Ueber- 
einstimmung  zu  bringen.  Dergleichen  Convente  befanden  sich 
in  Cadiz,  Cordova,  Ecija,  Sevilla,  Tarragona,  Cartagena,  Zara- 
goza, Clunia,  Astorga,  Lugo,  Braja,  Merida  und  Santarem. 

Allein  mit  der  steigenden  Civilisation  traten  wie  überall  so 
auch  in  Spanien,  Mängel  und  Missbräuche  ein,  um  die  Unmög- 
lichkeit vollkommener  Zustände  auf  Erden  zu  beweisen.  Will- 
kür und  Gewalt  machten  sich  in  Rechts -Streitigkeiten  bemerk- 
bar; Parteilichkeit  und  Bedrückung  herrschten  in  der  Verwal- 
tung; Wohlleben  und  Müssiggang  stumpften  Arbeitslust  und 
Arbeitskraft  ab;  Verarmungen  traten  ein;  der  Landbau  ward 
vernachlässigt,  die  Werkstätten  standen  leer,  und  der  Verfall 
des  Römischen  Reiches  bereitete  sich  in  Spanien  wie  in  Ita- 
lien vor. 

Nächst  dem  Römischen  ist  das  Gothische  Gewohnheits- 
recht eine  Quelle  des  Spanischen  Rechtes;  eiae  Quelle,  welche 
diLrch  vierzehn  Jahrhunderte  der  Verwirrung,  Kämpfe  und  Siege 
seinen  Deutschen  Ursprung  und  seinen  geistigen  Einfluss  zu  be- 
wahren gewusst  hat  Die  Deutschen  Sitten  und  Gewohnheiten 
des  häuslichen  und  öffentHchen  Lebens,  das  Deutsche  Walil- 
recht^  die  Deutsche  Justiz -Verwaltung  breiteten  sich  mehr  und 
mehr  in  Spanien  aus,  tmd  dennoch  ging  ihre  ursprüngliche 
Selbstständigkeit,  ihre  Deutsche  Eigenthmnlichkeit  nach  und 
nach  verloren.  Das  Recht  der  Eroberer  und  Gebieter  konnte 
ihnen  nicht  streitig  gemacht  werden,  aber  das  Uebergewicht  an 
Bildung,  in  welcher  ihnen  die  grosse  Mehrzahl  der  Landes- 
Bewohner  voraus  war,  und  die  Nothwendigkeit,  diese  geistige 
üeberlegenheit  anerkennen  zu  müssen,  so  wie  die  ausschliesslich 
militaiiische  Verfassung,  welche  auch  in  den  Golonisationen  der 


102 

Gothen  beibehalten  wurde  —  mussten  diesen  Erfolg  hwbei- 
fuhren.  Die  Gothen  waren  in  Militair- Colonien  zu  1000,  500, 
100  und  50  Mann  über  das  Land  vertheilt;  sie  blieben  aber  Sol- 
daten, und  der  blinde  Gehorsam,  den  sie  als  solche  zu  beob- 
achten hatten,  und  mit  welchem  sie  einem  absoluten  Oberbefehl 
untergeordnet  waren  —  machte  eine  freie  selbststandige  Geltung 
der  Individuen  oder  der  Colonien  nicht  möglich.  So  wurde  es 
auch  bald  nothwendig,  dass  die  Fürsten  sich  der  Talente  der 
Römisch -Spanischen  Bevölkerung  zur  Unterstützimg  in  der  Re- 
gierung einer  kräftigen,  in  Waffen  geübten,  kampflustigen,  zu 
Aufständen  bereiten  Schaar  zu  vergewissem  suchten.  Die  Poli- 
tik der  Gothischen  Könige  bestand  in  dem  eifrigen  Sti'eben,  die 
Vereinigung  und  Vermischimg  der  Gothen  und  Römer  herbeizu- 
fahren. Sie  Hessen  den  Römern  nicht  allein  ihre  Sitten  und  Ge- 
setze ,  sondern  übertrugen  solche  auf  sich  und  ihre  Umgebung. 
Eurich  war  der  erste  König,  der  in  Stelle  der  bis  dabin  münd- 
lich übertragenen  Observanzen  einen  Gesetz -Codex  entwerfen 
Hess.  Es  ist  mindestens  zweifelhaft»  dass  60  Bischöfe,  unter  dem 
Vorsitze  des  Bischofs  Severus,  diese  Arbeit,  welche  eigentlich 
nur  das  Criminal- Recht  entliielt,  vollendet  hätten.  Todesstrafe 
stand  nach  diesem  Codex  nur  auf  Verrath ,  alle  übrigen  Verbre- 
chen wurden  durch  Geldstrafen  gesühnt.  Die  Höhe  der  Strafe 
wechselte  je  nach  dem  Stande  der  Betheiligten,  nach  den  Werk- 
zeugen, mit  welchen  die  Wunden  beigebracht  waren,  und  nach 
der  Gefährlichkeit  derselben  und  dem  gehabten  Blutverlust  des 
Verwundeten. 

Die  Gothischen  Könige  wünschten  ihre  Völker  in  der  Cultur 
fortschreiten  zu  sehen;  sie  wollten  Gerechtigkeit  walten  lassen, 
aber  auf  alle  Weise  ihre  persönliche  Gewalt  befestigen  und  er- 
weitem. Dieser  Politik  huldigten  Theodorich,  Eurich  und  auch 
Alarich,  als  er  durch  seinen  Palast- Grafen  Gojarich  einen  neuen 
Codex  des  Römischen  Rechts  zusammenstellen  liess.  Dieses  Ge- 
setzbuch, welches  den  Codex  Theodosianus  fast  vollständig,  bis- 
weilen wortgetreu  übernommen,  ist  unter  den  Titeln  «  Brevia- 
rium  Aniani  —  lex  Theodosiana  —  Autoritas  regia  Alarici  — 


103 

Commonitorium  »  bekannt.  Leovigild,  der  nach  dem  Zurück- 
drängen der  Sueven  zuerst  die  ganze  Halbinsel  beherrschte,  war 
der  erste  König,  der  Toledo  zur  ständigen  Residenz  erhob,  sich 
mit  fürstlichem  Glänze  und  Hofamtem  (officiiun  palatinum)  um- 
gab. Er  ordnete  die  Revision  des  Codex  Euricianus  an.  Sein 
Sohn  Recared,  der  589  zur  christlichen  Kirche  übertrat,  räumte 
den  kathoUschen  Priestern  bald  einen  Einfluss  ein,  wie  ihn  die 
Arianischen  niemals  besessen  hatten.  Das  Toledaner  Concil 
ward  zur  Wiederherstellung  der  Kirchen-Disciplin  berufen  imd 
begründete  dem  Clerus  eine  Gewalt,  welche  den  Staat  faktisch 
unter  die  Kirche  stellte.  Dem  Civil-Richter  entzogen,  ward  die 
Geistlichkeit  unter  geistüche  Gerichte  gestellt,  diesen  auch  die 
Competenz  in  verschiedenen  weltlichen  Angelegenheiten  über- 
tragen, imd  dem  Richterstande  anbefohlen,  sich  in  zweifelhaften 
Rechtsfragen  die  erforderüche  Belehrung  und  Entscheidung  von 
den  geistlichen  Gerichten  zu  erbitten.  Den  letzteren  wurde  die 
Beaufsichtigung  der  Rechts -Verwaltung  im  ganzen  Lande  über- 
tragen. Neue  Prärogative  erlangte  der  Clerus,  und  namentUch 
die  Steuerfreiheit,  nachdem  Sisenando  den  König  Suintila  vom 
Throne  und  sich  in  die  Arme  der  Geistlichkeit  gestürzt  und  diese 
gegen  obige  Verheissung  die  Rechtsgültigkeit  seiner  Handlungs- 
weise ausgesprochen  und  dazu  mitgewirkt  hatte ,  das  Land  aus 
einem  Wahlreiche  in  ein  Erbreich  zu  verwandeln. 

Die  Germanischen  Concile  wurden  die  Corte s  der  Spanier; 
jedoch  mit  dem  Unterschiede,  dass  das  Stimmrecht,  welches  in 
jenen  dem  Volke  zustand,  in  diesen  nur  auf  die  GeistUchkeit  und 
die  Grossen  des  Landes  beschränkt  bUeb.  Im  achten  Concile 
(653)  stimmten  16  der  ersten  Staats  Würdenträger  und  64  Geist- 
liche; im  neunten  25  GeistUche  und  4  Weltliche;  im  zehnten  83 
Bischöfe,  Aebte  und  Vicare  und  26  Granden.  Auf  dem  sechszehn- 
ten Concile  (693)  veröffentlichte  Egica  die  Lex  Visigothorum, 
durch  welche  die  Germanischen  mit  den  Römischen  Gesetzen 
und  den  inzwischen  ergangenen  ConciHen-Beschlüssen  verein- 
bart wurden.  Dem  Könige  war  das  Recht  überlassen ,  Gesetze 
selbstständig  zu  geben  und  wieder  au£suheben,  und  die  zur  Aus- 


104 

fuhrung  derselben  bestimmten  Richter  nach  Belieben  zu  emen« 
nen  und  abzusetzen.  Nach  dem  Fuero  juzgo  waren  die  Grafen 
imd  Ritter  die  geborenen,  vom  Könige  bestätigten  Richter  inner- 
halb ihrer  Besitzungen;  doch  konnten  die  Parteien  an  die  Audienz 
des  Königs,  in  welcher  derselbe  persönHch  den  Vorsitz  föhrte, 
appelliren.  Es  wurden  in  diesem  Gesetzbuche  unter  dem  Ab- 
schnitte de  instnunentis  legalibus  sehr  zweckmässige  Bestim- 
mungen über  die  Prozess- Ordnung,  namentlich  Strafen  gegen 
Advocaten,  welche  die  Rechtsstreitigkeiten  verschleppen  wür- 
den, erlassen;  es  wurde  die  freiwillige  Gerichtsbarkeit  geregelt, 
die  Tortur  abgescliaffi.,  und  besondere  Richter  für  Civil-  und 
Criminal-Prozesse,  auch  Friedensrichter  eingesetzt,  welche  vor 
Einleitung  des  Prozesses  eine  Einigung  imd  Vergleich  der  strei- 
tenden Theile  herbeizuföhren  sich  bemühen  sollten. 

Als  mit  der  Schlacht  von  Xeres  de  la  Frontera  das  West- 
gothenreich  aufgelöst  wurde,  hatten  die  Institutionen  des  Landes 
dasselbe  Schicksal.  Wenn  die  Mauren  auch  die  vorgefundenen 
Gesetze  nicht  ganz  ausser  Wirksamkeit  setzten,  und  den  Chri- 
sten gestatteten,  danach  in  Angelegenheiten  untereinander  zu 
entscheiden,  so  trat  doch  bald  ein  Schwanken  und  eine  dem 
Rechtszustande  höchst  nachtiieilige  Willkür  ein. 

Unter  den  imabhängig  gebUebenen  Landestheilen ,  unter 
denen  Asturien  sich  als  zuerst  in  seiner  inneren  Verfassimg  ge- 
ordnet bemerkbar  machte,  berief  Alonso  lU  der  Grosse  873  ein 
Concil  nach  Oviedo,  aus  12  Bischöfen,  12  Grafen,  den  Granden 
des  Reiches,  unter  dem  Vorsitze  des  Königs  imd  der  Königin 
bestehend,  und  führte  dort  das  Fuero  juzgo  als  Gesetzbuch  des 
Landes  wieder  ein,  welchem  jedoch  neuere,  den  damaligen  Zu- 
ständen entsprechende  Bestimmungen  beigefugt  wurden.  Diese 
waren  hauptsächlich  in  Betreff  der  Kriegsbeute-Vertheilung  sehr 
ausführlich.  Es  erhielt  der  König  davon,  nach  Abzug  der  Kriegs- 
kosten, den  fünften  Theil  zum  lebenslänglichen  Niessbrauch,  der 
Ueberrest  wurde  nach  Verhältniss  unter  die  Familien  der  Gefal- 
lenen und  Verwimdeten,  nach  besonderen  Proben  der  Tapfer- 


105 

keit  unter  die  Reiter  und  Fusstruppen  vertheilt  (Gesetz  XXVIII 
tit  16  Paxüda  U.) 

Demnächst  wurden  die  Adelsrechte  erweitert  Der  Adel 
hatte  sich  zur  Macht  toid  Selbstständigkeit  erhoben.  Er  befand 
sich  fast  im  ausschliessUchen  Besitz  des  Grundes  und  Bodens ; 
er  verfugt«  über  bedeutende  Streitkräfte ,  die  er  nach  Beheben 
zusammenzog;  er  schloss  unter  sich  Verträge  zur  Wahrnehmung 
seiner  Standes -Vorrechte;  er  zog  die  verannten  Edelleute  an 
sich ;  das  Gothische  Vasallenthum,  die  Feuda  de  Camera  und  ein 
mehr  und  mehr  ausgebildetes  Lehnswesen  —  unterschieden  den 
Adel  kaum  von  dem  Fürsten,  und  bereiteten  dem  letzteren  nicht 
geringe  Verlegenheiten.  Der  Reichtimm  des  Adels  ward  Ver- 
anlassung zu  der  Bezeichnung  higos-dalgo.  «E  porque  estos 
fiieros  escogidos  de  buenos  logares  e  con  algo.»  Lex  11  tit.  21 
Partida  11.  Der  Castilische  Adel  war  der  erste ,  welcher  seine 
Steuer -Befreiung  erzwang. 

Die  Geistlichkeit  zögerte  nichts  Alles  aufzubieten,  um  nicht 
hinter  der  Stellung,  welche  der  Adel  sich  durch  Reichtlium 
und  äussere  Macht  zu  verschaffen  gewusst  hatte,  zurückzubleiben. 
Sie  versicherte  sich  des  Einflusses  auf  die  iimeren  Regienmgs- 
Angelegenheiten;  sie  befestigte  sich  in  der  vollständigen  Unab- 
hängigkeit ihrer  Stellung,  und  protestirte  mit  Erfolg  gegen  die 
Besitznahme  geistUcher  Güter  Seitens  WeltUcher. 

Den  weisen  Konigen  konnte  es  nicht  genügen,  die  Eifer- 
sucht zwischen  Adel  und  GeistUchkeit  wach  zu  halten,  um  eine 
Vereinigung  zu  verhindern ,  welche  auf  Kosten  der  Krone  statt 
gefunden  haben  würde.  Es  musste  ein  drittes  Element  heran- 
gebildet werden,  um  jenem  Einflüsse  die  Spitze  zu  bieten,  und 
zugleich  das  Könighche  Ansehen  zu  befestigen.  Dies  Element 
waren  die  Städte.  Die  in  den  Kriegen  mit  den  Sarazenen  er- 
oberten und  hart  mitgenommenen  Städte ,  welche  statt  der  ur- 
sprunglich Römischen  Verfassung  nur  noch  solche  Gemeinde- 
Rechte  bewahrten,  welche  Adel  oder  GeistUchkeit  ihnen  gestat- 
teten oder  aufdrängten,  erhoben  sich,  durch  innere  Spannkraft 


106 

gefordert,  nach  und  nach  zu  grösserer  Blüthe.  Die  Könige  ka- 
men ihnen  durch  sehr  vortheilhafte  Privilegien  zu  Hülfe.  Nicht 
allein  Leon,  welches  seit  1020  durch  Alonso  V  ausserordentUch 
bevorzugt  wurde,  sondern  auch  andere  bedeutende  Städte,  er- 
freuten sich  des  besonderen  Schutzes  der  Könige.  Unter  letz- 
teren waren  es  namentUch  Alonso  VI,  Alonso  VII,  Sancho  HI 
und  Alonso  Vin,  welche  den  Städten  Najera,  Logrono,  Toledo, 
Cuenca,  Sepulveda,  Jaca,  Salamanca,  Sebastian,  Zamora,  und 
dann  den  Städten  Andalusiens  wichtige  Vorrechte  einräumten. 
Die  Richter  wurden  nicht  mehr  vom  Adel,  sondern  von  den 
Königen  eingesetzt;  dann  wurde  den  Gemeinden  nachgegeben, 
ihre  Richter  und  Schreiber  selbst  anzustellen,  die  Aufsicht  über 
die  öflfenthche  Ordnung,  Maasse  und  Gewichte  selbst  zu  fuhren ; 
ihr  Eigenthum  vnirde  bestätigt;  ilire  Lasten  vermindert;  das 
Versammlungsrecht  wurde  ihnen  gestattet;  die  Städte  erhielten, 
dem  Adel  gegenüber,  Repräsentations-Rechte  und  wurden  er- 
mächtigt, durch  Procuradores  sich  auf  den  Cortes -Versammlun- 
gen vertreten  zu  lassen. 

So  reihte  sich  Güed  an  Glied  zu  einer  Kette ,  welche  bald 
so  drückend  ward,  dass  man  Alles  angewandt  haben  würde,  sie 
zu  sprengen,  wenn  sie  sich  nicht  selbst  in  einzelne  Theile  auf- 
gelöst hätte.  Toledo,  Cordova  und  Sevilla  bildeten  unter  sich 
eine  Ligue ;  sie  beschlossen,  eine  bewaffnete  Macht  zu  imterhal- 
ten,  dem  Adel  gemeinschafthch  Widerstand  zu  leisten,  und  ver- 
eint  auf  die  Erweiterung  der  Bürgerrechte  liinzuwirken.  Allein 
schon  in  diesem  ersten  Anfange  eines  Städte -Bundes  zeigten 
sich  die  Sonderinteressen  mäditiger  als  die  Sorge  fiir  das  Ge- 
sammtwohl.  Die  Entwickelung  des  Faustrechtes  führte  in  Spa- 
nien fast  dieselben  Erscheinungen  wie  in  Deutscliland  mit  sich. 
Es  bildeten  sich  die  Brüderschaften  (hermandades),  zu  gegen- 
seitigem Schutz  und  Trutz;  das  Recht  des  Stärkeren  machte 
sich  durch  offene  Gewalt  geltend,  und  weder  Friedens-Botschaf- 
ten noch  Strafandrohungen  oder  Vollstreckungen  konnten  dem 
trostlosen  Zustande  ein  Ende  machen,  da  selbst  Interdict  und 
Excommunication  fruchtlos  bUeben. 


107 

Die  Städte  beschickten  nun  regelmässig  die  General- Gortes 
von  Castilien;  1131  waren  die  grösseren  von  ihnen  in  Borga 
sammtiich  vertreten.  Eben  so  1163  in  Zaragoza^  wo  sich  15  De- 
putirte  dieser  Stadt  eingefunden  hatten.  Zu  den  Cortes  von 
Benavent  1202  waren  die  ersten  förmlichen  Einladungen  an  die 
Städte  erlassen.  Ueber  die  Zahl  der  Procuradores  (Städte- 
Deputirte)  findet  sich  die  erste  Bestimmung  in  ehier  Urkunde 
aus  dem  Jahre  1250,  durch  welche  Ferdinand  der  Heihge  drei 
Deputirte  aus  der  Stadt  Uceda  zu  den  Cortes  entbietet. 

In  den  Städten  sonderten  sich  Aristocratie  imd  Democratie 
zu  einer  natürUchen  und  künsüichen  Opposition.  Rang,  Geburt 
und  Besitz  machten  ihren  Einfluss  luid  demnächst  ihre  Rechte 
geltend  in  dem  Bestreben,  Aemter  imd  Würden  der  Magistra- 
tualen  und  Richter  ausschliessUch  in  Anspruch  zu  nehmen,  tmd 
die  bis  dahin  bestandenen  Rechte  der  arbeitenden  Klassen  zu 
beschränken.  Die  Arbeitskraft  hielt  dagegen  zusammen;  die  In- 
dustrie entwickelte  sich;  es  entstanden  Zünfte,  Vereine,  Genos- 
senschaften, xmd  diese  begehrten  politische  Rechte.  Mit  dem 
Verkehr  und  Handel  wuchs  ReichÜium  und  Bildung,  und  die 
äusseren  Merkmale  der  früheren  Bevorzugung  schwanden  fast 
vollständig.  Man  lüelt  aber  noch  zusammen,  wenn  es  darauf 
ankam,  durch  Städte -Verbindungen  gemeinschaftUch  gegen  die 
Bevorzugung  der  übrigen  Stände  zu  wirken.  Diese  Bestrebun- 
gen blieben  auch  nicht  ohne  Resultate;  besonders  Üiätig  waren 
die  Einigungen  der  Städte  von  Leon  und  Castilien,  deren  Ein- 
fluss es  zuzusclireiben  ist,  dass  auf  dem  Concile  zu  Burgos  die 
Krone  in  der  Veräusserimg  der  Domainen  beschränkt  wurde; 
dass  die  höhere  Justiz- Verwaltung  nicht  mehr  aus  den  Granden, 
sondern  aus  tüchtigen  Richtern  des  Landes  bestehen,  dass  die 
Juden  nicht  Administradoren  sein,  sondern  diese  aus  der  steuern- 
den Nation  gewählt  werden,  und  dass  keine  neuen  Steuern  auf- 
erlegt werden  sollten.  Dem  Einfluss  der  Städte  gelang  es  auf 
diesem  Wege,  die  Rechte  der  Juden  zu  begrenzen,  dem  Wucher 
derselben  zu  steuern,  den  Zinsfuss  von  100  auf  33^  Procent  her- 
abzusetzen, und  die  Königliche  Verordnung  zu  extrahiren,  wo- 


108 

nach  den  Christen  der  dritte  Theil  ihrer  Schulden  an  die  Juden 
erlassen  ward.  ( Aelinlich  wie  die  Gebote  gleichen  Inhalts,  welche 
in  Deutschland  die  Kaiser  Ludwig  1343,  Carl  IV  1347  imd 
Wentzel  1385  ergehen  Hessen.)  Die  Städte  in  Spanien  wussten 
aber  damals  eben  so  wenig  das  richtige  Maass  ihrer  Haltung  zu 
finden  als  ihre  Schwestern  in  Deutschland.  Man  bestritt  den 
Statthaltern  das  Recht,  richterUche  Entscheidungen  in  Stadte- 
Angelegenlieiten  zu  treffen,  bevor  der  Stadt- Alcalde  seine  Ent- 
scIiUessung  in  der  Sache  erlassen  hatte ;  man  gestattete  den  vom 
Könige  zur  Justiz -Visitation  abgesandten  Commissarien  zu  die- 
sem Behufe  nur  einen  zehntägigen  AufenÜialt,  und  erschwerte 
ilmen  in  dieser  Zeit  das  Geschäft,  so  wie  den  Ankauf  von  Lebens- 
mitteln. Kurz  die  Städte  gingen  in  ihren  Anforderungen  so  weit> 
dass  die  Krone  auf  Gegenmaassregeln  ernstlich  Bedacht  zu  neh- 
men genöthigt  ward. 

Die  Geistlichkeit  war  inzwischen  beflissen  gewesen,  in  ilu*em 
Interesse  auf  die  Gesetzgebung  einzuwirken.  Isidors  Sammlung 
der  Kirchen -Gesetze,  welche  in  Stelle  des  Codex  Toletanus  trat, 
und  die  Geschichte  von  Compostella  bilden  interessante  Beläge 
hierzu ;  eben  so  wie  der  Widerstand  der  übrigen  Stände  gegen 
die  Befestigung  des  Rechtszustandes  der  Kirche,  welcher  das 
Recht  eingeräumt  werden  sollte,  die  Könige  zu  richten  und  die 
Vasallen  ihrer  Eide  und  Treue  gegen  die  Kxone  zu  entbinden. 

Nachdem  Ferdinand  der  Heilige  wesentliche  Verbessenm- 
gen  in  der  Verwaltung  eingefiilu't,  die  neuen  Pro vinzial- Gouver- 
neure (adelantados)  und  Richter  (merinos)  mit  fast  königlicher 
MachtvoUkommenlieit  ausgestattet  und  fiir  die  genaue  Vollzie- 
hung seines  Willens  verantworthch  gemacht  hatte,  liess  er  eine 
Gesetzes- Revision  vornehmen,  den  Codex  des  Fuero  juzgo  ins 
CastiUanische  übersetzen  und  veröflfentüchen  und  gleiclizeitig 
den  Gebrauch  des  Römischen  oder  anderer  fremden  Gesetz- 
bücher verbieten.  Alfons  X  trat  auf  würdige  Weise  in  die  Fuss- 
tapfen  seines  Vaters.  Das  Studiimi  des  Rechts  auf  der  Univer- 
sität zu  Salamanca  wurde  eifrig  getrieben,  wiewohl  neben  einem 
Lehrstuhl  fiir  das  Civilrecht  3  für  die  Decretalen  errichtet  waren. 


109 

Der  König  bot  Alles  auf,  um  den  Landfrieden  herzustellen,  imd 
liess  1254  sein  neues  Gesetzbuch,  das  Fuero  Real,  zunächst  als 
Municipal- Gesetzbuch  fiir  Burgos  und  Valladolid  veröffentlichen, 
lun  dadurch  die  frühere  Gesetzgebung  zu  verbessern  imd  in 
Uebereinstimmung  zu  bringen.  Dem  Adel  gelang  es  jedoch,  17 
Jahre  später,  die  Aufhebung  dieses  Gesetzbuches ,  durch  wel- 
ches er  seine  Rechte  beeinträchtigt  hielt,  durchzusetzen.  Von 
da  ab  galt  dasselbe  nur  noch  in  den  Städten  Galiciens,  wie  in 
Leon,  Sevilla  imd  Cordova.  Alonso  hatte  sich  aber  noch  ausser- 
dem mit  Gesetzes -Entwürfen  und  Sammlungen  beschäftigt  Der 
nicht  vollendete  Codex  Septenario  ist  fast  durchweg  von  seiner 
Handschrift.  Sein  Speculimi  juris  sollte  zur  Entscheidung  in 
zweifelhaften  Rechtsfällen  dienen.  Seine  Partidas  oder  Libro  de 
leyes,  in  7  Bücher  getheilt,  an  denen  von  1256  — 1265  gearbei- 
tet war,  erschienen  erst  nach  seiner  Erhebung  zum  Kaiser.  Dies 
Gesetzbuch,  durch  welches  die  Veräussenmg  der  Krongüter  ge- 
setzlich untersagt,  und  die  Stiftung  von  Majoraten  eingeführt 
wurde,  befriedigte  in  seinem  übrigen  Inhalte  nur  die  Geistlich- 
keit. Die  Rechte  der  Fürsten  waren  darin  wesentlich  gefährdet, 
die  des  Adels  beschränkt,  die  der  Städte  fast  vernichtet.  Kla- 
gen, Beschwerden,  Drohungen  und  Empönmgen  begannen, 
gleichzeitig  wider  die  Krone  imd  den  Clerus,  welcher  vergeblich 
seine  Angreifer  mit  dem  Bannfluch  bedrohte.  Die  Bestimmung 
im  ersten  Buche  der  Partida,  wonach  eine  Aenderung  der  Ge- 
setze nur  in  Folge  der  Berathung  vieler  verständigen  Männer 
beschlossen  werden  könne,  hat  man  ßir  die  Grundlage  der  in 
der  Spanischen  Verfassung  bewilligten  Rechte  der  Cortes  ge- 
halten. 

Wiewohl  in  dem  neuesten  canonischen  Rechte  dem  Clerus 
und  den  Kloster -Geistlichen  jede  Einmischung  in  weltliche  Dinge 
untersagt  worden  war,  so  beweisen  doch  die  vielfaltigen  Be- 
schwerden über  die  Uebergriflfe  der  Geistlichkeit,  wie  solche 
1299  zu  ValladoHd  gegen  Ferdinand  IV,  1335  und  1348  gegen 
Alonso  XI  von  den  Ständen  vorgetragen  wurden,  dass  es  eben 
nicht  genau  mit  der  Befolgung  des  Gebotes  genonunen  wurde. 


110 

Die  in  den  Cortes  von  Alcala  erlassene  Königliche  Entscheidung 
wollte  zwar  durch  die  «  recursos  de  fuerza  y  de  retencion  de 
bulas  »  den  Missbräuchen  Schranken  setzen,  allein  sie  führte  zu 
den  übelsten  Controversen.  Der  Adel  behauptete  sich,  aller  ge- 
setzlichen Neuerungen  ungeachtet,  in  seinen  Rechten.  In  Ara- 
gon richtete  und  bestrafte  er  seine  Vasallen  in  eigenen  Adels- 
Tribunalen.  In  Barcelona,  wo  dem  Adel  von  1400  Städten  800 
eigenthümlich  gehörten ,  erHess  er  nach  Beheben  neue  Gesetze 
und  änderte  die  Municipal- Verfassung.  In  Castilien  nahm  er 
neben  der  gewöhnhchen  Jurisdiction  auch  die  «  mayoria  justitia  », 
die  höchste  Instanz,  in  Anspruch. 

Die  Klagen  der  Städte  über  solche  Bedrückungen  häuften 
sich.  Schon  in  Guadalajara  1390  wurde  ein,  von  allen  Städte- 
Deputirten  beglaubigtes  Sünden-Register  der  mächtigen  Ritter 
vorgelegt;  allein  die  Sache  büeb  beim  Alten,  wiewohl  unter 
Johann  II  (f  1454)  4  Bürger  in  den  Könighchen  Rath  gewählt 
und  6  Städte -Deputirte,  von  Toledo,  Burgos,  Leon,  Sevilla,  Cor- 
dova  und  Murcia,  zur  Berathung  über  die  wichtigsten  Staats- 
Angelegenheiten  zugezogen  wurden.  Die  Lage  der  Städte  ward 
noch  übler,  seitdem  der  König  befohlen  hatte,  dass  die  Diäten 
der  Prociu*adoren  aus  dem  Staatsschatz  gezahlt  werden  sollten ; 
denn  von  da  ab  begann  man,  aus  sogenannten  ökonomischen 
Rücksichten,  niu*  die  Deputirten  gewisser,  von  der  Krone  be- 
zeichneten Procuradoren  zu  den  Versammlungen  einzuberufen, 
indem  man  es  den  übrigen  Städten  Überhess ,  die  Einberufenen 
auch  ihrerseits  mit  Instruction  zu  versehen.  So  waren  1425  bei  der 
Huldigung  Heinrichs  IV  als  Erbprinzen  nur  12  Städte-Deputirte 
eingeladen.  Nin*  Burgos,  Toledo,  Leon,  Sevilla,  Cordova,  Murcia^ 
Jaen,  Zamora,  Avila,  Segovia,  Salamanca  und  Cuenca  behaup- 
teten sich  in  dem  imverkürzten  Rechte,  während  man  den  übri- 
gen Städten  das  Recht  der  persönlichen  Vertretung  nur  noch  als 
Gnadensache,  und  zwar  gegen  bedeutende  Bezahlimg,  gewährte. 
Es  gelang  aber  doch  den  Städten  Madrid,  Guadaligara,  Toro, 
Soria,  Valladohd  und  Granada  in  die  Reihe  der  bevorzugten 
Städte  aufgenommen  zw  werden;  wogegen  alle  übrigen  mit 


111 

Klagen,  die  sie  1448  in  Valladolid,  1455  in  Cordova  angebracht^ 
zurückgewiesen  wurden. 

In  den  Cortes  von  Toro  1371  wurde  von  Heinrich  II  die 
Audienza  Real,  der  höchste  Gerichtshof  in  Civilsachen,  errichtet 
Die  Mitglieder,  4  Bischöfe  und  4  Advocaten,  traten  dreimal 
wöchentlich  zusammen.  In  Criminal- Sachen  entschied  ein  Hof- 
GoUegium  von  8  Alcalden.  Die  Besoldung  der  Bischöfe  betrug 
50,000  marav.,  die  der  Advocaten  25,000,  die  der  Alcalden 
15,000  marav.  fiir  jeden  Einzelnen.  Johann  I  vermehrte  die 
Beisitzer  um  acht,  welche  alle  sechs  Monate  wechselten.  Der 
Gerichtshof  hielt  seine  Sitzungen  in  Madrid,  Alcala,  Medina  del 
Campo,  Olmedo.  Später  ward  die  Zahl  der  Richter  wiederum 
vermehrt,  das  Gehalt  auf  120,000  marav.  erhöht,  der  standige 
Sitz  des  Gerichtes  erst  nach  Segovia,  dann  nach  Valladohd  ver- 
legt, endlich  neue  Königliche  Audienzen  in  Ciudad  Real  und 
Granada  errichtet.  Der  amtüche  Titel  in  der  Anrede  an  den 
Gerichtshof  lautete:  «Muy  poderoso  Sefior  y  Alteza. »  Ein  Re- 
curs  gegen  eine  Audienz-Entscheidung  war  unter  Deposition  von 
1 5,000  Dublonen  an  den  König  persönHch  zulässig.  Jene  Sunune 
verfiel,  wenn  die  Sentenz  der  Audienz  bestätigt  ward.  Erst 
Kaiser  Carl  V  sorgte  dafür,  dass  diese  Gerichtshöfe  mit  ausge- 

I  bildeten  Rechtsverständigen  besetzt  wurden ;  er  begünstigte  das 

Studium  des  Römischen  Rechts ,  welches  mehr  der  Monarchie 
als  der  Aristokratie  diente. 

Johann  I  hatte  den  Regierungs-  oder  Staats-Rath  eingesetzt; 
3  GeisÜiche,  3  Ritter  und  3  Bürger  bildeten  ihn.     In  die  Stelle 

j  der  letzteren  traten  später  4  Rechtsgelehrte.     Präsident  des 

Staats -Rathes  war  der  Bischof  von  Cuenca.     Heiorich  IE  ver- 

I 

mehrte  die  Mitglieder  auf  16,  Johann  11  auf  65.  1436  theilte 
sieh  der  Staats-Rath  in  zwei  Säle,  für  Justiz  und  Administration. 
Wer  die  Deutsche  Geschichte  des  1 5ten  Jahrhunderts  ge- 
lesen, versteht  die  Sehnsucht  nach  endlicher  Ordnung,  Ruhe 
und  Einheit ;  nach  Herstellung  eines  wirklichen  Rechtszustandes ; 
nach  einer  kräftigen  Hand,  welche  dem  Zustande  der  Verwirrung 
Halt  gebieten  und  die  Zügel  der  Regierung  mit  Geschick  und 


112 

Festigkeit  zu  führen  im  Stande  wäre.  Friedrichs  I,  Kurfürsten 
von  Brandenburg,  weise  Vorschläge  sollten  erst  gegen  Ende  des 
Jahrhunderts  zur  Ausführung  kommen.  Aber  es  galt  grosse  An- 
strengungen, Energie  und  Consequenz ;  Geistlichkeit,  Adel  und 
Städte  mussten  in  ihre  Schranken  gewiesen,  manch  strenges  Ge- 
richt gehalten  werden;  und  dennoch  war  es  nicht  möglich,  die 
revolutionären  Momente  ganz  zu  beseitigen,  die  in  den  Bewe- 
gungen des  Jahres  1520  die  Nothwendigkeit  strenger  Züchtigung 
der  demokratischen  Elemente  erforderlich  machten.  Alles  dies 
erblicken  wir  zur  selben  Zeit  in  Spanien,  dessen  Zustände  sich 
'in  gleicher  Verwirrung,  aus  denselben  Beweggründen  hervor- 
gegangen, befanden,  und  wo  auch  mit  dem  Schlüsse  des  Jahr- 
hunderts ein  eisernes  Regiment  Ruhe  und  Ordnung  schaffen 
musste,  ohne  die  Zuckungen  des  Jahres  1520  vermeiden  zu  kön- 
nen. Isabella  die  Katholische  ist  in  der  Spanischen  Geschichte 
der  glänzende  Stern  des  Lichtes  und  der  Weisheit,  der  Macht 
und  der  Grösse.  Der  allgemeine  Landfriede,  « la  Santa  herman«* 
dad » ,  musste  mit  bewaflftieter  Hand  hergestellt  werden.  Eine 
stehende  Miliz ,  unter  Fühnmg  des  Herzogs  von  Villa  hermosa, 
durchzog  in  wechselnden  Abtheilungen  das  Land  auf  allen 
Strassen,  nicht  ohne  selbst  an  ebenbürtigen  Rittern  aus  dem 
Stegreif  prompte  und  exemplarische  Justiz  zu  üben.  Sicherheit 
herrschte  bald  im  ganzen  Reiche,  nachdem  die  Uebelthäter  ge- 
züchtigt und  selbst  viele  Schlösser  zerstört  waren.  —  Im  weit- 
läuftigen  imd  gi-ündhchen  Untersuchimgs -Verfahren  wurden 
dann  die  Titel  geprüft,  unter  welchen  die  Kron-Domainen  in 
den  letzten  funfeig  Jahren  veräussert  und  verschleudert  waren, 
imd  ein  grosser  Theil  davon  wieder  eingezogen.  In  den  Cortes 
von  Toledo  wurde  unter  Zuziehung  von  Sachverständigen  über 
die  Mittel  zur  Vereinfachung  und  Verbesserung  der  Verwaltung 
wie  zur  Einfiihrung  des  zweckentsprechendsten  Justiz -Verfah- 
rens berathen.  Zu  den  Raths -Versammlungen  wurden,  ausser 
einem  Prälaten  und  3  Rittern,  9  Gelehrte  zugezogen;  die  Gross- 
meisterthümer  und  MiUtair- Orden  wurden  in  die  Krone  recipirt^ 
die  höchsten  Gerichtshöfe,  wie  oben  angedeutet,  nach  Valladolid 


113 

lind  Granada  verlegt,  und  mit  allem  Eifer  die  Redaction  eines 
neuen  Gesetzbuches  in  Angriff  genommen.  Leider  begleitete 
das  Glück  dies  Unternehmen  nicht  in  dem  Maasse ,  als  man 
wünschte  und  hoffte.  Zunächst  fehlte  es  an  Talenten  und  wis- 
senschaftlich hinreichend  ausgebildeten  Rechtsgelehrten.  Dem- 
nächst war  das  Material,  das  der  Redactions-Commission  vorlag, 
so  mächtig,  imd  da  die  früheren  Gesetze  durchaus  nicht  ihrer 
Fassung  entsprechend  zur  Ausfiilirung  gekommen  waren,  so  wi- 
dersprechend ,  dass  sich  schon  während  der  Bearbeitung  Stim- 
men des  Misstrauens  gegen  die  vom  Dr.  Montalvo,  \mter  Zuzie- 
hung der  Rechtskundigen  Bartolo,  Baldo,  Abad  und  Andres 
entworfene  Compilation  geltend  machten,  welche  demnächst  zur 
Folge  hatten,  dass  das  projectirte  Gesetzbuch  von  den  Cortes  zu 
Toledo  1 502  verworfen  und  die  Aufstellung  eines  anderweitigen 
Entwurfes  gefordert  wurde,  welcher  denn  auch  1505  unter  dem 
Titel  «Leyes  de  Toro»  veröffentlicht  ward.  Allein  auch  ge- 
gen diese  Sammlung  wurden  so  viele  Zweifel  erhoben,  deren 
Auslegung  neue  Bedenken  und  Consequenzen  hervorrief  und 
den  Zustand  der  Verwirrung  erhöhte.  Der  Castilische  Adel  er- 
trug nur  mit  dem  innersten  Widerstreben  die  ihn  in  engen 
Schranken  haltenden  Verordnungen.  Mit  dem  Tode  Isabellas 
hoffte  er,  da  Ferdinand  sich  nach  Aragon  zurückzog,  freier  sich 
bewegen  zu  können ;  allein,  obgleich  die  in  Castilien  eingesetzte 
Regentschaft  ziemlich  schwacher  Natur  war,  vermochte  er  nichts 
zu  erreichen,  als  Widersprüche  gegen  die  Vorschläge,  mit  wel- 
chen Carl  V  die  Cortes  eröffiaete.  Der  Adel  verschmähte  es, 
sich  mit  den  Städten  zu  verbinden,  welche  mit  grosser  Ent- 
schiedenheit die  Wiedergewährung  entzogener  und  die  Bewilli- 
gung neuer  Gerechtsame  hinsichts  der  Vertretung  gefordert  hat^ 
ten.  Er  stimmte  selbst  dagegen.  Was  half  es  den  Ständen, 
dass  sie  die  vom  Könige  1527  erforderte  ausserordentliche 
Hülfe  auf  der  Versammlung  zu  Valladolid  verweigerten,  und 
1538  zu  Toledo  die  zur  Deckung  der  mächtig  angewachsenen 
Staats -Ausgaben  ausgeschriebene  Lebensmittel -Steuer  verwar- 
fen?   Die  natürliche  Folge  war,  dass  Carl  sämmtliche  Anträge 

T.  Minntoll,  Spanien.  g 


114 

der  Stände  ablehnte,  und  entschieden  Alles  aufbot,  die  König- 
liche Macht,  durch  welche  Mittel  dies  nur  möglich  erschien,  zu 
erweitern.  Die  Haltung  des  Pabstes  Clemens  gegen  Carl,  in- 
dem er,  in  der  Besorgniss,  dass  dieser  nach  der  Ge&ngenneh- 
mung  Franz  I  sich  an  die  Spitze  einer  Universal -Monarchie 
setzen  möchte,  eine  Ligue  gegen  ihn  bildete,  reizte  den  Kaiser, 
der  von  nun  ab  die  Geistlichkeit  in  die  ihr  gebührende  Stellung 
zurückwies ,  die  Gesetze  über  die  « recursos  de  fuerza  y  reten- 
cion  de  bulas»  erneuerte,  imd  1525  bei  strenger  Strafe  verbot, 
von  Bom  aus  irgend  welche  Präbenden  und  Beneficien  anzuneh- 
men, die  vom  KönigUchen  Patronate  ressortirten  —  und  den 
Audienzen  befahl,  die  geistlichen  Gerichte  zu  zwingen,  verwei- 
gerte Appellations- Prozesse,  wenn  solche  nach  dem  Urtheil  der 
Audienzen  begründet  erschienen,  unter  Verurtheilung  zu  den 
Kosten,  einzuleiten.  Die  Streitigkeiten  zwischen  der  Krone 
und  dem  Clerus  dauerten  eine  Reihe  von  Jahren,  und  wurden 
nicht  selten  mit  grosser  Bitterkeit  gefuhrt 

Die  Klagen  über  mangelhafte  Justiz -Verwaltung  hfiuflen 
sich  immer  mehr;  jede  Cortes- Versammlung  begann  und  schloss 
damit.  Die  Unwissenheit  der  angestellten  Richter,  die  Leichtig- 
keit, mit  der  man  die  frivolsten,  von  Unvermögenden  angebrach- 
ten Klagen  einleitete,  und  die  Unmöglichkeit,  die  grosse  Zahl 
von  schwebenden  Prozessen  zu  beseitigen ,  gaben  Veranlassung 
zu  sehr  begründeten  Beschwerden.  Den  häufigen  Bitten  um 
ein  gutes  Gesetzbuch  wurde  durch  Philipp  II  1567  auf  wenig 
befriedigende  Weise  entsprochen;  denn  der  aus  neun  Büchern 
bestehende  Codex  war  in  seiner  Anordnung  so  verwirrt,  ver- 
mischte Rechts  -  Materien  und  Verwaltungs- Bestimmungen  so 
lächerlich,  dass  sich  die  Unbrauchbaxkeit  bald  herausstellte.  Der 
nun  folgende  traurige  Zustand  Spaniens,  diirch  Verschwendung, 
Unsitte,  Misstrauen  und  Unmuth  gesteigert,  gestattete  keine 
Gesetzes -Reform;  erst  unter  den  Bourbonen  änderte  sich  dies. 
Philipp  V  hob  den  Wohlstand  des  Landes;  er  sorgte  für 
Schulen  und  Universitäten,  Künste  und  Wissenschaften.  Der 
Successions- Krieg,  welcher  den  Pabst  veranlasste,  Partei  för 


115 

Oesterreich  zu  nehmen,  ffthrte  zu  einer  Unterbrechung  jeder 
Verbindung  mit  Rom.  Am  10  November  1713  gab  Philipp  dem 
Rathe  von  Castilien  eine  andere  Gestalt  In  fünf  Senate  (salas) 
getfaeilt,  behandelten  die  beiden  ersten  die  Verwaltung,  der 
dritte  die  Justiz,  der  vierte  die  Provinzial -Regierung  imd  der 
ftnfte  die  Criminal- Sachen.  Es  waren  24  Räthe  imd  ein  Fis- 
cal angestellt.  Die  einzelnen  Senate  verhandelten,  je  unter 
einmal  Präsidenten,  abgesondert  und  unabhängig  von  den  übri- 
gen. Der  neue  Rath  eröffiiete  seine  Thätigkeit  damit,  die  Beibe-^ 
haltung  und  Benutzimg  des  Spanischen,  wie  die  mögUchste  Aus- 
schliessung des  fremden  Rechtes  anzuempfehlen.  Philipp  war 
miablässig  bemüht^  eine  Einheit  und  Uebereinstimmung  der  ver- 
schiedenen Provinzial- Verwaltungen  herbeizuf&hren ,  in  ihren 
Sitten  und  üi  ihren  Gesetzen.  Er  hob  deshalb  die  Räthe  von 
Aragon  imd  Valencia  auf,  und  bestimmte,  dass  die  Gerichtshöfe 
von  Zaragoza  und  Valencia  nach  dem  Muster  derer  von  Granada 
imd  Valladolid  umgestaltet  würden.  Endlich  beschloss  er  die 
Vereinigung  der  Cortes- Versammlungen;  die  er  zu  der  feier- 
lichen Entsagung  auf  die  Krone  von  Frankreich  nach  Madrid  be- 
sdüed,  und  bei  derselben  Gelegenheit  das  Gesetz  über  die  Thron- 
folge zur  Sicherung  der  Rechte  seiner  Dynastie  erliess.  Mit  Rom 
wurde  nach  mannigfachen  gescheiterten  Versuchen  endlich  1734 
ein  Concordat  abgeschlossen ,  und  dasselbe  unter  Benedict  XTV 
1753  erneuert,  indem  derselbe  gegen  eine  Abflndungs- Summe 
auf  seine  und  der  Kirche  in  Rom  Beneficien  verzichtete.  Es  wur- 
den 600,000  Römische  Scudi  und  nachträglich  etwa  noch  die 
Hälfte  jener  Summe  für  Rechte  und  Beneficien  auf  einmal,  und 
ausserdem  jihrlich  5000  Scudi  als  Aequivalent  fQr  die  Gruzada 
gezahlt  Unter  Carl  III  entstanden  jedoch  neue  Gontroversen 
aber  die  Grenzen  der  weltlichen  und  geistlichen  Macht,  welche 
den  Prozess  wider  den  Bischof  von  Cuenca,  der  die  Regierung 
wegen  ihrer  angeblichen  Unterdrückung  der  Kirche  angegriffen, 
zur  Folge  hatten ,  so  wie  das  Königliche  Verbot,  «  P&bstUche 
Sriasse  zu  publiciren,  bevor  dies  vom  Könige  gebilligt  worden», 

8- 


116 

und  endlich  (1767)  die  Vertreibung  der  Jesuiten  aus  Spanien  und 
den  Colonien. 

Unter  der  Regierung  Carls  III  ward  dem  Studium  des  Rechts 
grössere  Aufmerksamkeit  gewidmet.  Bis  zum  18ten  Jahrhundert 
hatte  in  Spanien  das  Natur-  imd  Völker- Recht  einen  Theil  der 
theologischen  Studien  gebildet.  Man  änderte  dies  später,  und 
legte  bald  dem  Natur-  und  Völker- Recht  solchen  Werth  bei,  dass 
Candidaten,  welche  demselben  nicht  wenigstens  ein  Jahr  hindurch 
obgelegen  hatten,  von  der  Advocatur  ausgeschlossen  wurden. 
Marin  war  der  erste  Spanische  Professor  des  Natiu:- Rechtes;  er 
legte  den  Heineccius  seinen  Vorträgen  ziun  Gnmde.  Auch  das 
Studium  des  Spanischen  Rechtes  wurde  nun  fleissig  imd  gründ- 
lich getrieben.  Die  Arbeiten  von  Anton  de  Torres  «  Institutiones 
Hispaniae  practico-theoretice  commentatae»  1735,  imd  von  Jor- 
dan de  Asso  und  Miguel  de  Manuel  « Instituciones  practicas  del 
derecho  civil  de  Castilla  »  1771,  und  die  Herausgabe  des  Alt- 
Castilischen  Rechtes  imd  des  Gesetzes  von  Alcala  von  Manuel 
—  sind  bekannt  und  geschätzt.  Man  begann  darauf  mit  einer 
Revision  des  Civil-Rechtes,  man  bearbeitete  eine  neue  Ausgabe 
des  Criminal-Rechtes;  die  Agrar- Gesetzgebung  wurde  geordnet, 
und  es  entwickelte  sich  in  der  Rechtswissenschaft  eine  Thätig- 
keit,  welche  zu  den  glänzendsten  Hoffiiungen  berechtigte,  als 
unter  der  Regierung  Carls  IV  Alles  wieder  in  Frage  gestellt 
wurde.  Das  Studium  des  Natur-  und  Völker -Rechtes  wurde 
verboten;  die  Vorlesungen  auf  der  Universität  imterbrochen ; 
die  veralteten  und  beseitigten  Maximen  wurden  wieder  hervor- 
gesucht und  die  begonnenen  Arbeiten  ausgesetzt.  Dagegen  er- 
schien 1805  die  Novissima  recopilacion ,  in  der  Absicht,  eine 
Vereinigung  der  Spanischen  Gesetze  von  dem  Fuero  Real  imd 
den  Partidas  an  bis  auf  die  neuere  Zeit,  zu  einem  verständ- 
lichen, übersichtlichen  und  erschöpfenden  Ganzen  zu  bewerk- 
steUigen.  Statt  dessen  ward  die  Unklarheit  und  Verwirrung  nur 
vermehrt  durch  die  verkehrte  Art  der  Zusammenstellung.  Die- 
selbe ist  nämlich  keine  Compilation ,  weil  einzelne  Gresetze  fort« 


117 

gelassen,  andere  nur  stückweise  aufgenommen  sind  —  noch  ist 
es  eine  freie  Bearbeitung,  denn  dazu  fehlen  Motive  und  erläu- 
ternde Verbindungen  und  Uebergänge.  Bei  der  Benutzung  ist 
es  also  jederzeit  notliwendig,  die  ursprünglichen  Quellen  und 
Gesetzes -Texte  zur  Hand  zu  nehmen.  Das  Fortlassen  mehrerer 
Bestimmungen,  so  namentlich  mit  Bezug  auf  das  Recht  des  Kö- 
nigs zur  Berufung  der  Cortes,  hat  später  sehr  unangenehme 
Weitläuftigkeiten  verursacht. 

Ferdinands  Vn  Gefangenschaft  und  gezwungene  Thronent- 
sagung veranlasste  Spanien,  sich  in  den  einzelnen  Provinzen  in 
sogenannte  Regier ungs- Versammlungen  zu  vereinigen.  Aus  die- 
sen bildete  sich  die  Central- Versanunlung.  Von  hier  aus  ward 
die  Regentschaft  beauftragt,  die  Cortes  zu  berufen.  Die  Cortes 
erklärten  die  Entsagung  für  null  und  nichtig;  sie  theilten  die 
Gewalt,  bestätigten  den  Regentschafts -RaÜi,  und  beendeten  am 
19  März  1812  in  Cadiz  die  berathene  Verfassung.  Nach  Ferdi- 
nands Rückkehr  wurde  dieselbe  aufgehoben,  imd  im  Jahre  1814 
eine  den  Verhältnissen  und  der  Stellung  der  Krone  entsprechen- 
dere zu  ertheilen  verheissen.  Nach  den  pohtischen  Bewegungen 
der  Jahre  1819  und  1820  ward  die  Verfassung  vom  Jahre  1812 
genehmigt,  von  den  Cortes  die  Einführung  der  Pressfreiheit  be- 
schlossen, und  die  Ausarbeitung  eines  Crimtnal- Codex  angeord- 
net, der  auch  im  Juni  1822  erschien,  aber  bald  wieder  ausser 
Geltung  gesetzt  wurde.  Der  Handels -Codex  ward  1828  begon- 
nen imd  1829  beendet.  Im  selben  Jahre  wurden  die  Arbeiten 
wegen  Redaction  eines  neuen  Criminal- Codex  wieder  angenom- 
men, ohne  zu  einem  glücklicheren  Resultate  als  im  Jahre  1823 
zu  gelangen.  Dem  Jahre  1848  war  es  vorbehalten,  die  Frucht 
neuerer  Arbeiten  anerkannt  zu  sehen,  denn  am  1  Juli  1848  ward 
der  am  9  März  desselben  Jahres  von  der  Königin  genehmigte 
neue  Criminal -Codex  veröffentlicht. 

Das  Press -Gesetz  aus  dem  Jahre  1834  liegt  so  eben  einer 
neuen  Revision  vor.  Im  Jahre  1837  ward  die  neue  Verfassung 
gegeben,  und  im  Jahre  1841  und  1843  begannen  die  wissen- 


118 

schaftlichen  Prüfungen  und  Gesetzes -Revisionen,  um  den  Civil- 
Codex  umzuarbeiten.  Die  Arbeit  ward  im  Jahre  1851  beendet 
und  mit  den  Motiven  begleitet  vorgelegt. 

Nachdem  der  öffentliche  Unterricht  dem  Ressort  des  Justiz- 
Ministers  übertragen  ist,  sind  auch  die  mit  Bearbeitung  der  be- 
treffenden Angelegenheiten  beauftragten  Ministerial  -  Beamten 
vom  Justiz -Ministerium  übernommen.  Diese  sind:  ein  General- 
Director,  5  Abtheilungs- Dirigenten,  und  zwar 

Einer  für  die  Generalien  des  öffentUchen  Unterrichts  in  Theo- 
logie, Rechtswissenschaft,  Medicin  und  Pharmacie.  N.  I. 

Einer  für  theologische  Studien  und  den  höheren  Unterricht 
(segunda  ensenanza)  überhaupt.  N.  II. 

Einer  fiir  den  Elementar- Unterricht.  N.  IE. 

Einer  für  die  Special- Schulen.  N.  IV. 

Einer  fiir  wissenschaftüche  Gesellschaften  und  Etablisse- 
ments. N.  V. 

In  dem  Königlichen  Schul-RaÜi  (Consejo  real  de  Instruccion 
publica)  befinden  sich,  ausser  dem  Minister  als  Chef-Präsidenten, 
ein  Vice -Präsident,  in  der  Section  fiir  den  Elementar- Unterricht 
2  Räthe,  in  der  Section  für  Philosophie  5,  in  der  Section  für  geist- 
liche Wissenschaften  (ciencias  eclesiasticas)  4,  in  der  Section  für 
Rechtswissenschaft  4,  in  der  Section  für  Medicin  8,  und  in  der 
Section  fiir  die  Verwaltung  der  Fonds  und  Bearbeitung  der  Ge- 
neralien vier  Räthe. 

Was  zunächst  den  Elementar-Unterricht  (Instruccion 
primaria)  anbetrifft,  so  besteht: 

Die  Hülfs-Commission  ftur  den  öffentlichen  Element»« 
Unterricht  aus  1  Präsidenten,  8  stimmberechtigten  Mit- 
gliedern tmd  1  Secretair. 

Es  sind: 

6  General-Inspectoren  fiir  den  Elementax-rUnterricht  angestellt; 
9  Unterrichts -Inspectoren  ftb*  die  Provinzen  der  ersten  Glasse: 

Barcelona,  Corufla,  Cadiz,  Granada^  Madrid,  Malaga,  Se^ 

viUa,  Valencia  und  Zaragoza; 


119 

7  Inspectoren  in  den  Provinzen  zweiter  Classe:  Alicante^  Bur- 

gos,  Cordova,  Murcia,  Oviedo,  Toledo,  Yalladolid; 
33  Inspectoren  in  den  Provinzen  dritter  Classe:  Avila,  Alava, 
Albacete,  Ahneria,  Badsgoz,  Balearen,  Gaceres,  Castel- 
lon,  Cuenca,  Ciudad  Real,  Canarias,  Gerona,  Guadala- 
jara, Guipuzcoa,  Huesca,  Huelva,  Jaen,  Leon,  Lerida, 
Logrono,  Lugo,  Navarra,  Orense,  Pontevedra,  Palencia, 
Salamanca,  Santander,  Segovia,  Soria,  Tarragona,  Te- 
ruel,  Viscaya,  Zamora. 
Unter  dem  Ministerio  steht  femer  die  hierher  gehörende 
Gesellschaft  zur  Verbreitung    und  Verbesserung  des   Volks- 
Unterrichtes.     Sie  besteht  aus  einem  Präsidenten,  einem  Vice- 
Präsidenten  und  4  Mitgliedern;  und  aus  drei  Sectionen:  fiir 
Kinder-Bewahranstalten,  für  Schulen  älterer  Kinder  und  für 
anzuschaffende  Lehr-  und  Schulbücher.     Der  Gesellschaft  hat 
sich  eine  aus  Damen  bestehende  Junta  angeschlossen,  deren 
Thätigkeit  insbesondere  die  Beaufsichtigung  der  Kleinkinder- 
Bewahranstalten  betriflEt      Diese  Gesellschaft  hat  Ausgezeich- 
netes geleistet;  ihren  Bemühungen  ist  es  gelungen,  bedeutende 
Mittel  anzubringen  und  eine  Menge  von  Instituten  ins  Leben  zu 
rufen.     Die  Kleinkinder -Bewahranstalten  in  Spanien  befinden 
sich  in  trefflicher  Verfassung ;  es  sind  deren  augenblicküch  287 
auf  grössere  Städte,  namentlich  auf  solche  vertheilt,  in  welchen 
sich  industrielle  Etablissements  vorfinden.     Ihre  Majestät  die 
Königin  ist  Beschützerin  mehrerer  dieser  Anstalten. 

Auch  die  Commission  fiir  Förderung  des  Elementar-Unter- 
richts  in  Madrid  steht  unter  dem  Ministerium.  Sie  besteht  aus 
einem  Präsidenten,  5  Mitgliedern,  mehreren  Ehren- Mitgliedern 
und  einem  Secretair;  sie  disponirt  über  bedeutende  Mittel. 

Für  den  höheren  Unterricht  (segunda  ensenanza)  wird  . 
in  Königlichen  Anstalten  und  CoUegien  gesorgt,  und  zwar 
hl  Alava,  'Albacete,  Algeziras,  Alicante,  Ahneria,  Avila,  Ba- 
digoz,  Barcelona,  Burgos,  Gaceres,  Canarias,  CasteUon,  Ca- 
bra,  Ciudad  Real,  Cordova,  Figueristö,  Gerona,  Granada,  Gui- 
puzcoa, Huesca,  Jaen,  Jeres,  Leon,  Lerida,  Logrono,  Madrid, 


120 

Malaga,  Murcia,  Monforte,  Orense,  Osuna,  Oviedo,  Palma^  Pa- 
lencia,  Pamplona,  Pontevedra,  -  Salamanca,  Santander,  Santiago, 
Segovia,  Sevilla,  Soria,  Tarragona,  Teruel,  Toledo,  Valencia, 
VaUadolid,  Zamora,  Zaragoza. 

Die  Universitäten  des  Königreiches  sind  folgende: 

I.  Die  Universität  zu  Madrid,  für  die  Provinzen  Madrid, 
Avila,  Guadalajara,  Toledo,  Cuenca,  Ciudad  Real  und 
Segovia,  von  7000  Studenten  besucht,  in  dem  prächtigen, 
neu  eingerichteten  Gebäude  von  San  Isidoro;  steht  imter 
einem  Rector,  zu  dessen  Unterstützung  ein  General-Secre- 
tair,  ein  Oficial  mayor,  8  Beamte  (oficiales)  und  eine  An- 
zahl von  Subalternen,  Pedellen,  Boten,  Thürstehem  an- 
gestellt ist.  Die  Universitäts  -  Bibhothek;  zahlt  einen  Ar- 
chivar und  6  Bibliothekare. 

A.  Die  Facultät  der  Philosophie  zählt  unter  einem 
Decan  vier  Abtheilungen:  die  erste  für  Literatur 
8  Professoren,  und  zwar  fiir 

Lateinische  Literatur, 

allgemeine  Spanische  Literatur, 

Anwendung  der  Spanischen  Literatur, 

Griechische  Sprache, 

Hebräische  Sprache, 

Arabische  Sprache, 

Erweiterung  (ampUacion)  der  Philosophie; 

die  zweite  AbtIieUung  für  die  Verwaltung  4  Pro- 
fessoren, und  zwar  für 
politische  Oeconomie, 
astronomische,  physische  imd  politische  Geograr 

phie, 
öffentliches  Recht  und  Administration, 
critische  und  philosophische  Geschichte  von  Spsu- 
nien; 

die  dritte  Abtheilung  für  physisch  -  mathematische 
Wissenschaften  zählt  10  Professoren^  für 


121 

höhere  Algebra  und  analytische  Geometrie, 

Infinitesunal  -  Rechnung, 

Mechanik, 

Experimental  -  Physik, 

allgemeine  Chemie, 

Experimental-  Chemie, 

Astronomie  mit  Beobachtungen ; 
die  vierte  Abtheilung  für  Natur-Wissenschaften,  mit 
6  Professoren,  für 

Mineralogie  und  Geologie, 

Botanik, 

Organographie  und  Fisiologia  vegetal, 

allgemeine  Zoologie, 

Ampliacion  der  Zoologie  (Wirbelthiere), 
desgleichen  (invertebrados ) ; 

B.  Die  Facultät  der  Pharmacie  zahlt  6  Professo- 
ren.   Sie  lehren : 

Mineralogie  und   Zoologie,   angewandt  auf  die 

Pharmacie, 
angewandte  Botanik, 
k  Farmacia  quimico-inorganica, 

Farmacia  quimico-organica, 
praktische  pharmaceutische  Operationen, 
Analisis  de  apUcacion  a  la  ciencias  medicas. 

C.  Die  Facultät   der  Medicin  zählt  19  Professo- 
ren für 

Physik  und  Chemie,  angewandt  auf  Medicin, 

Naturgeschichte,  desgleichen, 

allgemeine  beschreibende  Anatomie, 

Physiologie, 

allgemeine  Pathologie, 

Terapeutica,  materia  medica  y  arte  de  recetar, 

chirurgische  Pathologie, 

chirurgische  Anatomie, 


i 


122 


Hebammen-Kunst,  Kinder«  und  Frauen  -  Krank* 

heiten, 
chirurgische  Klinik, 
Higiene  privata  y  publica  y  de  aplicacion  a  la 

ciencia  del  gobiemo, 
Medicina  legal  y  Toxicologia, 
Bibliografia :  Geschichte  und  Literatur  der  medi- 

cinischen  Wissenschaften. 

D.  Die  Facultät  der  Rechts-Wissenschaft  zählt 
9  Professoren  für 

Geschichte  u.  Institutionen  des  Römischen  Rechts, 
Geschichte  u.  Institutionen  des  Spanischen  Rechts, 
Geschichte  des  allgemeinen  und  besonderen  Spa- 
nischen Kirchen -Rechts, 
Disciplina  general  der  Kirche,  insbesondere  in 

Spanien, 
Ampliacion  des  Spanischen  Rechts, 
Teoria  de  los  procedimientos  practica  forense, 
Philosophie  des  Rechts,  Völkerrecht, 
Legislacion  comparada. 

E.  Die  Facultät  der  Theologie  zählt  9  Professo- 
ren fiir 

Grundlehren  der  Religion, 
Institutionen  der  diplomatischen  Theologie, 
Moral-  und  Pastoral  -  Theologie, 
Heilige  Schrift, 

Einleitung  und  Elemente  des  allgemeinen  und  be- 
sonderen Spanischen  canonischen  Rechts, 
Geschichte  und  allgemeine  Disciplin  der  Kirche, 

mit  besonderer  Bezugnahme  auf  Spanien, 
Bibliografia  sagrada, 
apologetische  Studien. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  jeder  Facultät  ein 
Decan  vorsteht,  welcher  gleichzeitig  als  Professor  Vor- 
träge hält 


123 

n.  Die  Districts- Universität  Barcelona  begreift  die  Provin- 
zen Barcelona,  Gerona,  Lerida,  Tarragona  und  die  Balea- 
ren,  und  hat  die  früher  in  Lerida,  Palma  und  Cervera  be- 
standenen Universitäten  in  sich  vereinigt  Es  sind  ein 
Rector,  4  Decane,  ein  Instituts -Director,  36  Professoren» 
ein  General -Secretair  9  2  Oiiciale,  8  Pedelle  und  mehrere 
Subalternen  angestellt  Die  Zahl  der  Studirenden  beträgt 
1600.  Es  bestehen  auf  dieser  Universität  nur  4  Facul- 
täten ;  nämUch  Philosophie,  Medicin,  Pharmacie  und  Jurist 
prudenz. 

nL  Granada,  1531  gestiftet,  für  die  Provinzen  Granada,  Ma- 
laga, Almeria,  Jaen;  zählt  auch  nur  4  Facultäten;  näm- 
lich Philosophie,  Medicin  zweiter  Klasse,  Pharmacie  imd 
Jurisprudenz. 

rV.  Oviedo,  1580  gestiftet,  sorgt  för  die  Provinzen  Oviedo 
und  Leon,  und  zählt  3  Facultäten,  der  Philosophie,  Jiuis- 
prudenz  imd  Theologie. 

V.  Salamanca,  seit  1222  Universität,  lunfasst  die  Provinzen 
Salamanca,  Caceres,  Zamora,  und  zählt  3  Facultäten:  Phi- 
losophie, Medicin  zweiter  Klasse  und  Jurisprudenz. 

VI.  Sevilla,  gestiftet  1504,  begreift  die  Provinzen  Sevilla, 
Huelva  und  Cordova,  Cadiz  und  Badajoz.  Sie  zälilt  4  Fa- 
cultäten: Philosophie,  Medicin,  Jurisprudenz  und  Theologie. 

VII.  Santiago,  seit  1532  errichtet,  imifasst  die  Provinzen  Co- 
runa,  Orense,  Lugo  und  Pontevedra,  und  hat  3  Facul- 
täten: Philosophie,  Medicin  zweiter  Klasse  und  Juris- 
prudenz. 
Vin.  Valencia,  seit  1410  Universität,  für  die  Provinzen  Va- 
lencia, Alicante,  Castellon,  Murcia  und  Albacete;  zählt 
3  Facultäten:  Medicin  zweiter  Klasse,  Philosophie  und 
Jurisprudenz. 

K.  Valladolid,  seit  1346,  für  die  Provinzen  Valladolid,  So- 
ria,  Santander,  Bxirgos,  Alava,  Viscaya,  Guipuzcoa,  Pa- 
lenda;  zählt  3  Facultäten:  Jurisprudenz,  Theologie  und 
Philosophie. 


124 

X.  Zaragoza,  1474  gegründet,  begreift  die  Provinzen  Zarar 
goza,  Huesca,  Teruel,  Navarra,  Logrono,  und  hat  nur 
die  Facultäten  der  Philosophie,  Jurisprudenz  imd  Theo- 
logie. 

Eingegangen  sind  die  Universitäten  von  Lerida,  von  Cer- 
vera,  gestiftet  1717  —  von  Huesca,  errichtet  1354  —  von  Al- 
cala,  gegründet  1499  —  von  Toledo,  errichtet  1498  —  von 
Palma^  gestiftet  1827  —  und  die  alte  Maiuische  Universität  von 
Cordova. 

Die  Kosten  für  die  Spanischen  Universitäten  betragen  jähr- 
üch,  mit  Hinzurechnung  von  826,000  r.  fiir  Material,  Sammlun- 
gen, BibUotheken  etc.  die  Summe  von  9,765,528  r. 

Es  giebt  eine  Menge  von  Special-Schulen,  wie 

die  Vorbereitungs- Schule  für  Arclütecten  und  Wege- 
Baumeister,  aus  einem  Director,  einem  Vice-Director, 
6  Professoren  und  3  Hülfslehrem,  für  Rechenkunst» 
Mathematik,  Mechanik,  Physik  und  Chemie,  Topographie 
und  Mineralogie; 
die  Schule  für  Ingenieurs  fiir  Wege-,  Hafen-  und  Kanal- 
Bauten; 
die  Handels-Schulen, 

die  Veterinair-Schulen,  durch  Carl  IV  im  Jahre  1791  ge- 
gegründet, durch  Könighches  Decret  vom  6  August  1835 
mit  dem  Tribunal  del  Proto  Albeiterato  vereinigt,  und 
durch  Königliches  Decret  vom  19  August  1847  durch 
Gründung  zweier   Subaltem -Schulen  in  Cordova  und 
Zaragoza  erweitert ; 
die  Taubstummen-Institute; 
die  Blinden-Anstalten; 
und  eine  grosse  Menge  von  Unterrichts -EtabUssements,  welche 
technische  Ausbildung  bezwecken  und  deren  Beaufsichtigung 
zum  Ressort  des  Ministerii  zur  Beförderung  der  materiellen  In- 
teressen gehört. 

Dagegen  sind  dem  Justiz -Ministerium  noch  mit  überwiesen: 


125 

Das  Conservatorium  der  Künste,  mit  Beamten  und  Pro- 
fessoren für  Physik,  Geometrie,  Mechanik,  Chemie,  Arith- 
metik, und  mit  einem  vortrefflichen  Museum  und  guter 
Bibliothek  ausgestattet 

Die  Schule  der  schönen  Künste;  durch  Königliches  De- 
cret  vom  25  September  1844  gegründet,  der  Academie 
von  San  Fernando  angereiht.   Es  sind  dort  angestellt : 

fiir  die  Elementar-Studien,  inclusive  des  Directors, 
17  Lehrer  für  Zeichenkunst,  Arithmetik  und  Geo- 
metrie ; 

für  die  Studien  verschiedener  Künste  leiten  3  Leh- 
rer den  Unterricht  in  Anatomie,  Perspective  und 
Theorie  der  Kunstgeschichte; 

für  Malerei  wirken  4  Lehrer,  fiir  Composition,  Zeich- 
nen nach  der  Antike',  nach  dem  Leben  und  Land- 
schaften nach  der  Natur ; 

fiir  Kupferstecher-Kunst  sind  2  Lehrer  angestellt: 
Kupfer-,  Stahlstich  und  Holzschnitt  wird  gelehrt ; 

für  Bildhauer-Kunst  sind  3  Lehrer  da,  fiir  Compo- 
sition, Modelliren  nach  dem  Leben  und  nach  der 
Antike; 

för  Architektur  wirken  11  Lehrer,  für  Composition, 
Theorie  der  Construction ,  Decoration,  praktische 
Architektur,  Stereometrie,  Mineralogie  imd  Me- 
chanik. 

Das  Conservatorium  der  Musik,  durch  die  Königin  Marie 
Christine  gestiftet;  8  Mitglieder  bilden  die  Verwaltungs- 
Junta;  14  Lehrer  unterrichten  in  Vocal-  und  Instrumental- 
Musik,  Compositions- Lehre  und  Declamation. 

Es  gehört  zum  Ressort  desselben  Ministerii  die  National- 
Bibliothek  mit  6  Bibliothekaren,  2  Oficialen  ersten  Ranges, 
3  zweiten,  4  dritten  imd  6  vierten  Ranges.  Die  bedeutendsten 
ffibliotheken  finden  sich  ausserdem  in  Barcelona,  wo  deren  4 
sind,  die  grosse  Bibliothek  im  Escurial,  4  in  Madrid ^  1  in  Gra* 


126 

nada,  1  in  Oviedo^  1  in  Salamanca,  1  in  Santiago^  4  in  Sevilla, 
4  in  Toledo,  3  in  Valencia. 

Die  Aeademien  Spaniens,  und  zwar 

1.  Die  Academia  Espaüola;  gegründet  durch  Philipp  V 
1713,  ist  dieselbe  mittelst  Königlichen  Decrets  vom  25  Fe- 
bruar 1847  neu  organisirt.  Es  sollen  von  jetzt  ab  nur  36 
Mitglieder  derselben  gleichzeitig  aufgenommen  sein;  die 
Supemumerair-  und  Ehren -Mitglieder  werden  nicht  mehr 
ernannt.  Nur  Ausländer  können  als  Ehren -MitgUeder  auf- 
genommen werden. 

2.  Die  Academia  de  la  historia;  von  Philipp  V  im  Jahre 
1738  errichtet^  wurde  ihr  die  Verpflichtung  auferlegt,  für 
die  Geschichte  von  Spanien  und  Indien  thätig  zu  sein. 
Später  wurde  dieser  Academie  die  Beaufsichtigung  aller 
geschichtlich  und  künstlerisch  interessanten  Alterthfmier, 
deren  Schutz  und  Erhaltung,  und  die  Fortsetzung  des 
Werkes  «  la  Espana  sagrada  »  übertragen.  Das  Königliche 
Decret  vom  25  Februar  1847  und  das  Reglement  vom 
20  März  desselben  Jahres  haben  auch  die  Academie  der 
Geschichte  einer  Reorganisation  unterworfen.  Auch  in  ihr 
ist  die  Zahl  der  MitgUeder  axif  36  beschränkt.  Die  Ehren- 
Mitgliedschaft  darf  nur  Ausländem  übertragen  werden. 
Sehr  schätzenswerthe  Arbeiten  fiir  Kirnst  und  Wissenschaft 
sind  aus  dem  Schoosse  beider  Institute  hervorgegangen. 
Eine  Anzahl  correspondirender  Mitglieder  ist  über  die  Pro- 
vinzen vertheilt.  Dieselben  haben,  falls  sie  ihren  Wohn- 
sitz nach  Madrid  verlegen,  das  Recht,  bei  eintretenden 
Vacanzen  den  Eintritt  zu  begehren.  Solcher  correspondi- 
renden  MitgUeder  sind  80  in  Spanien.  Ausserdem  sind 
aber  namhafte  Gelehrte  des  Auslandes  als  correspondirende 
MitgUeder  besonders  patentirt. 

3.  Die  KönigUche  Academie  der  drei  edlen  Künste,  Acade-* 
mia  de  San  Fernando.  Sie  ward  durdi  KönigUches 
Decret  vom  1  April  1846  reorganisirt,  imd  wird  durch 
einen  Verwaltungs-Rath  von  7  Käthen  unter  einem  Piftai- 


127 

denten  verwaltet  Das  nöthige  Subaltern-Personal  steht 
zur  Verfügung.  Die  Abtheilung  für  Malerei  z8hlt  23  Mit- 
glieder; die,  Abtheilung  für  Bildhauerkunst  14;  die  für 
Architektur  22.  Einer  jeden  Abtheilung  stehen  ein  Präsi- 
dent, ein  Director  und  Consiliario  vor.  Die  Jimta  der  Ver- 
waltung wird  durch  die  Präsidenten,  Directoren  und  Con- 
siliarios,  durch  den  General- Secretair  und  Schatzmeister 
repräsentirt.  Die  Benutzung  der  werthvoUen  Bibliothek 
steht  dem  Publicum  offen. 

4.  Die  Königliche  Academie  der  Wissenschaften  hat 
mit  den  vorgenannten  drei  Academien  gleiche  Prärogative. 
Sie  ist  durch  Ihre  Majestät  die  Königin  am  25  Februar 
1847  gegründet^  imd  besteht  aus  36  Mit^edem,  die  in  3 
Abtheilungen  vertheilt  sind: 

1.  de  Ciencias  exactas. 

2.  de  Ciencias  fisicas, 

3.  de  Ciencias  naturales. 

Der  Verwaltungs-Ba.th  unter  der  Präsidentschaft  des 
General  Zasco  del  Valle,  besteht  aus  zwei  Secretairen, 
einem  Schatzmeister,  Cassirer  und  Archivar. 

5.  Die  Academia  Matritense  für  Rechtswissenschaft  und 
Gesetzgebung  besteht  aus  Chef-  imd  Vice -Präsidenten, 
Censoren  und  Revisoren. 

6.  Die  Academia  Sevillana  de  jurisprudencia  y  legisla- 
cion  ist  ähnUch  zusammengesetzt. 

7.  Die  Academia  graeco-latina  besteht  aus  6  Mitgliedern. 

8.  Die  Academia  quirurgica  Matritense  zählt  12  Mit- 
glieder. 

Die  im  Jahre  1840  vom  Professor  Julius  Kühn  gegrün- 
dete Academia  Alemana  hat  sich  leider  wieder  aufgelöst. 

9.  Das  Königliche  Museum  fiir  Malerei  imd  Bildhauer- 
kunst, aus  2000  Gemälden  und  einer  Sculpturen-Gbülerie 
bestehend,  ist  unter  Carl  lU  von  Villanueva  erbaut,  unter 
Carl  IV  beendet,  und  ward  1819,  und  zwar  mit  311  Ge- 
mälden,  welche  in  3  Säle  vertheilt  waren,  dem  Publicmn 


128 


zur  Ansicht  und  zum  Copiren  eröfihet.  Carl  V  und  Phi- 
lipp n  hatten  den  Grund  zur  Sammlung  gelegt,  welche 
durch  Philipp  den  IV  und  V  wesentlich  vermehrt  ward. 

10.  Das  National -Museum,  in  dem  Dienstgebäude  des 
Ministeriums  zur  Beförderung  materieller  Interessen  be- 
findlich, zählt  gleichfalls  einige  Tausend  Gemälde,  theils 
aus  den  aufgehobenen  Klöstern ,  theils  aus  den  Sammlun- 
gen des  Infanten  D.  Sebastian  und  Anderer  gebildet. 

11.  Das  Observatorio  meteorologica. 

12.  Das  Museo  de  Ciencias  naturales;  reorganisirt  durch 
Königliches  Decret  vom  16  November  1847,  enthält  das- 
selbe den  botanischen  Garten,  1755  durch  Ferdinand  VI 
angelegt,  im  Jahre  1781  durch  den  Grafen  Florida  blanca 
nach  seinem  jetzigen  Orte  verlegt;  und  das  Gabinete  de 
historia  natural,  von  Ferdinand  VII,  nachdem  die  Franzo- 
sen die  Sammlungen  stark  mitgenommen  hatten,  wieder 
vervollständigt.  Neben  den  seltenen  Steinen,  dem  verde 
antique  von  Barranco  bei  Granada,  dem  braunen  Jaspis 
von  Lai\jason,  den  Agathen  von  Aracona,  dem  krystalU- 
sirten  Schwefel  von  Conil,  befindet  sich  als  Hauptmerk- 
wiirdigkeit  daselbst  das  höchst  interessante  vollständige 
Scelett  des  Megaterio,  das  einzige  in  seiner  Art.  Dasselbe 
ward  1789,  nahe  beim  Fluss  Lujan,  13  Meilen  von  Buenos- 
Ayres,  aufgefunden. 


Man  liest  in  vielen  Beschreibungen  von  Spanien,  dass  för 
Volks-Unterricht  und  Schulwesen  Seitens  der  Regierung  wenig 
oder  gar  nichts  geschähe,  dass  im  Verhältniss  zur  Gesammt- 
Seelenzahl  des  Landes  nur  ein  sehr  geringer  Theil  der  Erwach- 
senen lesen  und  schreiben  könne;  dass  man  in  allen  Orten  Kin- 
der im  schulpflichtigen  Alter  auf  den  Strassen  müssig,  oder  im 
Felde  imd  in  Fabriken,  ohne  Unterricht  erhalten  zu  haben,  be- 
schäftigt finde,  statt  dass  dieselben  zur  Schule  angehalten  wür- 
den; dass  endlich  bei  dem  Mangel  gründlicher  Vorbildimg  die 


129 

wenigen  angestellten  Schullehrer  roh  und  unwissend  seien;  mit- 
hin für  den  Volks -Unterricht  und  Erziehimg  unter  solchen  Um- 
stSuden  unmöglich  etwas  Erkleckliches  geleistet  werden  könne. 
Man  geht  in  den  imgOnstigen  Urtheilen  über  Spanien  so  weit, 
den  Bewohnern  des  Landes  den  Sinn  und  die  Freude  an  wissen- 
schaftlichen Bestrebungen  wohl  gar  ganz  abzusprechen.  So 
oberflächlich,  imrichtig  und  ungerecht  dies  Urtheil  auch  immer- 
hin ist,  wie  dies  sogleich  aus  hinreichenden,  grossentheils  auf 
amtlichen  Quellen  beruhenden  Beispielen  nachgewiesen  werden 
soll,  so  liegt  doch  auch  einiges  Wahre  darin. 

Den  Vorwurf  einer  zu  geringen  Thätigkeit  in  der  Behand- 
lung des  öffentlichen  Unterrichts  darf  man  der  jetzigen  Regie- 
rung wahrhaftig  nicht  machen.  Der  Vorwurf  des  Gegentheils 
möchte  eher  da  begründet  sein ,  wo  die  immer  wieder  abgeän- 
derten Reglements  imd  Listructionen  den  ruhigen  Fortgang  des 
Studiums  unterbrechen  imd  auf  mehrjährige  gründliche  Beob- 
achtung und  Erfahrung  basirte  Urtheile  über  Studienpläne  imd 
Unterrichts  -  Methoden  nicht  aufkommen  lassen.  Man  darf  zu- 
nächst nicht  übersehen,  dass  in  Spanien  ein  Schulzwang  nicht 
besteht,  imd  diese  in  der  Absicht  der  Wahrung  persönlicher 
Freiheit  beruhende  Bestimmung  sich  eben  so  in  Frankreich  und 
England  findet.  Mit  Bezug  hierauf  muss  man  die  Handlungs- 
weise derjenigen  Familien,  welche  freiwillig  ihre  Kinder  zur 
Schule  senden,  weil  sie  die  Bildung  und  Erziehung  derselben 
för  nothwendig  halten,  eben  so  lobend  anerkennen,  als  das  eifrige 
und  ernste  Streben  von  Privat -Vereinen  imd  Municipalitäten 
und  der  Regierung  selbst,  den  Besuch  des  Schidunterrichts 
den  Unvermögenden  unentgeltlich  zu  gewähren  und  die  Lust 
am  Lernen  durch  öffentlich  vertheilte  Belohnungen  und  Aus- 
zeichnimgen  verschiedener  Art  zu  erhöhen.  So  bestehen  in  Ma- 
drid 1 2  und  in  Barcelona  7  Freischulen.  Bei  dem  nicht  bestehen- 
den Schulzwange  muss  der  zahlreiche  Besuch  der  Schulen  in 
Verwunderung  setzen.  Die  Elementar- Schulen  sind  nach  den 
Geschlechtem  getrennt.   Die  grosse  Begabtheit  der  Spanier,  ihre 

T.  Bfinntoli,  Spanien.  9 


130 

frühzeitige  Entwickelung,  erleichtert  das  Lernen  ungemein.  Man 
findet  fast  in  allen  Elementar -Schulen  Kinder  von  3  —  4  Jahren, 
welche  lesen,  auch  mitunter  schon  sclireiben  können.  Alle  Kin- 
der, welche  in  Fabriken  arbeiten,  erhalten  daneben  Schulunter- 
richt. Die  Soldaten  besuchen  aus  freiem  Antriebe  die  ünter- 
oflfizier- Schulen,  um  das  in  der  Jugend  Verabsäumte  nachzu- 
holen. Unter  den  Lehrern  findet  man  allerdings ,  besonders  in 
kleinen  Städten  und  Dörfern,  noch  manche,  welche  geringe  Bil- 
dung besitzen;  allein  man  erwäge,  dass  das  jetzt  eingeffihrte  Un- 
terrichtswesen noch  jung  ist,  und  man  ihm  Zeit  lassen  muss  zur 
weiteren  Ausbildung,  wie  sie  nicht  ausbleiben  wird.  Die  jetzige 
Regierung,  welcher  Niemand  den  wohlverdienten  Beifall  für 
ihre  Anstrengungen  versagen  darf,  kann  Niemand  fiir  die  Unter- 

• 

lassung  ihrer  Vorgänger  verantwortlich  machen;  und  was  die 
Schullehrer  anbetrifft,  so  leisten  sie  im  Allgemeinen,  trotz  ihrer 
geringen  Besoldungen,  Tüchtiges,  imd  widmen  sich  ihrem  Be- 
rufe mit  Freudigkeit  und  Hingebung.  Ich  habe  bei  meinen  häu- 
figen Besuchen  der  Schulen,  deren  ich  in  fast  allen  Provinzen 
einige  kennen  gelernt,  mitunter  ausserordentlich  begabte  und 
talentvolle  Lehrer,  und  Musterschulen  im  eigentlichsten  Sinne 
des  Wortes  genommen,  angetroffen.  Nicht  minder  habe  ich  bei 
den  Universitäts-Prüfimgen,  denen  ich  in  der  Residenz  imd  in 
den  Provinzen  beigewohnt,  glänzende  Proben  gründlichen  Un- 
terrichts imd  tüchtigen  Wissens  gesammelt. 

Was  die  Zahl  der  Schulen  und  schulbesuchenden  Kinder  in 
Spanien  anbetrifft,  so  gebe  ich  darüber  die  nachstehenden  stati- 
stischen Notizen;  deren  Richtigkeit  in  den  einzelnen  Zahlen  nicht 
verbürgt  werden  kann ;  deren  Richtigkeit  im  Wesentlichen  ich 
jedoch  nicht  bezweifle,  da  sie  tlieils  aus  amtlichen  Quellen,  Üieils 
aus  Notizen  von  Personen  zusammengestellt  sind,  welche  von 
der  Absicht  ausgingen ,  olme  Uebertreibung  das  wirkliche  Sach- 
verhältniss  zu  erfahren  und  wieder  zu  geben. 

Im  Jahre  1832  bestanden  in  ganz  Spanien,  inclusive  der 
schwach  besuchten  geistlichen  CoUegien,  Seminarien  und  lateini- 
schen Schulen,  700  Unterrichts -Anstalten,  welche  im  Jahre  1839 


131 

bis  auf  900  gestiegen  waren.  Am  Jahresschlüsse  1851  befanden 
sieh  in  Spanien,  Dank  der  jetzigen  Regierung, 

10  Universitäten, 

10  Normal- Schulen  höheren  Ranges, 
23  Normal-Elementarschulen  auf  Staatskosten, 
17,009  Knaben-Schulen,  besucht  von  626,882  Schülern, 
5,021  Mädchen-Schulen,      »  »    201,200  Schülerinnen, 

287  Kinder-Bewahranstalten  »    »    11,100  Kindern. 

Summa  839,182  Kinder. 

Lesen  können  in  Spanien  1,898,288, 
schreiben   »      »         »       1,221,001  Individuen. 

Man  kann,  was  das  Unterrichtswesen  imd  die  daraus  her- 
vorgehenden Resultate  anbetrifflt,  den  Maasstab,  den  man  an 
Deutschland,  England  xmd  Frankreich  zu  legen  berechtigt  ist, 
nicht  ohne  Weiteres  auf  Spanien  übertragen.  Die  gegebenen 
Verhältnisse  sind  zu  verschiedenartig;  die  wissenschaftliche  Ent^ 
i^ickelung,  die  geistige  Anschauung  und  Auffassung  waren  in 
Spanien  lange  Zeit  eine  geistig  unfreie,  eine  nach  bestimm- 
ter Richtung  vorgeschriebene,  einseitige;  es  ist  also  ein  Zeit- 
abschnitt erforderlich,  damit  auch  dort  ein  gewisser  Gährungs- 
prozess  abgewartet  werde  und  eine  selbststandige  Richtung 
sich  geltend  mache.  Man  muss  der  Regierung  das  Zeugniss 
geben,  dass  sie  dabei  mit  grosser  Umsicht  zu  Werke  geht,  dass 
sie  mit  Aufinerksamkeit  die  Schulzucht  im  Auge  behält;  dass 
sie  mit  grosser  Vorsicht  die  Lehrbücher  prüft,  und  wacht^  dass 
sie  die  Grundlage  fiir  die  Vorträge  der  Professoren  bilden;  dass 
sie  mit  grosser  Munificenz  die  physikalischen  Cabinete  ausstattet 
und  das  Studium  der  Naturwissenschaften  fördert,  deshalb  für 
botanische  Gärten,  Naturahen-Sammlimgen,  fSr  Bücher  und  gute 
Vorbilder  sorgt  Ob  es  weise  ist,  sich  fast  in  allen  Punkten 
streng  dem  Französischen  Unterrichtswesen  anzuschliessen,  da 
doch  der  Charakter  beider  Nationalitäten  so  wesentlich  verschie- 
den ist,  überlasse  ich  der  Beurtheilung  Anderer.  Die  grosse  Ver- 
schiedenheit in  dem  Unteiiichtsgange  in  Spanien  und  Deutsch- 

9" 


132 

land  lässt  eine  Vergleichimg  der  UniversitSten  beider  Länder 
eben  so  wenig  zu ,  als  eine  Vergleichung  des  wissenschaftlichen 
Standpunktes  der  Deutschen  und  Spanischen  Studenten. 

Die  durchgreifende  Reform  des  Schulunterrichts  in  Spanien 
datirt  aus  dem  Jahre  1845.  Die  Wichtigkeit  und  Dringlichkeit 
des  Gegenstandes,  der  Wunsch  das  Verabsäumte  nachzuholen, 
und  die  Ungleichartigkeit  der  zur  Ausfährung  des  grossartigen 
Planes  erforderlichen  Kräfte  Hessen  Schwierigkeiten,  Miss  Ver- 
ständnisse ,  Inconsequenzen  und  Missbräuehe  unvermeidhch  er- 
scheinen. So  stellte  sich  denn  schon  im  Jahre  1850  die  Noth- 
wendigkeit  heraus,  den  bis  dahin  beobachteten  Studienplan 
wesentlich  umzuarbeiten. 

Da  es  mir  bei  der  Darstellung  der  Verhältnisse  dieses  Lan- 
des ganz  besonders  darauf  ankommt,  den  Leser  in  die  Lage  zu 
versetzen,  bei  der  Beurtheilung  der  neueren  Institutionen  den 
Standpunkt  und  die  Beweggründe  der  Spanischen  Regierung 
dabei  kennen  zu  lernen  und  im  Auge  zu  behalten,  so  wiU  ich  der 
Mittheilung  des  Studienplanes  vom  8  August  1850  die  Inmiediat- 
VorsteUung  voranschicken,  welche  der  Unterrichts -Minister  an 
die  Königin  richtete,  um  seinen  Antrag  zu  motiviren  und  die 
Allerhöchste  Genehmigimg  seiner  Vorschläge  zu  erbitten.  Das 
Memoire  lautet: 

Sennora!  Mächtig  ist  die  Wirkung,  welche  der  öffentliche 
Unterricht  in  diesen  wenigen  Jahren  verursacht  hat.  Die  angemes- 
senen Verfügungen,  welche  in  dieser  Hinsicht  getroffen  sind,  haben 
unzweifelhaft  treffliche  und  reiche  Früchte  getragen,  deren  Wich- 
tigkeit E.  M.  Regierimg  zu  würdigen  weiss,  und  in  deren  Erwäh- 
nung der  unterzeichnete  Minister  seinen  Vorgängern  die  gebüh- 
rende Anerkennung  zoUt.  Gewiss  war  nicht  der  einzige  oder  der 
Hauptzweck  der  bisher  veröffentlichten  Studienpläne  die  Rege- 
lung und  Erweiterung  der  Kenntnisse  derjenigen,  welche  sich  den 
Studien  widmen,  indem  ihnen  alles  das  gewährt  wurde,  was  zu 
ihren  wissenschaftlichen  und  literarischen  Bestrebungen  nothwendig 
war.  Ein  anderes  höher  stehendes  Ziel  haben  noch  diese  Pläne, 
welches  durch  eine  drängende  Nothwendigkeit  uns  nahe  gerückt 
war:  die  Heranbildung  von  Professoren  für  die  verschiedenen 
Zweige  des  Wissens,  und  geschickt,  allen  Anforderungen  zu  ge- 
nügen, welche  der  öffentliche  Unterricht  erheischt. 


133 

Und  dieser  gab  es  viele  und  giebt  es  noch!  Umstände,  welche 
in  Erinnerung  zu  bringen  überflüssig  sein  würde,  hatten  unsere 
Schulen  auf  so  enge  Grenzen  beschränkt,  dass  die  früher  mit  sol- 
chem Erfolge  erreichte  wissenschaftüche  Bildimg  in  sichtlichen  Ver- 
fall gerieth,  und  diejenigen  Kenntnisse,  welche  der  heutige  allge- 
meine Bildungsgrad  erheischt,  entweder  gar  nicht  oder  nur  priva- 
tim geübt  wurden,  ohne  Elemente  und  Hülfsmittel,  und  häufig  der 
Verfolgung  Preis  gegeben.  Von  der  Philosophie  wurden  kaum  einige 
Zweige  gelehrt,  und  die  sogenannten  höheren  Facultäten  hatten  sich 
auf  einen  so  kleinen  Kreis  beschränkt^  dass  sie  weder  dem  wissen- 
schaftlichen Standpunkte  des  Jahrhunderts  noch  dessen  intellectuel- 
len  Bediirfiiissen  entsprechen  konnten.  Gering  waren  die  besonderen 
Stadien  bis  zu  solchem  Grade,  dass  ihr  Mangel  den  nachtheiligsten 
Einfluss  auf  das  Gemeinwohl  ausübte;  ein  Unglück,  das  wir  noch 
empfinden,  und  dessen  Folgen  wir  noch  lange  zu  tragen  haben 
werden. 

Aber  erfahren  Sie,  Sennora,  dass,  Dank  der  Vorsehung,  welche 
Ihre  Unterthanen  mit  reichen  Talenten  begabt  hat,  die  Saat,  welche 
kaum  gesäet  ist;  bereits  reichliche  und  gesegnete  Früchte  getragen 
hat.  Diesen  haben  wir  es  zu  verdanken,  dass  die  Pläne  und  Re- 
formen des  öffentlichen  Unterrichtes  ausserordenthche  Wirkungen 
hervorgebracht  haben,  indem  sich  eine  fleissige  und  unterrichtete  Ju- 
gend bildet,  eine  kostbare  Pflanzschule,  aus  der  sich  grosser  Nutzen 
ziehen  kann  und  wird.  Inzwischen  befanden  sich  Eure  Majestät, 
als  Sie  solche  Reformen  unternahmen,  ohne  Quellen  und  Mittel,  um 
Ihre  Zwecke  vollkommen  zu  erreichen.  Diese  Jugend  war  nicht 
ausreichend  vorbereitet  um  den  höheren  Unterricht  mit  Nutzen  zu 
empfangen,  und  musste  diesen  Mangel  nothwendigerweise  empfinden. 
Denn  in  Wahrheit,  Sennora,  wenn  der  öffentliche  Unterricht  sich 
in  Verfall  befand,  so  war  die  Erziehung,  die  eigentliche  Grundlage 
alles  Wissens,  vollständig  vernachlässigt.  Der  höhere  Unterricht, 
welcher  den  Menschen  zum  Eintritt  in  die  Welt  vorbereitet,  der 
bis  dahin  nur  in  den  nothwendigen  Elementen  unterwiesen  "war,  um 
zu  wissen,  was  wir  sind,  und  was  wir  Einer  dem  Andern  schulden; 
den  Nutzen,  den  uns  die  äusseren  Gegenstände  gewähren  können ;  und 
was  die  Cultur  sonst  noch  an  Wissenswerthem  für  die  gebildete 
Gesellschaft  aufstellt  —  dieser  Unterricht,  sage  ich,  war  vollkom- 
men vernachlässigt.  Von  dem  ersten  Unterricht  ging  man  zu  dem 
höheren  über  ohne  gründlichere  Vorbereitung  als  durch  das  ober- 
flächliche und  mangelhaft  geleitete  Studium  der  lateinischen  Sprache, 
kaum  ausreichend  um  den  Text  einiger  Studien-Programme  zu  ver- 
stehen. 

Dies  war  das  grosse  Werk,  welches  die  letzten  Reformen  unter- 
nahmen,  ein  Werk,  welches  dessenungeachtet  Gegenstand  unver^ 


134 

dienter  Angriffe,  unbegründeter  Kritiken  und  hartnäckigen  Wider- 
standes gerade  von  jener  Seite  her  geworden  ist,  von  wo  man  am 
meisten  zu  seinem  Zustandekommen  hätte  beitragen  sollen;  ein 
Schicksal,  das  allen  grossen  Reformen  in  Wahrheit  gemein  ist. 
Aber  der  erhabene  Geist  Eurer  Majestät  wird  sich  über  so  zahl- 
reiche Hindernisse  hinweg  zu  setzen  und  endlich  über  Alle  zu  trium- 
phiren  wissen;  sicher,  dass  ein  entsprechendes  Resultat  die  Mühe 
und  Anstrengung,  die  Cultur  Ihrer  Unterthanen  zu  fördern,  lohnen 
wird.  Alte  vorgefasste  Meinungen  einer-,  eingewurzelte  Gebräuche 
andererseits,  und  der  Mangel  an  Mitteln  um  diesen  Unterricht 
unter  allen  Bedingungen  zu  verallgemeinern,  haben  ohne  Zweifel 
dazu  beigetragen,  die  ungünstigen  Vorurtheile  zu  nähren,  die  man 
von  Anfang  an  zu  begründen  sich  bestrebte. 

Die  vielfachen  Inconvenienzen  haben  Eurer  Majestät  Regierung 
veranlasst,  alle  diese  Reformen  vermittelst  Königlicher  Decrete  an- 
zuordnen, ohne  sie  einem  Gesetz  zu  unterwerfen,  mögen  die  Mei- 
nungen der  Inhaber  der  Macht  gewesen  sein,  welche  sie  immer 
wollten.  Und  es  konnte  nicht  anders  sein.  Die  Lage  des  Landes 
erlaubte  weder  damals  noch  jetzt  einen  definitiven  Studienplan; 
es  war  nur  möglich,  ein  transi torisches  System  von  successiven 
Verbesserungen  und  einer  langsam  aber  sicher  fortschreitenden  £nt- 
wickelung  aller  Elemente  des  Wissens  zu  adoptiren.  Ein  Gesetz, 
welches  den  Unterricht  regelte,  da  es  nothwendig  und  vollständig 
sein  musste,  aus  Mangel  an  Mitteln,  um  es  mit  allen  jenen  Bedin- 
gungen zu  bilden,  welche  solche  Gesetze  verlangen,  wäre  ein  Hin- 
derniss  gewesen,  um  auf  jenem  Wege  der  beständigen  Vervoll- 
kommnung weiter  zu  schreiten,  den  wir  nothgedrungen  jetzt  ein- 
schlagen müssen,  da  die  Gesetze  unzweifelliaft  einen  Character  der 
StabiUtät  haben  müssen,  um  aus  dem  entmuthigenden  Zustande  des 
gefährlichen  Schwankens  heraus  zu  treten. 

Andererseits,  seitdem  die  gründliche  Reform  von  1845  eingetre- 
ten, hat  man  an  den  Fundamental -Basen  fast  nicht  zu  rühren  ge- 
habt. Sie  sind  allein  Gegenstand  des  Gesetzes,  und  dem  Gouver- 
nement muss  immer  die  Leitung  des  sicheren  Fortschrittes  des 
Unterrichts  bleiben,  welcher  natürlich  der  intellectuellen  Entwkdce- 
lung  der  Welt  folgen  muss. 

Das  vorstehend  Gesagte,  Sennora,  genügt,  um  zu  beweisen,  dass 
der  unterzeichnete  Minister  die  Reform  des  Studienplanes  Eurer 
Majestö.t  aus  anderen  Gründen  vorlegt,  als  weil  er  glaubt,  dass  der- 
selbe in  seinen  Fundamenten  schwach  sei  tmd  einer  Reform  bedürfe. 
Er  thut  es,  weil  einmal  veröffentlicht,  ähnlich  wie  die  Pläne  von 
1847  und  1845,  in  Verbindung  mit  den  zur  Begründung  des  Unter- 
richts vorhandenen  Elementen,  er  sich  hierauf  beschränken  müsste, 
der  Zeit  diejenigen  Resultate  überiassend,  aus  welchen  die  Regierang 


135 

Nutzen  ziehen  sollte.  Diese  Zeit  ist  da,  und  es  wird  gut  und  pas- 
send sein,  dass  man  der  Erziehung  einen  anderen  Impuls  gebe,  um 
festen  Fusses  auf  dem  Wege  der  Entwickelung  fortschreiten  zu 
können. 

Für  den  Augenblick  können  wenige  Fortschritte  in  dem  höhe- 
ren Unterrichte  erwartet  werden.  Da  dieser  die  Ergänzung  des 
Elementar -Unterrichtes  bildet,  und  die  jungen  Leute  dadurch  ihre 
Erziehung  vollenden,  lebende  und  todte  Idiome  studiren,  eine  wenn 
auch  nur  allgemeine  Kenntniss  von  ge^vissen  Zweigen  des  Wissens 
erwerben  sollen,  nothwendig  um  in  der  Welt  aufzutreten,  frei  von 
allgemein  verbreiteten  Vorurtheilen  und  Irrthümern,  so  bereitet  er 
nicht  allein  zum  tiefen  wissenschaftlichen  Studium  vor,  sondern  er 
befähigt  ihn  zu  einer  höheren  allgemeinen  oder  speciellen  wissen- 
schafthchen,  künstlerischen  oder  socialen  Bildung.  Die  Griechische 
Sprache  musste  eine  der  Basen  dieses  Unterrichtes  sein;  denn 
ausserdem  dass  sie  die  Bahn  eröfihet,  um  aus  den  reinsten  Quellen 
der  Literatur  zu  schöpfen,  imendlich  ergiebig  für  das  positive  Wis- 
sen und  für  die  Erholung,  so  haben  aus  ihr  die  Wissenschaften  ihre 
technischen  Ausdrücke  entlehnt  und  durch  ihr  Studium  die  Kennt- 
niss der  verborgensten  Geheimnisse  des  Wissens  erleichtert.  Allein 
unglücklicher  Weise  ist  bei  uns  das  System  eines  gleichzei- 
tigen Unterrichts  im  Lateinischen  und  Griechischen 
nicht  ardoptirt,  weil,  um  das  Studium  dieser  letzteren  Sprache 
Biit  dem  erforderlichen  Nachdruck  zu  treiben,  jenem  Unterricht  ein 
bedeutend  mehr  ausgedehnter  Zeitraum  gesetzt  werden  müsste  — 
was  wiederum  weitläuftige  Einrichtungen  und  Uebelstande  herbei- 
fuhren würde.  Da  es  nun  erforderhch  scheint,  hierfür  bestimmte 
Anordnungen  vorzubereiten,  so  ist  der  Minister  im  Begriff,  diese 
Einleitungen  zu  treffen.  Einige  Reformen  müssen  sofort  ins  Leben 
treten,  und  zwar  solche,  diese  Erziehung  den  religiösen  Grundsätzen 
einzuverleiben,  das  Studiiun  des  Lateinischen  mehr  zu  fördern,  und 
das  übrige  Wissen  auf  solche  Weise  zu  regeln,  dass  dadurch  Zeit 
gewonnen  und  der  Fortschritt  gesichert  wird.  Da  nun  der  Plan 
nichts  mehr  ist  als  die  Zusammenstellung  der  Fundamental -Basen 
des  Unterrichts,  so  wird  sich  dadurch  der  Grundgedanke  leicht  er- 
kennen lassen,  welcher  dabei  vorgeherrscht  hat  und  welcher  sich 
in  dem  Reglement  und  Programm  selbst  näher  entwickeln  wird. 

In  Betreff  der  Facultäten  schienen  einige  durchgreifende  Refor- 
men unerlässlich.  Die  Trennung  der  Literatur  von  der  speculativen 
Philosophie  oder  den  psychologischen  Wissenschaften  bewirkt  nach 
der  Ansicht  des  Ministers  eine  schwierige  Scheidung  des  Wissens 
und  des  Ausdrucks,  der  Wissenschaft  und  des  Vortrages.  Diese 
beiden  Zweige  sollen,  wie  dies  schon  1845  bestimmt  war,  jederzeit, 
unter  allen  Umständen  vereinigt  bleiben,  weil  beide  ein  und  dasselbe 


136 

Studium  erfordern.  Die  Literatur,  die  nicht  auf  Ideen,  auf  Philoso- 
phie im  engeren  Sinne,  begründet,  ist  eine  falsche  Literatur,  welche 
erhabener  Gedanken  und  der  Inspiration  des  Verstandes  entbehrt, 
und  deshalb  das  Schöne  nicht  zu  fassen  im  Stande  ist.  Die  Litera- 
tur als  Facultät  kann  nicht,  von  der  Philosophie  getrennt,  einen 
eigenen  Weg  einschlagen;  als  Nebenstudium  und  zur  Bildung  der 
Sprache  muss  sie  mit  anderen  Facultäten,  und  namentlich  mit  den- 
jenigen zugleich  studiert  werden,  welche  die  Ausbildung  solcher  In- 
dividuen bezwecken,  die  in  ihrem  Berufsleben  der  Rede  mächtig 
sein  müssen. 

Den  physicalisch- mathematischen  und  den  Naturwissenschaften 
musste  eine  grössere  Ausdehnung  gegeben  werden,  nicht  allein  um 
in  dem  Unterrichte  alles  dasjenige  mit  aufzunehmen,  was  diese  wich- 
tigen Zweige  des  Wissens  Interessantes  enthalten,  sondern  auch 
weil  dadurch  die  Fortschritte  in  der  Industrie  mit  bedingt  sind, 
welche  niemals  von  der  Wissenschaft  getrennt  bestehen  kann. 
Ausserdem  ist  es  nothw endig,  Lehrer  für  solche  Zweige  auszubil- 
den, welche  als  die  Grundlage  des  industriellen  Unterrichts,  mit 
dem  sich  die  Regierung  so  ernstlich  beschäftigt,  zu  betrachten  sind. 

Es  ward  eine  notorische  Nothwendigkeit,  dass  auch  andere 
Zweige  des  Wissens  gelehrt  würden  in  den  Schulen  als  Anfang  der 
academischen  Laufbahn,  wegen  ihrer  Bedeutung,  Erhabenheit  und 
Wichtigkeit.  Ich  spreche  von  der  Verwaltung.  Wenn  ein  Privat- 
mann, so  oft  er  der  Unterstützung  Anderer  bedarf,  damit  beginnt 
sich  über  seine  eigene  Fähigkeit  zu  unterrichten,  so  ist  es  gewiss 
eine  Anomalie,  wenn  der  Staat,  dessen  Sorgen  viel  bedeutungsvoller 
und  vorübergehend  sind,  sich  nicht  über  die  Befähigung  seiner 
Beamten  eine  Bürgschaft  sichert,  indem  er  ihnen  die  Möglichkeit 
gewährt,  diejenigen  Kenntnisse  zu  erlangen,  die  ihnen  ohne  seine 
Sorge  verschlossen  bleiben  würden.  Zweckmässig  und  nothwendig 
war  es  daher,  dass  das  Gouvernement  sich  damit  beschäftigte,  Be- 
lehrung für  die  verschiedenen  Fächer  der  öflFentHchen  Verwaltung 
zu  schaffen,  und  dieser  Nothwendigkeit  ist  auch  in  dem  neuen  Plane 
Rechnung  getragen  worden.  Es  ist  möglich,  dass  man  gegen  des- 
sen Einzelnheiten  den  Einwand  aufstellt,  dass  dadurch  nur  ein  wis- 
senschaftliches Fach  der  Administration  geschaffen  werde,  um  damit 
die  verschiedenen  Zweige  zu  unterstützen,  gleichsam  als  ob  fiir  alle 
einzelnen  die  Kenntnisse  nothwendig  wären,  die  gelehrt  werden  sol- 
len. Dieser  Einwand  indessen  lässt  sich  leicht  beseitigen.  Die  Ver- 
waltung, wissenschaftlich  betrachtet,  ist  eben  nur  ein  bestimmter 
Begriff,  der  auch  nur  derselbe  sein  und  bleiben  kann.  Wie  alle 
Fächer,  begreift  sie  eine  Mannigfaltigkeit  von  Kenntnissen,  welche 
gerade  nicht  sämmtlich  unentbehrhch  sind  fior  einen  einzelnen  oder 
bestimmten  Posten.     Dem  Gouvernement  liegt  es  ob,  die  Studien 


137 

za  regeln,  das  Nothwendige  auszuwählen  und  zu  bestimmen,  damit 
in  der  Facultöt  das  Erforderliche  unterrichtet  werde,  um  die  Stu- 
dien jener  Individuen  zu  ordnen,  welche  dereinst  alle  administrati- 
ven Kenntnisse  in  sich  vereinigen  sollen.  Zu  den  organischen  Ge- 
setzen gehört  die  Feststellung  derjenigen  Studien,  welche  jede  Lauf- 
bahn zu  vollenden  hat,  um  für  jedes  Amt  in  den  verschiedenen 
Verwaltungszweigen  vorbereitet  zu  sein. 

Auch  in  anderen  Facultäten  werden  einzelne  Reformen  unver- 
meidlich sein,  theils  um  den  Studien -Plan  näher  zu  motiviren  und 
die  Reihenfolge  in  logischer  Ordnung  festzustellen,  theils  um  deih 
Nützlicheren  grössere  Geltung  zu  verschaffen,  um  es  mit  dem  Prak- 
tischen mehr  in  Einklang  zu  bringen,  das  letztere  in  den  plüloso- 
phischen  Basen  erweiternd;  darin  bestand  die  Aufgabe,  zu  deren 
Lösung  es  der  Beobachtung  und  Erfahrung  bedurfte. 

Noch  aber  blieb  ein  weites  Feld  offen,  eben  so  unermesslich 
als  ergiebig.  Unglücklicherweise,  Sennora,  sind  diese  Studien  am 
meisten  vernachlässigt  worden.  Wenige  Zweige  derselben  wurden 
getrieben,  und  doch  wuchs  die  Nothwendigkeit  von  Tag  zu  Tag, 
besonders  was  jene  Zweige  anbetrifft,  ohne  welche  die  Industrie 
sich  nicht  entwickeln  kann  noch  an  Wachsthum  zunehmen.  Um 
sie  zu  sichern,  stiess  man  jedoch  auf  erhebUche  Schwierigkeiten, 
und  es  war  der  Mangel  an  Talenten  und  Mitteln  keine  der  gering- 
sten« Li  Ländern,  welche  schon  weiter  vorgeschritten  sind,  als  dies 
bei  uns  der  Fall,  hat  man  diese  Studien  auf  sehr  zweckmässige 
Weise  vereinigt,  indem  man  alle  Elemente  der  öffentlichen  höheren 
Schulen  benutzte,  und  die  Kosten  demgemäss  berechnete,  und  da- 
durch die  Lehrstühle  für  die  einzelnen  Verwaltungszweige  ver- 
mehrte. Um  dasselbe  zu  erreichen,  hat  man  den  höheren  Unter- 
richt auf  solche  Weise  geregelt,  dass  seine  Benutzung  den  Studien, 
oder  mindestens  einem  Theile  derselben,  als  Basis  dienen  oder  mit 
letzteren  vereinigt  werden  könne. 

Hierauf  müsste  in  Spanien  ganz  besondere  Aufmerksamkeit  ver- 
wendet werden,  und  dahinaus  ging  auch  die  Absicht  des  Ministers, 
der  die  Ehre  hat  sich  an  Eure  Majestät  zu  wenden.  Zu  diesem 
Behuf  werden  die  Normal- Schulen  für  den  Provinzial- Unterricht 
organisirt.  Li  derselben  Absicht  wurde  die  Normal- Schule  für  die 
schönen  Künste  errichtet,  indem  der  Unterricht  wesentlich  auf  künst- 
lerische und  industrielle  Zwecke  gerichtet  wurde.  Zuletzt  wurde, 
nach  Abänderung  des  Planes  für  den  höheren  Unterricht,  damit  die 
Organisation  der  Listitute  auf  solche  Weise  combinirt,  dass  sie  zu- 
gleich als  Special- Schulen  dienen,  wozu  sie,  unter  Ueberweisung 
der  dazu  erforderlichen  Mittel,  ursprünglich  bestimmt  waren.  So 
vermag  denn  gegenwärtig  der  Minister  Eurer  Majestät  die  Gründung 
einiger   solcher   nothwendigen  Schulen  in  Vorschlag  zu  bringen, 


138 

deren  Projecte  bereits  entworfen  sind  und  sogleich  Eurer  Majestät 
vorgelegt  werden  können. 

Wenn  die  Special- Studien  in  Ausfuhrung  gebracht  und  mit  den 
academischen  Studien  in  Einklang  gebracht  sein  werden,  dürfte  es 
nicht  allein  nicht  unangemessen,  sondern  vielmehr  sehr  zweckmässig 
sein,  dass  ein  allgemeines  Gesetz  erlassen  werde,  wonach  die  Studien- 
Pläne  im  Gesammt- Königreiche  auf  eine  würdige,  dem  intellectuel- 
len  Bedürfiiisse  des  Landes  entsprechend  übereinstimmende  Weise 
aufgestellt  werden  müssten. 

Da  dies  fiir  den  Augenblick  nicht  ausführbar  ist,  so  achtet  der 
Minister  das  Bestehende,  was  Gegenstand  eines  neuen  Gesetzes  sein 
muss,  und  beschränkt  sich  auf  eine  durch  die  Erfeihrung  gerecht- 
fertigte Reform,  welche  ihm  die  Erreichung  seines  Zweckes  erleich- 
tem wird.  Indessen^  da  es  in  Sachen  des  öffentlichen  Unterrichts 
nichts  giebt,  das  nicht  in  seinen  Folgen  von  Bedeutung  wäre,  so 
hat  der  Minister  die  Gutachten  erfahrener  Männer  von  Fach  erfor- 
dert, und  die  Vorschläge  von  achtungswerthen  Corporationen  und 
den  Rath  des  Conseils  für  den  öffentlichen  Unterricht  erbeten, 
welche  übereinstimmend  dasjenige  Project  gebilligt  haben,  welches 
der  Unterzeichnete,  gemeinschaftlich  mit  dem  Minister -Rath,  die 
Ehre  hat  Eurer  Majestät  zur  Königlichen  Genehmigung  ehrfurchts- 
voll vorzulegen. 

Madrid,  den  28  August  1850. 

Manuel  de  Seijas  Lozano. 


Allerhöchsten  Orts  genehmigter  Studien  -  Plan. 

Erster  Abschnitt. 
Von  den  verschiedenen  Classen  des  Unterrichtes. 

Titel  I. 
Eintheilung  des  öffentlichen  Unterrichtes. 

Art.  1.     Der   öffentliche  Unterricht  begreift  vier  Classen  des 
Unterrichts,  und  zwar: 
Elementar -Unterricht  (Instruccion  primaria). 
Höheren  Unterricht  (Estudios  de  segunda  enseüanza). 
Academischen  Unterricht  (Estudios  de  facultad). 
Besondere  Studien  (Estudios  especiales). 


139 

Art.  2.  Der  Elementar -Unterricht  wird  noch  ferner  nach  dem 
vorläufigen  Gesetz  vom  21  Juli  1838  und  denjenigen  ergänzen- 
den Bestimmungen  geleitet,  welche  die  Regierung  später  veröffent- 
licht hat. 

Art,  3.  Der  höhere  Unterricht  ist  die  Fortsetzung  des  been- 
deten Elementar -Unterrichtes;  er  dient  als  Vorbereitung  für  die 
academischen  oder  fiir  besondere  Studien. 

Art.  4.  Die  academischen  Studien  umfieussen  eine  vorgeschrie- 
bene Reihenfolge  von  unentbehrhchen  Kenntnissen,  welche  für  eine 
gewisse  dienstliche  Laufbahn  oder  für  bestimmte  gewerbliche  Ge- 
schäfte dienen,  die  als  Vorbereitung  zur  Erlangung  der  academischen 
Würden  absolvirt  werden  müssen. 

Art.  5.  Besondere  Studien  nennt  man  solche,  welche  zu 
einer  dienstlichen  Berufsthätigkeit  oder  zu  einem  Gewerbe  noth- 
wendig  sind,  deren  Ausübung  nicht  an  academische  Grade  ge- 
knüpft ist. 

Titel  n. 
Von   dem  höheren  Unterricht. 

Art.  6.  Um  den  höheren  Unterricht  beginnen  zu  können,  muss 
man  das  zehnte  Lebensjahr  vollendet  haben. 

Art.  7.  Dieser  Unterricht  dauert  fünf  Jahre  und  umfasst  fol- 
gende Gegenstände:  Religion  und  Moral  —  Spanische  Sprache  — 
Lateinische  Sprache  —  Rhetorik  und  Dichtkunst  mit  Uebersetzung 
und  Composition  —  Elemente  der  Geschichte  und  Geographie  — 
Elemente  der  Mathematik  —  Elemente  der  Psychologie  und  Logik 
—  Elemente  der  Physik  und  Chemie  —  Naturgeschichte  —  lebende 
Sprachen,  als  freiwilliges  Studium. 

Art.  8.  In  demselben  Verhältnisse,  als  sich  die  Unterrichts- 
Methoden  verbessern,  werden  sich  auch  die  Materien,  welehe 
zu  jenen  Studien  gehören,  vermehren,  bis  dass  die  Griechische 
Sprache  und  andere  Wissenschaften  allen  academischen  Studien, 
als  ein  zur  vollständigen  Bildung  unerlässlicher  Theil,  einverleibt 
werden. 

Titel  m. 
Von  den  academischen  Studien. 

Capitel  I. 
Von  den  Facultäten  im  Allgemeinen. 

Art.  9.  Es  giebt  fünf  Facultäten,  und  zwar:  Philosophie  — 
Pharmacie  —  Medicin  —  Jurisprudenz  —  Theologie. 


140 

Art.  10.  Die  Studien  jeder  Facultät  theilen  sich  in  drei  Perio- 
den, welche  drei  academischen  Graden  entsprechen;  diese  Grade 
sind  BachiUer,  Licenciat  und  Doctor. 

Capitel  II. 
Von  der  philosophischen  Facultät. 

Art.  11.  Der  ersten  Periode  der  Studien  der  philosophischen 
Facultät  soll  der  betreffende  höhere  Unterricht  entsprechen.  Wer 
solche  beendet,  kann  die  Würde  eines  BachiUer  erlangen. 

Art.  12.  Für  die  übrigen  Perioden  theilt  sich  die  philosophische 
Facultät  in  folgende  Sectionen:  1)  Literatur,  2)  Verwaltung,  3)  phy- 
sicalisch- mathematische  Wissenschaften,  4)  Naturwissenschaften. 

Art.  13.    In  der  Section  der  Literatur  wird  studiert: 

1.  Für  den  Grad  eines  Licenciaten,  während  eines  vierjährigen 
Studiums:  Griechische  Sprache  und  Literatur  —  allgemeine 
Literatur  —  Lateinische  Literatur  —  Spanische  Literatur  — 
astronomische,  physische  und  politische  Geographie  ~  allge- 
meine Geschichte  —  fernerer  Unterricht  in  der  Philosophie 
und  deren  kurze  Geschichte  —  eine  lebende  Sprache  ausser 
der  Französischen. 

2.  Für  den  Doctor- Grad  in  zwei  Jahren:  Hebräische  und  Ara- 
bische Sprache  —  neuere  fremde  Literatur  —  ausfuhrlicher 
Vortrag  über  Spanische  Literatur  —  Geschichte  der  Philo- 
sophie. 

Art.  14.    In  der  Section  der  Verwaltung  wird  studiert:; 

1.  Für  den  Grad  des  Licenciaten  in  vier  Jahren:  politische  Oeco- 
nomie  —  Statistik  —  astronomische,  physische  und  politische 
Geographie  —  allgemeine  Geschichte  —  öffentUches  Recht, 
Theorie  der  Verwaltung  und  administratives  Recht  —  eine  le- 
bende Sprache  ausser  der  Französischen. 

2.  Für  den  Doctorgrad  in  zwei  Jahren:  Völkerrecht  und  Ge- 
schichte der  Verträge  —  kritische  imd  philosophische  Ge- 
schichte von  Spanien. 

Art.  15.  In  der  Section  der  physisch -mathematischen  Wissen- 
schafben wird  studiert: 

1.  Für  den  Grad  eines  Licenciaten  in  vier  Jahren:  Griechische 
Sprache  —  höhere  Algebra  und  analytische  Geometrie  — 
Differenzial-  imd  Integral -Rechnung  —  Mechanik  —  Fort- 
setzung der  Physik  —  allgemeine  Chemie  —  Fortsetzung  der 
Chemie,  unorganischer  Theil. 

2.  Für  den  Doctorgrad  in  zwei  Jahren:  Fortsetzung  der  Chemie, 
organischer  Theil  —  chemische  Analyse  —  mathematische 
Physik  —  physische  Astronomie  und  Beobachtungen. 

Art.  16.    In  der  Section  der  Naturwissenschafken  wird  studiert: 


141 

1.  Für  den  Grrad  des  Licenciaten  in  drei  Jahren:  Griechische 
Sprache  —  Fortsetzung  in  der  Physik  —  allgemeine  Chemie 
—  ]\Iineralogie  und  Geologie  —  Botanik  —  Zoologie  —  Taxi- 
dermia. 

2.  Für  den  Doctorgrad  in  drei  Jahren:  Organografia  und  Fi- 
siologia  vegetales  —  Fitografia  und  geografia  botanicas  —  ver- 
gleichende Anatomie  —  Zoonomia  und  Zoografia  der  Wirbel- 
thiere  —  Zoografia  der  Nichtwirbelthiere  —  Geologie  und 
Pflanzenkunde  —  Iconografia  botanica  y  zoologica. 

Art.  17.  Nicht  alle  Institute,  wo  philosophische  Facultäten  be- 
stehen, haben  alle  vier  Sectionen,  oder  die  Vereinigung  der  zu  den 
einzelnen  Sectionen  gehörigen  Materien,  sondern  nur  diejenigen, 
welche  den  Provinzial- Bedürfnissen  entsprechen,  oder  als  vorberei- 
tende Studien  für  den  höheren  Unterricht  betrachtet  werden. 

Capitel  III. 
Von  der  Facultät  der  Pharmacie. 

Art.  18.  Um  zum  Studium  der  Pharmacie  zugelassen  zu  wer- 
den, ist  erforderlich: 

1.  Man  muss  zum  Bachiller  der  Philosophie  graduirt  sein. 

2.  Man  muss  mindestens  während  eines  Jahres  noch  folgende 
Studien  getrieben  haben  und  darin  geprüft  sein:  Allgemeine 
Chemie  —  Mineralogie  und  Geologie  —  Botanik  —  Zoologie. 

Art.  19.  Die  pharmaceutische  Laufbahn  umfasst  in  ihren  drei 
Perioden  das  Studium  nachgenannter  Materien: 

1.  Für  den  Grad  des  Bachiller  in  vier  Jaliren:  Anwendung  der 
Mineralogie,  Zoologie  und  Botanik  auf  die  Pharmacie  mit  der 
entsprechenden  pharmaceutischen  Materie  —  Farmacia  qui- 
mico-inorganica  —  Farmacia  quimico-organica. 

2.  Für  den  Grad  des  Licentiaten:  Praxis  der  pharmaceutischen 
Operationen  und  die  allgemeinen  Principien  der  chemischen 
Analyse  in  einem  Jahre  —  zweijährige  Privat -Praxis  in  einem 
Etablissement  oder  Apotheke;  das  erste  Jahr  kann  mit  dem 
Vorhergehenden  vereinigt  werden,  oder  ist  das  fünfte  der 
Laufbahn. 

Dieser  Grad  ermächtigt  zur  Ausübung  der  Apothekerkunst 
im  ganzen  Königreiche,  und  zur  Uebernahme  aller  derjenigen 
Berufsgeschäfte,  welche  nicht  den  Doctorgrad  bedingen. 

3.  Für  den  Doctorgrad  in  drei  Jahren:  Fortsetzung  in  der  Che- 
mie —  chemische  Analyse,  auf  medicinische  Studien  ange- 
wandt —  Bibliographie,  Geschichte  und  Literatur  dieser  Wis- 
senschafken. 


142 


Capitel  IV. 
Von  der  Facultät  der  Medicin. 

Art.  20.  Um  zum  Studium  der  Medicin  zugelassen  zu  werden, 
wird  erfordert: 

1.  Man  muss  als  BachiUer  der  Philosophie  graduirt  sein. 

2.  Man  muss  wenigstens  ein  Jahr  folgende  Materien  in  einer  phi- 
losophischen Facultät  studiert  haben  und  darin  geprüft  sein: 
Allgemeine  Chemie  ~  Mineralogie  und  Geologie  —  Botanik  — 
Zoologie. 

Art.  21.  Die  Laufbahn  der  Medicin  umfiasst  in  ihren  drei  Pe- 
rioden das  Studium  nachfolgender  Materien: 

1.  Für  den  Grad  des  Bachiller  in  fünf  Jahren:  Erweiterte  Phy- 
sik und  Chemie  mit  Bezug  auf  Medicin  —  erweiterte  Natur- 
geschichte mit  Rücksicht  auf  Medicin  —  allgemeine  beschrei- 
bende Anatomie  —  Physiologie  —  allgemeine  Pathologie  — 
Higiene  privada  —  Therapeutik,  Materia  medica  und  Receptir- 
kunst  —  chirurgische  Pathologie  —  chirurgische  Anatomie  — 
Operationen,  äusseres  Heilverfahren  und  Verbandlehre  (aposi- 
tos  y  vendajes)  —  Entbindungslehre  —  Kinder-  und  Frauen- 
Krankheiten  —  Fatologia  medica  —  Clinica  de  patologia  ge- 
neral  —  specielle  chirurgische  Klinik,  erater  Cursus. 

2.  Für  den  Grad  des  Licenciaten  in  zwei  Jahren:  Specielle  chi- 
rurgische Klinik,  zweiter  Cursus  —  Clinica  especial  medica  •— 
Geburtshülfe  und  Kinder-  und  Frauen- Krankheiten  —  Medi- 
cina  legal  —  Toxicologia  —  Higiene  publica  —  Moral  medica. 

Dieser  Grad  berechtigt  zur  ärztlichen  Praxis  im  ganzen 
Königreiche  und  zur  Uebemalime  aller  Berufsgeschäfte,  welche 
nicht  den  Doctorgrad  erheischen. 

3.  Für  den  Doctorgrad  in  zwei  Jahren:  Ausdehnung  der  Lehre 
der  Chemie  —  chemische  Analyse  und  Anwendung  auf  die 
Medicin  —  Bibliographie,  Geschichte  und  Literatur  dieser 
Wissenschaften  —  Higiene  publica,  medicina  forensis  —  las 
cuestiones  medico- legales. 

Art.  22.  Ausser  dem  Unterricht  in  der  Medicin  in  den  Termi- 
nen, wie  sie  der  yorhergefaende  Artikel  angiebt,  besteht  noch  ein 
anderer,  welcher  sich  von  jenem  dadurch  unterscheidet,  dass  er 
mit  Bezug  auf  Theorie  specieller  und  gründlicher  die  Elemente  des 
Unterrichts  behandelt;  dieser  wird  der  der  zweiten  Klasse  genannt. 

Art.  23.  Um  zu  dieser  Laufbahn  zugelassen  zu  werden,  ist  es 
nothwendig  den  Grad  als  Bachiller  der  Philosophie  erlangt  zu 
haben. 

Art.  24.  Die  Studien,  um  den  Titel  eines  Arztes  zweiter  Klasse 
zu  erhalten,  dauern  sechs  Jahre  und  umfassen  folgende  Ma4;erien: 


143 

Allgemeine  Chemie  —  Mineralogie  —  Botanik  —  Zoologie  —  allge- 
meine und  beschreibende  Anatomie  —  Physiologie  —  allgemeine 
Pathologe  und  pathologische  Anatomie  —  Higiene  privada  —  The- 
rapeutica,  materia  medica,  Receptirkunst  —  chirurgische  Pathologie 
und  Anatomie  —  Operationen,  äusseres  Heilverfahren,  Verband- 
lehre —  Entbindungskunst  —  Patologia  medica  —  die  Elemente 
der  medicina  forensis,  toxicologia  imd  higiene  publica  —  chirur- 
gische Klinik  —  Geburts- Klinik  —  Clinica  y  moral  medicas. 

Art.  25.  Der  Titel  eines  Arztes  zweiter  Klasse  berechtigt  zur 
Ausübung  aller  Zweige  der  Heilkunst  im  ganzen  Königreiche,  und 
zur  Bekleidung  aller  Stellen  für  Medicin  und  Chirurgie. 

Die  Aerzte  der  zweiten  Klasse  können  zu  den  academischen 
Graden  in  den  Hospitälern,  Hospicien  und  Wohlthätigkeits- Anstalten 
zugelassen  werden;  aber  sie  können  nicht  in  den  entsprechenden 
Stellen  der  Sanitäts- Behörden  angestellt  sein,  welche  mit  den  Ver- 
waltungs-  und  Justiz -Behörden  amtlich  verkehren,  ohne  graduirte 
Aerzte  zu  sein. 

Art.  26.  Den  Titel  eines  Arztes  zweiter  Klasse  kann  Niemand 
erhalten,  der  seine  Studien  nicht  nach  dem  vorstehenden  Plane  ab- 
solvirt  hat,  und  zwar  genau  in  der  vorgeschriebenen  Weise.  Ausser- 
dem muss  das  22te  Lebensjahr  vollendet  sein. 

Art.  27.  Das  Reglement  giebt  femer  Auskunft,  unter  welchen 
Bedingungen  es  gestattet  ist,  zur  Ader  zu  lassen  und  chirurgische  Ope- 
rationen geringeren  Grades  zu  verrichten.  Die  hierüber  erlassenen 
gesetzlichen  Bestimmungen  werden  besonders  publicirt,  und  ist  es 
vom  1  Januar  1851  nicht  mehr  gestattet,  ärztliche  Privat-Praxis  auf 
Grrund  ärztlicher  Autorisattonen  auszuüben.  Dergleichen  Ermächti- 
gungen können  von  da  ab  nur  durch  die  Regierung  ausgefertigt 
werden.  • 

Capitel  V. 
Von  der  Facult&t  der  Jurisprudenz. 

Art.  28.  Um  zum  Studium  der  Jurisprudenz  zugelassen  zu 
werden,  ist  es  nothwendig: 

1.  Als  BachiUer  der  Philosophie  graduirt  zu  sein. 

2.  Wenigstens  ein  Jahr  lang  in  der  philosophischen  Facultät 
nachstehende  Materien  studiert  zu  haben  und  darin  geprüft 
zu  sein:  Allgemeine  Literatur  —  Lateinische  Literatur  —  Spa- 
nische Literatur  —  die  Philosophie  sammt  einem  Abriss  ihrer 
Geschichte. 

Art  29.    Die  Laufbahn  der  Rechtsgelehrtheit  um&sst  in  ihren 
drei  Perioden  nachstehende  Materien: 
1.   Für   den   Grad   des   Bachillers    in   vier  Jahren:    Griechische 
Sprache  —  Bechts-Encyclopädie  —  Elementar-Gesdbii^te  des 


144 

Römischen  Rechts  —  Institutionen  des  Römischen  Rechts  — 
Geschichte  und  Institutionen  des  Spanischen  Civil -Rechts  — 
Spanisches  Handels -Recht  —  Spanisches  Criminal- Recht  — 
Encyclopädie  der  Elemente  des  allgemeinen  und  besonderen 
Spanischen  Kirchen -Rechts  —  politische  Oeconomie. 

2.  Für  den  Grad  des  Licentiaten  in  drei  Jahren:  Geschichte  und 
allgemeine  Disciplin  der  Kirche  und  besonders  der  Spanischen 

—  öffentUches  Recht,  Theorie  der  Verwaltung  und  des 
Verwaltungs- Rechts  —  Specielleres  Studium  des  Spanischen 
Civil-  und  Criminal- Rechts  —  Theorie  des  gerichtUchen  Pro- 
zesses —  Practica  forense. 

Dieser  Titel  berechtigt  zur  Advocatur  im  ganzen  Reiche. 

3.  Für  den  Doctorgrad  in  einem  Jahre:    Philosophie  des  Rechts 

—  Gesetzgebung  (vergleichende)  —  Völkerrecht  und  Ge- 
schichte der  Verträge. 

Capitel  VI. 
Von  der  Faciiltät  der  Theologie. 

Art.  30.    Um  zum  Studium  der  Theologie  zugelassen  zu  wer- 
den, ist  es  nothwendig: 

1.  Als  Bachiller  der  Philosophie  graduirt  zu  sein. 

2.  Wenigstens  ein  Jahr  hindurch  und  in  einer  philosophischen 
Facultat  folgende  Studien  absolvirt  zu  haben  und  darin  ge- 
prüft zu  sein :  Allgemeine  Literatur  —  Lateinische  Literatur  — 
Spanische  Literatur  —  specielleres  Studium  der  Philosophie 
nebst  einem  Abriss  ihrer  Geschichte. 

Art.  31.    Die  theologische  Laufbahn  umfasst  in  drei  Perioden 
das  Studium  der  nachgenannten  Materien: 

1.  Für  den  Grad  des  Bachiller  in  vier  Jahren:  Die  Fundamente 
der  Religion  —  Lugares  teologicos  —  Institutionen  der  dog- 
matischen Theologie  •—  Moral  und  Pastoral-Theologie  —  Ora- 
toria  sagrada  (Kanzel -Redekimst). 

2.  Für  den  Grad  des  Licenciaten  in  drei  Jahren:  Heilige  Schrift 

—  Hebräische  Sprache  —   Elemente  der  Kirchen- Geschichte 

—  Einleitung  zum  allgemeinen  und  speciellen  Spanischen  Kir- 
chenrecht —  Geschichte  und  allgemeine  Disciplin  der  Kirche, 
insbesondere  der  Spanischen  —  Griechische  Sprache,  erster 
Cursus. 

3.  Für  den  Doctorgrad  in  einem  Jahre:  Bibliografia  sagrada  — 
Historia  Uteraria  de  las  ciencias  eclesiasticas  —  apologeti- 
sche Studien  der  Religion  —  Griechische  Sprache,  zweiter 
Cursus. 


145 


Titel  IV. 
Von  den  besonderen  Studien. 

Art.  32.  Die  besonderen  Stadien  theilen  sich  in  solche,  welche 
für  yerschiedene  Geschäfte  nothwendig  sind,  deren  Ausübung  eine 
Ermächtigung  seitens  der  Regierung  voraussetzt,  und  in  solche, 
welche  zu  ihrer  Ausübung  keiner  Erlaubniss  bedürfen. 

Die  ersteren  sind  der  Befolgung  des  für  jede  Laufbahn  vorge- 
zeichneten  Studienplanes  unterworfen;  die  anderen  können  nach 
dem  Belieben  eines  Jeden  getrieben  werden. 

Art  33.  Durch  Special -Verordnungen  und  Gesetze  wird  be- 
stimmt werden,  welche  Materien  jedes  Special -Studium  umfassen 
soll,  und  welchen  äusseren  Bedingungen  diejenigen  unterworfen  sein 
sollen,  welche  sich  demselben  widmen. 

Art.  34.  Diejenigen  Special-Studien,  welche  augenblicklich  noch 
nicht  geregelt  sind,  sollen,  sobald  es  die  Umstände  irgend  erheischen, 
oder  je  nach  dem  Bedürfiiisse  des  Landes  geordnet  werden. 

Titel  V. 

Von  der  Form,  in  welcher  der  Unterricht  in  den  öffent- 
lichen Instituten  ertheilt  werden  soll. 

Art.  35.  Der  Studienplan  soll  die  Materien,  welche  jeder  Cur- 
8US  umfasst,  und  die  Reihenfolge,  in  welcher  sie  gelehrt  werden, 
feststellen. 

Art.  36.  Wird  eine  Materie  in  zwei  verschiedenen  Cursen  Ge- 
genstand des  Unterrichts,  so  soll  der  Studienplan  bestimmen,  welcher 
Theil  auf  jeden  Cursus  fallt. 

Art.  37.  Der  academische  Unterricht  beginnt  regelmässig  am 
1  October  und  schliesst  am  31  Mai.  Am  folgenden  Tage  beginnen 
die  Prüfungen. 

Einen  Unterschied  machen  die  höheren  Unterrichts -Anstalten 
(de  segunda  enseftanza),  in  welchen  die  Cursus  vom  1  September 
bis  zum  15  Juni  dauern. 

Art.  38.  AUe  Studien -Programme  (asignaturas)  werden,  mit 
Ausschluss  der  im  Reglement  festgestellten,  je  nach  Materien  ge- 
ordnet, in  besonderen  Compendien  erläutert  (se  explicaran  por 
textos). 

Art  39.  Diese  Compendien  (libros  de  texto)  werden  durch  die 
Professoren  (catedraticos)  unter  höherer  Genehmigung,  dem  Studien- 
plane analog,  mit  Berücksichtigung  des  Gesetzes  vom  11  August 
1849  entworfen.  Ob  dieselben  Compendien  alljährlich  dem  Unter- 
richt zum  Grunde  gelegt  werden  sollen,  bestimmt  das  Provinzial- 

T.  MinutoU,  opanien.  1  n 


146 

Schul- CoUegium.  Die  Zahl  der  für  eine  bestimmte  Materie  zu  be- 
nutzenden Compendien  darf  drei  nicht  übersteigen. 

Art.  40.  Die  Compendien  der  Programme  des  Römischen  und 
Canonischen  Rechts  in  der  juristischen  Facultät,  und  diejenigen, 
welche  in  den  vier  ersten  Jahren  des  Studiums  der  Theologie  zum 
Grund  gelegt  werden,  mit  Ausschluss  der  Kanzel -Redekunst,  wer- 
den in  Lateinischer  Sprache  abgefasst. 

Sind  sie  in  dieser  Sprache  nicht  vorhanden,  so  wird  die  Re- 
gierung Sorge  tragen,  dass  sie  übersetzt  werden. 

Art.  41.  Für  den  Unterricht  darf  kein  Compendium  zum  Grund 
gelegt,  oder  in  dem  Vortrage  nichts  aufgenommen  werden,  was 
nicht  in  den  Compendien,  welche  die  Genehmigung  erhalten,  aufge- 
nommen wäre. 

Art.  42.  ISiemand  darf  in  den  folgenden  Cursus  übertreten, 
ohne  vorher  sämmthche  Materien  des  firüheren  Cursus  absolvirt  zu 
haben  und  darin  geprüft  zu  sein.  Ausgenommen  sind  die  Studien 
des  höheren  Unterrichts  (segunda  ensenanza),  in  deren  Reglement 
ausgesprochen  sein  wird,  welche  Disciplinen  für  den  Fall  wiederholt 
werden  sollen,  dass  die  Schüler  in  der  Prüfung  nicht  bestanden 
haben  sollten. 

Art.  43.  Die  Prüfungen  sind  öffentlich,  und  die  Reglements 
werden  die  Art  und  Weise,  in  der  sie  abgehalten  werden  sollen, 
bestimmen. 

Art.  44.  Alles  Combiniren,  Wechseln,  Versprechen  des  Nach- 
holens,  oder  Dispensiren  von  den  Schuljahren  und  Unterricht,  sei 
es  ein  Beweggrund  welcher  er  wolle,  ist  durchaus  unstatthaft.  Die 
General -Direction  des  öffentlichen  Unterrichts  wird  unter  keinen 
Umstanden  derartigen  Anträgen  nachgeben. 

Titel  VI. 
Von  den  academischen  Schulgraden  und  Titeln. 

Art.  45.  Um  die  academischen  Grade  zu  erhalten,  ist  es  noth- 
wendig,  die  im  Plane  bezeichneten  Studien  der  respectiven  Facultät 
absolvirt,  und  in  den  Prüfungen  und  Uebuilgen  wie  sie  vorge- 
schrieben bestanden,  so  wie  die  angesetzten  Kosten  bezahlt  zu 
haben. 

Art.  46.  Der  Grad  des  Bachiller  muss  unter  allen  Umständen 
erlangt  sein,  bevor  man  zu  den  weiteren  Studien  zugelassen  wird, 
gleichwie  man  an  den  vorbereitenden  Doctor- Unterrichtsstunden 
nicht  Theil  nehmen  darf,  wenn  man  nicht  vorher  die  Würde  des 
Licenciaten  erhalten  hat. 

Art.  47.  Um  die  Grade  des  Bachiller  und  Licenciaten  zu  er- 
halten, muss  man  in  den  dazu  erforderlichen  verschiedenea  Cursen 


147 

mindeatens  zwei  Zufriedenheits-Zeugnisse  (notas  de  bueno)  erhalten 
haben.  Ausgenommen  in  der  Pharmacie,  wo  sich  dies  Zeugniss  nur 
auf  den  mündlichen  Cursus  bezieht,  wdcher  den  zwei  Jahren  prak- 
tischer Ausbildung  vorangeht. 

Den  Doctor- Titel  kann  man  nur  erhalten,  wenn  das  Zeugniss 
in  den  dazu  erforderUchen  Cursen  auf  vorzüglich  (sobresaUente) 
lautet. 

Derjenige,  welcher  die  genannten  Bedingungen  nicht  erfüllt, 
muss  ein  ferneres  Jahr  studieren,  um  dasjenige  nachzuholen,  was 
zum  Nachweise  der  Kenntnisse  nothwendig  ist. 

Art.  48.  Nur  auf  denjenigen  Universitäten  werden  die  Grade 
des  Bachiller  und  Licenciaten  ertheilt,  wo  die  betreffende  Facultät, 
fiir  welche  sie  nachgesucht  werden,  vertreten  ist. 

Ausgenommen  ist  der  Bachiller  für  Philosophie,  welcher  Titel 
in  den  Instituten  erster  Klasse  erlangt  und  ertheilt  werden  kann. 

Art.  49.  Der  Doctorgrad  aller  Facultäten  kann  nur  in  Madrid 
erlangt  werden. 

Art.  50.  Die  Investitur  des  Bachiller  geschieht  durch  den  De- 
can;  die  Ausfertigung  des  Titels  durch  den  Rector  der  Universität. 

Art.  51.  Die  Investitur  des  Licenciaten  erfolgt  durch  den  Rec- 
tor der  Universität,  und  der  Titel  wird  durch  die  General-Direction 
des  öffentlichen  Unterrichts  ausgefertigt. 

Art.  52.  Die  Investitur  des  Doctorgrades  geschieht  durch  den 
Minister,  der  dazu  einen  Beamten  der  betreffenden  Verwaltung,  hö- 
herem Range  angehörend,  delegiren  kann.  Der  Act  ist  feierUch  in 
Gegenwart  des  academischen  Senates.  Der  Titel  wird  durch  den 
Minister  ausgefertigt. 

Art  53.  Die  Special -Studien  sind  nicht  an  die  Aufiiahme  ia 
Grade  gebunden,  aber  an  die  Ertheilung  der  FörmUchkeiten,  welche 
zur  Ausübung  gewisser  Geschäfte  seitens  der  Regierung  nothwen- 
dig sind ;  diese  Förmlichkeiten  sind  grossentheils  im  Reglement  ent- 
halten. 

Art.  54.  Wenn  die  im  Auslande  Graduirten  ihre  Titel  auf  die 
Spanischen  Universitäten  übertragen  wollen,  so  haben  sie  den  Nach- 
weis zu  führen,  dass  sie  allen  in  dem  Studienplan  vorgeschriebenen 
Studien  ihrer  Facultät  obgelegen  haben.  Fehlen  Materien  oder 
Stadienjahre,  so  haben  sie  solche  nachzuholen,  und  streng  zu  er- 
füllen was  den  in  Spanien  Studierenden  zur  Pflicht  gemacht  wird. 
JedenfiiUs  hat  der  höchste  Schulrath  in  der  Sache  zu  prüfen  und 
zu  entscheiden. 

Art.  55.  Wenn  junge  Leute  in  den  überseeischen  Provinzen 
die  dort  begonnenen  Studien  auf  den  höheren  Unterrichts-Anstalten 
des  Festlandes  fortzusetzen  und  zu  beschliessen  wünschen,  so  hat 
die  Regierung  über  solche  Zweifel  zu  entscheiden,  welche  wegen 

10' 


148 

der   Ungleichartigkeit    der    beiderseitigen    Schuleinrichtungen   und 
Unterrichts  -  Methoden  entstehen . 

Art.  56.  Eine  zeitweise  oder  dauernde  Aufnahme  (liabilitacion) 
solcher  Ausländer,  welche  ilu^e  Studien  im  Auslande  absolvirt  und 
deren  Ausübung  in  Spanien  nachgesucht  haben  —  bleibt  der  Aller- 
höchsten Genehmigung  vorbehalten.  Jedenfalls  sind  dazu  nach- 
stehende Erfordernisse  nothwendig: 

1.  Der  Nachweis  der  Gültigkeit  der  Titel. 

2.  Der  Nachweis,  dass  die  auszuübende  Kunst  oder  Wissenschaft 
mindestens  schon  seit  sechs  Jahren  von  jenem  Individuum  im 
Auslande  ausgeübt  ward. 

3.  Die  Bezahlung  derjenigen  Summe,  w^elche  den  für  die  Aus- 
übung desselben  Rechtes  in  Spanien  bestimmten  Sätzen  ent- 
sprechend sein  muss. 

Die  Entscheidung  des  obersten  Schulrathes  muss  auch  hierüber 
eingeholt  werden. 

Titel  Vn. 
Von  den  Prämien  und  Belohnungen   der  Schüler. 

Art.  57.  Alle  Jahre  werden  an  diejenigen  Instituts -Schüler 
und  Studenten  Prämien  ausgetheilt,  welche  ein  vorzügliches  Zeug- 
niss  ihres  Fleisses  durch  opoMcion  (Wettstreit)  erhalten  haben. 

Art.  58.  Diese  Prämien  sind  ordentliche  und  ausserordent- 
liche. 

Art.  59.  Die  ordentlichen  bestehen  in  einem  Diplome  und  in 
einem  der  Facultät  entsprechenden  Buche;  sie  werden  Einem  unter 
sechs  der  ausgezeiclmetsten  Schüler  in  jedem  Cursus  ertheilt,  je 
nach  dem  Ausfall  der  Prüfung. 

Art.  60.  Die  ausserordentlichen,  welche  unter  Bachillers  oder 
Licenciaten  vertheilt  werden,  bestehen  in  einem  Titel;  im  zweiten 
Jahre  der  Anatomie :  in  einem  guten  Werke  darüber,  oder  in  einem 
chirurgischen  Besteck  von  500  r.  Werth. 

Art.  61.  Die  ordentlichen  und  ausserordentlichen  Prämien 
werden  im  Cursus  zugleich  vertheilt. 

Art.  62.  Um  ordentliche  oder  ausserordentliche  Prämien  in 
der  Anatomie  zu  erhalten,  muss  in  den  ordentlichen  Prüfungen  das 
Prädicat  «vorzügUch»  erlangt  sein.  Ausserordentliche  Prämien  können 
ausserdem  nur  denen  ertheilt  werden,  welche  als  Bachiller  minde- 
stens in  drei  Cursen,  und  als  Licenciaten  mindestens  in  zwei  Cur- 
sen  das  Prädicat  »vorzüglich»  bei  den  Prüfungen  erhalten  haben. 


149 


Zweiter  Abschnitt. 
Von  den  Unterrichts- Anstalten. 

Titel  L 
Von    den    öffentlichen    Anstalten. 

Capitel  I. 
Von  den  öffentlichen  Anstalten  im  Allgemeinen. 

Art.  63.  OeflFentliche  Unterrichts  -  Anstalten  sind  diejenigen, 
welche  entweder  ganz  oder  theilweise  aus  Fonds  oder  dem  öflFent- 
lichen  Unterrichte  bestimmten  Renten  unterhalten,  und  ausschliess^ 
lieh  von  der  Königlichen  Regierung  unterhalten,  besetzt  und  beauf- 
sichtigt werden. 

Art.  64.  Für  den  öffentlichen  Unterricht  sind  folgende  Fonds 
bestimmt: 

1.  Diejenigen  Summen,  welche  im  Staatshaushalts -Etat  dazu  all- 
jährlich ausgesetzt  werden. 

2.  Die  Renten  derjenigen  Güter,  welche  die  einzelnen  Anstalten 
besitzen. 

3.  Diejenigen  Quoten,  welche  von  den  Provinzial-  und  Municipal- 
Behörden  für  diese  Zwecke  aufgebracht  werden. 

4.  Die  Einnahmen,  welche  aus  Matriculationen ,  Einschreibungen, 
academischen  Graden  und  Würden  gelöst  werden. 

Art.  65.  Die  öffentlichen  Lehranstalten  sind:  Universitäten,  In- 
stitute, Collegien  und  Special -Schulen. 

Capit«!  II. 
Von  den  Universitäten. 

Art.  66.  Universitäten  sind  diejenigen  öffentlichen  Unterrichts- 
Anstalten,  in  welchen,  ausser  der  Philosophie,  wenigstens  eine  Fa- 
cultat  vertreten  ist,  und  in  welchen  academische  Grade  ertheilt 
werden. 

Art  67.  Es  sind  10  Universitäten  im  Königreiche:  eine  Central- 
iind  9  Districts- Universitäten. 

Die  Central- Universität  ist  Madrid. 

Die  Districts -Universitäten  sind  die  zu  Barcelona,  Granada, 
Oviedo,  Salamanca,  Santiago^  Sevilla,  Valencia,  Valladolid  und  Za- 
ragoza.   Das  Reglement  giebt  die  Grenzen  näher  an. 

Art.  68.  In  der  Central  -  Universität  werden  alle  Facultäten 
vertreten;  es  werden  aber  nur  die  Studien  der  dritten  Perioden 
getrieben^  und  diejenigen,  welche  zu  den  Doctorgraden  vorbereiten. 


150 

Art.  69.  Die  Facultäten  der  Districts-Universitäten  sind  durch 
besonderes  Decret  festgestellt. 

Capitel  III. 
Von  den  Academien. 

Art.  70.  In  den  Universitats- Städten  werden  Academien  be- 
stehen, wo  die  Studierenden  sich  über  die  Studien  ihres  Berufs- 
lebens die  erforderliche  Belehrung  erbitten  können.  Diese  Acade- 
mien, welche  unter  der  Regierung  stehen  und  dem  Rector  der  Uni- 
versität untergeordnet  sind,  entsprechen  den  Facultäten  in  einer 
höheren  Orts  geregelten  Weise. 

Art.  71.  Vor  Erlangung  des  Grades  eines  Licenciaten  dürfen 
die  Schüler  keiner  wissenschaftlichen  oder  literarischen  Verbindung 
ausserhalb  der  Universität  angehören. 

Capitel  IV. 
Von  den  Instituten. 

Art.  72.  Institute  heissen  diejenigen  öffentlichen  Anstalten,  in 
welchen  der  höhere  Unterricht  (segunda  enseücmza)  ertheilt  wird. 

Art.  73.  Die  Institute  gehören  der  ersten  oder  zweiten  Klasse 
an.  In  der  ersten  Klasse  wird  der  höhere  Unterricht  vollständig, 
in  der  zweiten  nur  theilweise  ertheilt. 

Art.  74.  Die  Institute  theilen  sich  demnächst  je  nach  den  Mit- 
teln, durch  welche  sie  unterhalten  werden,  in  provinziale  und 
locale. 

Die  provinzialen  Institute  werden  in  Ermangelung  eigener  aus- 
reichender Fonds  von  der  Provinz  erhalten;  die  localen  unter  der- 
selben Voraussetzung  von  der  Municipalität. 

Art.  75.  Die  Special -Studien,  welche  je  nach  der  Eigenthüm- 
lichkeit  und  der  Wohlhabenheit  einzelner  Provinzen  zur  Förderung 
der  Provinzial- Industrie  oder  aus  anderen  Gründen  errichtet  wer- 
den, gehören  jederzeit  zur  ersten  Klasse,  mit  welcher  vereinigt  sie 
eine  und  dieselbe  Schule  bilden. 

Art.  76.  Ein  besonderes  Decret  wird  bestimmen,  wie  es  mit 
den  jetzt  bestehenden  Instituten  zu  halten;  in  wie  weit  solche  pro- 
vinziale oder  locale  fortbestehen,  zu  welcher  Klasse  sie  gehören, 
und  welche  aufgelöst  werden  sollen. 

Art.  77.  In  Zukunft  soll  kein  Local- Institut  errichtet  werden, 
wenn  sein  Bestehen  nicht  in  so  weit  gesichert  ist,  dass  die  Renten 
der  ihm  überwiesenen  Güter  mindestens  zwei  Drittel  der  Kosten 
decken;  und  wenn  nicht  die  Provinzial -Deputation  damit  einver- 
standen ist. 

Art.  78.  In  derjenigen  Provinz,  wo  eine  Universität  besteht, 
soll  auch  ein  Institut  erster  Klasse  errichtet  werden;  doch  muss 


151 

aich  die  Provinz  verpflichten,  einen  Theil  der  erforderlichen  Kosten, 
welche  im  Uebrigen  von  der  Regierung  angewiesen  werden,  durch 
Stiftungen  zu  sichern. 

Capitel  V. 
Von  den  Collegien. 

Art.  79.  In  jedem  Institute  soU  ein  colegio  de  internos  be- 
stehen, welches  einen  Theil  desselben  Etablissements  bildet.  Ist 
dies  nicht  ausfuhrbar,  so  kann  dasselbe  einer  Privat -Gesellschaft 
überlassen  werden,  jedoch  unter  Aufsicht  der  Regierung. 

Art.  80.  In  denjenigen  Gemeinden,  wo  eine  Universität  be- 
steht, und  wo  Grüter  sich  befinden,  welche  unterdrückten  Collegien 
angehörten,  sollen  Königliche  Collegien  der  segunda  enseüanza  er- 
richtet und  den  Instituten  zugeschlagen  werden,  so  dass  sie  mit 
denselben  nur  ein  einziges  Etablissement  bilden.  Ein  Königliches 
Decret  wird  die  Gründung  solcher  Königlichen  Collegien  und  deren 
statutarische  Organisation  bestimmen. 

Art.  81.  Wenn  die  Umstände  es  gestatten,  werden  höhere  oder 
Königliche  Facultäts- Collegien  errichtet  und  den  Universitäten  an- 
gerdht  werden,  jedoch  immer  nur  unter  der  Voraussetzung  aus- 
reichender Stiftungen  von  Privat -Gütern.  Ein  Königliches  Decret 
wird  die  Gründung  jedes  einzelnen  solchen  Institutes  bestimmen. 

Capitel  VI. 
Von  den  Special  -  Schulen. 

Art.  82.  Special-Schulen  sind  diejenigen  öffentlichen  Etablisse- 
ments, in  denen  besondere  Studien  getrieben  werden. 

Art.  83.  Nachstehende  Special -Schulen  ressortiren  von  dem 
Ministerio  des  öffentlichen  Unterrichtes: 

Die  der  Ingenieure  der  Wege,  Kanäle  und  Häfen. 

Die  der  Bergbau- Ingenieure. 

Die  der  Architecten. 

Die  Vorbereitungs- Schule  zu  den  vorigen. 

Die  höhere  Maler-,  Bildhauer-  und  Kupferstecher -Schule. 

Die  Provinzial- Schule  der  schönen  Künste. 

Das  Conservatorium  der  Künste. 

Die  Veterinair  -  Schulen. 

Die  Handels -Schulen. 

Das  Conservatorium  für  Musik  und  Declamation. 

Diese  EtabUssements  erhalten  durch  ihre  Statuten  diejenige  Ein- 
richtung, welche  die  Erreichung  ihrer  Zwecke  erfordert. 

Art.  84.  Ausser  den  angeführten  Special-Schulen  werden  noch 
solche  errichtet  werden,  welche  die  Förderung  des  Ackerbaues,  der 
Industrie,  der  Künste  und  des  Handels,  so  wie  literarische  Bestre« 


152 

bungen,  und  die  Ausbildung  für  eine  Berufsthätigkeit  bezwecken, 
welche  nicht  eine  durchaus  gelehrte  Bildung  voraussetzen. 

Capitel  VII. 
Von  den  Semiuarios  conciliarcs. 

Art.  85.  Die  Studien,  welche  in  den  Seminarios  conciliares 
(Priester-Seminarien)  getrieben  werden,  gehören  dem  höheren  Unter- 
richt und  der  theologischen  Facultät  an.  Diese  Studien  werden  in 
jedem  Seminar  durch  den  Dioecesan,  mit  Wissen  der  Regierung  und 
im  Verhältniss  zu  den  vorhandenen  Mitteln  normirt. 

Art.  86.  Damit  diese  Studien  einen  academischen  EflFect  ha- 
ben, und  zur  Erlangung  der  entsprechenden  Grade  und  Titel  aus- 
reichen können,  ist  es  nothwendig,  dass  die  Studienpläne,  die  Re- 
glements und  Compendien  übereinstimmen. 

Art.  87.  Die  Alumnen  der  Seminarien  sind  nicht  verpflichtet, 
sich  in  den  Universitäten  und  Instituten  den  regelmässigen  Jahres- 
prüfungen zu  unterwerfen ;  aber  sie  sind  denjenigen  Uebungen  unter- 
worfen, welche  die  Reglements  zur  Erlangung  der  academischen 
Grade  erfordern.  Ausserdem,  im  Hinblick  auf  den  höheren  Unter- 
richt, können  sie  zur  Fortsetzung  ihrer  Laufbahn  in  den  Instituten 
zugelassen  werden.  Wollen  sie  sich  unter  die  Bachillers  aufnehmen 
lassen»  so  müssen  sie  sich  einer  Prüfung  in  Betreff  der  jenen  Grad 
bedingenden  wissenschaftlichen  Studien  unterwerfen. 

Art.  88.  Jedes  Seminar  wird  der  Universität  seines  Districtes 
angereiht,  damit  die  für  seine  Studien  nöthigen  academischen  Grade 
dort  absolvirt  werden.  Deshalb  werden  sich  die  Rectoren  oder 
Chefs  alljährlich  mit  den  Universitäten  in  Verbindung  setzen,  und 
vierzehn  Tage  später  durch  eine  Matrikel  die  dort  immatriculirten 
Alumnen  verzeichnen,  so  wie  sie  vierzehn  Tage  nach  dem  Schlüsse 
des  Cursus  die  Resultate  der  Prüfungen  und  die  Noten,  welche 
die  Seminaristen  in  denselben  erhalten  haben,  darin  aufnehmen 
werden. 

Art.  89.  Wer  in  diesen  Listen  nicht  verzeiclmet  ist,  kann  we- 
der an  den  Vortheilen  des  Studienplanes,  noch  an  den  academischen 
Graden  und  Titeln  Theil  nehmen. 

Art.  90.  Die  in  den  früheren  Artikeln  den  Seminaristen  be- 
willigten Bevorzugungen  beschränken  sich  auf  die  Seminaristen, 
Famuli  und  Pensionairs  mit  und  ohne  Stipendium,  so  lange  sie  im 
Seminare  wohnen  und  der  dortigen  Disciplin  unterworfen  sind.  Es 
können  auch  Andere  daran  Theil  nehmen,  jedoch  ohne  Aussicht 
auf  Anstellung  oder  Titel. 


153 


Titel  IL 
Von  den  Privat-Etablissements. 

Art.  91.  Privat-Etablissements  sind  diejenigen,  in  welchen  der 
Unterricht  ertheiit,  und  welche  von  Privaten  geleitet  werden,  oder 
von  Gesellschaften  oder  Corporationen;  mögen  sie  CoUegien,  Liceen 
oder  sonst  wie  genannt  werden.  Den  Namen  Institut  dürfen  sie 
nicht  fuhren. 

Art  92.  Diejenigen,  in  welchen  die  segunda  enseftanza  ertheiit 
wird,  sind  die  einzigen,  deren  Studien  academische  Geltung  erlangen 
durch  Incorporation.  Die  den  Facultäten  entsprechenden  und  die 
Special- Studien  müssen  in  den  öiFentUchen  Etablissements  von  der 
Regierung  geleitet  sein,  wenn  sie  in  einer  amtlichen  Laufbahn  an- 
gerechnet werden  sollen. 

Art.  93,  Wenn  ein  Privat -Etablissement  eröffnet  werden  soll, 
mag  es  seine  Grenzen  bis  zum  höheren  Unterricht  oder  darüber 
hinaus  erstrecken,  oder  ein  Special-Studium  verfolgen,  so  ist  es  un- 
erlässlich,  dass  der  Unternehmer  oder  Vorsteher  folgende  Eigen- 
schaften nachweist: 

1.  Er  muss  das  25 te  Lebensjahr  vollendet  haben. 

2.  Er  muss  von  der  Regierung  die  Erlaubniss  einholen  und  der 
Schulrath  muss  darüber  befragt  werden. 

3.  Er  muss  5000  r.  deponiren^  wenn  das  Etablissement  den  hö- 
heren Unterricht  vollständig  umfasst;  3000  r.,  wenn  dies  nur 
theilweise  geschieht,  oder  ein  Special -Studium  verfolgt  wird. 
Gehört  das  Etablissement  einer  Gesellschaft,  so  muss  der  Be- 
vollmächtigte derselben  jene  Bedingungen  erfüllen,  wenn  die 
Gesellschaft  als  solche  die  Erlaubniss  von  der  Regierung  er- 
halten will. 

Art.  94.     Um  die  Erlaubniss  zu  erhalten,  muss  der  Unterneh- 
mer oder  der  Bevollmächte  der  Regierung  vorlegen: 
L   Sein  Taufzeugniss. 

2.  Ein  Zeugniss  guter  Führung,  durch  den  Alcalden  und  Parochial- 
Geistlichen  aus  allen  Ortschaften,  in  denen  er  in  den  drei  letz- 
ten Jahren  gewohnt  hat. 

3.  Das  Programm  der  Studien,  welche  in  jenem  Etablissement 
getrieben  werden  sollen,  begleitet  von  dem  Reglement  über 
die  inneren  Einrichtungen. 

4.  Die  genaue  Bezeichnung  des  Locals,  wo  die  Schule  unterge- 
bracht werden  soll. 

5.  Die  Bezeichnung  des  Directors  der  Anstalt. 

6»  Den  Nachweis,  dass  alle  für  den  Unterricht  erforderUchen  Mit- 
tel vorhanden  sind. 


154 

Alt.  95.  Um  Director  eines  Privat -Etablissements  zu  sein,  ist 
erforderlich: 

1.  Spanier  und  25  Jahr  alt  zu  sein; 

2.  seine  Moralität  und  gute  Führung  nachzuweisen; 

3.  in  einer  der  Sectionen  der  philosophischen  Facultät  den  Grad 
als  Licenciat  erhalten  zu  haben; 

4.  im  Etablissement  selbst  zu  wohnen; 

5.  selbst  an  dem  Unterricht  sich  zu  betheiligen. 

Art.  96.  Der  Unternehmer  kann  Director  sein,  wenn  er  obige 
Eigenschaften  in  sich  vereinigt. 

Art.  97.  Niemand  darf  in  einem  Privat  -  Etablissement  nach 
einem  academischen  Programm  unterrichten,  ohne  den  entsprechen- 
den Titel  eines  Regenten  der  zweiten  Klasse  zu  besitzen.  Ausge- 
nommen sind  die  Licenciaten  in  den  correspondirenden  Sectionen 
der  philosophischen  Facultät. 

Art.  98.  Die  Professoren  und  Lehrer  in  den  Privat -Etablisse- 
ments müssen  gleiche  Zeugnisse  der  MoraUtät  und  guten  Führung 
aufweisen  wie  die  Unternehmer  und  Directoren;  ausgeschlossen 
bleiben  diejenigen,  welche  durch  richterliches  Erkenn tniss  zu  kör- 
perlichen und  entehrenden  Strafen  wegen  gemeiner  Verbrechen  be- 
straft wurden,  selbst  wenn  sie  später  sich  rehabilitiren  Hessen. 

Art.  99.  Die  Privat-Etablissements  für  den  höheren  Unterricht 
werden  sich,  den  academischen  Studien  gegenüber,  derselben  Ordnung 
und  Vereinigung  der  Programme  unterwerfen,  welche  für  die  Insti- 
tute vorgeschrieben  sind;  sie  dürfen  sich  auch  keiner  anderen  Com- 
pendien  bedienen,  als  der  von  der  Regierung  für  die  öflFentlichen 
Etablissements  genehmigten. 

Art.  100.  Die  Curse  des  höheren  Unterrichts  in  den  Privat- 
Etablissements  haben  keinen  academischen  Effect,  wenn  sie  nicht 
vorher  die  Approbation  erhalten,  und  ein  Examen  in  der  Form  wie 
es  das  Reglement  vorschreibt  abgehalten  ist,  und  die  entsprechen- 
den Matrikeln  bezahlt  sind. 

Art.  101.  Die  Incorporation  der  Privat -Collegien  geschieht  in 
das  Provinzial- Institut,  wenn  es  gewünscht  wird;  ist  dies  nicht 
ausfuhrbar,  in  das  dem  Universitäts  -  Districte  zunächst  gelegene 
Provinzial  -  Institut. 

Art.  102.  Diejenigen  Corporationen,  welche  gesetzlich  ermäch- 
tigt sind,  Etablissements  des  höheren  Unterrichts  zu  erö&en,  müs- 
sen dazu  doch  jedesmal  die  besondere  Erlaubniss  der  Regierung 
nachsuchen,  welche  alle  diejenigen  Bestimmungen  enthalten  soll,  de- 
ren Befolgung  mit  Rücksicht  auf  den  Studienplan  dem  Zweck  am 
meisten  zu  entsprechen  scheinen.  Diese  Etablissements  behalten 
aber  immer  die  Natur  der  Privatschulen. 


155 

Art.  103.  Jedes  Privat- Etablieseinent  steht  unter  der  Aufsicht 
der  Regierung,  welche  dasselbe  schliessen  oder  auflösen  kann,  wenn 
gegründete  Ursache  dazu  vorliegt  und  der  Schulrath  gehört  und 
damit  einverstanden  ist. 

Titel  m. 
Von  dem  häuslichen  Unterricht. 

Art.  104.  Die  zwei  ersten  Jahre  der  segunda  ensefianza  kön- 
nen im  elterlichen  Hause,  bei  dem  Vormunde  oder  von  Hauslehrern 
unter  der  Bedingung  ertlieilt  werden, 

1.  dass  der  Schüler  das  gesetzliche  Alter  erreicht  hat,  um  den 
höheren  Unterricht  beginnen  zu  können; 

2.  dass  der  Schüler  sich  in  dem  Provinzial- Institute  immatricu- 
liren  lassen,  wenn  ein  solches  besteht;  ist  dies  nicht  der  Fäll, 
so  doch  in  dem,  dem  betreffenden  Universitats  -  District  zu- 
nächst belegenen  Provinzial -Institute;  —  dass  ferner  auf  ein- 
mal die  Kosten  der  Matrikel  für  jeden  Cursus  bezahlt  werden; 

3.  dass  die  Studien  nach  den  für  die  öffentlichen  Anstalten  aus- 
gewählten Lehrbüchern  erfolgen; 

4.  dass  der  Schüler  sich  der  Prüfung  in  denjenigen  Studien  und 
in  derjenigen  Form  unterwerfe,  wie  es  durch  das  Reglement 
vorgeschrieben  ist. 

Dritter  Abschnitt. 
Vom  öffentlichen  Lehramte. 

Titel  I. 
Vom  Lehramte  im  Allgemeinen. 

Art.  105.  Das  öffentliche  Lehramt  setzt  eine  hervortretende 
Laufbahn  voraus,  aus  welcher  die  Lehrer  (profesores)  nach  ihren 
verschiedenen  Klassen  in  der  weiter  unten  näher  bezeichneten  Art 
und  Weise  hinaufrücken.  Die  Verdienste  der  höheren  Lehrer  (ca- 
tedraticos)  werden  durch  Stellen,  entsprechend  den  betreffenden 
Aemtern  im  Staatsdienste  belohnt. 

Art.  106.  Das  Amt  eines  Lehrers  ist  mit  irgend  einem  anderen 
Amte  unvereinbar,  welches  aus  Staats -Kassen  Gehalt  bezieht,  oder 
welches  eine  persönliche  Gegenwart  erfordert,  die  mit  der  Erfüllung 
der  übernonunenen  Berufspflichten  unvereinbar  ist. 

Art.  107.  Die  Catedraticos  proprietarios  können  nur  aus  ge- 
gründeter Ursache  und  nach  Anhörung  des  Königlichen  Conseils 
des  öffentlichen  Unterrichts  (Schulrath)  von  ihrem  Posten  entfernt 


156 

werden.  Eben  so  wenig  können  sie  von  einem  Etablissement  an 
das  andere  versetzt  werden,  wenn  auch  von  derselben  Klasse,  es 
sei  denn  auf  eigenen  Antrag  oder  aus  triftigen  Gründen  durch  die 
Regierung,  nach  Anhörung  des  Königlichen  Schulrathes. 

Art.  108.  Der  Catedratico  de  facultad,  der  von  seinem  Lehr- 
amte entfernt  ist,  wird  diejenigen  Rechte  in  Anspruch  nehmen, 
welche  das  Gesetz  den  Civil -Beamten  bewilligt;  es  sei  denn  dass 
die  Entfernung  durch  richterlichen  Spruch  angeordnet  gewesen  wäre. 

Art.  109.  Die  Catedraticos  aus  allen  Klassen  haben  einen 
Anspruch  auf  Jubilacion;  welche  aus  denjenigen  Fonds  bestritten 
werden  muss,  aus  denen  er  seine  Besoldung  bezogen  hat  und  im 
Falle  seiner  Pensionirung  beziehen  würde. 

Art.  110.  Die  Catedraticos  jubilados,  welche  ihr  Gehalt  aus 
Staats -Cassen  beziehen,  classificiren  sich  eben  so  wie  die  entspre- 
chenden Civil -Beamten.  Diejenigen  aber,  welche  aus  Provinzial- 
oder  Municipal- Cassen  ihre  Besoldung  erhalten,  können  nur  diejenige 
Zeit  berechnen,  die  sie  in  Etablissements  derselben  Klasse  verlebt 
haben. 

Art.  111.  Die  Catedraticos  können  jedes  Geschäft  daneben  trei- 
ben, welches  nicht  dem  Ansehen  des  Lehramtes  Abbruch  thut. 
Dagegen  ist  es  streng  untersagt,  in  Privat -Etablissements  Unter- 
richt zu  ertheilen,  ohne  dazu  die  alljährlich  zu  erneuernde,  auf 
ein  bestimmtes  Etablissement  lautende  Erlaubniss  der  Regierung 
zu  besitzen. 

Titel  IL 
Von  der  Ernennung  der  Catedraticos. 

Art.  112.  Die  Catedraticos  aus  allen  öflFentlichen  Unterrichts- 
Anstalten  werden  von  der  Königin  auf  die  weiter  unten  zu  erläu- 
ternde Weise  ernannt. 

Capitel  I. 
Von  de»  Catedraticos  de  facultad. 

Art.  113.  Um  zum  Catedratico  de  facultad  ernannt  zu  werden, 
ist  nothwendig, 

1.  Spanier  zu  sein; 

2.  das  24te  Lebensjahr  vollendet  zu  haben; 

3.  eine  tadellose  Führung; 

4.  Doctor  zu  sein  in  den  Facultäten  der  Theologie,  Jurisprudenz, 
Pharmacie  und  Medicin,  und  Licenciat  wenigstens  in  der  Phi« 
losophie ; 

5.  den  Titel  eines  Regens  der  ersten  Klasse  zu  besitzen,  erlangt 
nach  den  im  Reglement  vorgeschriebenen  Bestimmungen; 


157 

6.   den  Antrag  auf  Anstellung  durch  Oposicion  oder  Vorschlag 
des  Censur- Tribunals  motivirt  zu  haben. 
Art.  114.    Ausgenommen  von  dem  Requisite  der  Oposicion  sind: 

1.  die  Hälfte  der  Lehrstühle  der  Facultäten  von  Madrid; 

2.  die  Hälfte  der  Lehrstühle   der  Facultäten  der  Philosophie  in 
den  Districts  -  Universitäten. 

Art.  115.  Die  Hälfte  der  Lehrstühle,  welche  auf  der  Univer- 
sität Madrid  leer  stehen,  wird  durch  die  Regierung  besetzt,  durch 
Wahl  unter  den  Catedraticos  proprietarios  der  übrigen  Universitäten, 
welche  darum  anhalten  und  derselben  Facultät  angehören;  jedoch 
immer,  indem  sie  ilir  Catheder  durch  Oposicion  erlangt,  und  wenig- 
stens 3  Jahr  lang  ihre  Stelle  versehen  hatten. 

Art.  116.  Die  Hälfte  der  Catheder,  welche  in  den  Provinzen 
in  der  Philosophie  offen  stehen,  wird  durch  Wahl  der  Regierung 
unter  den  mit  der  Universität  in  Verbindung  stehenden  Listituten, 
welche  die  fünf  ersten  Requisite  erfiiUen  (113)  und  darum  anhalten, 
besetzt;  jedoch  muss  jeder  der  Candidaten  seine  Stelle  durch  Opo- 
sicion erhalten  haben  oder  aus  der  Normalschule  hervorgegangen 
sein  und  drei  Jahre  hindurch  in  der  betreffenden  Materie  nach  den 
bestimmten  Lelirbüchern  unterrichtet  haben. 

Art.  117.  Die  Anträge  dieser  Aspiranten  werden  an  den  Kö- 
niglichen Schulrath  gerichtet,  welcher,  unter  Bezugnahme  auf  die 
Vorgänge,  den  nach  seiner  Ansicht  geeignetsten  Candidaten  auswählt. 

Art.  118.  In  ganz  besonderen  Fällen,  wo  ein  Candidat  Ausser- 
gewöhnliches  geleistet  hat,  kann  die  Regierung  ausnahmsweise  den 
Lehrstuhl  für  Wissenschaften,  welche  höher  stehen  als  das  Licen- 
ciat,  ohne  weiteren  Concurs  durch  Decret  des  Schulrathes  besetzen. 

Capitel  II. 
Von  den  Catedraticos  de  Instituto. 

Art.  119.    Um  Catedratico  de  Instituto  zu  werden,  muss  man 

1.  Spanier  sein; 

2.  das  22te  Jahr  vollendet  haben; 

3.  einen  tadellosen  Wandel  gefuhrt  haben; 

4.  Bachiller  der  Philosophie  sein; 

5.  den  Titel  des  Regens  zweiter  Klasse  für  den  Unterricht  in  der 
oben  bezeichneten  Form  erhalten  haben. 

Jener  Titel  ist  nicht  erforderlich,  wenn  der  Candidat  Li- 

cenciat  der  Philosophie  ist,  welcher  für  alle  Asignaturas,  die 

die  Facultät  umfasst,  ausreicht. 

Art.  120.    Unter  Aufrechthaltung  der  bisherigen  Bestimmungen 

werden  die  Ernennungen  fiir  Lehrstühle  des  Instituts,  welches  der 

Universität  nicht  aggregirt  ist,  in  nachstehender  Ordnung  und  Form 

ertheilt: 


158 

1.  Die  Alumnen  der  philosophischen  Normal -Schule  werden  bei 
den  Vacanzen  stets  vorgezogen,  wenn  sie  darin  mit  Auszeich- 
nung studiert  haben. 

2.  Mangelt  es  an  solchen,  so  geschieht  die  Wahl  unter  den  übri- 
gen tüchtigen  Candidaten  durch  Oposicion.  Die  Oposicion 
findet  in  Madrid  oder  da,  wo  es  die  Regierung  bestimmt,  statt. 

3.  Die  Catedraticos  der  Religion  werden  einfach  von  der  Regie- 
rung ernannt  unter  den  Geistlichen,  welche  den  Titel  eines  Li- 
cenciaten  der  Theologie  haben,  oder  in  deren  Ermangelung  den 
eines  Regens  der  zweiten  Klasse. 

Art.  121.  Die  Vacanzen  der  Institute,  welche  den  üniversitats- 
Districten  aggregirt  sind,  werden  auf  Vorsclilag  des  Königlichen 
Schulrathes  unter  den  Catedraticos  des  Provinzial- Instituts,  welche 
darum  antragen  und  den  Titel  eines  Regens  zweiter  IGasse  fuhren, 
ernannt. 

Art.  122.  Die  Vacanzen  in  dem  der  Madrider  Universität  ag- 
gregirten  Institute  werden  auf  Vorschlag  desselben  Rathes  unter 
den  Catedraticos  der  Institute  der  Provinzen,  welche  darum  anhal- 
ten und  den  betreffenden  Titel  fuhren,  gewählt;  jedoch  immer  nach 
vorangegangener  Oposicion  und  unter  der  Bedingung,  dass  die  Can- 
didaten in  einer  Normal -Schide  gebildet  sind. 

Art.  123.  Die  Regierung  kann,  wenn  sie  es  für  angemessen 
hält,  die  Catedraticos  des  Provinzial -Institutes  von  einem  zu  dem 
anderen  Etablissement  versetzen,  wenn  die  neue  Stelle  ein  höheres 
Gehalt  erhält,  wenn  die  Versetzung  von  einem  Local-  nach  einem 
Provinzial -Institute  erfolgt,  und  wenn  der  zu  Versetzende  mit  den 
erforderlichen  Titeln  versehen  ist. 

Art.  124.  Die  Catedraticos  der  lebenden  Sprachen  bedürfen 
nur  des  Titels  eines  Regens  der  zweiten  Klasse  und  des  vorgeschrie- 
benen Alters.  Ihre  Ernennung  erfolgt  stets  durch  Oposicion  und 
zwar  in  der  Districts- Universität. 

Capitel  III. 
Von  den  Catedraticos  der  Special -Schulen. 

Art.  125.  In  den  organischen  Decreten  der  Special -Schulen 
werden  die  Requisite ,  und  was  sonst  bei  der  Wahl  dieser  Lehrer 
nothwendig  ist,  naher  angegeben  werden. 

Capitel  IV. 
Von  der  philosophischen  Normal  -  Schule. 

Art.  126.  In  Madrid  besteht  eine  philosophische  Normal-Schule, 
um  die  Professoren  für  die  Institute  und  für  solche  Special- Schulen 
zu  bilden,  welche  das  Reglement  bezeichnet 


159 

Art.  127.  Der  Unterricht  in  der  Normal- Schule  fiir  diejenigen, 
welche  den  Grad  eines  Licenciaten  wünschen,  dauert  so  lange,  als 
Zeit  zur  Au&ahme  in  diesen  Grad  erforderlich  ist,  und  wird  der 
Titel  gratis  ertheilt,  wenn  die  Candidaten  nach  beendetem  Cursus 
in  der  Prüfung  wohl  bestanden  haben. 

Art.  128.  Jedes  Jahr  wird  die  Regierung  eine  Concurrenz  er- 
offiien,  und  die  Zahl  der  in  die  Normal -Schule  aufzunehmenden 
Alumnen,  bezeichnen.  Die  Candidaten  müssen  den  Titel  der  Ba- 
chiller  der  Philosophie  nachweisen. 

Art  129.  Während  des  Unterrichts  beziehen  die  Alumnen  der 
Normal -Schule  eine  Pension  von  4000  r. 

Art  130.  Wenn  diese  Alumnen  die  Schule  verlassen,  so  er- 
halten sie  eine  Nummer,  welche  die  Reihenfolge  ihres  Aufrückens 
in  die  Vacanzen  ihrer  Facultat  angiebt. 

Art  131.  Jeder  Alumne  der  Normal -Schule,  welcher  hiernach 
classificirt  ist,  muss,  wenn  er  Gehalt  erhält,  in  demjenigen  Unter- 
richts-EtabUssement  die  Vacanz  annehmen,  welche  die  Regierung 
ihm  bestimmt. 

'  Art.  132.  Die  Alumnen  der  Normal- Schule  sind  verpflichtet, 
mindestens  10  Jahre,  nachdem  sie  ausgetreten  sind,  als  Professoren 
zu  wirken.  Wer  früher  den  Dienst  verlässt,  verliert  alle  Ansprüche 
und  Titel. 

Art.  133.  Ein  Special -Reglement  wird  alles  dasjenige  bestim- 
men, was  die  philosophische  Normal -Schule  sonst  noch  betrifft 

Titel  m. 
Von  den  Instituten. 

Art  134.  Die  Klasse  der  Agregados,  durch  die  früheren  Stu- 
dien-Pläne errichtet,  wird  aufhören.  Die  Regierung  wird  diese 
Beamten  in  den  Ayudanzias,  Bibliotheken,  Canzleien  und  sonst  je 
nach  ihren  Fähigkeiten  beschäftigen. 

Art.  135.  Die  Regierung  wird  femer  ohne  Oposicion,  aber 
immer  auf  Vorschlag  des  Königlichen  Schulrathes  zu  Facultäts- 
Cathedem  der  Districts- Universitäten,  des  Instituts  oder  der  Spe- 
cial-Schulen solche  Agregados  wieder  anstellen,  welche 

1.  diejenigen  Eigenschaften  in  sich  vereinigen,  die  nothwendig 
sind,  um  als  Catedratico  an  jenem  Etablissement  angestellt  sein 
zu  können; 

2.  während  5  Jahre  als  Agregados  gedient  haben,  oder  welche 
einen  Lehrstuhl  in  Folge  von  Oposicion  erlangt,  oder  eine 
solche  Stelle  ausgeschlagen  hatten. 

Art  136.  Den  Agregados  soll  die  Zeit  angerechnet  werden, 
welche  sie  schon  früher  an  Unterrichts -Anstalten  gewirkt  hatten. 


160 

Art.  137.  Bei  eintretenden  Vacaozen  in  Abwesenheits-  und 
Krankheitsfallen  der  Catedraticos  sollen  nachstehende  Substitutio- 
nen eintreten: 

1.  In  der  philosophischen  Facult&t  und  in  den  der  Universität 
aggregirten  Instituten  wird  eine  dem  Bedürfhisse  jedes  Eta- 
blissements entsprechende  Zahl  von  Substituten  vorhanden 
sein.  Dazu  werden  zunächst  die  Alumnen  der  philosophischen 
Normal -Schule  verwendet,  welche  nach  Beendigung  ihrer  Stu- 
dien, in  Ermangelung  von  Yacanzen,  noch  keine  Anstellung 
erhalten  haben. 

2.  In  den  Facultäten  der  Medicin  und  Pharmacie  werden  die  Va- 
canzen  durch  Professoren  und  Hülfsbeamte  versehen,  welche 
ihren  praktischen  Cursus  absolviren.  Das  Reglement  bestimmt, 
wann,  in  welcher  Reihenfolge  und  auf  wie  lange  solche  Va- 
canzen  vertreten  werden  sollen. 

3.  In  den  Vacanzen  der  Theologie  und  Jurisprudenz  bestimmt  die 
Regierung  die  Professoren,  welche  vertreten  sollen.  Zahlung 
und  Verpflichtungen  setzt  das  Reglement  fest. 

4.  In  den  Provinzial-  und  Local  -  Instituten  ernennt  der  Director 
die  Stellvertreter;  er  wird  aber  dafür  sorgen,  dass  dieselben 
mindestens  den  Titel  eines  Regens  zweiter  Klasse  haben. 

Art.  138.  In  den  Facultäten,  welche  Privat -Bibliothekare  hal- 
ten, können  die  Catedraticos  dieselben  in  Behinderungsfallen  ver- 
treten. 

Titel  IV. 
Von   der  Besoldung  der  Catedraticos. 

Art.  139.  Die  Besoldung  der  Catedraticos  an  Instituten  soll 
nicht  weniger  als  5000  r.  betragen,  und  nicht  über  12,000  r.  hinaus- 
gehen, je  nach  dem  Gegenstande,  worin  sie  unterrichten,  und  nach 
den  Bedürfnissen  des  Ortes,  in  welchem  sich  das  Etablissement 
befindet. 

Art.  140.  Sämmtliche  Catedraticos  der  Facultät  sind  in  ein 
grosses  Verzeichniss  aufgenommen,  und  bilden  hinsichts  ihrer  An- 
stellung und  Besoldung  eine  besondere  Reihenfolge,  nach  zwei  ver- 
schiedenen Richtungen: 

1.  Unterrichtsjahre, 

2.  Categorie  der  Laufbahn. 

Art.  141-    Die  Reihenfolge  der  Dienstjahre  theilt  sich,  wie  folgt: 
20  Catedraticos  zu  18,000  r.  jeder, 
50  zu  16,000, 
80  zu  14,000, 
alle  übrigen  zu  12,000  r. 


161 

Art  142.  Die  Categorie  der  Laufbahn  wird  nach  drei  Klassen, 
in  welche  die  Catedraticos  sich  theilen,  bestinunt:  nach  dem  Eintritt 
(entrada)y  dem  Hinaufrucken  (ascenso)  und  dem  Interimisticum  (ter- 
mino).  Zur  entrada  gehören  drei  Sechstel  der  Catedraticos  jeder 
Facultat,  zum  ascenso  zwei  Sechstel,  zum  termino  ein  Sechstel. 

Art.  143.  Die  Gesammt  -  Besoldung  der  Catedraticos  vertheilt 
sich  nach  dem  Alter :  4000  r.  demjenigen  de  ascenso ,  8000  r.  dem- 
jenigen de  termino. 

Art  144.  Die  Catedraticos  der  Facultat  in  Madrid  erhalten 
4000  r.  ausser  demjenigen,  was  ihnen  nach  dem  Dienstalter  zukommt 
und  nach  der  Categorie. 

Art  145.  Die  Categorien  werden  von  der  Regierung  auf  Vor- 
schlag des  Schulrathes  festgestellt,  wie  das  Reglement  dies  näher 
ausspricht 

Art.  146.  Man  kann  nicht  in  eine  Stelle  als  Catedratico  de 
ascenso  einrücken,  wenn  man  nicht  fünf  Jahre  in  einer  Stelle  de 
entrada  gedient  hat ;  eben  so  wenig  in  eine  Stelle  de  termino,  ohne 
eine  gleiche  Anzahl  von  Jahren  in  einer  Stelle  de  ascenso  gewirkt 
zu  haben. 

Art.  147.  Das  Aufrücken  in  der  Categorie  ändert  den  Lehr- 
stuhl nicht.  Die  Catedraticos  bleiben  stets  in  derselben  Laufbahn. 
Sollte  Jemand  den  Unterrichts -Gegenstand  oder  die  Universität  zu 
vertauschen  wünschen,  so  hat  er  die  Entscheidung  der  Regierung 
zu  erbitten,  welche  darüber  den  Schulrath  hören  wird. 

Art.  148.  Die  Catedraticos  und  Substitute  erhalten  ausser  ihren 
Besoldungen  diejenigen  Einkünfte,  welche  das  Reglement  ihnen  von 
den  jährlichen  Prüfimgen  und  academischen  Graden  zuerkennt 

Art.  149.  Die  Catedraticos  der  Special -Schulen  erhalten  die 
in  den  Reglements  ausgesetzten  Besoldungen. 


Vierter  Abschnitt. 
Von  der  Verwaltung  des  öffentlichen  Unterrichts. 

Titel  L 
Allgemeine  Verwaltung. 

Art  150.  Die  Direction  und  höchste  Verwaltung  des  öffent- 
lichen Unterrichts  in  allen  Zweigen  gebührt  dem  Könige  durch  das 
Ministerium. 

Art  151.  Es  wird  ein  Königlicher  Schulrath  (Real  Consejo  de 
instruccion  publica)  eingesetzt,  dessen  Organisation  und  Attribute 
durch  ein  Special- Decret  festgesetzt  sind. 

y.  MinatoH,  Spanien.  .  \  \ 


162 

Art.  152.  Zur  Revision  der  Unterrichts -Anstalten,  der  öffent- 
lichen wie  der  privaten,  ernennt  die  Regierung  Inspectoren,  deren 
Zahl,  Macht,  Gehalt  und  Diäten  durch  Decret  bestimmt  werden. 

Art.  153.  Die  Gouverneure  der  Provinzen,  in  Kraft  der  ihnen 
durch  §  1  Art  4  des  Gesetzes  vom  2  April  1845  ertheilten  Ermäch- 
tigung, haben  das  Recht  der  Beaufsichtigung  sämmtlicher  öffent- 
lichen Unterrichts -Anstalten  ihres  Bezirks. 

Art.  154.  Dieselben  Gouverneure  können  nach  Belieben  in 
allen  öffentlichen  Acten,  welche  die  Schul -Anstalten  feiern ^  präsi- 
diren,  mit  Ausschluss  der  lediglich  academischen  Feierlichkeiten, 
welche  sich  auf  Studien,  literarische  Uebungen,  Gewinnung  von  Gra- 
den, Disciplin  und  innere  Schul -Verwaltung  beziehen.  Im  ersteren 
Falle  nimmt  der  Chef  der  Anstalt  die  höchste  versitzende  Stelle  ein. 

Titel  IL 

Von   der   inneren   Verwaltung   der   öffentlichen 

Anstalten. 

Art.  155.  Die  Regierung  und  Verwaltung  der  Universimten 
gebührt  den  Rectoren,  welchen  sämmtliche  Professoren  und  Beamte 
untergeordnet  sind. 

Art.  156.  Die  Rectoren  werden  vom  Könige  unter  den  Cate- 
draticos  de  termino  oder  de  ascenso  ernannt,  oder  unter  anderen 
Persönlichkeiten,  welche  in  der  öffentlichen  Verwaltung  der  Würde 
des  Rectorates  entsprechende  Aemter  entweder  bekleidet  haben 
oder  noch  gegenwärtig  bekleiden.  Die  Rectoren  beziehen  eine  Be- 
soldung, welche  sich  nach  ihren  Categorien  und  der  Wichtigkeit 
ihrer  Verrichtungen  abstuft. 

Art  157.  Jeder  Professor,  welcher  zum  Rector  hinaufirückt, 
hört  auf  Catedratico  zu  sein. 

Art.  158.  An  der  Spitze  jeder  Facultät  steht  ein  durch  den 
König  aus  der  Zahl  der  Catedraticos  ernannter  Decan,  nachdem  der 
Rector  darüber  gehört  ist.  Sein  Amt  dauert  drei  Jahre  und  kann 
er  wiedergewählt  werden. 

Art  159.  Der  Decan  hat  unter  dem  Rector  die  betreffende 
Facultät  zu  leiten. 

Art  160.  Die  in  jeder  Facultät  vereinigten  Catedraticos  bilden 
den  Senat  (claustro)  derselben,  dessen  Thätigkeit  sich  lediglich  auf 
Wissenschaft  nnd  Unterricht  beschränkt.  Dieser  Senat  wird  durch 
den  Rector  berufen,  der  darin  den  Vorsitz  fuhrt  In  sein^  Stell- 
vertretung der  Decan. 

Art  161.  Die  Vereinigung  aller  Doctoren  desjenigen  Ortes, 
wo  die  Universität  sich  befindet,  mögen  sie  einer  Facultät  angehö- 
ren, welcher  sie  wollen,  bildet  den  allgemeinen  aoad^nischeD  Senat 


163 

Art.  162.  Der  Rector  beruft  den  academischen  Senat  zu  feier- 
lichen Acten  und  zu  den  im  Reglement  vorgeschriebenen  Ver- 
anlassungen. 

Art.  163.  Es  ist  ein  General -Secretair  der  Universität  ange- 
stellt, welcher  zur  Verfügung  des  Rectors  steht;  er  muss  mindestens 
Licenciat  irgend  einer  Facultat  sein. 

Art.  164.  Jede  Facultat  hat  ihren  besonderen  Secretair,  wozu 
der  jüngste  (mas  modemo)  Catedratico  bestimmt  ist. 

Art.  165.  An  der  Spitze  der  Institute  steht  ein,  von  der  Re- 
gierang ernannter  Director;  es  kann  ein  Catedratico  sein. 

Art.  166.  Die  Vereinigung  aller  Catedraticos  des  Institutes  bil- 
det dessen  Senat. 

Art.  167.  Jedes  Institut  hat  einen  Secretair.  In  den  localen 
und  provinzialen  wird  es  ein  durch  die  beaufsichtigende  Junta  ge- 
wählter Catedratico  sein.  In  den  der  Universität  aggregirten  wird 
die  Regierung  bestimmen,  nachdem  sie  den  Rector  gehört  hat. 

Art.  168.  In  jedem  Local-  und  Provinzial- Institute  besteht 
eine  beaufsichtigende  Junta,  von  der  Regierung  ernannt. 

Art.  169.  In  jeder  Universität  und  Institut  besteht  ein  Dis- 
diplinar-Rath,  um  academische  Strafen  über  Professoren  und  Alum- 
nen zu  verhängen. 

Allgemeine  Disposition. 

Art.  170.  Sammtliche  Decrete,  Reglements  und  Königliche  Ver- 
ordnungen, welche  dem  Vorstehenden  nicht  entsprechen,  sind  auf- 
gehoben. 

Gegeben  en  Palacio  den  28  August  1850. 

Zu  den  interessantesten  Eigenthümlichkeiten  des  Spanischen 
Universitats -Unterrichts  gehört  die  Verbindung  mit  den  Gynmar 
sial*Studien,  die  streng  vorgeschriebene  Zeit  und  der  genau  ge- 
regelte Gang  der  academischen  Studien;  die  ControUe  und 
Strenge  der  Prüfungen;  die  lange  Dauer  der  Sommer -Ferien, 
imd  die  Einrichtung,  dass  gewisse  Lehrstühle  oder  academische 
Würden  oder  die  Belohnung  durch  Prämien  von  dem  Ausgange 
eines,  unter  den  vorzüglichsten  Candidaten  eröfl&ieten  Wettstrei- 
tes abhangig  gemacht  werden.  Diese  Concurrenz  wird  Oposicion 
genannt 

Der  Vortrag  in  den  Collegien  richtet  sich  streng  nach  dem 
Textbuche  oder  Compendium ,  welches  der  Lehrer  dem  Unter- 
richt zum  Grunde  gelegt  hat  und  worin  vorher  auf  das  genaueste 

11- 


164 

bestÜDint  ist,  was  in  jeder  einzelnen  Stunde  des  ganzen  Cursus 
abgehandelt  werden  soll.  Es  wird  in  den  Vorlesungen  nicht 
nachgeschrieben,  sondern  die  jungen  Leute  folgen  dem  Vortrage, 
wobei  sie  das  Compendium  zur  Hand  nehmen. 

Von  der  Art  imd  Weise,  wie  bei  den  Prüfungen  verfahren, 
wird  man  weiter  unten  Kenntniss  erhalten,  wenn  das  neue  Schul- 
Reglement  zur  Besprechung  kommt. 

Die  Schul-Disciplin  erstreckt  sich  nicht  über  die  Säle  der 
Unterrichts- Anstalten  hinaus.  Da  man  wenig  von  dem  haus- 
lichen Fleisse  der  Schüler  erwartet,  so  bleiben  ihnen  viele  Stim- 
den  frei.  Das  Institut  der  Ordinarien,  welche  die  Schüler  in  ihrem 
häuslichen  Fleisse  und  Treiben,  namentlich  die  von  ausserhalb 
gekommenen,  mögen  sie  sich  in  Pensionen  befinden  oder  allein 
wohnen,  beaufsichtigen,  kennt  man  nicht.  Erst  in  der  neueren 
Zeit  sind  Bestimmungen  erlassen,  wonach  die  Schüler  in  dem 
Besuche  von  Eaffehäusern  und  Billards  beschränkt  sind.  Im 
XJebrigen  ist  der  Spanische  Student  ausser  den  Unterrichts- 
Stunden  frei  imd  unbeschränkt  im  Thun  und  Lassen. 

Durch  Königliches  Decret  vom  1  September  1850  sind  die 
Besoldungen  fiir  die  Catedraticos  der  den  Universitäten  aggre- 
girten  Institute,  wie  folgt  festgesetzt: 

Universität  Madrid. 

6  Lehrstühle  för  Latein  und  Spanisch 11,000  r. 

2  »  »   Rehgion  tmd  Moral 10,000  » 

2           »           »   Elemente   der   Geographie  und   Ge- 
schichte   12,000  » 

4  »  »  Elemente  der  Mathematik <  1 2,000  » 

2  »  »   Rhetorik  und  Dichtkunst 12,000  » 

2  »  »  Psychologie  imd  Logik  . 12,000  » 

1  »  »  Elemente  der  Physik  und  Chemie .  .  .  12,000  » 

1  »  »   Naturgeschichte 12,000  » 

2  »  »   Französische  Sprache 10,000  » 

1  »  »   Englische  Sprache 10,000  » 

1  »  »  Deutsche  Sprache 12,000  » 


165 

DivStricts-Universität. 

3  Lehrstühle  für  Latein  und  Spanisch 9,000  r. 

1  .  »  Religion  und  Moral 9,000  » 

1  »  »   Elemente   der   Geographie   und  Ge- 

schichte   10,000  . 

2  »  »  Elemente  der  Mathematik 10,000  » 

1  »  »  Rhetorik  imd  Poesie 10,000  » 

1  »  »  Psychologie  und  Logik 10,000  » 

1  »  »  Naturgeschichte 9,000  » 

1  »  »   Französische  Sprache 6,000  » 

In  Barcelona  ist  für  EngUsche  Sprache  mit  6000  r.,  in  Sant- 
iago für  Englische  und  Deutsche  mit  10,000  r.,  in  Sevilla  für 

* 

Englische  mit  6000  r.  als  Besoldung  für  den  betreflfenden  Profes- 
sor gesorgt 

Zur  praktischen  Ausfuhrung  der  gesetzlich  bestehenden 
Studien-Pläne  werden  Reglements  veröflfentlicht.  Das  neueste 
Reglement  ist  vom  10  September  1851 ;  ich  werde  daraus  den 
Lesern  dasjenige  mittheilen,  was  zum  Verstandniss  des  Studien- 
Planes  nothwendig  und  im  Uebrigen  interessant  ist,  um  die  Un- 
terrichts-Mittel,  den  fortschreitenden  Studiengang,  die  GontroUe 
der  erworbenen  Kenntnisse  durch  die  eigenthümlichen  Prüfun- 
gen, die  Erwerbung  der  academischen  Würden  und  Titel  u.  s.  w. 
näher  kennen  zu  lernen. 

Der  erste  Abschnitt  des  Reglements  vom  10  September 
1851  handelt  von  der  allgemeinen  Beaufsichtigung  des 
öffentlichen  Unterrichts.  Der  erste  Titel  (Artikel  1  bis  3) 
spricht  vom  Ministerio  und  der  General- Direction,  imd  ihren 
Pflichten  und  Rechten;  der  zweite  Titel  (Art  3  bis  7)  vom  Pro- 
vinzial-Gouverneur;  der  dritte  Titel  (Art.  8  bis  10)  von  den 
Rectoren  als  Chefs  der  DistrictS'-Universitäten  setzt  die  diesen 
Behörden  zustehenden  Befugnisse  und  Verbindlichkeiten  näher 
auseinander. 

Der  zweite  Abschnitt  handelt  von  der  inneren  Leitung 
der  öffentlichen  Unterrichts-Anstalten;  der  erste  Titel  von 
dem  Personal  der  Anstalten,  und  das  erste  Capitel  (Art  11  bis 


166 

16)  vom  Rector;  das  zweite  (Art  17  bis  21)  vom  Decan;  das 
dritte  (Art.  22  bis  24)  vom  Direetor;  das  vierte  (Art.  25  bis  34) 
von  den  Secretairen;  das  fünfte  (Art.  36  bis  39)  von  den  Biblio- 
thekaren; das  sechste  (Art.  40  bis  42)  von  dem  Castellan;  das 
siebente  (Art.  43  bis  45)  von  den  Pedellen,  Portiers  und  Dienern. 
Etwas  Bemerkens  wei*thes,  dessen  nicht  schon  im  Studien -Plane 
Erwähnung  geschehen  wäre,  oder  etwas  wesentlich  Abweichen- 
des von  den  entsprechenden  in  Deutschland  geltenden  Bestim* 
mungen,  ist  in  den  citirten  Capiteln  nicht  entlialten. 

Der  zweite  Titel  (Art  46  bis  53)  betrifft  den  academischen 
Senat;  der  dritte  den  Disciphnar-Rath  (Art  54  bis  68),  der  vierte 
(Art  69  bis  82)  die  beaufsichtigenden  Jimten. 

Hierzu  muss  bemerkt  werden,  dass  der  Disciplinar-Ratli 
aus  dem  Rector,  den  Decanen,  den  zu  diesem  Behuf  im  Anfange 
jedes  Semesters  designirten  Catedraticos,  dem  Vice -Präsidenten 
des  Schul-Ratlies  (Consejo  provincial),  dem  Richter  erster  In- 
stanz imd  aus  zwei  von  dem  Provinzial- Gouverneur  ausgewähl- 
ten Familienvätern  besteht  Es  findet  ein  mündliches  Verfahren 
statt;  Anklage,  Vertlieidigung,  Zeugenbeweis  und  Urtheilsspruch 
erfolgen  in  Gegenwart  der  BeÜieiligten,  eventuell  in  contuma- 
ciam. Die  Strafe  wird  nach  den  bestehenden  gesetzlichen  Be- 
stimmungen normirt,  und  demnächst  aussergerichtUch  vollstreckt 
Der  Secretair  sammelt  die  betreffenden  Notizen  zu  einem  Acten- 
stück,  welches  in  der  Registratur  oder  in  dem  Archive  auf- 
bewahrt wird. 

Die  aufsichtführende  Junta  besteht  aus  dem  Provinzial- 
Gouverneur,  aus  einem  Vice -Präsidenten,  aus  einem  im  Orte 
wohnenden  Provinzial -Deputirten,  aus  einem  MitgUede  des 
Ayimtamiento,  aus  einem  GeistUchen  und  zwei  FamiUenvätern. 
Der  König  ernennt  die  MitgUeder  der  Junta,  die  sich  auf  Ermäch- 
tigung des  Gouverneurs  unter  dem  Vorsitz  des  Alcalden  versam- 
melt Es  Hegt  in  den  Befugnissen  der  Junta,  sich  auf  alle  Weise 
über  die  innere  und  äussere  Ordnung,  über  die  Mängel,  so 
wie  über  die  zur  Erweiterung  der  Studien,  oder  zur  Abhülfe 
von  Uebelständen  erforderlichen  Mittel  zu  unterrichten,  und 


167 

sehrifUich  wie  persönlich  auf  die  Fördesning  der  Anstalt  dnzu* 
wirken. 

Der  dritte  Abschnitt  handelt  von  der  ökonomischen 
Verwaltung  der  öffentlichen  Unterrichts- Anstalten;  und  zwar 
im  ersten  Titel  (Art  83  bis  91)  von  der  Erhebung  der  Einnah- 
men; im  zweiten  Titel  (Art.  92  bis  115)  von  der  Verwendung 
derselben;  im  dritten  (Art.  116  bis  130)  von  der  Rechnungs- 
legung. —  Hierzu  ist  nichts  Besonderes  zu  bemerken,  als  dass 
die  Ausgaben  so  viel  als  möglich  auf  Monats -Raten  geregelt^ 
dass  die  Bücher  monatlich  geschlossen,  dass  die  Ausgaben  tri- 
mesterweise zusammengestellt,  und  im  Uebrigen  alle  diejenigen 
Förmlichkeiten  beobachtet  werden,  die  zur  gewissenhaften  und 
übersichtlichen,  pünktlichen  Verwaltung,  wie  sie  auch  in  Deutsch- 
land bekannt  und  eingeführt  ist,  gehören. 

Der  vierte  Abschnitt,  welcher  vom  literarischen 
Cursus  und  von  der  Unterrichts-Methode  handelt,  theilt 
im  ersten  Titel  (Art  131  bis  141)  die  für  den  Unterrieht  über- 
haupt erlassenen  allgemeinen  Bestimmungen  mit;  im  zweiten 
Titel  (Art  142  bis  154)  das  auf  den  höheren  Unterricht  (se- 
gunda  enseiianza)  Bezügliche. 

Der  academische  Cursus  dauert  vom  1  October  bis  1  Mai; 
der  Unterricht  im  Institute  vom  1  October  bis  1 5  JimL  Die  Er- 
öiShimg  des  Cursus  geschieht  in  einem  fderiiehen  Acte,  im  Na- 
men Ihrer  Majestät  der  Königin ;  die  Prämien  för  das  vergangene 
Jahr  werden  vertheilt,  und  die  Unterrichts- Stunden  beginnen. 
Der  Unterricht  darf  nur  unterbrochen  werden  an  Sonn-  und  Fest- 
tagen; am  Namenstage  des  Königs  und  der  Königin;  in  den 
Tagen  vom  24  December  bis  2  Januar;  drei  Tage  im  Cameval; 
Mittwoch,  Donnerstag,  Freitag  und  Sonnabend  Santo;  zur  Auf- 
erstehung und  zu  den  Oster -Feiertagen.  Für  jede  weitere  Un- 
terbrechung ist  der  Rector  verantwortlich ,  welche  Verantwort-  . 
hchkeit  bi^  zur  Dienstentlassung  gehen  kann.  Die  Unterrichts-  ^ 
Stunden  dauern  je  eine  und  eine  halbe  Stunde;  diese  Zeit  wird 
tkeols  durch  mündlichen  Vortrag  des  Lehrers  >  theils  durch  Fra- 
gen und  Antworten  über  das  früher  Vorgetragene  ausgefüllt 


168 

Die  Lateinischen  Unterrichts- Stunden  der  beiden  ersten  Jahre 
dauern  jeden  Vonnittag  und  Nachmittag  jedesmal  zwei  Stunden, 
imd  erhalten  die  Lehrer  für  diese  vermehrte  Unterrichtszeit  eine 
Gratification  von  1000  r.  Die  Unterrichts-Programme,  welche 
acht  Tage  vor  Eröffiiung  des  Cursus  dem  Rector  zur  Genehmi- 
gung vorgelegt  werden,  befinden  sich  gedruckt  in  den  Händen 
der  Zuhörer. 

Die  Stunden  für  den  höheren  Unterricht  sind,  wie  folgt, 
vertheilt 

Erstes    Jahr. 

Vormittags  Nachmittags 

tä^clich  die  1.  Section  Latein  und  Spanisch    J  t   x  •         j  c       •    i_ 
j-    o   c«    X-       r>  1-  •  jiTijr      1      i  Latem  und  Spanisch, 

die  2.  Section  Keligion  und  Moral      )  '^ 

Zweites    Jahr. 

Vormittags  Nachmittags 

täffUch  die  1.  Section  Geoffraphie  )  t   x  •         j  o       •    i_ 

^.    oox-      r  ±'        A  c^«  •    u    J  Latem  und  Spanisch, 
die  2.  Section  Latein  und  Spamscn    \  ^ 

Nur  am  Sonnabend  Vormittag  hat  die  erste  Section  statt  Geo- 
graphie ~-  Religion  und  Moral. 

Drittes    Jahr. 

Vormittags  Nachmittags 

taglich  1.  Section  Latein  und  Spanisch  |  ^    ,  ., 

2.  Section  Geographie  und  Geschichte  ) 
Nur  die  zweite  Section  hat  Sonnabend  Vormittag  statt  Geo- 
graphie und  Geschichte  —  Religion  und  Moral. 

Viertes    Jahr. 

Vormitttags  Nachmittags 

taglich  1.  Section  Geographie  und  Geschichte  |  pi.  x    «l,      j  tj 

2o    X«      Ti/r  j^i_       j-?i  i  JK»neioriK  und  Iroesie. 

.  oection  Mathemank  ) 

Nur  Montags  Vormittag  hat  die  erste  Section  statt  Geographie 

und  Geschichte  ~  Religion  und  Moral. 

Fünftes    Jahr. 

Vormittags  Nachmittags 

täglich  die  1.  Section  Physik  J  -.      t_  i     .        j  t      •!_ 

^        die  2.  Section  NaWgeschichte  t  Psychologie  und  Logi. 

aber  Sonnabends  Rhetorik. 


169 

Die  Unterrichts  -  Stunden  beginnen  vom  November  ab  um 
8^  Uhr,  vom  März  ab  um  8 ;  die  Nachmittags-Stunden  um  2^,  3 
und  4,  je  nach  der  Jahreszeit.  Vormittags  findet  eme  Pause  von 
einer  Viertelstunde  zwischen  den  Lectionen  statt. 

Der  Unterricht  in  lebenden  Sprachen,  im  Zeichnen  etc.  wird 
in  den  durch  das  Reglement  bestimmten  Stunden  ertheilt.  Im 
dritten  Jahre  des  Lateinischen  Unterrichts  soll  auch  Mythologie 
vorgetragen  werden.  An  Sonn-  und  Festtagen  liest  der  Reli- 
gions- Lehrer  den  Schülern  die  Messe,  hält  eine  halbe  Stunde 
lang  einen  Vortrag  über  das  Evangelium  des  Tages,  und  unter- 
weist die  Alunmen  in  den  Gebräuchen  der  Kirche.  Der  Profes- 
sor der  Rhetorik  soll  die  Schüler  für  die  Schönheiten  der  Latei- 
nischen und  Spanischen  Poesie  empfangKch  machen,  und  beson- 
ders ausgezeichnete  Dichtungen  auswendig  lernen  lassen. 

Der  dritte  Titel  bespricht  (Art.  155  bis  157)  die  vorbe- 
reitenden Jahre. 

Für  Jurisprudenz  und  Theologie  werden  im  vorbe- 
reitenden Jahre  gelehrt:  Vormittags  täglich  Philosophie  mit 
einem  Abrisse  ihrer  Geschichte  und  allgemeine  und  Spanische 
Literatur.  Nachmittags  dreimal  wöchentlich  Lateinische  Lite- 
ratur, zweimal  wöchentlich  Uebungen  zum  Uebersetzen  aus  dem 
Lateinischen  und  in  das  Lateinische. 

Für  das  Studium  der  Medicin  und  Pharmacie  werden 
im  vorbereitenden  Jahre  gelehrt:  Vormittags  täglich  Mineralogie 
und  Zoologie,  dreimal  wöchentlich  allgemeine  Chemie.  Nach- 
mittags dreimal  Botanik  und  zweimal  Naturgeschichte. 

Der  vierte  Titel  handelt  von  der  Facultät  der  Philoso- 
phie (Art.  158  bis  164).  Das  Studium  der  Philosophie  kann, 
nachdem  der  Grad  als  Bachiller  erlangt  ist,  mit  einer  anderen 
Laufbahn  vereinigt  werden,  imd  wird  dann  als  ein  Hülfsstudium 
betrachtet  Um  jedoch  ziun  Studium  der  Physik  überzugehen, 
muss  man  nachweisen,  höhere  Algebra  imd  analytische  Geome- 
trie und  Differenzial-  und  Integral -Rechnung  getrieben  zu  har 
ben.    Das  Studium  der  lebenden  Sprachen  erfordert  zwei  Jahre 


170 

mindestens  für  eine  jede ,  und  eben  so  viel  für  das  Griechische, 
Hebräische  und  Arabische. 

Im  fünften  Titel  tritt  die  juristische  Facultät  auf 
(Art.  165  bis  173).  Das  Studium  der  Jurisprudenz  erfordert  acht 
Jahre.  In  diesen  %vird  gelehrt:  Im  ersten  Jahre,  täglicher  Un- 
terricht: Einleitung  zur  Rechtsgeschichte,  Römische  Rechts- 
geschichte, Institutionen  des  Römischen  Rechts,  erster  Cur- 
sus.  —  Im  zweiten  Jahre :  täglich  Institutionen  des  Römischen 
Rechts,  zweiter  Cursus.  —  Im  dritten  Jahre:  täglich  Ge- 
schichte und  Institutionen  des  Spanischen  Civilrechts,  Spani- 
sches Handels-  und  Criminal-Recht.  —  Im  vierten  Jahre:  täglicb 
Einleitung  zum  allgemeinen  und  besonderen  Spanischen  canoni- 
schen Recht,  dreimal  politische  Oeconomie.  Diejenigen,  welche 
obige  Studien  durch  vier  Jahre  getrieben,  können  zum  Grad  als 
Bachiller  zugelassen  werden.  —  Im  fünften  Jahre :  täglich  All- 
gemeine Kirchen  -  Disciplin  und  besondere  von  Spanien,  dreimal 
wöchenthch  öffentliches  und  administratives  Recht.  —  Im  sech- 
sten Jahre:  dreimal  AmpUacion  des  Spanischen  Rechts,  Civil- 
Recht,  dreimal  Theorie  des  Prozesses,  zweimal  gerichtUche  Vor- 
träge. —  Im  siebenten  Jahre :  dreimal  Weitere  AmpUacion  des 
Spanischen  Rechts,  Handels-  und  Criminal-Recht  und  Fueros 
particulares ;  dreimal  Gerichts -Praxis.  Nach  Ablauf  dieser  drei 
Jahre  mit  dem  Grade  als  Bachiller  kann  man  sich  zur  Prüfung 
als  Licenciat  melden.  —  Im  achten  Jahre:  dreimal  Philosophie 
des  Rechts,  Völkerrecht;  dreimal  vergleichende  Gesetzgebung. 
Nach  Ablauf  dieses  Jahres  kann  man  sich  zur  Doctor-Promotion 
melden. 

La  Instituta  de  Justiniano  müssen  von  den  Studierenden 
auswendig  gelernt  werden.  Zu  dieser  Facultät  gehört  eine  Aca- 
demie,  deren  Mitglieder  sich  Sonnabends  versammeln.  Die  Schü- 
ler des  sechsten  und  siebenten  Jahres  nehmen  daran  Theil;  als 
Uebungen  werden  Vorträge  aus  dem  Gebiete  der  Rechtswisseu- 
Schaft  gehalten,  und  das  prozessualische  Verfahren  praktisch  er- 
läutert. 


f 


171 

Der  sechste  Titel  handelt  von  der  Facultat  der  Theolo- 
gie (Art  174  bis  177).  Das  Studium  der  Theologie  erfordert 
einen  achtjährigen  Cursus.  Es  wird  gelehrt  im  ersten  Jahre: 
täglich  Fundamente  der  Religion  (lugares  teologicos).  —  Im 
zweiten  Jahre:  tägUch  Institutionen  der  dogmatischen  Theolo- 
gie, erster  Cursus.  —  Im  dritten  Jahre:  tägUch  dasselbe,  zweiter 
Cursus.  —  Im  vierten  Jahre:  taglich  Moral  und  Pastoral- 
Theologie;  zweimal  Kanzel -Redekunst  —  Nach  Verlauf  die- 
ser vier  Jahre  kann  man  sich  zmn  Grad  des  Bachiller  melden.  — 
Im  fünften  Jahre:  taglich  heilige  Schiift;  dreinml  Hebrüsche 
Sprache,  erster  Cursus.  —  Im  sechsten  Jahre :  täglich  Einleitung 
und  Elemente  des  allgemeinen  und  besonderen  Spanischen  ca- 
nonischen Rechts;  dreimal  Hebräisch,  zweiter  Cursus.  —  Im 
siebenten  Jahre:  täglich  Geschichte  und  General -Disciplin  der 
Kirche  und  namentlich  der  Spanischen;  dreimal  wöchentlich 
Griechisch,  erster  Cursus.  —  Die  Alumnen  können  sich  zu  Licen- 
eiaten  melden.  —  Im  achten  Jahre :  dreimal  wöchentlich  biblio- 
grafia  sagrada;  Literatur-Geschichte  der  kirchlichen  Wissen- 
schaften; dreimal  apologetische  Studien;  dreimal  Griechische 
Sprache.  —  Erlaubniss,  sich  zur  Doctor-Promotion  zu  mel- 
den. —  Beim  Studium  des  canonischen  Rechtes  sind  die  Theo- 
logen und  Juristen  vereinigt. 

Im  siebenten  Titel  werden  die  materiellen  Mittel  des 
Unterrichts  aufgeführt,  und  (Art  178  bis  182)  bestimmt,  dass 
die  Hörsäle  hell  und  hoch,  die  Sitze  amphitheatralisch  erhöht, 
ein  Hof  für  freie  Bewegung  der  Schüler  vorhanden  sein,  und 
jede  öffentliche  Unterrichts -Anstalt  versehen  sein  soU  mit  den 
nöthigen  physicaüschen,  mathematischen,  chemischen  Apparaten 
und  Präparaten,  mit  Bibliothek,  Globen,  Karten,  MineraUen,  aus- 
gestopften Thieren,  mit  einem  Herbarium  und  einem  botanischen 
Garten. 

Der  fünfte  Abschnitt  handelt  von  den  Professoren 
und  zunächst  im  ersten  Titel  von  den  Uebimgen,  um  den  Grad 
des  Regens  zu  erhalten  (Art  183  bis  198);  im  zweiten  Titel 


172 

(Art.  199  bis  224)  von  den  Uebungen  der  «Oposicion»  um  einen 
Lehrstuhl  zu  erlangen;  im  dritten  Titel  (Art.  225  bis  227)  von 
den  Lehrstühlen,  welche  ohne  Oposicion  vergeben  werden;  im 
vierten  Titel  (Art.  228  bis  230)  von  den  Titehi,  welche  die  Ca- 
tedraticos  erhalten  müssen;  im  fünften  Titel  (Art.  231  bis  236) 
von  der  Art  und  Weise,  in  den  Lehrstühlen  der  Facultät  in  Ca- 
tegorien  hinaufzurücken;  im  sechsten  Titel  (Art  237  bis  241)  die 
Mittel,  um  ein  Lehrfach  mit  dem  anderen  zu  vertauschen;  im 
siebenten  Titel  (Art  242  bis  260)  von  den  Verpflichtungen  der 
Catedraticos ;  im  achten  Titel  (Art  261  bis  267)  von  den  Acyu- 
tanten  und  anderen  Unterrichts -Beamten,  und  im  neunten  Titel 
(Art  268  bis  286)  von  den  Substituten. 

Das  Bemerkenswertheste  in  diesem  Absclmitt  ist:  Um  den 
Titel  eines  Regens  erster  Klasse  (Regente)  zu  erlangen,  muss 
der  Aspirant  22  Jalir  alt  und  Licenciat  sein;  zum  Regens  zweiter 
Klasse  genügen  20  Jahre  und  der  Titel  als  Bachiller;  der  letztere 
ist  nicht  nothwendig,  wenn  es  sich  nur  um  den  Unterricht  in  den 
lebenden  Sprachen  handelt  Der  Aspirant  hat  dann  öffentlich 
zwei  Proben  seiner  Tüchtigkeit  abzulegen.  Die  erste  besteht  in 
einem  freien  Vortrage  über  ein  Thema,  welches  er  unter  dreien 
wählen  kann,  die  er  selbst  aus  einer  Urne  gezogen,  in  welcher 
sich  50  Aufgaben  befanden.  Bei  der  Prüfung  zum  Regens  erster 
Klasse  betreffen  die  Aufgaben  das  Unterrichtsfach,  das  er  ge- 
wählt hat;  bei  der  Prüfimg  zweiter  Klasse  behandeln  sie  die 
Philosophie  im  Allgemeinen.  Es  werden  dem  Aspiranten  24 
Stimden  zur  Vorbereitung  gelassen ;  er  wird  eingeschlossen,  er- 
hält die  gewünschten  Bücher,  arbeitet,  und  präsentirt  dem  Decan 
seinen  Aufsatz,  worauf  Tag  und  Stunde  zum  Vortrag  anberaumt 
werden,  der  nicht  kürzere  Zeit  als  eine  halbe  und  nicht  längere 
als  drei  Viertel  Stunden  in  Anspruch  nehmen  darf  Drei  Catedra- 
ticos bilden  die  Richter.  Sind  sie  befriedigt,  so  ordnen  sie  die 
zweite  Prüfung  an;  wo  nicht,  so  wird  der  Aspirant  auf  6  Monat 
zurückgewiesen. 

Die  zweite  Prüfimg  besteht  in  einer  Unterrichts -Stunde, 
welche  drei  Viertel  Stunden  dauert.    Er  wählt  den  Gegenstand 


\ 


173 

wiederum  unter  drei  Aufgaben ,  die  er  aus  einer,  50  Themata 
enthaltenden  Urne  gezogen;  zieht  sich  auf  drei  Stunden  zurück, 
mn  sich  vorzubereiten,  wozu  er  Bücher  erhält,  und  trägt  dann 
vor;  worauf  er  von  den  Richtern  eine  Iialbe  Stunde  lang  über 
denselben  Gegenstand  examinirt  wird.  Ist  das  Urtheil  günstig, 
so  erfordert  der  Rector  bei  der  Regierung  die  Approbation, 
welche  er  mit  160  und  resp.  300  r.  bezahlt.  Das  Examen 
kostet  100  r. 

Um  wichtige  Lehrfächer  mit  ausgezeichneten  Lehrern  zu 
besetzen,  wird  bei  eintretenden  Vacanzen  ein  Concurs  eröffnet» 
und  durch  das  Buletin  und  die  amtliche  Zeitung  ein  Aufruf  imd 
Einladung  an  Bewerber  erlassen,  um  zu  einem  bestimmten  Tage 
sich  einzufinden.  Dieser  Aufruf  ergeht  von  der  General -Direction 
des  öffentlichen  Unterrichtes.  An  diese  senden  die  Aspiranten 
ihre  Anträge  und  Zeugnisse,  welche  Documente  den  Richtern 
zugestellt  werden.  Ausser  der  Griechischen,  Lateinischen,  He- 
bräischen und  Arabischen  Sprache  bedarf  es  nur  des  Titels  Re- 
gens, um  zu  dem  Wettstreit  zugela;ssen  zu  werden.  Von  den 
durch  die  General- Direction  bezeichneten  9  Richtern  erscheinen 
die  beiden  jüngsten  nur  als  Substitute  für  VertretungsflUle;  der 
Vorsitzende  wird  von  der  Direction  bestimmt  Die  Namen  sämmt- 
licher  Concurrenten  werden  auf  Zettel  geschrieben,  in  eine  Urne 
geworfen  und  dann,  je  nachdem  sie  successive  vom  Präsidenten 
gezogen  und  verlesen  worden,  in  dieser  Reihenfolge  eingetragen. 
Je  drei  Namen  bilden  ein  Kleeblatt  (trinca);  bleiben  zwei  Oppo- 
nenten übrig,  so  bilden  sie  eine  Abtheilung  far  sich;  bleibt  nur 
einer  übrig,  so  wird  er  der  letzten  Abtheilung  der  drei  zugeschla- 
gen. Diese  trincas  oder  parejas  opponiren  imter  einander.  Am 
Tage  des  Concurses  versammeln  sich  die  Concurrenten  zu  der 
dreifistchen  Aufgabe.  Die  erste  besteht  in  einem  Vortrage,  30  bis 
45  Minuten  lang:  in  Lateinischer  Sprache,  wenn  ein  Lehrstuhl 
der  Theologie,  des  Römischen  Rechtes ,  des  canonischen  Rechtes 
oder  der  Lateinischen  Sprache  und  Literatur  besetzt  werden  soll. 
Zur  Oposidon  erhalten  die  Conciurenten  24  Stunden  Zeit,  die 
sie,  mit  Büchern  versehen,  unter  Verschluss  zubringen.  Nachdem 


174 

die  Reihenfolge  der  Concurrenten  durchs  Loos  bestinmit^  tragen 
diese  hiemach  ihre  Oposiciones  vor,  und  unterwerfen  sich  einer 
mündlichen  Prüfung  über  denselben  Gegenstand.  —  Die  zweite 
Prüfung  besteht  in  einem  Unterrichts -Vortrag,  durchs  Loos  be- 
stimmt, nach  dreistündiger  Vorbereitung.  In  der  Medicin  wer- 
den entweder  an  Leichen  die  anatomischen,  oder  an  Kranken  die 
klinischen  Oposiciones  gemacht.  —  Der  dritte  Act  besteht  in 
einer  mündlichen  Prüfung  aus  dem  Bereiche  des  vacanten  Lehr- 
faches. Aus  50  darüber  handelnden  Fragen  werden  10  heraus- 
gezogen. Betreffen  einige  praktische  Versuche,  so  werden  diese 
ausgeführt  —  demnächst  nach  dem  Schlüsse  die  drei  vorzüglich- 
sten Aspiranten  ausgewählt,  und  unter  ihnen  der  Beste  höheren 
Orts  in  Vorschlag  gebracht  und  bestätigt. 

Wer  zum  Catedratico  ernannt  ist^  und  es  unterlässt^  binnen 
drei  Monaten  seinen  Titel  nachzusuchen  und  einzulösen,  geht 
dessen  verlustig.  Die  Kosten  betragen  an  der  Facultät  2000,  am 
Institut  oder  der  Special -Schule  1000,  in  den  übrigen  Fällen 
500  r.  Meldet  sich  der  Ernannte  nicht  binnen  40  Tagen  zur 
XJebemahme  seiner  Berufspflichten,  so  wird  die  Stelle  fiir  erledigt 
erklärt.  Für  eine  Beförderung  de  ascenso  werden  3000,  fiir  eine 
de  termino  4000  r.  entrichtet.  Für  die  Vertauschung  der  Lehr- 
filcher  werden  100  r.  Kosten  gezahlt 

Das  Gehalt  der  Catedraticos  wird  auf  die  einzelnen  Lectio- 
nen  repartirt  Fallen  zehn  Stunden  aus,  so  verliert  er  den  dafiir 
berechneten  Betrag;  sind  zwanzig  Stunden  versäumt,  so  zieht 
man  ihm  als  Strafe  den  doppelten  Stunden -Betrag  ab;  bei  noch 
grösserer  Vernachlässigung  wird  er  suspendirt,  und  der  Regie«- 
rang  Anzeige  gemacht  Jene  Geldstrafen  werden  zum  Besten 
der  BibUothek  verwendet  —  Kein  Catedratico  darf  sich  ohne 
Erlaubniss  des  Chefs  auch  nur  24  Stunden  von  seinem  Wohn- 
orte entfernen.  Eine  solche  Erlaubniss  kann  während  des  Cur- 
sus  im  Ganzen  nur  an  zwei  Lehrer  und  jedem  nur  einmal  eriheilt 
werden ;  sie  erlischt,  wenn  nicht  bumen  Monatsfrist  davon  Ge* 
brauch  gemacht  wird.  Vom  1  Juni  bis  1 5  Juli  dauern  die  Prü- 
fimgen  und  Promotionen;  von  da  ab  bis  zum  15  September  sind 


175 

Ferien.  Der  Chef  der  Anstalt  überwacht  den  Unterricht,  damit 
keine  Irrthümer  und  falsche  Ansichten  sich  einschleichen.  Wür- 
den dergleichen  im  Religions- Unterricht  znm  Vorschein  kom- 
men,  so  mnss  der  Regierang  sogleich  Anzeige  gemacht  werden. 
Der  Catedratico  ist  besonders  verantwortlich  für  die  Aufrecht- 
haltung der  kirchlichen  Disciplin  unter  den  Alumnen,  seine  Nach- 
sicht wird  streng,  eventuell  mit  Suspension  bestraft.  Die  Cate- 
draticos  dürfen  im  Unterrichts^Gebäude  nur  in  den  Zwischenstun- 
den rauchen.  Unsittlichkeiten ,  Streit  und  Beleidigungen  imter 
den  CoUegen  werden  mit  500  bis  1000  r.  bestraft.  Hält  der  Ca- 
tedratico IQ  seiner  Wohnung  Repetitorien  mit  seinen  Schülern 
zur  Nachhülfe  des  öffentlichen  Unterrichts,  so  wird  er  seines  Am- 
tes entsetzt  Privat- Stunden  in  anderen  Gegenständen  kann  er 
mit  Erlaubniss  des  Chefis  ertheilen;  jedoch  darf  er  den  Prüfun- 
gen dieser  Schüler  in  solchen  Fächern  in  der  Anstalt  nicht  bei- 
wohnen. 

Die  Schüler,  welche  die  Normal-Schule  besucht^  haben  bei 
Besetzung  von  Lehrerstellen  den  Vorzug,  und  sie  bestimmen 
selbst  unter  sich  durch  Oposicion  die  Reihenfolge  der  fixirten 
Anstellung.  Bis  dahin  sind  sie  zur  Aushülfe,  in  Vertretungsfäüen, 
zur  Vorbereitung  für  den  Unterricht  imd  mit  der  Beaufsichtigung 
der  Bibliothek,  der  Cabinete  und  Sammlimgen  der  Anstalt  be- 
schäftigt, und  fahren  den  Titel  Ac^utanten  (Ayudantes).  Um 
Substitut  zu  werden,  muss  man  den  Grad  eines  Licenciaten  er- 
worben haben.  In  der  Faeultät  der  Philosophie  sind  sechs  Sub- 
stitute aufgenommen ;  in  Madrid  drei  für  jede  Section  dieser  Fa- 
eultät In  der  Jurisprudenz  sind  drei  Substitute,  in  der  Theolo- 
gie, Medicin  und  Pharmacie  je  zwei.  In  den  beiden  letzten 
Factdtäten  werden  insbesondere  zu  Experimenten  und  anatomi- 
schen Versuchen  die  Adjutanten  und  ptaktisirenden  Pharmaceu- 
ten  als  Substitute  der  Professoren  verwendet.  Die  Substitute  in 
Madrid  beziehen  8000,  die  an  den  Districts -Universitäten  6000  r. 
Gebalt. 

Der  sechste  Abschnitt  handelt  von  den  Alumnen;  im 
ersten  Titel  (Art  287  bis  303)  von  den  zur  Au&ahme  oder  Ma- 


176 

trikel  nothwendigen  Eigenschaften;  im  zweiten  Titel  (Art  304 
bis  328)  von  den  Matrikeln;  im  dritten  (Art  329  bis  339)  von 
den  Verpflichtmigen  der  Alumnen;  im  vierten  (Art  340  bis  387) 
von  den  Prüfungen;  im  fünften  (Art  388  bis  410)  von  den  Prä- 
mien; im  sechsten  (Art  410  bis  428)  von  den  Strafen. 

Zur  Aufnahme  in  den  höheren  Unterricht  muss  der  Schü- 
ler 10  Jalire  alt  sein  imd  durch  eine  Prüfung  seine  Kenntnisse 
des  Elementar -Unterrichts,  besonders  in  der  Grammatik  und  Or- 
thographie, nachweisen.  Diese  Prüfung  kostet  20  r.  Zum  Stu- 
dium der  Rechtswissenschaft^  Theologie,  Medicin  und  Pharmacie 
muss  der  Grad  als  Bachiller  vorher  erworben  und  das  vorberei- 
tende Studienjahr  absolvirt  sein.  Dispensationen  von  dem  vor- 
geschriebenen Studiengange  finden  imter  keinen  Umstanden  statt 
Nach  bestandener  Prüfung  wird  das  Nationale  des  Schülers  in  die 
Matrikel  aufgenommen,  und  diese  bis  zum  15  October  der  Re- 
gierung eingereicht 

Die  Zeit,  wann  die  Anmeldungen  zur  Immatriculation  er- 
folgen müssen,  und  die  dazu  erforderlichen  Bedingungen  wer- 
den öjffentiich  bekannt  gemacht;  am  1  October  wird  die  Liste 
geschlossen.  Zur  Immatriculation  sind  der  Taufschein  noth- 
wendig,  die  Studien-Zeugnisse,  die  Quittung  über  die  Bezahltmg 
für  die  Aufiiahme,  und  ein  von  den  Eltern  oder  dem  Vormund 
bescheinigter  Zettel  über  die  Familienverhältnisse  des  Schülers. 
Dagegen  erhält  der  Schüler  die  Bescheinigung  der  Aufnahme 
imd  seiner  laufenden  Nununer,  mit  welcher  er  sich  beim  Beginn 
des  Unterrichts  vor  dem  Catedratico  legitimirt.  Die  Schüler  der 
Facultäten  der  Theologie,  Jurisprudenz,  Medicin  und  Pharmacie 
zahlen  fiir  die  Immatriculation  320  r.,  die  der  Philosophie  200  r., 
und  zwar  die  Hälfte  bei  der  Aufnahme,  den  Rest  bis  zum 
1  April.  Wird  erst  bis  zum  15  April  gezahlt,  so  wird  dies  in 
das  Inscripten-Buch  eingetragen.  80  r.  werden  für  die  Zulas- 
sung zur  Theilnahme  an  Nebenstudien  erlegt 

Die  Catedraticos  haben  den  regelmässigen  Besuch  des  Unter- 
richts zu  überwachen.  Versäumt  der  Alunme  16  Stunden  eiaes 
täglichen  Vortrages,  oder  8  Stunden  eines  wöchentlich  dreimali- 


177 

gen,  oder  4  eines  wöchentlich  zweimaligen  Vortrages,  so  wird 
er  gestrichen  und  verliert  den  Cursus,  und  seine  Eltern  erhalten 
eine  Mittheilung  hiervon.  Solche  Alunmen,  welche  sich  nach 
dem  Schlüsse  der  Matrikel  zur  Aufnahme  gemeldet  haben  und 
in  die  Inscripten- Bücher  eingetragen,  aber  zum  Unterricht  zuge- 
lassen sind,  verlieren  den  Cursus,  wenn  sie  auch  nur  die  Hälfte 
der  oben  berechneten  Unterrichts-Stunden  versäumt  haben.  Na- 
türlich ist  hier  nur  von  Versäumnissen  ohne  gegründete  Ver- 
anlassung die  Rede.  In  Krankheitsfällen,  welche  bescheinigt  wer- 
den müssen,  werden  dem  Alumnen  als  Maximum  30  Tage  nach- 
gesehen. Im  Februar,  vor  den  Prüftmgen,  wird  in  dem  Register- 
Buche,  wo  jeder  Alummus  sein  Folium  hat,  zusammengestellt, 
wie  oft  er  gefehlt,  welche  Strafen  er  erUtten,  was  er  geleistet 
und  welche  Fortschritte  er  gemacht  hat.  Den  Eltern  des  Schü- 
lers wird  dies  Zeugniss  mitgetheilt.  Die  Alumnen  müssen  die 
zum  Unterricht  erforderlichen  Textbücher  und  Compendien  an- 
schaffen und  monatlich  vorzeigen.  Jeder,  welcher  sich  zwei  Mo- 
nate lang  ohne  dieselben  befindet,  wird  gestrichen.  Die  Alum- 
nen dürfen  im  Schulgebäude  nicht  rauchen. 

Im  Monat  Februar  finden  fünftägige  Vorprüftingen  über  die 
Fortschritte  der  Alumnen  statt,  und  zwar  in  Gegenwart  der  Ca- 
tedraticos  der  Facultät  Nach  den  vorgelegten  Fragen,  die  bis 
10  Minuten  höchstens  für  jeden  Examinanden  dauern  dürfen, 
werden  die  Zeugnisse  «  vorzügUch,  gut,  genügend,  schlecht »  (so- 
bresaliente,  bueno,  regulär,  malo)  ertheilt  und  ausgefertigt  Dem 
fehlenden  Alunmen  wird  dafür  die  Hälfte  des  Maximums  an 
Unterrichts -Stunden,  welche  zur  Ausschhessimg  führen,  ange- 
rechnet Den  bei  der  Prüfung  schwach  Befundenen  wird  noch 
eine  vierzehntägige  Frist  zur  Vorbereitung  zum  ferneren  Exa- 
men bewilligt 

Am  Schlüsse  jedes  Schuljahres  finden  die  allgemeinen  Prü- 
fungen statt.  Die  Catedraticos  stellen  die  Listen  ihrer  Zuhörer, 
mit  Fortlassung  der  Gestrichenen,  auf.  Die  Examinanden  der 
Facultät  melden  sich  vom  20  Mai  ab,  die  aus  anderen  Unter- 
richts-Anstalten  vom  5  Juni  an,  indem  sie  die  Quittung  über 

▼.  MiniitoUf  Spanien.  \2 


178 

20  r.  Examinations- Gebühren  und  über  den  vollen  Unterrichts- 
Betrag  vorlegen.  Die  Alumnen  des  Instituts  und  der  philoso- 
phischen Facult&t  werden  schriftlich  und  mündlich  geprüft.  Die 
Alumnen  der  Latinität,  der  Rhetorik,  Poesie  und  Literatur,  des 
Spanischen  und  Lateinischen  vereinigen  sich  in  Abtheilungen 
(tandas) ;  der  Catedratico  dictirt  ihnen  ein  Thema,  lässt  sie  unter 
der  Aufsicht  eines  Pedells  zwei  Stunden  arbeiten  und  sammelt 
dann  diese  Probearbeiten  ein.  Letztere  bestehen  bei  den  Alum- 
nen der  Latinität  und  der  Rhetorik  in  einer  üebersetzung  aus 
dem  Spanischen  ins  Lateinische;  die  Schüler  der  Rhetorik  ent- 
werfen einen  kurzen  Aufsatz  über  ein  gegebenes  Thema  in  Prosa, 
nach  Belieben  in  Spanischer  oder  Lateinischer  Sprache.  Die 
Themata  giebt  der  Decan  der  Facultät  oder  der  Director  des  In- 
stitutes. Ihnen  werden  die  Arbeiten,  nachdem  jeder  Alumnus 
die  seinige  in  ein  Couvert  gesiegelt,  solches  mit  seinem  Namen 
und  seiner  Nmnmer  bezeichnet  hat,  zur  Aufbewahnmg  über- 
geben. 

Die  Alumnen  dürfen  sich  Bücher  bedienen.  Die  Pedelle, 
welche  gestatten,  dass  die  Alunmen  sich  gegenseitig  bei  den  Ar- 
beiten unterstützen,  verlieren  ein  Monatsgehalt. 

Am  31  Mai  resp.  15  Juni  vereinigen  sich  behufs  der  münd- 
lichen Prüfungen  die  Catedraticos  zu  Dreien  zu  Prüfimgs-Tribu- 
nalen;  der  älteste  präsidirt,  der  jüngste  fungirt  als  Secretair. 
Die  Examina  sind  öffentlich.  Es  erscheinen  zu  denselben  die 
Alumnen ,  der  an  sie  erfolgten  Vorladung  gemäss ,  imd  zwar  in 
Categorien  nach  der  Qualification,  die  sie  in  den  Februar -Prü- 
fungen an  den  Tag  gelegt  haben ;  zunächst  die  mit  dem  Prädicat 
«vorzüglich»,  dann  die  mit  «gut»  u.  s.  w.  Jeder  Aufgerufene 
producirt  seine  Quittung  und  nennt  seinen  Namen.  Der  letztere 
wird  von  jedem  Richter  auf  ein  zu  diesem  Zweck  gedrucktes 
Formular,  für  jeden  Examinanden  besonders,  verzeichnet  Die 
Nummern  der  einzelnen  Vorträge  jedes  Unterrichtsfaches  befin- 
den sich  in  einem  Beutel  auf  dem  Tische  der  Richter.  Jede 
Disciplin,  aus  welcher  geprüft  wird,  hat  einen  besonderen  Beu- 
tel mit  ihren  einzelnen  Vortrags-Nummem,  deren  eine,  zwei  oder 


179 

drei  yor  den  Blchtem  liegen ,  je  nachdem  sich  die  Prüfung  auf 
einen,  zwei  oder  drei  Vorträge  erstreckt.  Der  Alumne  zieht  aus 
den  Beuteln  Nummern,  giebt  dieselben  laut  an,  schlägt  die  be- 
treffende Lection  im  Textbuche  des  Vortrages  nach,  liest  solche 
vor,  imd  beantwortet  die  daraus  an  ihn  gerichteten  Fragen, 
worin  die  Richter  sich  der  Reihe  nach  abwechseln-  Die  Prüfung 
jedes  Alumnen  dauert  höchstens  20  Minuten.  Jeder  Richter 
schreibt  sein  subjectives  Urtheil  über  den  Ausfall  der  Prüfling 
auf  das  vor  ihm  liegende  Blatt,  und  zwar  entweder  «sehr  gut, 
gut^  genügend  oder  schlecht». 

Die  gezogenen  Nummern  werden  nicht  in  den  Beutel  zu- 
rückgelegt Mitunter  werden  diese  Prüfungen  auf  praktische 
Erläuterungen  ausgedehnt.  In  einer  Conferenz  der  Richter  wer- 
den die  Zeugnisse  verglichen,  und  danach  das  Urtheil  «vor- 
zügUch,  gut,  mittelmässig »  gefüllt.  Die  wegen  ungenügender 
Kenntnisse  Zurückgewiesenen  können  am  15  September,  vor 
dem  Beginn  des  neuen  Cursus,  sich  der  Prüfung  noch  einmal 
unterwerfen;  sie  bezahlen  dann  an  Gebühren  10  r.  für  jedes 
Fach,  dürfen  aber  das  Prädicat « vorzüglich  »  nicht  erhalten. 

Die  Prämien  werden  imter  den  mit  dem  Prädicat  «vor- 
züglich 9  betheiligten  Alumnen  durch  Oposicion  erworben.  Von 
je  sechs  Concurrenten  wird  Einer  prämürt.  Die  Concurrenten 
ziehen  je  vier  Fragen  aus  den  verschiedenen  Vortrags-Lectionen, 
beantworten  sie  auf  der  Stelle ,  recitiren  Lateinische  Verse  und 
übersetzen  die  ihnen  Spanisch  dictirten  Sätze  sogleich  ins  Latei- 
nische. Bei  Vertheilung  ausserordentlicher  Prämien  dauern  die 
Prfiflmgen,  je  nach  dem  Grade  der  Examinanden  und  den  ihnen 
gegebenen  schriftlich  zu  lösenden  Aufgaben,  mit  Unterbrechimg 
mehrere  Tage.  Das  Ergebniss  der  Oposicion  wird  nach  be- 
endeter Berathung  der  Richter  veröffentlicht  und  die  ausgefer- 
tigten Diplome  und  Geschenke  den  Siegern  übergeben. 

Die  Strafen  werden  festgesetzt  theils  von  dem  Catedratico, 
theils  von  dem  Chef  der  Anstalt,  theils  durch  den  Disciplinar- 
Rath,  bei  Unfleiss,  Unordnung,  Unsittiüchkeit,  Insubordination, 
Schimpfereien  und  Prügeleien.    Die  Strafen  bestehen  in  Aus« 

12' 


180 

wendiglemen,  Abschreiben,  Stehen  in  den  Unterrichts -Stunden, 
Einsperrung,  Verwamimg  vor  dem  Chef,  desgleichen  vor  dem 
Senat.  Nach  sechsmaliger  Bestrafung  kann  die  Entlassung  des 
Alumnus  verfügt  werden. 

Schläge  dürfen  nicht  ertheilt  werden.  Bei  wiederholten 
Vergehen  wird  die  Strafe  verdoppelt,  denmächst  die  Sache  an 
den  Disciplinar-Rath  gebracht. 

Schwere  Iiyurien,  Religions- Spöttereien,  Widersetzlichkeit 
gegen  Lehrer  und  Director,  Störung  der  Schul -Disdplin  imd 
Complotte  werden  mit  vierzehntägiger  Einsperrung,  Verlust  des 
Cursus ,  der  Immatriculation  und  des  Rechtes  die  Studien  fort- 
zusetzen bestraft,  und  die  Eltern  hiervon  in  Eenntniss  gesetzt 

Verbindungen  unter  den  Studenten  sind  so  wenig  erlaubt, 
als  Verabredungen  zu  gemeinschaftlichen  mündlichen  oder  schrift- 
lischen  Beschwerden. 

Der  siebente  Abschnitt  handelt  von  den  academischen 
Graden,  und  zwar  Titel  1  (Art.  429  bis  443)  von  dem  Bachiller; 
Titel  2  (Art.  444  bis  462)  vom  Licenciaten;  Titel  3  (Art  463 
bis  468)  vom  Doctor;  Titel  4  (Art  469  bis  487)  von  allgemeinen 
Bestimmungen;  Titel  5  (Art.  488  bis  501)  von  der  Reparation 
der  Examinations- Gebühren  unter  die  Professoren. 

Der  Antrag  auf  Prüfung  zum  Bachiller  geht  an  den  Rec- 
tor  der  Universität,  welcher  ihn,  nachdem  die  Formalien  erfüllt» 
die  Kosten  bezahlt  sind,  dem  Decan  der  Facultät  übergiebt  Das 
Examen  zerfällt  in  zwei  Theile:  die  Fähigkeit  in  das  Lateinische 
zu  übersetzen,  im  Spanischen  orthographisch  zu  schreiben,  müs- 
sen im  ersten;  hinreichende  Kenntnisse  in  dem  gewählten  Fach^/ 
namentlich  wie  sie  eine  funiQShrige  Studienzeit  voraussetzt,  im 
zweiten  Theile  nachgewiesen  werden.  Fällt  die  Prüfimg  zwei- 
mal ungenügend  aus,  so  wird  der  Aispirant  nicht  weiter  zugelas- 
sen.   Die  Prüfimg  kostet  100  r.,  das  Diplom  200  r. 

Der  Beförderung  zum  Licenciaten  geht  ein  Tentamen, 
und  demnächst  eine  schrÜUiche  und  mündliche  Prüfung,  ähnlich 
der  früheren,  aber  unter  Berücksichtigung  der  längeren  Studien- 
zeit und  der  weiteren  Anforderungen,  insbesondere  mit  Bezug 


181 

auf  die  gewählte  Facultät,  voran.  Jederzeit  hat  der  Candidat 
das  Recht,  unter  den  dreien  aus  100  Aufgaben  gezogenen  The- 
maten  eine  nach  Belieben  zu  wählen.  In  der  Jurisprudenz  muss 
die  Prüfung  auch  praktisch  sein ,  und  in  der  Medicin  gleichfalls 
ein  praktischer  Cursus  theils  durch  Operationen,  theils  durch 
Behandlung  innerer  Krankheiten  durchgemacht  werden,  zu  wel- 
chem Behufe  6  Zettel  mit  Namen  von  Hospital -Kranken  dem 
Examinanden  zur  Wahl  präsentirt  werden.  In  der  Pharmacie 
muss  dispensirt  und  chemisch  analysirt  werden. 

Die  Kosten  des  Licenciats  betragen  100  r.  fiir  die  Prüfung, 
1500  fiir  das  Diplom  der  Philosophie,  2000  für  das  Diplom  der 
übrigen  Facultaten. 

Zur  Doctor-Promotion  in  Madrid  werden  die  Licenciaten 
unter  Deponirung  der  Examinations  -  Gebühren  von  100  r.  und 
unter  Darlegung  ihrer  Qualifications-Zeugnisse  zugelassen.  Der 
auszuarbeitende  Discurs  muss  binnen  6  Stunden  ausgearbeitet 
werden  und  seine  Lesung  mindestens  eine  Viertelstunde  dauern. 
Ein  längerer  Vortrag  und  Oposicion  folgt  dann  später.  Die 
Kosten  betragen  1500  r.  fiir  die  Philosophie,  3000  r.  für  die  an- 
deren Facultaten. 

Die  Investitur  zimi  Licenciaten  geschieht  in  einem  feier- 
lichen Acte,  in  Gegenwart  des  Rectors,  der  Decane  und  beson- 
ders Geladener.  Der  Aspirant  wird  durch  einen  Beschützer  (Pa- 
drino)  eingeführt^  vorgestellt,  hält  einen  Vortrag,  tritt  dann  zum 
Tische  des  Vorsitzenden  und  leistet,  die  Hand  auf  die  Evange- 
lien gelegt,  den  Eid,  dessen  Fragen  der  Secretair  mit  lauter 
Stinmie  vorUest : 

Secretair:  Schwörst  Du  bei  Gott  und  den  heiligen  Evan- 
gelien, stets  bekannt  zu  haben  und  zu  bekennen  die  Lehre  Jesu 
Christi,  unsers  Herrn ;  zu  glauben  und  zu  vertheidigen  die  Sätze 
unserer  Religion,  der  einzig  wahrhaften,  wie  sie  die  Römisch- 
katholisch-apostolische Kirche  lehrt? 

Licenciat:  Ich  schwöre  es. 

Secretair:  Schwörst  Du,  das  Mysterium  der  unbefleckten 
Empfftngniss  der  heiligsten  Maria  en  el  primer  instante  de  su 


182 

natural  animadon,  wie  es  unsere  Vorfahren  gethan  und  geachtet 
haben,  aufrecht  zu  halten? 

Licenciat:  Ich  schwöre  es. 

Secretair:  Schwörst  Du  zu  Gott  \md  den  heiligen  Evan- 
geUen,  der  Constitution  der  Monarchie  vom  23  Mai  1845  zu  ge- 
horchen und  der  Königin  Isabella  II  treu  zu  sein,  und  alle  Dir 
als  Licenciaten  obliegenden  Verpflichtungen  gewissenhaft  zu 
erfüllen? 

Licenciat:  Ich  schwöre  es. 

Der  Präsident:  Wenn  Du  so  handelst,  wird  Dich  Gott 
belohnen;  wenn  Du  es  nicht  thust,  wird  er  Dich  zur  Rechen- 
schaft ziehen,  und  Du  wirst  der  Nation  und  den  Gesetzen  für 
Deine  Handlungen  verantwortlich  sein.  —  Kraft  des  mir  anver- 
trauten Amtes  und  im  Namen  der  Regierung  Ihrer  Majestät  der 
Königin  IsabeUa  II  erkläre  ich  Dich  ziun  Licenciaten  der  .  .  .  Fa- 
cultät,  wozu  die  Richter  Dich  für  würdig  befunden  haben. 

Darauf  werden  dem  Licenciaten  die  Insignien  seiner  Würde 
übergeben,  imd  er  verlässt  nach  einigen  Worten  des  Dankes 
den  Saal. 

Aehnlich  ist  die  Investitur  der  Doctoren,  jedoch  mit  mehr 
Förmlichkeiten  und  meistentheils  unter  dem  Zudrange  einer 
grossen  Anzahl  von  Zuhörern. 

Der  achte  Abschnitt  behandelt  die  Privat-Etablisse- 
ments,  und  zwar:  im  ersten  Titel  (Art.  502  bis  513)  die  Bedin- 
gungen, denen  sie  unterworfen  sind;  Titel  2  (Art.  514  bis 
524)  spridit  von  den  Matrikeln  und  Prüfungen;  Titel  3  (Art 
525  bis  540)  von  den  Strafen  gegen  die  Schuluntemehmer  und 
Directoren. 

Die  Regierung  beaufsichtigt  mit  grosser  Gewissenhaftigkeit 
diese  Anstalten,  die  Unterrichts -Pläne,  die  QuaUfication  der  Leh- 
rer, die  Fortschritte  der  Schüler  und  ihre  Führung.  Die  Ein- 
richtungen entsprechen  überall  den  öffentlichen  Anstalten.  Die 
Vorsteher  zahlen,  wenn  sie  die  Anstalt  vor  erhaltener  Erlaubniss 
eröffiien,  2  —  4000  r.  Strafe ;  wenn  sie  mehr  Schüler  aufiiehmen, 
als  die  Concession  besagt^  500  — 1000  r.;  wezm  sie  ohne  Anzeige 


183  . 

die  Schule  in  ein  anderes  Local  verlegen,  500  —  2000  r.;  wenn 
sie  eigenmächtig  andere  Textbücher  einfuhren,  1000  —  2000  r. 
Diese  und  viele  andere  Strafen  werden  durch  den  Provinziat 
Gouverneur  festgesetzt^  der  erforderlichen  Falles  auch  die  Disci- 
plLoar-Untersuchung  einleiten  und  die  Anstalt  schliessen  lässt. 

Der  neunte  Abschnitt  handelt  von  dem  Privat-Unter- 
richt,  und  gestattet  solchen  nur  nach  festgestellter  Qualification 
und  ausgefertigter  Ermächtigung.  Die  diesfalligen  Prüfimgen 
kosten  20  r.  (Art.  541  bis  556.) 

In  dem  zehnten  Abschnitt  endlich,  welcher  in  zwei  Ti- 
teln von  den  academischen  Trachten  und  Titeln  han- 
delt (Art.  557  bis  590)  wird  bestimmt^  dass  die  Rectoren,  Decane 
und  academischen  Würdenträger  bei  feierlichen  Gelegenheiten 
in  Amtstracht  erscheinen  sollen.  Solche  besteht  im  Talar  (toga) 
und  Hut  (birette)  nebst  den  die  Facultät  bezeichnenden  In- 
signien.  Die  Geistlichen  tragen  nur  die  letzteren.  Die  weite 
Toga  ist  durch  einen  Knopf  am  Arme  befestigt.  Der  Minister 
und  der  General- Dir ector  tragen  bei  solchen  Gelegenheiten  nur 
die  goldene  emaUlirte  Medaille  am  goldenen  Bande  um  den  Hals ; 
die  Räthe  einen  Mantel  mit  Kragen  (muceta  con  coguUa)  von 
schwarzem  Sammet,  Krausen  (vuelillos )  mit  weisser  Einfassung 
über  eiQem  rosa  seidenen  Ueberwurf,  Doctorhut  (borla)  mit  sei- 
denen Quasten,  um  den  Hals  an  einem  Bande  von  der  Farbe  der 
Facultät  eine  Medaille. 

Die  seidenen  Capoten  sind  bei  den  Juristen  roth,  bei  den 
Theologen  weiss,  bei  den  Medicinern  gelb,  bei  den  Pharmaceuten 
violett,  bei  den  Philosophen  blau.  —  Die  Licenciaten  tragen 
gleiche  Talare,  aber  keine  Quaste  an  den  Bareten;  die  BachUlere 
eine  Quaste  von  Seide  in  der  Facultätsfarbe;  die  Regenten  einen 
blauen,  die  Professoren  einen  schwarzen  Knopf  am  Hut. 

Die  Medaille  der  Räthe  zeigt  das  Königliche  Wappen  mit 
der  Umschrift:  «Elisabeth  11  publicae  insütutioni»,  und  auf  dem 
Reverse  eine  leuchtende  Sonne  mit  der  Umschrift:  «perfundet 
omnia  luce. » 


184 

Die  ALumnen  dürfen  bei  feierlichen  Acten  nicht  mit  Fächern, 
Regenschirmen,  Mützen,  ledernen  Gamaschen  erscheinen.  Die 
Pedelle  tragen  Federhüte  und  Scepter. 

Der  Universitäts- Senat  und  der  Rector  fuhren  das  Pradicat 
« illustrissimus  »;  die  einzelnen  Mitgüeder  desselben  werden  Seno- 
ria  genannt;  eben  so  die  Decane. 


Am  5  September  1851  machte  der  Unterrichts -Minister  die- 
jenigen Schriften  bekannt,  welche  dem  höheren  Unterricht  zum 
Grunde  gelegt,  und  bei  den  Vorträgen  des  neuen  Studienjahres 
von  den  Alumnen  der  verschiedenen  Facultäten,  je  nach  der  Be- 
stimmung der  Lehrer,  angeschafft;  werden  sollten.  Es  sind  dies 
in  sämmthchen  Disciplinen  253;  von  denen  die  für  die  letzten 
Jahre  der  Ausbildung  bestimmten  zum  grossen  Theil  aus  ande- 
ren Sprachen  wörtlich  übersetzt  sind.  Von  diesen  führe  ich  hier 
mit  auf:  Edwards  Milne's  Naturgeschichte  —  Psychologie  von 
Tissot  —  oeconomia  poHtica  von  Garnier  —  Astronomie  von 
Herschel  —  Diflferenzial-Rechnung  von  Boucharlat  —  Mechanik 
von  Poisson  —  Physitvon  Pouillet  —  desgleichen  von  Desprez 
—  Chemie  von  Regnaidt  —  desgleichen  von  Masameau  -r  des- 
gleichen von  Pelouze  —  desgleichen  von  Lassaigne  —  desglei- 
chen von  Liebig  —  Mineralogie  von  Beudant,  Salacroux  —  Bo- 
tanik von  Girardin,  Juillet,  Richard. 

Farmacia  operatoria  von  Comet,  le  Canu,  Soubyrau.  Ana- 
tomie von  Marchessaux,  Henle,  Lanth,  Valpau.  Physiologie  von 
MüUer,  Rivot,  Londe,  Foy,  Chmel,  Chehus. 

Entbindimgslehre  von  Hufeland,  Martinet,  Cupuron,  Chal- 
lier,  Duges,  Barrier,  Taverguier. 

Kirchenrecht  von  Walter. 

Dass  das  Studium  und  die  Leistungen  der  Spanischen  Stu- 
dierenden im  Lateinischen  imd  Griechischen  demjenigen  nicht 
gleich  kommen,  was  von  den  Primanern  der  Preussischen  Gymna- 
sien erfordert  wird,  geht  schon  aus  dem  Umstände  hervor,  dass 
Latein  in  Spanien  nur  auf  die  drei  ersten  Instituts -Unterrichts- 
jahre, auf  die  Grammatiken  von  Aranjo  und  Aßg  und  auf  eine 


185 

amtliche  Sammlimg  auserwaMter  Classiker  in  Auszügen  be- 
schränkt ist  Jene  als  Schulbuch  eingeführte  Sammlung  enthält 
zwar  Proben  von  Cicero,  Quintihan,  TertuUian,  einen  Dialog  von 
Tacitus,  den  Heautontimorumenos  von  Terenz,  die  Captivi  von 
Plautus,  drei  Bücher  aus  der  Aeneis,  eine  Kleinigkeit  von  Ovid, 
einige  Oden  des  Horaz  —  aber  wer  wiU  aus  solchen  Brocken 
zum  Verständniss  jener  Meister  gelangen!  Und  nun  gar  das 
Griechische ,  wovon  man  sich  nach  Beheben  dispensiren  lassen 
kann,  lässt,  bei  der  Kürze  der  ihm  gewidmeten  Studienzeit  nicht 
gründüchere  Kenntniss  erwarten,  als  sie  ein  Tertianer  eines 
Preussischen  Gymnasiums  nachzuweisen  im  Stande  ist. 

So  interessant  es  auch  sein  würde,  den  Gang  des  Spanischen 
Schul-  und  academischen  Unterrichts  näher  kennen  zu  lernen, 
und  die  zu  diesem  Zwecke  entworfenen,  von  der  Regierung  ge- 
nehmigten Programme,  so  wie  die  Textbücher  oder  Compendien, 
welche  jeder  Professor  seinem  Cursus  zum  Grunde  legt,  mitzu- 
theilen,  so  lässt  doch  der  Raum  dies  nicht  zu,  und  muss  ich  mir 
vorbehalten,  darauf  bei  einer  anderen  Gelegenheit  zurück  zu  kom- 
men. Dagegen  werde  ich,  falls  die  Prüfungsart  durch  obige  Be- 
schreibung nicht  ganz  deutUch  gemacht  sein  sollte,  solche  an 
zwei  Beispielen  erörtern. 

Der  Professor,  welcher  die  Dauer  des  Cursus  genau  kennte 
lässt  ein  Textbuch  drucken,  in  welchem  der  Gegenstand  des  Vor- 
trages flu:  jede  Unterrichts- Stunde  unter  fortlaufenden  Nummern 
angegeben  ist.  Das  Programm  oder  Textbuch  des  siebenten 
Jahres  fiir  die  Juristen  enthält  161  Nummern  für  161  Unterrichts- 
Stunden;  das  Textbuch  über  Rhetorik  und  Poesie  104  Nummern 
für  eben  so  viele  Vorträge.  Gesetzt^  ein  Alumnus  würde  in  bei- 
den Fächern  geprüft,  so  würde  er  aus  einem  rothen,  mit  161 
Nummern  geftillten,  und  aus  einem  blauen,  mit  104  Nununem 
geflülten  Beutel  je  eine  Nmnmer  ziehen.  Hätte  er  die  Nummern 
40  und  78  gezogen,  so  würde  er  solche  laut  aufirufen,  die 
Textbücher  zur  Hand  nehmen,  \md  aus  dem  juristischen  Pro- 
gramme No.  40,  aus  dem  rhetorischen  No.  78  vorlesen.  Sie 
lauten: 


186 

No.  40.  De  las  acciones  reales  en  general.  —  Accion  reivin* 
dicatoria.  —  Accion  publiciana.  —  Accion  rescisoria  de  domi- 
nico.  —  Acciones  confesoria  y  negatoria.  —  Acciones  hipoteca- 
rias.  —  Acciones  prejudiciales.  —  Accion  para  adquerirlaposesion. 

No.  78.  1 )  Epocas  prindpales  de  la  poesia  dramaüca.  — 
2)  Teatro  griego.  —  3)  Cual  era  el  oficio  del  coro  en  la  tragedia 
griega.  —  4 )  Destino  —  con  que  ha  reemplazado  el  teatro  mo- 
demo.  —  5)  Caracter  de  la  Comedia  de  Aristofanes  —  Comedia 
de  Menandro.  —  6)  Teatro  latino.  —  7)  Teatro  de  la  edad  media« 
—  8)  Teatro  historico.  —  9)  Teatro  regulär  6  arreglado.  — 
10)  Teatro  modemo. 

Aus  diesen  beiden  Abschnitten  würden  nun  dem  Examinan- 
den Fragen  von  den  Examinatoren  der  Reihe  nach  vorgelegt^ 
und  die  Antworten  als  gut,  genügend  oder  schlecht  eingetragen 
werden. 

Ich  habe  mit  grossem  Interesse  solchen  Prüfungen  in  Ma- 
drid, Valencia  und  Barcelona  beigewohnt.  Im  Allgemeinen  waren 
die  Antworten  befriedigend ,  nur  machten  sie  auf  mich  den  Ein- 
druck, als  ob  ein  zu  grosser  Werth  auf  das  wörtliche  Aus- 
wendiglernen der  Definitionen  gelegt  und  nicht  auf  gleiche 
Weise  Bedacht  genommen  wäre,  die  Begriffe  vollständig  klar 
zu  machen. 

Die  Promotion  eines  Doctors  der  Medicin  in  Madrid  gab  mir 
Gelegenheit,  die  dabei  gebräuchlichen  FormaÜtäten  in  der  Nahe 
zu  betrachten.  Als  einen  Beweis  der  Spanischen  Höflichkeit  ge- 
gen Fremde  führe  ich  an,  dass  ich  eine  Einladung  erhielt,  mich 
in  meiner  Eigenschaft  als  Doctor  dem  Gremium  der  Doctoren 
der  Rechte  anzuschliessen  und  in  deren  Mitte  der  Feierlichkeit 
beizuwohnen.  Unter  Vortritt  des  Rectors  gingen  die  Decane  und 
die  Doctoren  sämmtlicher  Facultäten  in  ihrer  Amtstracht  in  die 
von  Zuschauern  dicht  besetzte  Aula  hinab,  empfangen  mit  guter 
Musik  und  mit  unverkennbarer  Theihxahme  fiir  den  Doctoran- 
den,  welcher  nach  der  Einführung  seine  Dissertation  « La  fecun- 
dacion  del  cuerpo  humano  tiene  lugar  en  el  utero»  ablas,  den 
Opponenten  dreist  und  kurz  antwortete,  mit  dem  Ring,  Hand- 


187 

schuh  und  Schwert  belehnt  wurde ,  und  dann  den  sämmtlichen 
Doctoren  den  Bruderkuss  gab,  bei  welcher  Gelegenheit  auch  ich 
meinen  .Antheil  erhielt  Der  ganze  Act  war  für  mich  von  hohem 
Interesse,  nicht  allein  wegen  der  Neuheit  und  EigenthümUchkeit, 
wegen  der  interessanten  Persönlichkeiten,  die  ich  bei  dieser  Ge- 
legenheit kennen  lernte ,  sondern  besonders  auch  in  psychologi- 
scher Hinsicht  Der  grösste  Theil  des  sehr  zahlreichen  und  wie 
es  schien  gewählten  Auditoriums  bestand  aus  Damen,  älteren 
und  jüngeren,  Müttern  und  Töchtern,  Ich  bin  überzeugt,  dass 
sie  keine  Ahndung  von  dem  Inhalte  der  Dissertation  hatten,  mit 
welcher  der  Doctorande  debütiren  würde ,  aber  ich  bin  gewiss, 
dass  schon  diese  Ungewissheit  eine  Deutsche  Mutter  abgehalten 
haben  würde,  mit  ihren  Töchtern  zur  Promotion  eines  Mediciners 
nach  der  Universität  zu  gehen ,  wenn  dies  anders  zidässig  und 
üblich  wäre.  Im  vorliegenden  Falle  koimte  aber  das  Thema 
nicht  übler  gewählt  sein,  um  die  anwesenden  Damen  in  die  aller- 
grosseste  Verlegenheit  zu  setzen.  Ganz  abgesehen  von  dem  Ge- 
genstande, welcher  in  seiner  Behandlung  die  detaillirtesten  Schill 
derungen  einer  Thätigkeit  entwarf,  welche  die  Natur  selbst  als 
ein  Geheimniss  betrachtet  \md  dem  Auge  entzieht,  wie  es  die 
Zunge  vermeidet,  durch  seine  Berührung  das  empfindliche  Gehör 
zu  verletzen  —  so  wurden  auch  in  der  Dissertation  Behauptun- 
gen aufgestellt,  welche  wohl  als  physische  Gesetze  in  den  Augen 
des  Mediciners,  welche  aber  vor  dem  Richterstuhl  der  Moralität, 
der  durch  Erziehung  erworbenen  Selbstbeherrschung  gegen- 
über, niemals  Geltung  finden  dürfen.  Der  Gegenstand  will  selbst 
hier  zart  behandelt  sein,  darum  mag  meine  Ansicht  in  dem  nach- 
folgenden Citate  aus  seinem  Vortrage  einen  Belag  finden«  Der 
Doctorande  spricht  von  dem  Naturgesetze,  von  der  nicht  zu  zü- 
gelnden  Macht  der  Sinnlichkeit;  und  sagt: 

«  La  hija  del  desierto,  entregada  a  su  propio  instinto,  rompe 
el  velo  de  la  virginidad,  y  bulliciosa  y  juguetona  se  entrega  en 
brazos  del  amor.  —  en  ella  no  hay  reflexion,  porque  obra  tan 
solo  por  el  instinto.  La  recatada  europea  rompe  con  mano 
atrevida  las  cadenas  que  la  sujetaban  y  Uena  de  entusiasmo 


188 

y  porvenir  se  lanza  en  brazos  del  amor;  sus  suenos,  siempre 
halaguenos,  siempre  dorados,  la  pintan  un  mar  alla  Ueno  de 
esperanza  y  de  Ventura;  ama  porque  tiene  necesidad  de  amar, 
un  fuego  sagrado  consume  su  existencia,  y  late  violentamente 
SU  corazon ;  ni  el  pudor,  ni  los  desvelos  de  la  matemidad^  ni 
la  educacion,  nada,  nada  puede  sujetarla;  todo  es  inutil,  todo 
üifructuoso ;  corre  en  alas  del  amor  arrastrada^  bien  a  pesar 
suyo ,  por  un  sentimiento ,  que  en  vano  lucharia  para  poder 
evitar.  A  entrambas,  pues,  im  grito  interior,  sufocado  i)or 
algun  tiempo  las  Uama  a  amar;  aman  a  los  hombres,  aman  a 
sus  I4J0S,  y  cuando  de  estos  carecen,  aman  a  los  perros  ü  otxos 
animales;  esto  es,  aman  tan  solo  por  amar!» 

Der  Vortrag  dauerte  fast  eine  Stunde ;  er  musste  sich  fort 
und  fort  in  derselben  epineusen  Sphäre  bewegen;  ich  selbst 
fühlte  mich  unbehagUch  und  hatte  kaum  den  Muth,  zu  den 
Damen  hinüber  zu  sehen.  Diese  waren  imd  bUeben  vollständig 
ruhig,  folgten  dem  Vortrag  bis  zu  Ende,  imd  bewiesen  dadurch, 
dass  sie  durch  die  sachgemässe  Darstellung  eines  natürlichen 
Prozesses  eben  so  wenig,  als  durch  die  notliwendig  gewordene 
Anhörung  in  einer  zahlreichen  gemischten  Versammlung  eine 
Verletzung  des  weiblichen  Zartgeföhls  oder  des  geselligen  An- 
standes  erbUckten. 

Während  meiner  Anwesenheit  in  Madrid,  im  Mai  1851,  fan- 
den an  der  dortigen  Universität  einige  unruhige  Auftritte  statt 
Die  Regierung  hatte  die  Matriculations- Gebühren  um  einige  Tha- 
ler erhöht;  davon  sollten  auch  diejenigen  Studierenden  betroiSen 
werden,  welche  am  Anfange  des  Cursus  die  Hälfte  der  Gebühren 
nach  dem  bisher  üblichen  Satze  gezahlt  hatten.  Einige  junge 
Leute  fanden  diese  Forderung  unbillig,  sie  wurden  mit  ihren  Re- 
clamationen  ziurückge wiesen,  und  beschlossen,  sich  selbst  Recht 
zu  schaffen.  Sie  blieben  aus  den  Hörsälen  fort,  und  zwangen 
unter  Drohungen  ihre  CoUegen,  sich  ihnen  anzuschliessen.  Es 
gab  einige  Conflicte  mit  der  Polizei,  und  die  Sache  nahm  erst  ein 
Ende,  als  der  Rector  entfernt  und  Dr.  Joaquin  Gomez  de  la  Cor- 
tina,  Marques  de  Morante,  zum  Rector  ernannt  ward.    Dieser 


189 

erliess  unter  dem  25  Mai  eine  Ansprache  an  die  Studierenden, 
worin  er  seine  Ermahnungen  mit  folgenden  Worten  schloss: 

«Os  he  dirigido  consejos  desinteresados :  yo  he  de  ser 
vuestro  protector  cerca  del  gobiemo  de  S.  M.  en  cuantos 
asuntos  os  pueden  fevorecer:  y  eifrada  mi  unica  ambicion.  — 
Mi  satisfaccion  serä  cumplida  si  me  evitais  todo  moüvo  de 
disgustOy  y  si  al  cesar  en  su  desempeno  nü  nombre  os  recuerda 
ima  administracion  recta  y  conciliadora,  y  el  vuestro  a  mi  la 
obediencia  obsequiosa  de  unos  jovenes,  modelo  de  amplica- 
sion,  de  cortesia  y  de  prudencia. » 

Es  fanden  Berathungen  statt;  man  einigte ,  versöhnte  sich, 
imd  wusste  die  RadelsfDdirer  jener  Ruhestörungen  unschädlich 
zu  machen. 

Das  Schulgeld  in  den  Elementar -Schulen  ist  nicht  bedeu- 
tend. Es  beträgt  6  bis  16  r.  für  den  Monat,  und  wird,  wo  die 
Zahlung  den  Eltern  schwer  fSüIt,  ermässigt  oder  aus  städtischen 
Fonds  gezahlt.  In  den  Privat -Schulen  zahlen  durchschnittlich 
die  Kinder  monatlich  einen  Piaster  (1  Thlr.  12  Sgr.),  wofttr  dann 
der  Lehrer  aber  Papier,  Feder,  Tinte,  auch  oft  die  Schulbücher 
verabfolgt  Die  Lancastersche  Lehrmethode  ist  in  den  meisten 
Privat- Schulen  eingeführt,  und  zwar  mit  dem  glücklichsten  Er- 
folge. Der  Wetteifer  wird  durch  das  Wechseln  der  Plätze,  durch 
eingezeichnete  Lobsprüche,  und  besonders  durch  öffentliche  Aus- 
zeichnungen, und  durch  Ernennung  zu  Instructoren  und  Repiti- 
toren  der  Klasse  —  erweckt  Fast  in  allen  Schulen  wird  auf 
gleichartige  Bewegungen  beim  Gehen,  Kommen,  Aufstehen  und 
Niedersitzen,  beim  Hersagen  und  Wiederholen  der  Aufgabe  ge- 
halten. '  Das  Unterschlagen  der  Arme ,  Aufheben  der  Hände, 
Bewegungen  und  Wendungen  geschehen  auf  Commando.  Man 
wiU  hierdurch  das  Turnen  ersetzen,  was  nur  in  den  Militair- 
Schulen  getrieben  wird. 

Die  Grammatik  wird  in  den  Schulen  auswendig  gelernt;  die 
Geographie  von  Spanien  gleichfalls.  Zur  Gewöhnung  an  eine 
und  dieselbe  Handschrift  durch  ganz  Spanien  bestehen  beson- 
dere Vorschriften.    Beim  Schreibunterricht  erhalten  die  Kinder 


190 

lithograpliirte  Vorlagen,  auf  denen  Binde-  und  Grundstriche  vor- 
gezeichnet sind,  und  so  lange  nachgezogen  werden  müssen,  bis 
die  Hand  sich  an  einen  sicheren  und  festen  Strich  gewöhnt  hat, 
um  die  Buchstaben  in  gleicher  Lage,  Grösse  und  Stärke  frei  nie- 
derschreiben zu  können.  Rechentafeln  sind  erst  kürzlich  einge- 
führt. Gesangunterricht  wird  in  den  Schulen  gewöhnlich  nicht 
ertheilt.  Auf  Erlernung  der  reinen  Castilianischen  Mund-  imd 
Schreibart  wird  neuerdings  mit  Strenge  in  allen  Provinzen  ge- 
halten. Die  Catalonischen,  Valencianischen,  Andalusischen  und 
Baskischen  Dialecte  dürfen  beim  Unterricht- Er theilen  nicht  an- 
gewendet werden.  Die  für  den  Schulgebrauch  verwendeten 
Landkarten  sind  meistentheils  in  Frankreich  gefertigt.  Für  je- 
den einzelnen  Zweig  des  Privat-Schulunterrichts  bestehen  sechs 
Normal -Lehrbücher,  welche  nach  der  Wahl  des  Lehrers  als 
Grundlage  seines  Vortrages  benutzt  werden.  Sind  nicht  sechs 
solcher  Normal -Lehrbücher  vorhanden,  so  können  der  wissen- 
schaftlichen Prüflings -Commission  dergleichen  neue  Entwürfe 
zur  Approbation  vorgelegt  werden.  Derselben  geht  eine  sorg- 
fältige Prüfung  voran.  Eine  förmliche  Bestätigtmg  und  Erlaub- 
niss  ist  zur  Einfiihrung  erforderlich.  Soll  die  Jugend  zur  zwangs- 
weisen AnschaiSung  angehalten  werden,  so  bedarf  es  eines  De- 
cretes  des  Schul -Inspectors  oder  des  Befehls  des  Provinzial- 
Gouverneurs.  Ist  einem  Lehrer  för  den  Provinzial- Bezirk  die 
zwangsweise  Einfiihrung  eines  von  ihm  verfassten  Lehrbuches 
nachgegeben,  ohne  ihm  dafiir  besondere  Abzüge  zuzumuthen,  so 
liegt  darin  eben  so  wohl  eine  besondere  Auszeichnung  des  Leh- 
rers als  eine  glückliche  Emdte  für  seine  Kasse.  Jedes  Exemplar 
wird  mit  dem  eigenhändig  eingezeichneten  Namen  und  dazu  ge- 
hörigen selbstgewählten  eigenthümlichen  Schnörkel  (welcher 
keiner  Spanischen  Namens-Unterschrift  fehlt)  versehen,  und  der 
Verkauf  von  Exemplaren  ohne  Schnörkel  als  imerlaubt  und 
strafßillig  erklärt. 

In  den  Elementar-Schulen  finden  monatlich  Privat-  und  all- 
jährlich öffentliche  Prüfungen  statt.     Medaillen,  bunte  Bänder, 


191 

Kronen  und  Bücher  sind  die  Belohnungen  des  Fleisses.  In  vie- 
1^1  Privat-Schulen  erhalten  die  Ejnder  im  Anfange  des  Gursus 
ein  Conto  ftlr  Lob  und  Tadel.  Eine  Anzahl  Lob  wird  ihnen  zu 
gut  geschrieben,  und  dann  im  Laufe  des  Semesters  je  nach  dem 
Betragen  ab-  und  zugezählt  und  am  Schlüsse  die  Balance  ge- 
macht^ und  danach  das  Zeugniss  ausgefertigt  Die  Unterrichts- 
Stunden  dauern  von  8  —  11  und  von  3  —  7.  Häusliche  Arbeiten 
werden  nicht  gefordert.  Ferien  finden  nur  zu  den  hohen  Festen 
und  Feiertagen  statt. 

Die  Schrift  eines  Landsmannes,  des  Professors  Kühn,  Leh- 
rer der  Deutschen  Sprache  an  der  Universität  zu  Madrid,  «  de  la 
instruccion  primaria  y  segundaria  en  Prusia,  Madrid  1850»,  hat 
man  in  Spanien  nicht  ohne  Interesse  gelesen.  In  derselben  hat 
der  Verfasser  die  Ergebnisse  der  Besuche  von  Schulen,  Gymna- 
sien und  Seminarien  in  verschiedenen  Preussischen  Provinzen 
veröffentlicht. 

Aus  dem  oben  Angeföhrten,  wie  aus  dem  Interesse  des  Pu- 
blicums  an  den  öffentlichen  Schulprüfungen  dürfte  zur  Genüge 
erwiesen  sein,  dass  dem  öffentlichen  Unterricht  in  Spanien  die 
ihm  gebührende  Aufmerksamkeit  und  Theilnahme  nicht  vorentr 
halten  wird.  Auch  das  angefahrte  Urtheil,  « dass  in  Spanien  ein 
Streben  för  wissenschaftliche  Forschungen  nicht  bestände  »,  lässt 
sich  als  ein  unrichtiges  und  imgerechtes  leicht  widerlegen.  Ich 
wiU  nicht  von  der  Residenz  hier  sprechen,  weil  ich  zugebe,  dass 
bei  der  grossen  Anzahl  gebildeter  Männer  und  Beamten  die  An- 
regung und  Aufinimterung  grösser,  die  Gelegenheit  und  die 
Hülfsmittel  leichter  geboten  und  zugänglicher  sind ;  es  bestehen 
dort  beispielsweise:  La  Sociedad  economica  —  El  Ateneo  — 
El  Liceo  artistico  y  literaxio  —  La  Sociedad  literaria  del  Insti- 
tuto  Espanol  —  La  Sociedad  arqueologica  —  sondern  ich  föhre 
in  dieser  Beziehung  eine  Provinzialstadt ,  wiewohl  die  erste  des 
Landes,  an.  In  Barcelona  bestehen  an  wissenschaftlichen  Ver- 
einen: La  Academia  de  medicina  y  quirurgia  —  La  Academia 
de  ciencias  y  artes  —  Academia  de  buenas  letras  —  Academia 


192 

de  jurisprudencia  y  legislacion  —  Sociedad  economica  de  ami- 
gos  del  pais  —  Asociacion  de  amigos  de  beilas  artes  —  La  In- 
dustria  nacional. 

Es  wird  in  Spanien  wenige  Städte  geben,  in  denen  sich  nicht 
mindestens  ein  wissenschaftlicher,  landwirthschaftlicher  oder  hi- 
storischer Verein  fände.  Die  Vorliebe  für  die  antiquarischen  und 
Kunstschätze  des  Landes  hat  ein  grosses  Interesse  für  die  Ge- 
schichte von  Spanien  hervorgerufen.  Allein  trotz  der  grossen 
VaterlandsUebe ,  welche  den  Spaniern  eigenthümlich ,  so  ist  es 
doch  weniger  die  Geschichte  der  Spanier,  der  Spanischen  Grösse 
und  Machte  der  Spanischen  Entdeckungen  und  Siege,  als  die  Ge- 
schichte der  Mauren,  der  Römer,  der  Carthaginienser,  der  Gelten 
und  Phönizier,  welche  die  historischen  Vereine  fast  ausschliess- 
lich beschäftigt.  Mag  darin  die  Absicht  zu  erkennen  sein,  das 
gründhche  Studium  mit  den  Anfängen  der  Cultur- Geschichte  zu 
beginnen,  um  daran  fort  und  fort  der  weltgeschichtlichen  Ent- 
wickelimg  zu  folgen;  mag  ein  Tribut  darin  liegen,  denjenigen 
Völkerstämmen  dargebracht,  von  denen  die  Cultur  des  Landes 
ausging  imd  weiter  verbreitet  wurde;  mag  endUch  der  Grund 
in  dem  eigenen  Reize  liegen,  den  die  Beschäftigung  mit  einer 
mythischen  Sagenreichen  Zeit  gewährt,  wo  dem  Combinations- 
geiste,  in  Betrachtung  der  gefimdenen  Münzen  und  Bronzen,  der 
Sculpturen  imd  Bauwerke  aller  Jahrhunderte  unbenommen  ist, 
Hypothesen  zu  ergründen  und  zu  verfolgen  —  während  die  spä- 
teren Zeiten  die  Thatsachen  in  ihrer  nackten  Wirklichkeit  anein- 
ander reihen  —  gleichviel !  der  Sinn  jRir  die  Erhaltung  und  das 
Verständniss  der  antiquarischen  Schätze  des  Landes  ist  vorhan- 
den; in  allen  Provinzen,  überall  wo  ein  durch  die  ältere  Ge- 
schichte geheiligter  klassischer  Boden  in  der  Nähe  ist^  sind  histo- 
rische, numismatische,  Alterthums  -Vereine  gegründet^  und  das 
Interesse  zur  Sache  bewährt  sich  durch  Sammlungen,  Beobach- 
tungen, Correspondenzen  und  VeröffentUchungen.  Aus  solchen 
Bestrebungen  sind  in  neuerer  Zeit  die  Beschreibungen  von  Sevilla, 
das  Toledo  pintoresca  von  Amador  de  los  Rios ,  Tarragona  mo- 
numental von  Albinana  und  Bofarull,  Vicente  Boiz  Arbeiten,  die 


193 

Greschichte  von  Valencia  betreffend ,  und  andere  schätzbare  Be- 
reicherungen der  Geschichte  hervorgegangen.  Es  sind  aber  nicht 
allein  Manner  von  Fach ;  sondern  die  Mitglieder ,  allen  Standen 
angehörig,  bemühen  sich,  ein  Jeder  auf  seine  Weise,  beizutragen, 
um  mit  gemeinschafUichen  Mitteln  die  Zwecke  des  Vereins  zu 
fördern.  Auf  die  geschichtUchen  Studien  und  die  höchst  in- 
teressante Sammlung  von  Münzen  imd  Antiquitäten  des  Herrn 
Kaufinann  Buenaventura  Hemandez  in  Tarragona  komme  ich 
zum  Schlüsse  dieses  Buches  noch  einmal  zurück;  ich  erwähne 
hier  nur  noch  des  Herrn  Esteban  Paluzie  y  Gantaluzella,  Inhaber 
eines  Unterrichts-Instituts  in  Barcelona,  welcher  aus  Liebe  fiir 
die  Wissenschaften,  fiir  Geschichte  und  Kirnst  mit  grosser  Mühe 
und  bedeutenden  Kosten  in  mehreren  Provinzen  des  Landes  die 
vorhandenen  Inschriften  verschiedener  Zeiten  und  Sprachen 
copirt,  und  davon  eine  höchst  interessante  Sammlimg  von  250 
grossen  Rahmen  angelegt  hat  Leider  ist  es  ilim  der  gegebenen 
Aussichten  ungeachtet  nicht  gelungen,  seine  Arbeiten  im  In- 
teresse der  Wissenschaft  zu  verwerthen. 

Die  bedeutendsten  Resultate  für  Erhaltung  monumentaler 
Werke  hat  die  Gomision  de  monumentos  historicos  y  artisticos 
geliefert  Diese  Gesellschaft  ward  durch  Königliches  Decret  vom 
13  Juli  1844  bestätigt.  Sie  besteht  aus  10  Mitgliedern,  von  denen 
D.  Valentin  Carderera  sich  grosse  Verdienste  um  die  Erhaltung 
imd  Restauration  interessanter  Baudenkmäler  erworben  hat 
Von  den  drei  Sectionen  des  Vereins  behandelt  die  erste  BibUo- 
theken  imd  Archive,  die  zweite  Malerei  und  Bildhauerkunst,  die 
dritte  Architectur  und  Archäologie.  Die  erste  Section  hatte  es 
sich  zur  Aufgabe  gestellt,  die  im  Lande  vorhandenen  Bibliothe- 
ken kennen  zu  lernen ,  neue  aus  den  zerstreut  imd  in  einzelnen 
kleinen  Archiven  aufbewahrten  Büchern  und  Documenten  zu 
bilden,  und  jene  zu  ordnen  und  zu  ergänzen,  so  wie  die  Auf- 
merksamkeit der  Provinzial- Behörden  auf  dieselben  zu  richten. 
Auf  diese  Weise  ermittelten  sich  eine  Menge  von  bis  dahin  we- 
nig oder  gar  nicht  gekannten ,  zum  Theil  sehr  reich  dotirten  Bi- 
bliotheken, und  namentlich  in  Alava,  Albacete,  Alicante,  Almeria, 

y.  Minatoli,  Spanien.  X  3 


194 

Avila,  Badajoz,  auf  den  Balearen,  in  Barcelona  (70,000  Bände 
und  341  Manuscripte),  Burgos,  Coruna,  Cuenca,  Gerona^  Granada^ 
Guadalajara,  Guipuzcoa,  Huelva,  Huesca^  Jaen,  Malaga,  Murcia^ 
Orense,  Palencia,  Pontevedra,  Salamanca,  Santander,  Teruel, 
Toledo,  Valencia,  Valladolid,  Viscaya,  Zamora  und  Zaragoza. 
Die  zweite  Section  hatte  in  48  Städten  die  Anlegung  von  Museen 
erreiclit.  Die  dritte  Section  hatte  in  den  verschiedenen  Provin- 
zen 43  Punkte  aufgefunden,  an  denen  durch  Privat-  oder  Staats^ 
mittel  Monumente  der  Architectur  erhalten  werden  sollten. 
Ueberall  waren  die  Pro vinzial- Chefs  und  die  Local-Behörden 
mit  gleicher  Bereitwilligkeit  und  Geldopfem  zugetreten,  und 
nach  Verlauf  von  fiinf  Jahren  waren  Museen  entstanden,  Biblio- 
tlieken  geordnet  imd  vervollständigt,  und  der  wissenschaftlichen 
Benutzung  zugängUch  gemacht  —  so  wie  endhch  durch  reich- 
liche Beiträge  von  Kunst-  und  Vaterlandsfreunden  interessante 
Monumente  der  Geschichte,  der  Kunst  und  Wissenschaft  den 
späteren  Generationen  erhalten.  Das  veröffentlichte  Bfichlein 
«  Memoria  comprensiva  de  los  trabajos  verificados  »  dieser  Com- 
mission  giebt  das  ehrenvollste  Zeugniss  von  der  erspriesslichen 
Thätigkeit  derselben. 

Möchte  es  mir  gelungen  seLti,  durch  diese  Darstellung  die 
Urtheile  über  das  Spanische  Unterrichtswesen  und  das  in  Spa- 
nien angeblich  mangelnde  Interesse  ftir  wissenschaftliche  Bestre- 
bungen zu  berichtigen. 

Genaue  Angaben  über  die  Zahl  der  in  Spanien  seit  neun 
Jahren  erschienenen  Druckwerke  habe  ich  nicht  erhalten  können. 
Nach  den  von  Buchhändlern  gesammelten  Notizen  betragen  sie, 
Bücher  wissenschaftlichen,  belletristischen  Inhalts,  Uebersetzun- 
gen  u.  s.  aV^.  zusammengerechnet^  etwa  21,000. 


195 


Das  Finanz -Ministerium. 

Secretaria  de  Estado  y  del  Despacho  de  Hacienda. 

Plato  resp.  U,  367. 

Das  Finanz-Ministerium  umfasst  Alles  was  die  Staats- 
Einnahmen  anbetrifft  um  die  erforderlichen  Staats -Ausgaben  zu 
bestreiten;  es  verwaltet  das  Staats -Vermögen,  prüft,  zur  ent- 
sprechenden Vertheilung  und  Erhebung  der  directen  und  indi- 
recten  Steuern,  die  Prästationsßüiigkeit  der  Staats -Angehörigen, 
und  stellt  danach  das,  der  Cortes -Versammlung  vorzulegende 
Staatshaushalts-Budget  auf.  Die  Central- Verwaltung  besteht 
nach  dem  Reglement  vom  Jahre  1845  und  dem  Reorganisirungs- 
Decrete  vom  21  Jxmi  1850  aus  dem  Minister  imd  Unter-Staats- 
secretair,  9  General- Directoren  und  36  Sectionschefs,  welche, 
mit  einer  Anzalü  von  Räthen  auf  9  Abtheilungen  vertheilt,  die 
Generalien,  die  Angelegenheiten  des  Kronschatzes,  der  Contabi- 
lidad,  des  Contencioso,  der  directen  und  indirecten  Steuern,  der 
Zölle,  der  Regie  (Salz,  Tabak,  Stempelpapier)  imd  der  Domai- 
nen  (fincas)  bearbeiten.  Die  Directoren,  Unterdirectoren  und  Mit- 
glieder jeder  Abtheilung  bilden  den  Consejo  de  direccion,  Ver- 
waltungsrath. 

Die  Ober-Rechenkammer  (Tribunal  mayor  de  Cuentas) 
hat  einen  Präsidenten,  1  Ministro  togado,  4  Ministros  contadores 
mayores,  2  Fiscale,  2  Secretaire,  6  Räthe,  einige  Hülfsbeamte 
imd  33  Ehrenmitglieder  verschiedener  Rangstufen. 

Die  General-Direction  der  Regulirung  der  Staats- 
schuld zählt  fünf  Mitglieder,  unter  dem  Vorsitze  eines  General- 
Directors  imd  eines  General -Cassirers.  Die  zu  demselben  Zwecke 
durch  Königliche  Decrete  vom  11  Juni  1847  und  17  October 
1849  niedergesetzte  Junta  directiva  theilt  sich  in  eine  Jimta  or- 
dinaria  und  eine  Junta  extraordinaria ;  jene  aus  dem  Minister,  dem 
Gei^eral-Director,  dem  General- Cassirer  (Contador)  und  dem 
Fiscal  der  Staatsschuld  —  diese  aus  einem  Präsidenten,  dem 

13" 


196 

Gouverneur  der  Bank  von  San  Fernando,  den  Direetoren  des 
Schatzes,  der  Contabilidad  und  den  Mitgliedern  der  ordentlichen 
Junta  bestehend. 

Die  Lotterie -Verwaltung  besteht  aus  acht  Beamten,  un- 
ter Vorsitz  eines  General- Superintendenten  und  mit  Zuziehung 
eines  Regidors  des  Ayuntamiento  (Municipalität). 

Die  Junta  de  Calificacion  de  derechos  de  clases  pasivas, 
welche  die  Abzöge  von  den  Besoldungen  der  inactiven  Beamten 
reguhrt,  zälilt  sechs  Mitglieder. 

Die  Comisaria  general  de  Cruzada  gleichfalls  sechs  Mitglie- 
der unter  dem  Vorsitze  des  apostolischen  General- Commissairs 
der  drei  Gnaden  —  Cruzada,  Subsidio  und  P^xcusado. 

Das  apostolische  und  Königliche  Tribunal  de  la  gracia  del 
Excusado  zählt  acht  RäÜie  und  52  Honorarios. 

Es  gehören  femer  hierher:  die  Contaduria  general  —  die 
Tesoreria  central  —  die  General-Inspection  der  Carabinieros  — 
die  Spanische  Bank  von  San  Fernando  und  die  Junta,  consulta- 
tiva  der  Münze. 

Die  Provinzial- Verwaltung  entspricht  der  Central -Verwal- 
tung. In  den  Hauptstädten  fungiren  Intendanten,  Administrato- 
ren, Schatz -Commissaire,  Inspectoren  und  Einnehmer;  in  den 
kleineren  Städten  Subdelegirte,  Subaltem -Administratoren,  De- 
positare, Erheber,  Boten  und  Aufseher. 

Es  giebt  vier  General -Visitadores  und  20  Douanen-  und 
Schutz -Inspectoren  in  den  Küsten-  und  Grenz -Provinzen,  und 
zwar  fiir  Cadiz  in  Sevilla,  Malaga,  Tarragona,  Granada,  Murcia, 
Alicante,  Castellon,  Viscaya,  Pontevedra,  Badajoz  und  Caceres, 
Gerona,  Lerida,  Navarra,  Guipuzcoa,  Oviedo,  Zamora,  Sala- 
manca,  Huelva,  Balearen,  Huesca.  —  Die  Zahl  der  Honorar- 
Provinzial- Intendanten  beläuft  sich  auf  302. 

In  Stelle  der  früher  bestandenen  131  Küsten-  und  65  Grenz- 
steuer-Behörden verscliiedener  Klassen  sind  durch  Decret  vom 
31  Deceniber  1850  nachstehende  Zoll  -  Behörden  eingesetzt 
worden : 


197 


See-Zollämter. 

Erste  Klasse. 

Für  den  gesammten  Einfuhr-,  Ausfuhr-  und  Küsten  -  Scliif- 
fahrts- Handel,  so  wie  für  die  Versteuerung  baumwollener  Waa- 
ren  habilitirte  Zollämter  sollen  sein:  Alicante,  Almeria,  Barce- 
lona, Bilbao,  Cadiz,  Cartagena,  Ciudad-Real  de  las  Palmas,  Co- 
runa,  Grao  de  Valencia,  Jijon,  Mahon,  Malaga,  Orotava,  Palma 
de  Mallorca,  San  Sebastian,  Santa  Cruz  de  Tenerife,  Santander, 
Sevilla,  Tarragona,  Vigo. 

Zweite  Klasse. 

Für  den  Einfuhr-,  Ausfuhr-  und  Küsten-Schiffahrts-Handel, 
jedoch  nicht  für  die  Versteuerung  der  baumwollenen  Waaren 
habilitirte  Zollämter:  Carril,  Motril  resp.  Calahonda,  Palamos, 
Rivadeo,  Rosas,  Santa  Cruz  de  la  Palma. 

Dritte  Klasse. 

Zollämter,  bestimmt  fiir  den  Küsten -Schiffahrts- Handel,  fiir  den 
Ausfuhr -Handel  und  fiir  die  Einfuhr  gewisser  Artikel  ausländi- 
scher Procedenz. 

In  der  Provinz  Almeria:  Adra  und  La  Garrucha,  fiir  Ein- 
fuhr von  Steinkohlen,  feuerfesten  Ziegeln,  Maschinen  und  ander- 
weiten für  Schmelzwerke  erforderlichen  Gegenständen. 

Auf  den  Balearischen  Inseln  (Baleares):  Ibiza,  für  Theer, 
Pech,  Steinkohlen  und  Bauholz. 

In  der  Provinz  Barcelona:  Mataro  und  Sitges,  für  Stein- 
kohlen; Villanueva  und  Geltru,  fiir  eiserne  Tonnenreifen, 
Steinkohlen  und  Dauben. 

In  der  Provinz  Cadiz:  Algeciras,  fiir  Einfuhr  von  Häuten; 
die  Ausfiihr  von  Cerealien  ist  an  diesem  Punkte  verboten. 
Ceuta  darf  Quincalle,  Gewebe  und  anderweite  für  den  Consum 
seiner  Bewohner  bestimmte  Artikel  einfiihren,  aber  nicht  aus- 
fuhren. Sanlucar  de  Barrameda  darf  Reifen  und  Dauben 
einfuhren. 


198 

In  der  Provinz  Coruna:  Ferrol,  für  Theer,  Pech,  Hanf, 
Steinkolüen,  solche  Lebensmittel  fiir  Seeleute,  welche  das  In- 
land nicht  producirt,  Tauwerk,  Schlossörarbeit,  Schmiede- 
arbeit, Segelwerk,  Bauliolz,  Schiflfsplanken,  gleichviel  ob  diese 
Gegenstände  direct  aus  dem  Auslande  oder  aus  dein  Spanischen 
America  komjnen. 

In  der  Provinz  Granada:  Almunecar,  fiir  Einfuhr  von 
Steinkohlen,  Maschinen  und  anderen  zur  Zuckerbereitung  er- 
forderlichen Artikeln. 

In  der  Provinz  Guipüzcoa:  Pasajes,  für  Einfuhr  von  Theer, 
Eisendrath,  Pech,  Steinkohlen,  Kork,  Werg,  Weisspech,  Flachs, 
Bauholz,  Liqueur  (ratafia),  weisse  Malererde  (tierra  blanca,  11a- 
mada  de  pintores),  Porzellanerde,  Zwirn,  feuerfeste  Ziegel  und 
Mascliinen,  jedoch  fiir  letztgedachte  drei  Artikel  nur  dann,  sofern 
sie  fiir  die  Fabrik  leinener  Gewebe  zu  Renteria  bestimmt  sind. 

In  der  Provinz  Huelva:  Sanlucar  de  Guadiana,  fiir 
Portugiesische  Einfiihren. 

In  der  Provinz  Lugo:  Pucbla  de  S.  Ciprian,  für  die 
Eittfiihr  der  für  die  Eisen-  und  Porzellan-Fabrik  von  Sargadelos 
bestimmten  Gegenstände,  in  Gemässheit  der  Königlichen  Ver- 
ordnung vom  30  Januar  1850.  Vivero,  für  die  Einfuhr  von 
Theer,  Pech,  Hanf,  Flachs  und  Schiffsbauholz. 

In  der  Provinz  Malaga:  Velez-Mälaga,  für  Einfuhr  von 
Steinkohlen,  Maschinen  imd  anderen  zur  Zuckerbereitung  er- 
forderlichen Gegenständen. 

In  der  Provinz  Murcia:  Aguilas  und  Mazarron,  für  Thon, 
Steinkohlen,  feuerfeste  Ziegel  und  Maschinen. 

In  der  Provinz  Oviedo:  Aviles,  fiir  die  Einfiihr  von  Theer, 
Hanf,  Flachs  und  Schiffsbauholz ;  desgleichen  fiir  die  Ausfiihren 
nach  America.  Luarca,  fiir  die  Einfuhr  von  Pech,  Hanf, 
Flachs  und  Schiffisbauholz. 

In  der  Provinz  Santander:  Castrourdiales,  fiir  Theer, 
Pech  und  Harz.  Santona,  fiir  Theer,  Pech,  Bauholz,  Mast- 
werk  imd  Harz. 


199 

In  der  Provinz  Tarragona:  Salou,  für  rohe  Baumwolle  und 

Maschinen. 

Vierte  Klasse. 

Bios  fiir  Cabotage- Handel  und  Ausfuhr -Handel  habilitirte 

Douanen. 

In  der  Provinz  Alicante:  Altea,  Denia,  Javea,  Santa  Pola, 
Torrevieja,  Villajoyosa.  —  In  der  Provinz  Baleares  (Balearische 
Inseln) :  Alcudia,  Andraix,  Ciudadela,  Soller.  —  In  der  Provinz 
Barcelona:  Arenys  de  Mar.  —  In  der  Provinz  Cadiz:  Conil, 
Puerto  de  Santa  Maria,  San  Fernando,  Tarifa,  Chipiona  fiir  die 
Ausfuhr  der  Weine  des  Inlandes.  —  In  der  Provinz  Canarias 
(Canarische  Inseln) :  Fuerteventiu-a,  Isla  de  Hierro,  La  Gomera, 
Lanzarote.  —  In  der  Provinz  Castellon:  Benicarlö,  Burriana, 
Castellon,  Vinaroz.  —  In  der  Provinz  Coruna :  Camarinas,  Cor- 
cubion,  Muros,  Noya,  Puebla  del  Dean.  —  In  der  Provinz  Ge- 
rona:  Blanes,  Cadaques,  La  Escala^  San  Feliu  de  Guixols,  Selva 
de  Mar.  —  In  der  Provinz  Granada:  Albunol.  —  In  der  Pro- 
vinz Guipuzcoa:  Deba,  Fuenterrabia,  Zumaya.  —  In  der  Pro- 
vinz Huelva:  Ayamonte,  Cartaya,  Higuerita  oder  Isla  Cristina, 
Huelva,  Moguer.  —  In  der  Provinz  Malaga:  Estepona,  Mar- 
bella,  Neqa.  —  In  der  Provinz  Oviedo:  Castro  Pol,  Llanes, 
Bivadesella^  San  Esteban  de  Pravia,  Villaviciosa.  —  In  der  Pro- 
vinz Ponte vedra:  Bayona,  La  Guardia,  Marin,  Villagarcia.  — 
In  der  Provinz  Santander:  San  Vicente  de  la  Barquera,  Suan- 
ces.  —  In  der  Provinz  Tarragona:  Cambrils,  San  Carlos  de  la 
Bapita,  Tortosa,  Vendrell.  —  In  der  Provinz  Valencia:  CuUera, 
Gandia,  Murviedro.  —  In  der  Provinz  Viscaya:  Bermeo,  Le- 
queitio,  Plencia. 

Land -Zollämter. 
Erste  Klasse. 

Für  die  Einfuhr  aus  dem  Auslande,  einschUesslich  baumwollener 
Waaren,  und  die  Ausfuhr  habihtirte  Douanen. 

In  der  Provinz  Guipuzcoa:  Iran.  —  In  der  Provinz  Huesca: 
Canfiranc.  —  In  der  Provinz  Salamanca:  La  Frejeneda. 


200 


Zweite  Klasse. 

Für  die  Einfuhr,  ausschliesslich  baumwollener  Waaren,  so  wie 

für  die  Ausfiihr  habilitirte  Douanen. 

In  der  Provinz  Badajoz:  Albuquerque,  Badajoz,  Olivenza, 
San  Vicente.  —  In  der  Provinz  Cäceres:  Alcäntara.  —  In  der 
Provinz  Gerona:  Junquera,  Puigcerda.  —  In  der  Provinz  Huelva: 
Paimogo.  —  In  der  Provinz  Huesca:  Benasque,  Sallent.  —  In 
der  Provinz  Lerida:  Pontant.  —  In  der  Provinz  Navarra:  Dan- 
charinea,  Roncesvalles.  —  In  der  Provinz  Orense:  Cadabos, 
Puerte  Barjas,  Verin.  —  In  der  Provinz  Pontevedra:  Salvatierra, 
Tuy-  —  In  der  Provinz  Salamanca:  Albergueria,  Aldea  del 
Obispo,  Barba  de  Puerco.  —  In  der  Provinz  Zamora :  Alcanizes, 
Cadabos,  Fermoselle. 

Dritte  Klasse. 
Bios  für  den  Ausfulirhandel  habilitirte  Land- Zollämter. 

In  der  Provinz  Badajoz :  Alconchel,  Villanueva  del  Fresno. 
—  In  der  Provinz  Caceres :  Valencia  de  Alcäntara,  Valverde  del 
Fresno,  Zarza  la  Mayor.  —  In  der  Provinz  Gerona:  Camprodon, 
San  Lorenzo  de  la  Muga.  —  In  der  Provinz  Huelva:  Rosal  de 
Cristina,  Valencia  de  Mombuey.  —  In  der  Provinz  Lerida:  Bel- 
ver,  Fraga  de  Moles,  la  Bordeta,  Llaborsi.  —  In  der  Provinz 
Navarra:  Echalar.  —  In  der  Provinz  Salamanca:  Aldeadavila, 
Saucelle. 

Zollstätten  (fielatos,   eine  Art  von  Zollämtern,   denen  einige 
der  Befugnisse  der  eigentlichen  Zollämter  fehlen.) 

In  der  Provinz  AJicante:  Benidorme,  zur  Einfuhr  von  Ce- 
reaUen,  Getränken  des  Inlandes,  eingesalzener  in  las  Almadra- 
bas  gefangener  Fische ,  in  Gemässheit  der  Königlichen  Verord- 
nung vom  17  October  1850.  —  In  der  Provinz  Huesca:  An  so 
imd  Plan,  zur  Einfuhr  von  Zugthieren,  wenn  sie  in  Begleitung 
der  Reisenden  kommen,  die  sie  wieder  ausföhren. 


201 

Das  zur  Unterstützung  der  Zollämter  und  zur  Bewachung 
der  Grenze  bestimmte  Corps  der  Carabineros  del  Reino  ward  am 
9  März  1829  als  Militair-lnstitut  gegründet,  reorganisirt  am 
14  November  1842,  besteht  aus  33  Commandantschaften ,  von 
denen  zwei  auf  den  Adjacentes  (Balearen  und  Canarien)  befind- 
lich. Jede  Commandantschafl  hat  eine  Anzahl  Infanteristen  und 
CavaUeristen  zur  Verfügung.  Die  Gesammtmacht  besteht  aus 
75  Gompagnien  und  11  Escadrons.  Die  Uniform  ist  blau  mit  ro- 
them  Kragen  und  grünen  Litzen,  gelben  Knöpfen,  blaugrauen 
Pantalons  und  schwarzem  RegenmanteL  Am  Hut  befindet  sich 
ein  grünes  Pompon  und  Tresse.  Die  Waffen  sind  Gewehr  und 
Säbel ;  Tasche  und  Bayonnett  sind  in  schwarzem  Lederzeuge. 
Die  CavaUerie  ist  gleichartig  imiformirt.  Die  Küstenwächter 
haben  Fahrzeuge  verschiedener  Grösse  zur  Disposition.  Die 
Commandantschaften  erster  Klasse  residiren  in  Alicante,  Almeria, 
Badajoz,  Barcelona,  Cadiz,  Goruna,  Gerona,  Granada^  Malaga,  Ma- 
drid, Pamplona,  Sevilla,  Valencia  imd  Zamora.  Die  Comman- 
dantschaften  zweiter  Klasse  sind  in  Bilbao,  Burgos,  Gaceres, 
Huelva,  Huesca,  Murcia,  Orense,  Oviedo,  Pontevedra,  Salamanca, 
San  Sebastian,  Santander.  Die  dritter  Klasse  in  Castellon,  Lerida, 
Logrono,  Tarragona  und  den  Canarien.  Die  Commandantschaf- 
ten  vierter  Klasse  sind  in  Mallorca  und  Lugo. 

Das  Budget  für  1852  ward  den  Cortes  am  16  Juni  1851 
von  der  Regierung  zur  Prüfung  und  Genehmigung  vorgelegt, 
und  dabei  zugleich  die  Erhöhung  einiger  Ausgabe -Titel  mo- 
tivirt  Die  Mehrausgaben  waren  bei  dem  Miütair-Etat  auf 
2,520,000  r.  mit  Bezug  auf  30,000  anzuschaffende  Percussions- 
Gewehre,  und  mit  Rücksicht  auf  die  Verzinsung  und  Amortisa- 
tion der  öffentlichen  Schxdd  um  41,000,000  r.  erhöht  worden. 

Die  ordentUchen  Ausgaben  fiir  1852  waren  berechnet  auf 

1,085,893,583  r. 
mit  Anrechnung  der  1 5  procent  betragenden  Ab- 
züge der  Besoldungen  der  nicht  activen  Beam- 
ten, und  der  6  procent  betragenden  Abzüge  der 
Gehälter  der  activen  Beamten-Klassen. 


202 

Die    ausserordentlichen  Ausgaben   waren 

berechnet  auf 14,260,000  r. 

Die  für  die  ordentlichen  und  ausserordentlichen 
Ausgaben  erforderUchen  Summen  sollten  ge- 
deckt werden  durch  Renten  und  Steuern  im 

Betrage  von 1,137,962,454  . 

nachdem  von  der  Totalsumme  von 

1,308,972,813  r. 
die  mit  der  Vereiimahmung  ver- 
bundenen Ausgaben  (gastos  re- 
productivos)  abgezogen  sind  mit     1 7 1,046,359  » 

und  der  Ueberschuss  von 37,772,871  » 

zur  Deckung  der  schwebenden  Schuld  verwen- 
det werden  sollte. 

Die  ordentlichen  Ausgaben  wurden  specifi- 
cirt  fflr: 

1.  das  Königüche  Haus 45,972,000  » 

2.  die  gesetzgebenden  Körper 1,251,085  » 

3.  das  Staats-Ministerium  der  auswärtigen 
Angelegenheiten 9,369,242  » 

4.  das  Ministeriimi  der  Gnaden  imd  Justiz 

(exclusive  Unterricht) 20,881,799  » 

5.  das  Ministerium  des  Krieges 275,213,788  » 

6.  »  »  der  Marine 83,647,406  . 

7.  »  »  des  Innern 39,684,094  . 

8.  »  »  des  Handels  und  zur  Be- 
förderung der  materiellen  Interessen  (in- 
clusive Unterricht) 59,926,944  » 

9.  das  Ministerium  der  Finanzen 108,005,023  » 

10.  Besoldungen  der  nichtactiven  Beamten  .  .  111,828,459  » 

11.  Rückstande  an  Gehalt  und  sonstigen  For- 
derungen    31,552,241  > 

12.  Ausgaben  für  Justitiarate,  fiscaUsche  Pro- 
zesse    1 1,566,481  » 

13.  Staatsschuld 168,239,773  » 


203 

14.  Besoldungen  für  die  Kirche,  Weltgeist- 
liche,  Klostergeistliche  und  Alimente  der 
Nonnen  in  den  Klöstern 118,755,248  r. 

In  Summa  1,085,893,583  r. 

Die  Besoldungen  der  activen  Beamten  erfahren  fortlaufende 
Abzüge,  und  zwar 

bei  einem  Gehalt  von 

3,000  —      6,000  r 6  procent. 

6,000  —    20,000  r 8 

20,000  —    50,000  r 10 

50,000  — 110,000  r 12 

110,000  r.  und  darüber 20 

Die  Glases  pasivas  bilden  jene  zalilreichen  Klassen  von 
Beamten,  welche  zur  Disposition,  auf  Wartegeld  gestellt,  pensio- 
nirt  oder  jubilirt  sind.  Sie  beziehen  2  bis  3  Fünftel  ihrer  letz- 
ten etatsmässigen  Besoldimgen,  von  denen  jedoch  1 5  procent  in 
Abzug  gebracht  werden.  Von  Commissions- Gebühren  fär  vor- 
übergehende Dienstleistungen  erleiden  sie  ausserdem  die  nor- 
malmässigen  Abzüge,  wie  die  activen  Beamten. 

An  ausserordentlichen  Ausgaben  waren  fiir  1852  projectirt: 

1.  Für  das  Kriegs -Ministerium. 

Für  Zinsen  imd  zur  Amortisation  des  zur 
Beschaffung  von  Kriegs  -  Material  fiir  die 
Armee  aufgenommenen  Darlehns 3,000,000  r. 

2.  Für  das  Ministerium  des  Innern. 

Durch  Gesetz  vom  21  Juni  1849  war  das 
Ministerium  zur  Au&ahme  eines  Darlehns 
von  24,000,000  r.,  um  Telegraphen-Linien 
zu  errichten,  Gefangenhäuser,  Zuchthäuser 
Strafanstalten  zu  verbessern ,  und  andere 
gemeinnützige  Werke  auszufuhren,  er- 
mächtigt. Es  sollten  alljährUch  an  Inte- 
ressen und  zur  Amortisation  4,000,000  r. 
zurückgezahlt  werden.    Da  mit  Bezug  auf 


204 

die  bedeutenden  Staatslasten  von  jenem 
Darlehn  bis  jetzt  nur  die  Hälfte  aufgenom- 
men ist,  so  reducirt  sich  jene  Mehrausgabe 

von  4,000,000  r.  auf  die  Hälfte  mit 2,000,000  r. 

3.  Für  das  Finanz -Ministerium. 

Für  vollständige  Zahlung  dessen,  was  der 
Schatz  schuldet  von  dem  contractlichen 
Soll  for  Quecksilber,  vorbehaltlich  der 
weiteren  Ratification  in  der  Berechmmg 

des  Banco  de  Fomento 6,980,000  » 

Für  Subscriptionen  für  Rechnung  der 
Rückstände  der  Beamten  —  auf  den  geo- 
graphischen Atlas,  der  ihnen  als  baares 

Geld  angerechnet  wird 600,000  » 

Abzüge  der  Beamten  fiir  die  Gesetzbücher 

(boletin) 600,000  » 

Desgleichen  der  Weltgeistlichen  für  die 

biografia  eclesiastica 480,000  » 

Für  das  Umprägen  der  Säulenmünzen  .  .  .        600,000  » 

Summa  14,260,000  r. 
Die  Uebersicht  der  Staats -Einnahmen  pro  1852  berechnet 
sich  wie  folgt: 


Werth. 


Abzug  der 

VerwaltuDgs- 

Kosten. 


Liquido. 


General  -  Direction   der 

directen  Steuern  und 

Staatsgüter. 

Steuer  von  unbeweglichen 
Gütern,  Acker  und  Hü- 
tungen   

Aus  Industrie  und  Handel  . 

Aus  Hypotheken 

Einnahmen  aus  verschiede- 
nen Titeln 


300,000,000 
44,000,000 
18,000,000 

4,500,000 


700,000 


2,240,000 


300,000,000 
43,300,000 
18,000,000 

2,260,000 


\ 


205 


Werth. 


Abzug  der 
Verwaltungs- 
Kosten. 


Liquido. 


Aus  dem  Verkauf  geistlicher 

Güter 

Kopfsteuer .  .  .  , 

Regalien  und  Wohnungen  . 

Münze 

Minen  von  Almaden 

>        *     Linares 

»        »     Falset 

»        »     Alcaraz 

Fondo  de  equivalencias .  .  . 

General -Direction  der 
indirecten  Steuern. 

Verbrauch  -  und  Thorsteuer 
Abgaben  für  Grandezza  und 

Titel 

10  procent  der  Verwaltung 

Amortisations-Fond 

Verschiedene  Einnahmen  .  . 
Expedition  der  Patente  und 

Titel 

General- Direction  der 
Douanen  und  Zölle  .  . 

Schiffahrt,  Häfen,  Leucht- 
thürme,  von  Schiffen  .  .  . 

Geleit ,  Regster ,  Transito, 
Strafen  und  Confiscation. 

Betreffende  Finanz-Abgaben 

General-Direction    der 
privilegirten  Staats- 
Renten. 

Tabaks -Monopol 

Salz 

Stempelpapier  und  Docu- 
menta de  giro 

Pulver 


14,026,000 

160,000 

70,000 

4,330,000 

17,800,000 

2,362,000 

26,000 

6,000 

9,000,000 


159,000,000 

650,000 
4,000,000 
6,000,000 

550,000 

300,000 


183,280,000 

2,940,600 

1,206,800 
2,572,600 


190,000,000 
98,000,000 

24,000,000 
6,000,000 


3,000 

3,389,000 

6,692,433 

1,409,000 

11,920 


46,152,853 
19,722,660 

1,559,625 
3,534,500 


14,026,000 

160,000 

67,000 

941,000 

11,107,567 

953,000 

14,080 

6,000 

9,000,000 


159,000,000 

650,000 
4,000,000 
6,000,000 

550,000 

300,000 


183,280,000 

2,940,600 

1,206,800 
2,572,600 


143,847,147 
78,277,340 

22,440,375 
2,465,500 


206 


Werth. 


Abzug  der 

Verwaltungs- 

Kosten. 


Liquido. 


Strafen 

5  procent  Steuer  von  Privat- 
Minen 

General- Direction    der 
Lotterie 

Schatzamt. 

Obligationen,  in  den  über- 
seeischen Banken  angelegt 
Amtliches  Min.  Bulletin .  .  . 

Staats  -  Ministerium. 

3  procent  über  den  Fondo 

de  preces  in  Rom  .... 

Für  Dolmetscher 

Ministerium  des  In- 
nern. 

Contingent  der  Kornböden. 
Brie^ost,  incl.  Dampfschiffe 

National -Druckerei 

Besserungs  -  Gefangenhäuser 
Oefientliche  Sicherheit  und 

Polizei 

Gesundheitspolizei 

20  procent  des  Eigenthums 

Ministerium  de  fo- 
mento. 

Hütungen  undAnpflanzungen 
Abgaben  yom  Handel  .... 
Oeffentlicher  Unterricht.  .  . 
Amtliches  Bulletin 

Kriegs-Ministerium. 

Pässe  nach  Gibraltar 

Frachten  der  Schiffe  in  Ceuta 


4,000,000 
4,000,000 


90,000,000 


5,753,000 
297,004 


670,000 


150,000 

24,000,000 

1,500,000 

950,000 

5,600,000 
1,300,000 
6,000,000 


200,000 

24,600 

9,800,000 

260,000 


160,000 
4,000 


190,000 


290,080 


72,000 


13,880,000 

1,020,000 

677,550 

250,000 
430,960 


270,000 
140,000 


3,810,000 
4,000,000 


90,000,000 


5,753,000 
6,924 


597,800 


150,000 

10,120,000 

480,000 

272,450 

5350,000 

869,040 

6,000,000 


200,000 

24,600 

9,530,000 

120,000 


160,000 
4,000 


207 


Werth. 

Abzug  der 

Verwaltangs- 

Kosten. 

Liquido. 

Marine-Ministerium. 

Depösito  hidrografico  .... 
Astronomisches    Observato- 

Tiiim ,, 

160,412 

123,449 
148,875 

13,733 
213,626 

98,514 

1,767,600 

160,412 

98,000 

6,008 

25,449 

Verkaufs-  und  Hülfsgelder. 

Schiffspatente 

Thunfischerei 

Renten  von  Gebäuden.  .  .  . 

Einnahme   an  Passagiergel- 
dem  a\if  Postschiffen  nach 
den  Antillen 

148,875 

7,725 

213,626 

98,514 

1,767,600 

Summa 
Abrechnung  mit  den  über- 
seeischen Kassen  (pro  1853 
zu  decken) 

1268,972,813 
40,000,000 

171,046,359 

1097,926,454 
40,000,000 

Summa 

1308,972,813 

171,046,359 

1137,926,454 

Nachdem  die  Cortes  suspendirt^  erschien  durch  Königliches 
Decret  yom  18  December  1851  der  Staatshaushalts-Etat  für  das 
Jahr  1852,  wonach  die 

ordentlichen  Ausgaben  berechnet  waren  zu .  .  1141,053,456  r. 

die  ausserordentlichen  auf 15,708,000  » 

Summa  1156,761,456  r. 

die  Einnahmen  zu 1360,145,813  r. 

die  gastos  reproductivos  abgezogen  mit  ....    171,671,051  » 

Restsumma  1188,474,762  r. 

Der  Ueberschuss  der  Einnahme  wird  zur  Deckung  der 
Staatsschuld  verwendet 

Gegen  das  früher  aufgestellte  Project  hatte  sich  das  Budget 
verindert;  in  den  Ausgaben 

för  die  Minister- Präsidentschaft 1,166,860  r. 

für  das  Staats-Ministerium 10,114,204  » 

^    »      »  Justiz -Ministerium 38,826,396  » 


208 

für  das  Kriegs-Ministerium 280,167,776  r. 

»       »  Marine-Ministerium 86,150,570  • 

»       »   Ministerium  des  Innern 44,351,548  » 

»       »   Ministerium  del  fomento 57,616,904  » 

»      »   Ministerium  der  Finanzen 112,075,768  » 

für  die  nicht  activen  Beamten 131,292,892  » 

»      >•   Staatsschuld 169,642,673 

für  den  Clerus  .  .  , 119,050,308 

Zugleich  wurden  der  Prinzessin  von  Asturien  die  bis  dahin 
von  der  Infantin  Doiia  Maria  Luisa  als  mutlimasslichen  Thron- 
erbin bezogenen  2,450,000  r.  überwiesen;  der  Infantin  2,000,000r. 
ausgesetzt,  und  dadurch  der  Etat  für  das  Könighche  Haus  um 
1,1 50,000  r.  erhöht  Die  Dotation  der  Königin  beträgt  34,000,000  r. ; 
die  des  Königs  2,400,000;  die  der  Königin  Mutter  3,000,000  r.; 
die  der  Familie  des  Infanten  D.  Franzisco  de  Paida  3,500,000  r. 

Neben  der  Veröffenthchung  des  Budgets  wird  durch  die 
amtliche  Gazeta  de  Madrid  in  jedem  Monate  eine  Zusammen- 
stellung der  Einnahme  und  Ausgabe  des  abgelaufenen  Monats, 
vergUchen  mit  Einnahme  und  Ausgabe  desselben  Monats  im  ver- 
flossenen Jahre,  auf  Grund  des  §  20  der  KönigUchen  Instruction 
vom  25  Januar  1850  bekannt  gemacht.  Diese  vergleichende 
Zusammenstellung  geht  in  den  ersten  Abschnitten  die  sämmt- 
lichen  Einnahme-Titel  des  Staatshaushaltes  speciell  durch,  zeigt 
die  Differenz  der  Einnahme  des  betreffenden  Monates,  und  zum 
Schluss  das  Melir  oder  Weniger  der  Einnahme  des  ganzen  Jahres, 
bis  zu  dem  besprochenen  Monat  inclusive.  So  stellte  beispiels- 
weise die  Gazeta  de  Madrid  vom  1  November  1851,  also  bereits 
vier  Wochen .  nach  dem  Ablaufe  des  Septembers  die  Special- 
Vergleichung  der  Einnahme  für  den  September  1851  und  Sep- 
tember 1850  zusammen.    Es  ergab  sich,  dass 

die  ersteren 106,325,665  r.  30  m. 

die  letzteren 103,670,273  »  31   . 

betragen  hatten,  folghch  im  Jahre  1851 

mehr 2,655,382  *  33   » 

die  Balearen  und  Canarischen  Inseln  nicht  mit  einbegriffen. 


209 

In  dem  zweiten  Abschnitte  wird  dann  die  Einnahme,  wie  sie 
in  den  früheren  Etats,  in  dem  dritten  Abschnitte  dieselbe,  wie 
sie  in  dem  Etat  für  das  laufende  Jahr  berechnet  wurde,  spe- 
cificirt 

So  war  pro  1851  die  Einnahme  veran- 
schlagt auf 105,034,883  r.    6  m. 

Es  war  eingenommen 103,980,371  »  21    » 

in  einigen  Titeln  mehr 4,477,459  »     3   » 

in  einigen  weniger 17,949,314  »     1    » 

Dazu  das  veranschlagte  Einnahme-Soll 

der  Monate  Januar  bis  September . .  .  757,847,687  »     3    » 
die  wirkliche  Einnahme  dieser  acht  Mo- 
nate   745,429,843  »  21    » 

mithin  weniger 12,417,843  »     1    » 

Wiewohl    eine   unvorhergesehene  Ein- 
nahme hinzutrat  mit 1,818,587  »     7   » 

so  betrug  doch   die  wirkliche  Jahres- 
Einnahme  bis   zum  September  incl. 

weniger  als  die  Soll-Einnahme 11,653,267  »  25   » 

In  dem  vierten  Abschnitt  erfolgt  dann  die  genau  berechnete 
Ausgabe,  nach  den  Etats-  Titeln  specificirt.  Diese  belief  sich  nach 
obiger  Zeitung: 

1.  för  das  Königliche  Haus  auf 3,574,999  r. 

2.  für  die  gesetzgebenden  Körper 73,349  »     6  m, 

3.  für  das  Staats-Ministerium 709,881  »  11   » 

4.  für  das  Ministerium  der  Gnaden  imd 

Justiz 2,256,704  »     3 

5.  für  das  Ministerium  des  Krieges   . .  .     21,307,801  »     8 

6.  Guardia  Civü 2,513,876  »  — 

7.  für  das  Marine -Ministerium 5,068,355  »     2 

8.  für  das  Ministerium  de  fomento ....       4,260,840  »  — 

9.  för  das  Ministerium  des  Innern  ....       3,676,045  »  — 

10.  för  das  Ministerium  der  Finanzen.  . .       8,312,453  »  70 

11.  för  nicht  active  Beamte 11,255,750  »  29 

12.  Rückstände 1,569,239  »  26 

T.  Miaatoli,  SpanieD.  J4 


210 

13.  Justizkosten  der  Ministerien 990,027  r.  31  m. 

14.  General  -  Direction    der  öffentlichen 

Schuld 202,438  .  10  . 

15.  Clerus,  Kloster  -  Geistliche ,  Nonnen  30,775,953  •  10  . 

16.  die  mit  der  Yereinnahmung  verbun- 
denen Ausgaben  betrugen 15,110,795  »  25  » 

17.  extraordinaire  Ausgaben 9,332,515  »  26  » 

Summa  der  Ausgabe     120,991,024  r.    5  m. 

Ausserdem  wird  nach  §  44  des  Gesetzes  vom  20  Januar 
1850  der  jedesmalige  Stand  der  Staats -Eionahmen  und  Aus- 
gaben, unter  specieller  Anfuhrung  der  Haupttitel  und  Unter- 
abtheilimgen,  alle  Trimester  und  aUe  Halbjahre  durch  die  Ga- 
zeta de  Madrid  zur  öffentlichen  Kenntniss  gebracht.  Es  wird 
dadurch  seitens  der  Verwaltung  der  Oeffentliclikeit  jede  nur 
mögliche  Rechnung  getragen;  ein  Verfahren,  welches  auch  in 
anderen  Zweigen  der  Administration  regebnässig  beobachtet 
wird,  und  einen  günstigen  Eindruck  auf  das  Publicum  macht 

Aus  dem  ersten  Semester-Rechenschafts-Bericht  für  1851 
(Gazeta  de  Madrid  No.  6318)  mögen  nachstehende  Details  aus 
den  einzelnen  Titeln  angeführt  werden.  Bis  zum  1  Juli  1851  be- 
trugen die  Ausgaben 

für  das  Corps  diplomatique 1,065,988  r.  15  m. 

für  das  Kriegs -Ministerium 140,171,068  »  13 

für  Besoldungen  der  Generäle 4,489,959  »  — 

namentlich  fiir  den  Generalstab 857,470  »  25 

für  MiUtair-Beamte 1,598,709  »  — 

für  Miütair-Schulen 1,407,174  »  40 

für  nicht  active  Militairs 3,984,937  »  — 

für  die  Guardia  civil 14,000,000  »  — 

fiir  die  Soldaten  der  Armee 63,611,431  »  — 

für  das  Ministerium  der  Marine 33,143,351  »  — 

fiir  das  Ministerium  des  Innern 17,096,828  »  — 

nämUch  die  Pro vinzial -Verwaltung  ....       2,403,872  »  — 
öffentiiche  Sicherheit 1,482,872  »  — 


211 

Telegraphen-Personal 1,389,455  r. 

Gesundheits- Polizei 234,886  » 

Correctionshäuser 3,603,811   » 

Summa  totalis     569,887,683  r.  16  m. 

Die  in  Spanien  erhobenen  Steuern  sind  theils  directe,  theils 
indirecte.  Die  jetzige  Steuerverfassung  datirt  aus  der  Verwal- 
tung des  Ministers  Mon,  und  zwar  aus  dem  Jahre  1845,  seit  wel- 
cher Zeit  jedoch  verschiedene  Abänderungen  und  Declarationen, 
insbesondere  mit  Bezug  auf  die  Besteuerung  des  Handels  imd 
der  Industrie  im  Jahre  18  J®  stattgefunden  haben.  Auch  in  der 
Steuergesetzgebung  bildet  die  Französische  Steuerverfassung 
die  Gnmdlage.  In  der  Consumtions- Steuer  tritt  diese  Ueber- 
einstimmung  am  deutlichsten  entgegen. 

I.  Die  Grundsteuer  beträgt  8  bis  12  procent  von  dem 
Werthe  und  Einkommen  des  Grundes  und  Bodens,  der  Emdte 
und  Heerden  berechnet,  und  beruht  auf  dem  Gesetze  vom  1 5  Juni 
1845.  Dasselbe  enthält  in  9  Capitehi  und  119  Artikeln  die  Be- 
stimmungen zur  Veranlagung  und  Erhebung,  und  zwar: 

Gap.  1.  Die  Natur  der  Steuer  und  die  Bezeichnung  der  ihr 
unterworfenen  Gegenstände;  benutzte  Grundstücke,  Feld,  Gär- 
ten, Gebäude,  Renten,  Pacht,  Zinsen,  Salinen  —  und  bezeichnet 
die  ausnahmsweisen  vorübergehenden  oder  steten  Befreiungen. 

Cap.  2.  Die  Berechnung  der  jährlichen  Hauptrepartition 
sammt  Zuschlägen ;  das  von  der  Provinz  für  den  Fiscus  aufzu- 
bringende Steuersoll  mit  den  Hebekosten,  und  den  fiir  die  Ge- 
meinde-Verwaltung etwa  erforderlichen  Zuschlägen. 

Cap.  3.  Die  Vertheilung  auf  die  Provinzial-Gemeinden  durch 
die  Provinzial-Deputationen,  welche  innerhalb  14  Tagen  beendet 
sein  muss. 

Cap.  4.  Die  Vertheilung  auf  die  steuerpflichtigen  Gemeinde- 
gUeder,  mit  Angabe  der  Bedingimgen,  um  zur  Einschätzungs- 
Commission  gewählt  werdien  zu  können,  —  der  Art  und  Weise 
der  Abschätzung  der  Producte,  —  imd  der  Aufstellung  und  Be- 
richtigung der  Listen  der  Einwohner  mit  ihrem  Grund-,  Renten- 

14" 


212 

und  Heerdenbesitz  —  und  der  Form  der  Bestätigung  der  auf- 
gestellten Liste  durch  das  vom  Alcalden  zusanunenberufene 
Ayuntamiento. 

Cap.  5.  Von  den  Steuer-Erlassen. 

Cap.  6.  Von  den  Pflichten  der  Contribuenten,  Erheber,  Al- 
calden und  Ayuntamientos,  um  die  Erhebung  zu  vereinfachen, 
zu  sichern  und  zu  beschleunigen. 

Cap.  7.  Von  den  Mitteln  gegen  säumige  Zahler;  Anwei- 
sung zur  Zahlung  binnen  drei  Tagen ;  Execution  gegen  das  Mo- 
biliar-, desgleichen  gegen  das  Immobiliar- Vermögen,  und  Fest- 
stellung der  Executions-  und  Verkaufskosten  nach  gewissen 
Steuerobjecten. 

Cap.  8.  Von  den  Maassregeln  gegen  die  Steuerheber, 
wenn  die  Steuer  bis  zum  1 5ten  des  laufenden  Monats  nicht  ein- 
gezahlt ist,  welche  Maassregeln  durch  den  Provinzial- Intendan- 
ten verfiigt  und  nach  der  Höhe  der  restirenden  Summen  ermes- 
sen werden. 

Cap.  9.  Von  den  Zwangsmitteln  gegen  Alcalden  und  Ayun- 
tamientos, wenn  die  Veranlagungs- Listen  nicht  rechtzeitig  be- 
stätigt, die  Erhebung  der  directen  und  indirecten  Steuern  un- 
nöthig  imterbrochen,  oder  der  im  Executions wege  anberaumte 
Verkauf  des  Mobiliars  und  Immobihars  nicht  abgehalten  wird. 

II.  Die  Contribucion  industrial  y  de  comercio,  auch  be- 
kannt unter  dem  Namen  Ley  de  subsidio,  ist  in  einem  Gesetze 
vom  23  Mai  1845  ausgesprochen,  und  in  40  Artikeln  festgesetzt^ 
welche  Personen  und  in  welchem  Maasse  dieselben  davon  be- 
troflfen  werden.  Einige  Ergänzungen,  namentUch  verändernde 
Bestimmungen  über  die  anzulegenden  Matrikeln,  sind  am  3  Sep- 
tember 1847  und  zuletzt  imter  dem  1  Juli  1850  mit  der  Weisung 
ergangen,  dass  damit  vom  1  Juli  1851  ab  verfahren  ist  Nach 
besünunten  Sätzen  imd  Tarifen  Avird  die  Industrie  und  der  Han- 
del besteuert^  und  können  zu  dieser  Steuer  Zuschläge  zur 
Deckung  der  General-,  Provinzial-  oder  Gemeindeauflagen  er- 
hoben werden.  Die  Hebegebiihren  werden  gleichzeitig  mit  re- 
partirt  und  eingezogen.    Die  Kosten  der  Handels-Jimten  und 


213 

Tribunale  werden  von  den  Personen ,  welche  dieselben  bilden, 
gemeinschafÜich  aufgebracht.  Den  Classificationen  der  Ortschaf- 
ten wird  jedesmal  der  letzte  Census  zum  Grunde  gelegt  Recla- 
mationen  dagegen  können  von  der  Verwaltung,  wie  von  den 
betheiligten  Gemeinden  erhoben  werden.  —  Verschiedene  Ver- 
kaufs-Locale  desselben  Besitzers  in  demselben  Hause,  wenn  sie 
abgesondert  und  mit  Ausgangsthüren  nach  der  Strasse  versehen 
sind,  zahlen  ein  jedes  besonders. 

Ein  Jeder,  welcher  selbstständig  ein  Geschäft,  Kunst,  Indu- 
strie, Gewerbe  oder  Handel,  eröflBaen  will,  hat  der  Verwaltung 
davon  Anzeige  zu  machen;  Namen,  Wohnimg  und  die  Klasse 
anzugeben,  in  welcher  er  etwa  bis  dahin  gesteuert  hatte  (in  zwei 
Exemplaren  einzureichen).  Orts -Matrikeln  fassen  alle  diese  An- 
träge zusammen,  und  werden  in  der  Zeit  vom  1 5  November  bis 
15  Januar  abgeschlossen.  In  jeder  Gemeinde  bilden  die  ein 
gleiches  Geschäft  oder  Gewerbe  Treibenden  einen  Gremio  oder 
einen  Godigo ,  unter  einem  bestimmten  Tarife  der  Besteuerung. 
Register  werden  über  die  Gewerks- Genossen  gefuhrt  und  der 
Regierung  eingereicht.  Jedes  Gremio  oder  Godigo  wählt  einen 
oder  drei  Syndici,  durch  welche  es  sich  in  der  Aufrechthaltung 
seiner  Gerechtsame  vertreten  lässt  Clasificadores  schätzen  ein 
und  theilen  die  Quote  mit,  welche  das  Fünffache  des  Tarifs  eben 
so  wenig  übersteigen  darf,  als  sie  mindestens  den  fünften  TheU 
derselben  erreichen  muss.  Die  Reclamationen  müssen  biimen 
acht  Tagen  und  zwar  vor  den  Ayuntamientos  substantürt  wer- 
den. In  letzter  Instanz  werden  die  Reclamationen  an  den  Gou* 
vemeur  gerichtet,  dessen  Entscheidung  die  end-  und  rechtsgül- 
tige bleibt.  —  Alljährlich  werden  auch  die  Nicht- gremiados  in 
Matrikeln  eiogeschätzt  Wer  ohne  immatrikulirt  zu  sein  ein  Ge- 
schäft oder  Gewerbe  betreibt,  wird  in  den  doppelten  bis  vier- 
fachen Jahresbetrag  der  ihn  treffenden  Steuer  verurtheilt,  und 
darf  das  Geschäft  nicht  eher  fortsetzen,  bis  alle  Förmlichkeiten 
erledigt  sind. 

Falsche  Angaben  und  Zeugnisse,  welche  amtlich  abgegeben 
werden^  ziehen  gerichtUche  Untersuchung  nach  sich. 


214 


No.  1  des  General -Tarifs  der  Professionisten  und  Industriel- 
len in  den  Städten  von 


Klassen. 

ober  8600 

4601-8600 

3601—4600 

3001—3600 

2401—3000 

laOl  — 2400 

501—1200 

500 

Einwohti. 

Einwolin. 

Einwohn. 

Einwolin. 

Eüiwohn. 

Einwolin. 

Einwolin. 

Einwohn. 

1 

3000 

2400 

1920 

1540 

1250 

980 

790 

640 

2 

1520 

1250 

1020 

850 

650 

490 

380 

310 

3 

1250 

1020 

850 

650 

490 

380 

310 

250 

4 

1020 

850 

650 

490 

380 

310 

250 

180 

5 

630 

490 

380 

310 

250 

180 

120 

100 

6 

3^0 

310 

250 

180 

120 

100 

70 

60 

7 

159 

100 

80 

72 

60 

50 

40 

30 

8 

80 

72 

60 

50 

40 

30 

20 

16 

Zur  ersten  Klasse  gehören  Kaufleute,  welche  mit  Wein, 
Branntwein,  Tuch,  Seide,  Droguen  handeln;  zur  zweiten:  Stein- 
schneider, Goldarbeiter,  Giesser,  Tuchhändler,  Schneider;  zur 
dritten:  Wechselagenten,  Oel-  und  Schinkenverkäufer,  Condito- 
reien,  Kutschenvemnether,  Kaflöier,  Stockfischverkäufer,  Zucker- 
siederei -Inhaber;  zur  vierten:  Fleisch-,  Möbel-,  Papierhandlun- 
gen, Wirthshäuser,  Uhrmacher,  Druckereien;  zur  fünften:  Ad- 
vocaten,  Architecten,  Apotheker,  Schreiber,  Buchhandlungen, 
Seidenhandlungen,  Tapezierer,  Fächer-,  Parfiimerie-Fabrikan- 
ten;  zur  sechsten:  Handelsagenten,  Macaroni-,  Kohlen-, 
Bronce-,  mathematische  Instrumenten -Verkäufer,  Registratoren 
der  Audienza,  Zahnärzte,  Vergolder,  Untergerichts -Directoren, 
Lohnbediente,  Matratzenstopfer  (mit  Baumwolle),  Notarien,  Pa- 
stetenbäcker, Tribunals -Procuradoren,  Posamentiere,  Mützen- 
Fabrikanten;  zur  siebenten:  Musikhandlungen,  Stiefel-,  Wachs- 
handlungen, Schreiber  der  Diligencen,  Bürsten -Fabrikanten, 
Guitarren -Verfertiger,  Bisquitbäcker,  Musik-  und  Singelehrer, 
Salzhändler,  Tanzmeister,  Strohflechter,  Schreibbücherhändler; 
zur  achten:  Korbmacher,  Stuhlflechter,  Maler,  Stöckeverfertiger, 
Inhaber  von  Laden  zu  festen  Verkaufspreisen  oder  von  Csusas 
de  huespedes,  Eierhändler,  Drechsler,  Korkarbeiter,  Phosphor- 
verkäufer, Messerhändler  mit  Waaren  zu  festen  Preisen. 


215 

Der  Tarif  No.  2  variirt  nicht  nach  der  Zahl  der  Bevöl- 
kerung. 

a)  Industrielle  oder  Handwerker,  die  sich  in  Gremien  ver- 
einigen, imd  ihre  Quoten  nach  Categorien  zahlen.  Bei- 
spielsweise Banquiers,  Grosshandler  und  Gapitalisten 

in  Madrid 8000  r. 

in  Barcelona,  Sevilla,  Cadiz,  Malaga  . . .               5500  » 

in  Alicante,  Coruna^  Santander,  Valencia               3500  » 

in  den  Provinzial- Hauptstädten 2500  » 

in  kleineren  Städten 2000  » 

in  Flecken 1500  » 

Grosshändler,  die  mit  dem  Auslande 
Golonialwaar  en  -  Verkehr    haben ,   j  e 

nach  der  Grösse  der  Städte 4000  —  2800  » 

Badehäuser. Besitzer 1000—  200  » 

Wechselhandlungen 1200—   800  . 

Chocoladenmühlen,  je  nach  der  Beschaf- 
fenheit der  Cylinder : . .                 720  » 

»,  die  einfiicheren  pro  Stein 200 —  350  » 

Oehnühlen 60—  200  » 

Dnickereien  und  Pressen,  je  nach  der 
Kunstfertigkeit  der  Maschinen. 

b)  Industrielle,  deren  persönliche  Quoten  keine  Aenderungen 
in  den  Unterabtheilungen  zulassen.    Beispielsweise: 

Steuer -Administratoren  6  procent  der 
Einnahme. 

Steuer-,  Renten-,  Brückpächter,  Thor- 
geld -  Erhe  ber ,  Pulver  -  Fabrikanten, 
Wegebaumeister 600  —  400  r. 

Assecuranz  -  GeseUschaflen 10,000  » 

Schiffbarmachxmgs-Gesellschaft  des  Ca- 

nals  von  Castilien 10,000  » 

Toros-Untemehmer 800  —  1500  » 

Wollenwäschereien,  immer  für  2  Monate  280  » 


216 


Postmeister 2400  r. 

Sociedad  metalurgica  von  Alcarraz 8000  » 

Tarif  No.  3.     Für  Manufakturen  und  Fabriken, 
a)  Die  Inhaber  der  Fabriken  müssen  sich  in  Gremien  consti- 
tuiren.    Es  wird  gezahlt  bei  der  Fabrication : 

1.  in  Wolle  und  Garn,  für  jede  Garde  8  r.;  fiir  je 
100  Spindeln  26;  für  jeden  Webstuhl  30;  für  jeden 
mechanischen  Webstuhl  48;  wenn  \  Elle  breit  ge- 
webt wird,  40;  bei  schmalen  Geweben  25;  far  jede 
Walke  36;  far  eine  hydraulische  Presse  40;  für  eine 
Scheermaschine  20  r. 

2.  Hanf  und  Flachs,  in  50  Spindeln  20  r.;  für  jede 
Garde  10;  für  den  Webstuhl  24;  wird  eine  vara  breit 
gearbeitet  16;  für  drei  mechanische  Vorrichtungen 
25;  ordinaire  Stühle  zu  Leinen  12;  zum  Glätten  24; 
Walke  20  r. 

3.  Baumwolle,  je  2  Garden  8  r.;  je  100  Spindeln  16; 
je  50  5;  jeder  Webstuhl  8;  eine  vara  breites  Gewebe 
6;  mechanische  Stähle  12  r. 

4.  Seide,  für  Dampfkraft  8  r.;  Menschenkraft  6;  Was- 
serkraft 26;  pro  100  Ringe  8;  Jacquardstuhl  18;  zu  |; 
vara  breit  14;  Stühle  zu  einfachem  Gewebe  12;  zu 
Velpel  oder  Sammet  18  r. 

5.  Blonden,  für  feine  Fabrication  600  r.;  für  mittlere 
500;  für  ordinaire  250;  sind  alle  drei  in  Arbeit 
1350  r. 

6.  Eisengiessereien  und  Maschinen  250  — 2500  r. 

7.  Fabriken  für  Tücher,  Westen  imd  Binden  12  —  45  r, 
fitr  je  zwei  Webstühle. 

8.  Färber 60  —  900  r. 

9.  Verfertiger  chemischer  Präparate  .  • , . .     70  —  450  » 

10.  Lederhändler , 90  —  540  » 

11.  Krystall-  und  PorzeUanhändler 80  — 612  » 

12.  Maschinenbauer 100  —  600  » 


217 

b)  Industrie,  deren  Quote  jeden  Einzelnen  trifft: 

Seife  für  jeden  Kessel  von  1000  Aroba 1000  r. 

für  800  — 1000  Arob.  Fabrication  im  Ganzen     800   » 

für  600  —  800 660   » 

Weisse  Seife,  Kessel  zu  200  Arob 860   « 

zu  150      »       470   » 

zu    20      »       38   » 

Branntwein  für  jeden  Colador  auf  9  Monate  .     660   » 

auf  6       »       . .     500   » 

auf  4       »       . .     330   » 

auf  2       »       . .     160   » 

auf  1  —  2       .       .  .     130   » 

fär  jede  Blase  auf  9  Monate 250   » 

hinab  bis  auf  2  Monate 60   » 

Giessereien  verschiedener  Metalle  ....  2500  —  200   » 

Papier  für  jeden  Cylinder 720   » 

Knöpfe 160   . 

4.  Ausgenonmien  und  befreit  von  der  Steuer  ist  eine  An- 
zahl von  Advocaten  mid  Procuradoren  verschiedener  Gerichts- 
höfe; Ciderfabrikanten;  Wohlthätigkeits -Anstalten;  Fischer  mit 
einem  einzigen  Bote;  Minenuntemehmer ;  Seiler  fiir  Schiffs- 
taue; Arbeiter  mit  einem  einzigen  Webestuhl;  Seiltänzer;  Co- 
mödianten;  Wäscherinnen;  Bedienten;  Stiefelputzer  und  Kran- 
kenwärter. 

ni.  Consumtions-Steuer.  Das  Gesetz  vom  23  Mai  1845 
unterwirft  dieser  Steuer  im  ganzen  Festlande  und  den  Adjacen- 
tes  alle  Arten  Wein,  Branntwein,  Liqueure,  Olivenöl,  Cider, 
Fleisch,  Bier  imd  Seife.  Bier  und  Wein  werden  nach  dem  Ver- 
brauch des  Fabrikanten  und  Händlers,  die  übrigen  Gegenstände 
nach  einer  Scala  besteuert,  welche  sich  nach  Verhältniss  der 
Grösse  der  Städte  abstuft.  Eine  fernere  Scala  besteht,  je  nach- 
dem diese  zu  versteuernden  Gegenstände  nationale,  coloniale 
oder  ausländische  Producta  sind.  Ausnahmen  und  Steuer- 
befreiungen sollen  nicht  gemacht  werden.   Der  Provinzial-Inten- 


218 

dant  stellt  die  Classification  der  Ortschaften  auf;  die  Ayunta- 
mientos  können  gegen  die  Veranlagung  reclamiren,  der  Inten- 
dant resolvirt  darauf  jedoch  endgültig.  Steueraufseher  und  Er- 
heber  haben  die  Wege,  die  Thore  und  das  passirende  Publicum 
zu  überwachen.  Deposita  der  Fabrikanten  in  ihren  Fabriken  smd 
nachgegeben.  Bei  Verkaufs-Localen,  Fleischscharren  und  Brannt- 
weinbrennereien, Brauereien  und  Seifensiedereien  finden  amt- 
liche Controllen  des  Geschäfts-Betriebes  seinem  Umfange  nach 
statt  Die  Declaration  liierüber,  wie  über  die  Zahl  der  Blasen, 
Maischbottiche  etc.  werden  eingefordert,  die  Strafen  fiir  Contrar 
ventionen  festgesetzt,  imd  endlich  auch  für  die  Erhebung  und 
Verpachtung  der  Consumtions- Steuer  die  erforderüchen  Vor- 
schriften gegeben. 

Was  die  Tarife  anbetrifft,  so  sind  die  Städte  nach  der  Ein- 
wohnerzahl in  acht  Klassen  eingetheilt 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

Städte  von 

500 
£in\v. 

1200 
EUw. 

2400 
£iaw. 

9600 
Einw. 

4600 
Einw. 

8600 
EUw. 

hdher 

Madrid 

r.     m. 

r.     m. 

T.     in. 

r.     m. 

T.     m. 

r.     m. 

r.     m. 

r.     m. 

Wein  .  .  . 

.  die  Aroba 

6    9 

1    2 

1  20 

2  12 

3  - 

3  17 

4  17 

6  17 

20% 

5  - 

6  - 

7  — 

8- 

9 

11  17 

12- 

14  - 

Branntwein    23% 

6  — 

7  - 

8- 

9 

10  17 

12  — 

13  28 

16  - 

26% 

7  — 

8  — 

9  — 

10 

11  17 

13 

14  28 

17  - 

30% 

8  - 

9  - 

10  — 

11  20 

13 

14  — 

15  28 

18 

34% 

10  — 

11 

12  — 

13  - 

14  17 

16- 

17  28 

20- 

noch  mehr 

11  — 

12  — 

13  — 

14- 

15  17 

18  - 

19  28 

23- 

Liquor  . 

12 

14  - 

16  - 

17  — 

19  - 

21 

25  — 

26  — 

Oel  .... 

2 

2    7 

3- 

3  17 

4  — 

4  17 

5  - 

6  — 

Die  Berechnung  wird ,  was  das  Gewicht  anbetrifft,  zu  Aro- 
bas ä  25  Pfund,  und  hinsichts  des  Geldes  nach  Realen  a  2  Sil- 
bergroschen  2  Pfennige  und  Maravedis  aufgestellt;  4  Maravedis 
machen  einen  Quart  und  8^  Quart  einen  Real,  mithiTi  26  Pfen- 
nige sind  gleich  34  Maravedis. 


219 


Klasse 
1 


KUsse 

2 


Klasse 

3 


Klasse 

4 


Klasse 
5 


Klasse 

6 


Klasse 
7 


KL 
8 


Geschlachtetes  Fleisch. 

Rind,  Kalb,  Kuh,  Schwein,  für  das 

Pfund 

Speck  und  Schmalz   . 

Gesalzene8,Schinken,Würste 
Desgl.  Kuh,  Ochse,  Ziege.  .  . 

Lebendes  Vieh. 

Rind,  Kuh,  6j ährig  pro  Aroba 
Jungvieh,  2 — 4j  ährig  pro  Aroba 
Kalb,  2j  ährig  pro  Aroba 

Haxnmel 

Scbaaf 

Lamm  bis  zum  April 

»        »       »     Juni  . 
Ziege  bis  zum  April 

»        »       »     November 
Schwein,  ausgewachsen  . 
»         halbjährig  .  .  . 
«         über  6  Monat  bis  2jährig 


r.     u. 


2 
4 
6 
4 


17  17 
12  — 
9  - 
1  — 
-  24 
1  - 
1  20 

1  - 

2  - 
10  — 

6  — 
1  17 


r.     in. 


2  — 
4  — 
6  - 
4  — 


20  — 
12  - 
9  — 
1  — 
—  24 
1  - 
1  — 
1  20 

1  — 

2  — 
10  - 

1  17 


m. 


5  — 
o  — 

8  - 
4  - 


45  - 

30  - 

24  - 

3  17 

1  17 

2  - 
2  20 

1  20 

2  17 
12  - 

8  - 
2  - 


r.     m. 


r.     in. 


r.     in. 


r.     m. 


r. 


5 
5 

8 
5 


6 
6 

10 


5 


6 

6 

10 

6 


7 

7 

12 

6 


8 

8 

12 

6 


50  - 

32  — 

24  - 

3  17 

2  — 

3  17 

4  17 

1  17 

2  17 
12  - 

8  — 
2  17 


55  - 

40  — 

30  — 

4- 

2- 

4  — 

5  — 
1  17 
3  - 

15  — 

10  - 

3  — 


60- 

40- 

30  — 

4  — 

2- 

4  - 

5  17 
1  17 
5  — 

15  - 

10  - 

3  17 


65  - 
45  - 
35  - 
4  17 
3- 
4  27 
6  - 

2  - 

3  17 
29- 
12  - 

4- 


70 
50 
40 
5 
3 
5 
7 
2 
5 

30 

14 

4 


Gleichartig  wird  im  ganzen  Königreiche  besteuert: 

der  Cider,  die  Aroba  mit 24  m. 

Bier 2  r.  17   » 

harte  Seife 5»  —    » 

weisse  Seife 3»  —    » 

IV.    Vom  selben  Datum  ist  das  Gesetz  über  die  Be- 
steuerung   der  Miethen  (Inquilinados).     Es   besteht  diese 
Steuer  in  der  Zahlung  von  einem  Procente  von  dem  Mieths- 
betrage,  wenn  solche  mehr  beträgt  als : 
3000  r.  jährüch  in  Madrid, 

2000  r.  jährlich  in  den  Hafenplätzen  und  Provinzial- Haupt- 
städten, und 
1500  r.  jährlich  in  den  kleineren  Städten. 


220 

Es  müssen  dafür  aufkommen:  1)  die  Besitzer  für  das  Haus 
oder  den  Theil  desselben,  den  sie  bewohnen.  Ausgenommen 
von  der  Besteuerung  sind  die  Königlichen  und  Dienstgebäude; 
die  Häuser  der  Gesandten;  und  die  ausserhalb  der  Städte  be- 
legenen lediglich  zum  Betrieb  der  Landwirthschaft  bestimmten 
Gebäude.  Fabrik -Etablissements  zahlen  halb  so  viel  als  andere, 
zum  Wohnen  bestimmte  Gebäude.  2)  die  Miethssteuer  wird 
ausserdem  von  den  Miethern  und  Pächtern  unmittelbar  ein- 
gezogen. Die  Hausbesitzer  reichen  die  vorgeschriebenen  Ver- 
zeichnisse der  Miether  und  MieÜispreise  in  ihren  Häusern  ein, 
erhärten  deren  Richtigkeit  durch  Erklärung  an  Eides  statt, 
worauf  dieselben  zu  den  Sammlmigen  beim  Ayxmtamiento  nie- 
dergelegt werden.  Von  dort  aus  werden  die  vidimirten  Dupücate 
durch  den  Alcalden  der  Administration  zugestellt.  Verheim- 
lichungen werden  mit  dem  vierfachen  Betrage  der  entzogenen 
Steuer  bestraft  Die  Steuer  wird  monatlich  erhoben,  und  beträgt 
jährUch  von  den  berechneten  Miethsbeträgen  für  die  Gemeinden, 

welche  bis    500  Bürger  zählen 2  procent 

.    1200       »  »       3 

.         »   2400       »  »      4 

»   3600       »  .       5         » 

»   4600       »  »       6         » 

»         »   8600       »  »       und  in  Häfen  von 

3600  Seelen 7 

bei  mehr  Einwohnern  und  in  Häfen  von  8600 

Seelen .\ 8         » 

in  Madrid,  Sevilla  und  Häfen  von  über  8600  Ein- 
wohnern   10         » 

V.  Die  Steuer  del  derecho  de  hipotecas  ist  gleich- 
falls durch  Gesetz  vom  23  Mai  eingeführt  Es  sind  danach  dem 
Gesetze  unterworfen: 

alle  Veräusserungen  imbewegUcher  Güter,  so  wie  sie  zum 
Eigenthum  oder  Niessbrauch  übertragen,  mit  Ausschluss 
der  in  Aragon  bestehenden  Witthimie ; 


221 

die  Verpachtung  und  Afterverpachtung  von  Grundstücken ; 

die  Auflage  und  der  Erlass  vom  Census  oder  anderen  Ab- 
gaben* 
Ausgenommen  sind  nur  die  Veräusserungen  von  Ascenden- 
ten  und  Descendenten,  und  Erwerbimgen  seitens  des  Staates. 
Beim  Verkauf  oder  Niessbrauch  zahlt  der  Erwerber;  bei  Ver- 
pachtungen der  Eigenthümer  oder  Nutzniesser,  welcher  pachtet; 
bei  Afterverpachtungen  der  Pächter;  bei  Zinsen  und  Renten  der- 
jenige, welcher  dadurch  erwirbt.  Bei  Berechnung  des  Werthes 
der  Sache  werden  die  darauf  haftenden  Lasten  abgezogen,  so 
dass  nur  der  vom  Erwerber  gezahlte  Betrag  als  Massstab  ange- 
nommen wird.  Bei  Verkäufen  werden  3  procent  des  vom  Er- 
werber gezahlten  oder  angewiesenen  Werthbetrages  entrichtet 
Beim  Tausch  zahlen  die  Interessenten  jene  3  procent  zusammen. 
Bei  Vererbungen  werden  gezahlt: 

1  procent,  wenn  die  Erben  CoUateralen  ün  zweiten  Grade  sind; 

4       »        von  Seitenverwandten  dritten  Grades; 

6       »        von  Seitenverwandten  vierten  Grades; 

8       »        bei  noch  entfernteren  Graden  oder  wenn  Fremde 

erben ; 

4       »        von  den  Legaten  an  Verwandte  dritten  Grades ; 

8  »  von  den  Legaten  an  Fremde. 
Bei  Substitutionen  und  Fideiconunissen  werden  2  procent 
erlegt  Unterbleibt  die  rechtzeitige  Erklärung  über  den  Antritt 
der  Erbschaft  binnen  Jahr  tmd  Tag,  so  werden  8  procent  der 
Erbschaft  entrichtet  Bei  Schenktmgen,  ausgenommen  unter 
Lebenden  oder  Eheleuten ,  betragen  die  Abgaben  in  demselben 
Verhaltnisse,  wie  oben  bei  den  Erbschaften  angegeben,  1  bis 
8  procent  Beim  Niessbrauch  beträgt  die  Abgabe  nur  den  vier- 
ten Theil  deqenigen  Summe,  welche  dieselbe  Sache  bei  einer 
Veräusserung  zu  Eigenthum  gezahlt  haben  würde.  Bei  Adjudi- 
eationen  werden  3  procent  entrichtet  Bei  neuen  Zinsauflagen 
2  procent  des  Gapitals ;  1  procent  bei  Zinsen,  welche  nur  für  die 
Dauer  der  Lebenszeit  stipulirt  sind;  ^  procent  bei  Zinsen,  welche 


222 

noch  früher  erlöschen;  ^  procent  bei  Pachtungen  und  Aflerver- 
pachtungen.   Dasselbe  bei  Pachtiuigen  von  Landhäusern. 

Die  Contadurias  imd  Oficios  de  hipotecas  sind  der  richter- 
Uchen  Beaufsichtigung  unterworfen.  Die  Hypotheken-Register 
sind  nach  Gemeinden  getrennt,  und  geschieden  in  städtische  und 
ländliche.  Der  betreffende  Act  wird  umständlich  und  genau  ein- 
getragen, Indices  werden  angelegt^  und  Veränderxmgen  sorgfältig 
nachgetragen,  in  den  Gegenbüchem  vermerkt  und  eventuell  ge- 
löscht Am  1  Januar  jedes  Jahres  werden  sämmtliche  Register 
durchgesehen,  die  Veränderungen  vergüchen  und  das  etwa  noch 
Fehlende  ergänzt,  auch  darüber  erforderliche  Bescheinigungen 
ausgefertigt  Die  Inspectoren  besuchen  die  Amtsiocale,  prüfen 
zweifelhafte  oder  verdächtige  Eintragungen,  und  vermerken  den 
Revisionsbefund  in  den  Actas  de  visita.  Die  Strafen  wegen  be- 
gangener Unregelmässigkeiten,  wenn  Beamte  dabei  betheihgt^ 
sind  ausserordentlich  streng;  sie  bestehen  in  empfindlichen 
Geldstrafen  von  200  —  2000  r.  oder  in  sofortiger  Entlassung  vom 
Amte. 

Der  Verwerthimg  der  Regalien,  in  deren  monopolisirtem 
Verkauf  das  Recht  der  Fixirung  der  Preise,  mit  Ausschlies- 
sung dieser  Artikel  aus  dem  Privat-Handelsverkehr,  also  eine 
indirecte  Besteuerung  hegt,  ist  bereits  Erwähnung  geschehen. 
Die  Erhebung  ist  verpachtet,  und  die  Einnahme,  welche  daraus 
gelöst  wird,  sehr  bedeutend. 

Es  wird  nothwendig  sein,  hierbei  der  Verwendung  des 
Stempelpapiers  näher  zu  gedenken,  welche  durch  das  Gesetz 
vom  8  August  1851  insbesondere  auf  den  kaufmännischen  Ver- 
kehr weiter  ausgedehnt  ist,  und  durch  die  Instruction  vom 
1  October  1851  erläutert  wird. 

Es  wird  das  gesetzUch  erforderUche  Stempelpapier  in  Spa- 
nien nicht  allein  zum  ersten,  sondern  in  den  meisten  FäUen  auch 
zum  letzten  Blatte  von  Documenten  aller  Art  verwendet  Die 
Stempel  betragen  nach  verschiedenen  Abstufungen  für  Zahlungs- 
fähige 60,  32,  8,  4,  2  r.  und  12m.,  fiir  amtliche  Ausfertigungen 


223 

8  m,,  fiir  Armensachen  8  m.,  fiir  Wechsel,  je  nach  dem  Objecte, 
bis  120  r.,  fiir  Strafen,  je  nach  der  Höhe  und  dem  Gregenstande, 
verschiedene.  Die  Stempelbogen  müssen  zum  ersten  und  letzten 
Blatte  selbst  bei  Copien  verwendet  werden,  wenn  das  Object 
8—11,000  r.  an  Werth  übersteigt;  von  allen  Käufen,  Ver- 
äusserungen,  Cessionen,  Contracten,  Polizei-  und  Criminalsachen, 
wenn  der  Werth  5  —  8000  r.  beträgt  Stempelpflichtig  sind  alle 
Documente,  in  denen  Militair-  oder  Civil -Behörden  betheiligt 
sind,  oder  in  Anspruch  genommen  werden ;  namentlich  alle  Titel, 
Aemter,  Würden,  Privilegien,  Erlaubnisse,  Ausfertigungen,  Be- 
scheinigungen, vidimirte  Abschriften,  Acte  der  Ayuntamientos, 
Sanitäts-  imd  Gerichts -Commissionen.  Es  wird  fem  er  die  An- 
wendung des  Stempelpapiers  ausgedehnt  bei  den  Gerichten  auf 
alle  Acte  der  freiwilligen  Gerichtsbarkeit;  in  dem  kau£aiännischen 
Geschäftsverkehr  auf  alle  Wechsel,  Zahlungs -Anweisungen,  in- 
dossirte  Zahlimgen  und  Creditbriefe  auf  bestimmte  Summen. 
Die  Stempel  steigen  je  nach  der  Höhe  der  Summen  im  Ganzen 
nach  16  Klassen:  bei  2000  betragen  sie  1  r.;  bei  20,000  12  r.; 
bei  50,000  20  r.;  bei  100,000  60  r.;  bei  200,000  80  r.;  in  der 
16ten  Klasse  bei  250,000  120  r.  Die  Börsen-Policen  werden 
nach  4  Klassen  gestempelt^  mit  4  bis  160  r.,  je  nach  dem  Object 
von  10,000  bis  250,000  r.  Die  kaufinännischen  Ilandelsbücher, 
Copirbücher  und  Manuale  müssen  von  jetzt  ab  auf  jedem  einzel- 
nen Blat(  mit  dem  vierten  Stempel  gestempelt  sein.  Strafver- 
fugungen  werden  nach  dem  Gesetz  vom  14  April  1848  mit  einem 
Stempel  von  2 — 10,000  r.  versehen. 

Die  Strafv^erfögungen  gegen  Stempel-Contraventionen  rügen 
auch  niedere  Grade  der  Fahrlässigkeit  der  Beamten  bei  Unter- 
lassung der  richtigen  Stempelverwendung  sehr  streng.  Die  dem 
neuen  Stempelgesetze  zum  Grunde  liegende  ratio  ist  dieselbe, 
welche  bei  den  Spanischen  Steuergesetzen  überhaupt  obwaltet: 
nämlich,  im  Interesse  des  Fiscus  oder  der  fiscaUschen  Kassen, 
den  in  der  Entwickelung  und  Ausdehnung  des  industriellen  imd 
Handelsverkehrs  hegenden  grösseren  Wohlstand,  so  wie  den 
Credit  und  Speculationsgeist  verhältnissmässig  zu  besteuern, 


224 

und  mit  Rücksicht  auf  die  Erfahrung,  dass  die  grösste  Steuer- 
einnahme von  der  grossen  Masse  aufgebracht  werde,  die 
dem  öffentlichen  und  Consumtions- Verkehre  hauptsächlich  un- 
terworfenen Gegenstande  zunächst  und  so  hoch  als  zulässig 
heran  zu  ziehen.  Dass  dies  System  sich,  den  Staatskassen  ge- 
genüber, als  practisch  bewährt,  unterliegt  keinem  Zweifel;  ob  es 
in  der  Anwendung  und  Durchfuhrung  das  Richtigste  imd  Ge- 
rechteste ist,  ob  es  aufinuntemd  oder  lähmend  wirkt,  das  sind 
Probleme,  deren  Lösung  man  der  Erfahrung,  der  Verantwort- 
lichkeit der  Behörden  und  dem  Uriheile  gewiegter  Staatsmänner 
überlassen  muss.  Sobald  die  vorgelegten  Gesetze  von  den  Cor- 
tes  berathen  sind  und  ihre  Ausfuhrung  beschlossen  ist,  kann 
von  einer  absichtlichen  Härte  oder  Ueberbürdung  der  einzelnen 
Klassen  der  bürgerUchen  Gesellschaft  nicht  föglich  mehr  die 
Rede  sein. 

Die  sehr  bedeutende  Einnahme  aus  den  Steuer-  und 
Zollämtern  gewahrt  zugleich,  ihren  einzelnen  Bestandtheilen 
nach,  ein  besonderes  Interesse,  weil  sie  einen  Ueberblick  über 
Einfuhr  und  Ausfiihr  gewährt,  und  die  für  Industrie  und  Handel 
wichtigsten  Provinzen  und  Hafenplätze  erkennen  lässt 

Der  jetzt  gültige  Zolltarif  (Arancel)  ist  im  Jahre  1849  von 
den  Cortes  begutachtet,  genehmigt  und  mit  dem  Jahre  1850  in 
Kraft  getreten.  Es  sind  darin  bedeutende  Ermässigungen  gegen 
die  früheren  Tarife  nachgegeben.  Im  Jahre  1841  bestanden  vier 
Tarife;  und  zwar  drei  für  den  Import:  a.  vom  Auslande  über- 
haupt, b.  aus  America  und  c.  aus  Asien;  so  Avie  ein  Tarif  für  den 
Export  Die  ersteren  beruhten  auf  den  gesetzlichen  Bestimmim- 
gen  ad  a.  vom  19  October  1825;  ad  b.  vom  25  Februar  1828; 
ad  c.  vom  2  December  1833.  Der  Export- Tarif  auf  dem  Gesetz 
vom  4  April  1805. 


225 


Es  betrug  die  ZoUeinnahme  1850: 


Aus  den 

Ufer-  und  Grenz- 

Provinzen 


Einfuhr 


aus 
der  Fremde 


aus 
America 


Ausfuhr 


in 
die  Fremde 


nach 
America 


•  •  •  • 


1.  Alicante  . 

2.  Almeria 

3.  Badajoz  .  .  .  . 

4.  Barcelona  .  .  . 

5.  Caceres  .  .  .  . 

6.  CasteUon   .  .  . 

7.  Cadiz 

8.  Coruüa 

9.  Gerona 

0.  Granada .... 

1.  Gmipuzcoa.  .  . 

2.  Huelva 

3.  Haesca 

4.  Lerida 

5.  Lugo 

6.  Malaga 

7.  Murcia 

8.  Navarra  .  .  .  . 

9.  Orense 

20.  Oviedo 

21.  Pontevedra  .  . 

22.  Salamanca.  .  . 

23.  Santander  .  .  . 

24.  Sevilla 

25.  Tarragona.  .  . 

26.  Valencia .... 

27.  Viscaya  .  .  .  . 

28.  Zamora   .  .  .  . 

29.  Balearen.  .  .  . 

30.  Canarien . 


.  .  • 


Summa 

Mittelprovinzen  .  . 

Totalis 


Im  Jahre  1849  .  .  . 
Mehr  im  Jahre  1850 

y.  HUnutoli,  Spanien. 


r. 


m. 


r. 


m. 


3,403,851  31 

1,055,354  33 

84,786  16 

22,660,149  16 

7,612  7 


1,242,580  4 
181,350  7 


8,607,472  25 


9,982,296  17 

1,936,340  25 

2,087,255  20 

144,391  1 

7,271,421  15 

255,978  30 

774,859  12 

159,733  26 

131,888  - 

10,243,690  ; 

3,318,127  - 

655,790  - 

6,028  27 

321,620  13 

1,087,987  13 

22,591  22 

8,431,589  25 

4,170,099  24 

1,262,718  24 

8,496,754  14 

12,841,687  17 

15,596  25 

899,692  22 

1,420,495  10 


5,684,269  3 
1,963,234  32 


2,392,527  4 


6,792,253 
390,435  12 


195,913 
691,098 


22 
11 


9,327,735 
897,567 
188,854 
965,396 

2,499,751 


29 
26 

18 


15 


1,663,239  12 
189,959  31 


103,123,412  14 


43,873,630  20 


r. 


m.  r. 


4366  25 
697,445  25 


255  13 


4,695  - 


5,332  17 


61,745 
459,762 


16 


524 

63,258 

5,303 


5,300  - 


1,824  18 


1,304,790  10 


530,710  24 


103,654,129  443,873,630  20 


61,787,719  21 


24,871,262  13 


41,866,409  17|19,002,368  7 


m. 


256  - 


12,225  13 


449,592  7 


14,241  29 


76,815  15 


1,304,790  10 


760,181  12 


544,668 
15 


32 


76,815  15 


56,861  11 


19,454  4 


226 

Der  Zolltarif  von  1849  hat  inzwischen  schon  mehrfache  Ab- 
änderungen und  Declarationen  erfahren.  Gänzlich  verboten  ist 
die  Einfuhrung  folgender  Gegenstände: 

Kjpiegswaffen  imd  Munition,  so  wie  jede  Gattung  von  Pulver. 

Quecksilber. 

Fussbekleidungs- Gegenstände,  mit  Ausnahme  dessen,  was 
Reisende  zu  ihrem  Privatgebrauch  mit  sich  fahren. 

Solche  hydrographische  Karten,  welche  durch  das  Marine- 
Depot  veröffentlicht  und  im  Auslande  nachgestochen  sind. 

Atlasse  und  Pläne  Spanischer  Autoren,  deren  Eigenthums- 
recht  noch  nicht  verfallen  ist. 

Zinnober. 

Ladungen  von  Bauholz,  welche  weniger  als  400  Toneladas, 
eine  jede  zu  20  Quintales,  halten. 

CereaUen,  Mehl,  Schiffsbrod,  Brod  und  mehhge  Suppen-Sub- 
stanzen; ausser  in  dem  Fall,  wo  ihre  Einfuhr  durch  Ge- 
traide-Gesetzgebung  erlaubt  worden  ist. 

Militair- Abzeichen  und  Effecten. 

Bücher  und  Druckschriften  in   Spanischer  Sprache,   ausser 
wenn  der  Autor,  der  das  Eigenthumsrecht  besitzt,  sie 
selbst    einfahrt.     Messbücher,    Breviarien,    Erbauungs- 
bücher und  sonstige  liturgische  Schriften. 
Nota.  Nicht  einbegriffen  in  das  gedachte  Ausfuhrverbot  sind 
Lexica  und  Wörterbücher,  sofern  sie  das,  inGemässheit 
der  bestehenden  Gesetzgebung  von  Spanischen  Auto- 
ren besessene  Eigenthumsrecht  nicht  beeinträchtigen. 

Schildereien,  Figuren  und  andere  Gegenstände,  welche  die 
Sittlichkeit  verletzen  und  die  katholische  Religion  lächer- 
lich machen. 

Pharmaceutische  Präparate,  deren  Zulassung  die  Sanitäts- 
Reglements  verbieten. 

Fertige  Kleidungsstücke,  mit  Ausnahme  derjenigen,  welche 
die  Reisenden  für  ihren  Privatgebrauch  mit  sich  führen. 

GewöhnUches  Salz. 

Tabak  in  Blättern,  er  möge  herkommen  woher  er  wolle. 


227 

Was  insbesondere  die  BaumwoUenwaaren  anlangt,  so  finden 
sieh  folgende  Artikel  verboten : 

Baumwollengam  bis  No.  59  incL 

Desgleichen  mit  zwei  oder  mehreren  Fäden ,  zum  NShen  und 
Sticken  bestimmt,  bis  No.  89  incl. 

Gewebe;  gebleicht  und  ungebleicht;  gefilrbte,  gestreifte;  im 
Webstuhl  gearbeitete  oder  bedruckte,  bis  25  Fäden  ein- 
schUesslich;  gezählt  in  der  Kette  in  ^  Spanischem  Qua- 
dratzoll. 

Tücher;  weisse,  bedruckte  oder  andere  farbige,  bis  19  Fäden 
einschÜesslich. 

Mousseline  oder  Schottische  Battiste;  schlichte  weisse,  ge- 
streifte oder  gedruckte,  bis  19  Fäden  einschHessUch. 

Percaline,  Lustrine,  Cristalline  und  andere  StoflFe  zur  Fabrica- 
tion  künstlicher  Blumen,  bis  zu  19  Fäden  einschliessUch. 

Doppelgewebe,  welche  gewöhnlich  zu  Beinkleidern,  Jacken 
und  anderen  Kleidungsstücken  gebraucht  werden;  sie 
seien  schlicht,  sergeartig,  gestreift,  carrirt  oder  von 
anderen  Mustern,  welche  mehr  als  \  Baumwolle  ent- 
halten. 

Stoffe  von  Seide,  Wolle,  Leinwand  und  Hanf,  welche  eine  Mi- 
schung von  Baumwolle  in  grösserer  Quantität  als  ein 
Drittel  des  Gewichts  halten,  bis  zu  19  Fäden  ein- 
schHessUch. 

Stoffe  von  Baumwolle  mit  Mischung  von  Seide,  Wolle,  Leinen 
und  Hanf  von  20  und  mehr  Fäden,  wenn  die  Baumwolle 
im  Stoffe  mehr  als  \  beträgt. 

Tricotartige  Gewebe  in  Strümpfen,  Hosen,  Unteijacken  u.  s.  w. 

Baumwollene  Posamentierwaaren  aller  Art 

Es  wird  hierbei  bemerkt,  dass  im  November  1851  der  Cor- 
tes -Versammlung  Vorschläge  vorgelegt  sind,  um  einen  Theil 
obiger  Verbote  zu  modificiren. 

Was  die  Spanische  Staatsschuld  anbetrifft,  so  datirt 
dieselbe  hauptsächlich  aus  der  Regierungsepoche  Carls  IV  und 

15* 


228 

aus  dem  Kriege  von  1808.  Schon  im  Jahre  1814  unter  Ferdi- 
nand VII  hatte  der  Finanz -Minister  Martin  Garay  den  ersten 
Versuch  zur  Regelung  der  Schuld  gemacht;  1820  wurde  das- 
selbe durch  die  Cortes,  1834  durch  Toreno  beantragt.  1836 
nahm  Mendizabal  die  Sache  auf,  fand  jedoch  in  der  damaligen 
politischen  Lage  des  Landes  unübersteigUche  Hindernisse.  Nach 
der  amtlichen  Erklärung  des  Spanischen  Staats -Ministeriums 
vom  31  December  1849  (Madrider  Zeitung  vom  19  April  1850) 
bestand  damals  die  Schuld: 

die  consolidirte.    die  nicht  consolidirte. 

2982,020,410  r.  dreiprocentige  innere  und  auswärtige 

im  Umlauf  begriffenes  Capital  der  re- 
gulirten  Schuld. 

Innere  Schuld. 

909,570,718  » Sprocentige 

308,829,718  » 4procentige 

352,180,320  r.  nicht  consolidirte  Vales 
647,598,065  »  5procentige  Papiere 
940,355,458  »  zinslos 
266,852,638  »  provisorische  Schuld 
16,627,697  » Capitale  zu  Gunsten  der  Zehntberech- 
tigten, in  3proc.  Renten  verwandelt 
5,474,253  r.  Certificate  an  dergleichen  nicht  lun- 
zuwandelnden. 

Auswärtige  Schuld. 
3450,612,000  r.  zu  5  proc.  nach  Ab- 
zug von 
423,777,317  »  dem  Staat  angehö- 
rigen 

3026,834,683  » Rest. 

1189,204,000  r.  ausgeschobene 

Schuld  nach  Abzug 
der  dem  Staate  mit 
146,320,000  »  angehörigen 

1042,884,000  r Rest. 

76,680,000  r.  an  ausgesetzter 

Schuld,  die  sich  je- 
doch im  Besitz  des 
Staates  befindet 

1744,295,706  r.  in  der  Li<][uidation  begriffen 


229 

680,678,840 r.  auswärtige,   von    der   Um\(randelujQg 

im  Jahre  1834  herrührende  hängende 
Schuld 

4321,862,816  r.     5680,319,280  r. 

4321,862,816  »  consolidirte  Schuld 

10,002,182,096  r.  consolidirte  und  nicht  consol.  Schuld 
2528,885,365  »  Capital  verfallener  Coupons 

12,531,067,461  r.  gesammte  zu  regulirende  Schuld 
2982,020,410  »  reguHrte  Schuld 

15,513,087,871  r.  gesammte  Schuld. 

Die  Regulmmg  dieser  gewichtigen  Angelegenheit  hat  im 
gesetzlichen  Wege  im  Jahre  1851  statt  gefimden.  Es  soll  nach 
den  genehmigten  Beschlüssen  eine  dauernde  Rente  von  3  pro- 
cent  imd  eine  amortisable  bewilligt  werden.  Die  dauernde  tlieilt 
sich  in  die  consolidirte  und  rente  differee,  imd  sollte  sich  bilden: 
1)  aus  dem  Nominal- Capital  der  Sprocentigen  äusseren  und  in- 
neren Schuld;  2)  aus  der  4procentigen  consolidirten ,  reducirt 
auf  -J-;  3)  aus  den  Interessen  der  übrigen,  auf  ^  reducirten 
Schuld.  Die  amortisable  sollte  sein:  1)  die  laufenden  Sprocen- 
tigen Billets;  2)  nicht  consolidirte  Bons;  3)  dette  differee  provi- 
sorische, ohne  Zinsen.  Die  Zinsen  der  differee  sollten  betragen: 
1  procent  auf  vier  Jahr,  und  von  da  ab  alle  zwei  Jahre  \  pro- 
cent  mehr. 

Die  Staats-Lotterie  veröffentlicht  allmonatlich  die  Zie- 
hungspläne, welche  nicht  immer  gleich  sind.  In  der  Regel  wird 
die  zu  verloosende  Summe  auf  150,000  Duros,  abwechselnd  aber 
auch  auf  400,000  Duros  bestimmt;  ausgegeben  werden  30,000 
Billets,  ein  jedes  zu  5  Duros  oder  Piaster;  jedes  Billet  ist  in 
Zehntel  getheilt,  welche  zu  10  r.  (20  Sgr.)  verkauft  werden.  835 
Prämien  werden  gezogen,  imd  bei  der  Verloosung  von  150,000 
Piastern  wie  folgt  vertheilt: 

1  von 20,000  Dur. 

1     •    10,000 

1     .    4,000 

1     »    2,000 


B 


230 

6  zu  1000  = 6,000  Dvir. 

20  zu    500  = 10,000 

25  zu    400  = 10,000 

50  zu    200  = 10,000 

52  zu    100  = 5,200 

678  zu      50  = 33,900 

835 

2  Aproximaciones  zu  350  för  diejenigen  bei- 
den Nummern,  welche  der  Hauptgewinn- 
Nummer  unmittelbar  folgen  oder  vorher- 
gehen          700     » 

Desgleichen  2  zu  170,  welche  die  nächsten 

Nummern  des  zweiten  Gewinnes  sind  . . .        340     » 

Desgleichen  2  zu  100  beim  diitten  Gewinne  .  .        200     » 

Desgleichen  2  zu  80  beim  vierten  Gewinne ...        160     » 

Summa     112,500  Dur. 

Der  üeberrest  fliesst  in  die  Staatskasse.  Es  sind  übrigens 
mehreren  Städten  Special- Geldlotterien,  theils  zur  Bestreitung 
von  Gemeinde -Ausgaben,  theils  für  wohlthätige  Zwecke  nach- 
gegeben. Barcelona  hat  beispielsweise  zwei  Lotterien :  die  eine 
zur  Unterhaltung  des  Strassenpflasters ;  die  andere  geht  von  der 
Casa  de  caridad  und  dem  Hospitale  aus;  die  höchsten  Gewinne 
sind  300  Duros;  die  Einsätze  aber  betragen  nur  2  r.  (4Sgr.  4Pf.), 
so  dass  die  Spiellust  der  arbeitenden  Klassen  ausnehmend  be- 
fördert wird,  was  man  nicht  für  wünschenswerth  erachten  kann. 

Die  Bank  von  San  Fernando.  Durch  Gesetz  vom  1  Mai 
1848  ist  die  am  25  Februar  1847  zu  Madrid  gegründete  Bank 
auf  einen  Zeitraum  von  25  Jahren  reorganisirt;  mit  einem  Gapi- 
tale  von  200  Millionen  r.,  repräsentirt  durch  10,000  Actien  zu 
2000  r.  Die  Bank  kann  Billets  bis  zur  Hälfte  ihres  effectiven  Ca- 
pitals  emittiren.  Eine  grössere  Zahl  kann  nur  durch  ein  Gesetz 
in  Umlauf  gesetzt  werden.  Die  Billets  lauten  au  porteur  und 
werden  in  Madrid  imd  in  den  Provinzial- Banken  angenommen. 
Der  dritte  Theil  der  BiUets  soU  stets  in  baares  Geld  umgesetzt 


231 

werden  und  als  solches  drculiren.  Durch  Königliches  Decret 
vom  15  December  1851  ist  die  San  Fernando -Bank  mit  einem 
neuen  Capitale  von  120  Millionen  Realen  dotirt  worden.  Pro- 
vinzial-Banken  sind  in  Barcelona  und  Cadiz.  —  Die  Verwal- 
tung besteht  aus  einem  Ober-  und  zwei  Unter- Gouverneuren, 
einem  Regierungsrathe  von  achtzehn  MitgUedem,  Secretair,  Buch- 
halter, Rendanten  und  Eassirer. 

Die  Münz  Verwaltung  wird  von  einer  Junta  consultativa 
de  moneda  geleitet,  welche,  durch  Könighches  Decret  vom 
29  April  1848  errichtet,  aus  einem  Präsidenten,  einem  Director 
und  sieben  Mitgliedern  besteht  Ein  Departements -Chef  leitet 
das  Schneiden  der  Stempel;  einer  das  Prägen  und  Schmelzen; 
der  dritte  ist  zugleich  Chef  der  Münze  zu  Madrid.  Münzstätten 
sind  ausserdem  in  Sevilla  und  Barcelona.  Die  letztere,  mit  neun 
Beamten  imd  62  Arbeitern  versehen,  ward  im  Jahre  1148  ge- 
gründet 

Es  ist  vielfach  davon  die  Rede  gewesen,  das  ganze  Münz- 
wesen einer  entsprechenden  Umgestaltung  zu  unterwerfen.  Zu 
verschiedenen  Zeiten  sind  Commissarien  zusammengetreten, 
Projecte  entworfen  imd  vorgelegt,  allein  man  hat  nicht  zur  Be- 
schlussnahme  gelangen  können.  Die  durch  Könighches  Decret 
vom* 31  Mai  1847  in  Aussicht  gestellte  Reform  ist  noch  nicht 
vollständig  ins  Leben  getreten.  Zur  Zeit  der  Geldkrisis  des  Jah- 
res 1848  erging  unter  dem  15  April  eine  neue  Allerhöchste  Be- 
stimmung, in  deren  Verfolg  Silbermünzen  geprägt  wurden,  und 
die  angeordneten  Massregeln  in  BetreflF  des  cursirenden  Geldes 
theilweise  in  Ausführung  gekommen  sind.  Es  sollen  nämlich  in 
Gold  nur  die  Isabellen -Dublonen  zu  100  Realen,  im  Gewicht 
von  67  Gran,  in  der  Grösse  von  27-^,  cursiren;  in  Silber:  der 
Duro,  im  Werth  von  20  Realen,  talla  8^  en  marco.  Der  halbe 
Duro  oder  Escudo  von  10  Realen;  die  Peseta  von  4  Realen,  und 
der  Real-vellon.  An  Kupfermünzen  sollten  cursiren:  der  halbe 
Real;  der  zehnte  Theil  des  Realen;  der  doppelte  Real,  imd  das 
halbe  Zehntel  des  Realen.  Die  zunächst  geprägten  Silbermünzen 
wurden  nicht  in  Umlauf  gesetzt,  sondern  wieder  umgeprägt. 


232 

Auf  den  neuesten  Duros  finden  sich  wiederum  neben  dem  Kö- 
niglichen Wappen  die  Säulen  des  Hercules  mit  ihrer  bekannten 
Devise,  weil  in  China  und  dem  Indischen  Archipelagus,  wo  diese 
Spanischen  Thaler  die  gangbarste  Münze  bilden,  die  Gepräge, 
in  welchen  die  Säulen  felüten,  als  etwas  Neues  und  Ungewohn- 
tes, mit  Misstrauen  betrachtet  und  ihre  Annahme  ab  imd  zu  ver- 
weigert wurde.  Das  neugeprägte  Gold  zu  100  r.  ist  eine  schöne 
und  sehr  gesuchte  Münze.  Bei  den  Staatsbehörden  und  in  amt- 
lichen Liquidationen  ist  die  nachstehende  Berechnung  ein- 
geführt: 

Isabellen-Dublon    Escudos     Reales      Decimos 
1  10  100  1000 

1  10  100 

1  10 

Im  Verkehr  befinden   sich  aber  nachstehende  Spanische 
Münzen: 

A.  In  Gold. 

1.  Onza  oder  Doblon  von  8  escudos,  vor  1772  geprägt,  321  r. 
und  6  m.  an  Werth  (23  Rthlr.  Preussisch).  Dieselbe  seit 
1772  =  320  r. 

2.  Die  halbe  Onza  zu  4  escudos,  vor  1772  geprägt  =  160  r. 
20  m.,  nach  1772  =  160  r. 

3.  Der  Gold-Dublon,  vor  1772  =  80  r.  10  m.,  nach  1772 
=  80r. 

4.  Der  Gold-Escudo,  vor  1772  =  40  r.  5  m.,  nach  1772 
=  40r. 

5.  Der  halbe  Gold-Escudo  oder  Goronilla,  vor  1772  :=  21  r. 
8|  m.,  nach  1772  =  20  r. 

B.  In  Silber. 

1.  Der  Duro  oder  Real  de  a  ocho,  peso  fuerte  =  20  r. 

2.  Der  halbe  Duro,  Real  de  a  cuatro  =  10  r. 

3.  Die  Mexicanische  Peseta  mit  Saiden  =  5  r. 

4.  Die  gewöhnliche  oder  provincial  peseta  =  4  r. 

5.  Der  Mexicanische  Silber-Real  =  2  r.  17  m. 

6.  Der  gewöhnliche  Silber -Provinzial-Real. 


233 

7.  Der  real  de  vellon  oder  realillo  =  32  m. 
C.  In  Kupfer. 
Stücke  zu  2  cuartos  =  8  m. 
Der  Cuart  =  4  m. 
Der  Ochavo  =  2  m. 

Der  Real  (2  Sgr.  2  Pf.)  ist  die  gangbarste,  den  Berechnun- 
gen  zum  Grunde  gelegte  Münze.  Steht  hinter  irgend  einer 
Summe  keine  besondere  Bezeichnimg  der  Münzsorte,  so  nimmt 
man,  wenn  ein  Anderes  aus  den  Nebenumständen  nicht  unzwei- 
felhaft hervorgeht,  an,  dass  Realen,  und  zwar  Realen  vellon  ge- 
meint sind.  Im  kaufmännischen  Verkehre  wird  bei  grossen  Ge- 
schäften nach  Duros  gerechnet;  im  Detailhandel  nach  Peseten, 
und  in  Marktkäufen  nach  Cuartos. 

In  verschiedenen  Provinzen  rechnet  man  nach  anderen  Münz- 
sorten, welche  theils  cursiren,  theüs  nur  imaginair  sind.  So  in 
Catalonien  nach  Ardites.  Das  Pfund  Ardites  theilt  sich  in  20 
Sueldos,  und  ist  gleich  2  r.  2b^  m.  Der  Sueldo,  getlieilt  in  12 
Dineros,  ist  gleich  25^  m.  Der  catalanische  Dinero  1^  m.  Der 
Real  de  Ardites  gilt  24  Dineros  =  1  r.  2^  m.  Die  für  Catalonien 
eigens  geprägten  Cuartos  zählen  3,  4  und  6  Cuart- Stücke.  Die 
während  des  Unabhängigkeits-Krieges  dort  geprägten  Silber- 
münzen, Duros  wie  Peseten,  sind  Silberscheiben  mit  dem  Stem- 
pel des  Werths  und  des  Namens  Ferdinands  VII ;  auf  der  Rück- 
seite fuhren  sie  das  Wappen  von  Aragon. 

In  Valencia  zählt  man  nach  Pfunden.  Das  Peso  ist  = 
2  Sueldos,  =  15  r.  2  m.  Der  Sueldo  =  12  Dineros,  =  25\  m. 
Der  Valencianische  Dinero  =  2^  m.  Der  Valencianische  Real 
=  24  Dineros,  =  1  r.  17^  m. 

In  Aragon  ist  la  libra  jaquesa  gleich  12  Sueldos  und  gilt 
18  r.  28  m.  Der  Sueldo  gilt  16  Dineros  jaqueses,  ist  gleich  32  m. 
Der  Dinero  jaques  gleich  2^  m. 

In  Navarra  theilt  sich  der  real  flojo  in  4  tarjas  oder  ^  in 
6  gruesos,  gilt  1  r.  30  m.  Die  tarja  enthält  8  m.  navarros  und 
gilt  131  mar.  Der  grueso  enthält  6  m.  navarros,  gilt  gleich  10  m. 


234 

Der  Navamsche  Maravedi  hält  2  Cornatos ,  gleich  1^  m.     Der 
Comato  gilt  ^  m. 

InMallorca  theilt  sich  das  Pfund  in  12  Sueldos  gleich  13  r. 
9^  m.  Der  Sueldo  oder  12  Dineros  gleich  22^  m.  Der  Dinero 
gleich  ^  m. 

Die  im  Handel  vorkommenden  imaginairen  Münzsorten  sind: 
Der  Dublon  von  5  pesos,  gleich  40  alten  Silber -Realen,  oder 

75  r.  10  m.  vellon. 
Der  Dublon  von  4  pesos,  gleich  32  alten  Silber-Realen  oder 

60  r.  8  m.  vellon. 
Der  Silber-Ducado,  gleich  11  Silber-Realen  oder  20  r.  24  m.  v. 
Der  Wechsel -Ducado,  gleich  11  r.  1  m.  de  plata  oder  20  r. 

23^?-  m.  V. 
Der  Peso  de  cambio  oder  Real  de  ocho  theilt  sich  in  34  Silber- 

Maravedis  und  gilt  1  r.  30  m.  v. 
Der  Silber-Maravedi  gilt  14f  ni.  v. 

Von  fremden  Münzen  cursiren  in  Spanien  eigentlich  nur 
Französische.  Es  war  bestimmt,  dass  die  20  Frankenstücke  aus 
dem  Verkehre  ausgeschlossen  bleiben  sollten,  da  man  von  allen 
Seiten  von  fremdem,  namentlich  Califomischem  Golde  über- 
schüttet zu  werden,  und  das  Sinken  des  inländischen  Goldes  be- 
färchtete.  Diese  Besorgniss  hat  sich  nicht  bestätigt,  imd  man 
sieht  überall  Französisches  Gold,  namentUch  in  Catalonien.  Die 
Französischen  5  Frankenstücke,  Napoleons  genannt,  circuliren 
gleichfalls,  insbesondere  in  allen  Küstenstädten,  in  ausserordent- 
licher Menge.  Sie  gelten  19  r.  Die  Französischen  Frankenstücke 
nimmt  man  m  Catalonien  zu  3  r.  24  m.;  die  halben  Franken  zu 
Ur. 

Der  Etat  des  Finanz  -  Ministeriums  für  1852  beträgt 
108,005,023  r. 


235 


Ministerium  des  Innern. 

Secretaria  de  Estado  y  del  Despacho  de  la  Gobemacion 

del  Reino. 

Ipta  se  virtoB  ■«ti«  oatondit. 
SaUati  beU.  lug.  LXXXV. 

Zum  Ressort  des  Ministeriums  des  Innern  gehört  die  Auf- 
stellung der  statistischen  Tabellen,  die  Abgränzung  der  Provin- 
zen und  Gemeinden;  die  Verwaltung  derselben  durch  Provin- 
zial-Gouverneure,  Commissarien,  Provinzial-  und  Gemeinde-Räthe 
(Ayuntamientos);  die  Wahlen  der  Abgeordneten;  das  Loosungs- 
und  Aushebungsgeschäft  der  Militairdienstpflichtigen  fiir  die 
Armee  imd Marine,  imter  Assistenz  der  Militair- Commissarien; 
die  Stadt-  imd  Landpolizei  und  Sorge  für  die  öffentUche  Ordnung 
und  Sicherheit;  die  Ueberwachung  der  Verwaltung  des  Gemeinde- 
Vermögens;  die  Posten;  die  Presse;  öffentliche  Wohlfahrt;  Ge- 
sundheit; Hospitäler;  Mineralbnmnen  und  Bäder;  Wohlthätig- 
keits- Anstalten  und  Hospitäler;  Theater  imd  öffentliche  Ver- 
gnügungen; Gefangnisse;  Straf-  und  Besserungs-Anstalten. 

Im  Ministerio  sind  neben  dem  Minister  angestellt:  ein  Unter- 
Staatssecretair,  und  fiir  sechs  Abtheilungen  je  ein  Ober-  und 
Unter-Director,  ein  CoUegium  von  30  Räthen,  10  Hülfsarbeitem 
und  13  Officialen  ersten,  zweiten  imd  dritten  Ranges,  nebst  den 
nöthigen  Registratur-,  Kanzlei-  und  Kassen -Beamten.  In  den 
sechs  Abtheilungen  werden  bearbeitet:  die  Generalien;  die  Ver- 
waltung der  Provinzen,  Wohlthätigkeits-,  Strafanstalten  imd  die 
Sanitäts- Angelegenheiten;  die  Post  und  Verbindimg  mit  den 
überseeischen  Provinzen;  die  Communal- Verwaltung  und  die 
Kassensachen  des  Ministerii. 

Es  sind  sechs  Inspectoren  der  Civil- Verwaltung  angestellt^ 
welche  sich  durch  häufige  Reisen  in  die  Departements  von  den 
Local-  und  Personal- Verhältnissen  genaue  Kenntniss  verschaffen. 

Die  Junta  der  Theater-Censur  besteht  aus  sechs  Mit- 
gliedern; Vice -Präsident  ist  der  Gefe  politico  von  Madrid;  unter 


236 

den  Räthen  beiSnden  sich  Mitglieder  der  Academie  der  Wissen- 
schaft und  der  Geschichte. 

Die  Archive,  die  National-Druckerei  und  die  Tele- 
graphen-Verwaltung sind  im  Ministerio  gleichfalls  vertreten. 

Der  KönigHche  Gesundheitsrath  (Consejo  de  Sanidad  del 
Reino)  besteht  aus  einem  Chef-  xmd  Vice-Präsidenten,  Director, 
zwölf  wirklichen  MitgUedern  (numerarios)  und  acht  Supernume- 
rarien. Zu  seinem  Ressort  gehören  die  Provinzial-  und  Hafen- 
Sanitätsbehörden,  die  medicinisch  -  chirurgischen  Academien, 
und  die  Mineralbrunnen  und  Bäder. 

Die  General-Junta  der  öffentlichen  Wohlthätigkeit 
(beneficencia)  besteht  aus  einem  Chef-  und  Vice-Präsidenten  und 
zehn  MitgUedern.  Mit  ihr  stehen  die  Provinzial- Junten  und 
Wohlthätigkeits -Vereine  in  Verbindung. 

Endüch  stehen  die  Sparkassen- Vereine  und  die  Verwaltung 
der  Posten  (correos)  unmittelbar  unter  dem  Minister. 

Die  Provinzial-Verwaltung  leiten  in  Madrid  ein  Gefe 
poUtico;  in  den  Provinzen  Civil -Gouverneure:  imd  zwar  acht 
erster  Klasse  in  Barcelona,  Cadiz,  Coruna,  Granada,  Malaga,  Se- 
villa, Valencia  und  Zaragoza;  zelm  zweiter  Klasse  in  AUcante, 
Badajoz,  Burgos,  Cordova,  Jaen,  Murcia,  Oviedo,  Santander,  To- 
ledo und  Valladohd ;  zwölf  der  dritten  Klasse  in  Albacete ,  Al- 
meria,  Caceres,  Ciudad  Real,  Cuenca,  Gerona,  Leon,  Logroiio, 
Navarra,  Salamanca,  Balearen  und  Canarien;  und  siebzehn  der 
vierten  Klasse  in  Alava,  Avila,  Castellon  de  la  Plana,  Guadala- 
jara, Guipuzcoa,  Huelva,  Huesca,  Lerida,  Lugo,  Orense,  Palencia, 
Pontevedra,  Segovia,  Soria,  Teruel,  Viscaya,  Zamora. 

Bis  zum  Jahre  1850  führten  die  Provinzial -Chefs  sämmtlich 
den  Titel  Gefe  politico.  Seitdem  ist  diese  Bezeichnung  nur  dem 
Gouverneur  der  Provinz  Madrid  gebheben.  Die  Verwaltung  der 
überseeischen  Provinzen  ist  eine  ausschliessUch  militairische,  und 
wird  davon  weiter  imten  gesprochen  werden.  Durch  König- 
liches Decret  vom  25  October  1851  ist  die  Bearbeitung  der  Ver- 
waltungs- Angelegenheiten  jener  Provinzen  von  der  dritten  Ab- 
theilung des  Ministerii  des  Innern  an  eine  besonders  errichtete 


237 

Behörde,  « Direccion  general  de  Ultramar  » ,  übergegangen.  Ein 
General- Director,  im  Range  eines  Unter -Staatssecretairs,  steht 
an  der  Spitze,  mit  der  Besoldung  von  500,000  r.;  unter  ihm 
drei  Oficialen  mit  36,  32  imd  30,000  r.  Gehalt;  sieben  Hülfs- 
arbeiter,  von  denen  einer  18,  zwei  16,  zwei  14  und  einer 
12,000  r.  beziehen;  ein  Archivar  mit  20,000  r.;  die  Subal- 
ternen zusammen  mit  100,000  r.;  die  Boten  mit  einem  Gehalt 
von  8  —  10,000  r.  Für  Material  werden  80,000  r.  vergütigt;  imd 
werden  diese  Kosten,  mit  Ausnahme  von  190,000  r.,  welche  be* 
sonders  aufgebracht  werden  müssen,  durch  Ersparnisse  in  den 
übrigen  Ministerien  gedeckt. 

Die  Provinzial- Verwaltung  ist  im  WesentUchen  der  Fran- 
zösischen nachgebildet.  Die  jetzige  Organisation  hat  dieselbe  im 
Jahre  1845  erhalten.  Die  Gouverneure  sind  die  zur  Ausfährung 
aller  Verwaltungszweige,  welche  zum  Ressort  des  Ministerii  ge- 
hören, berufenen  verantwortUchen  Ober-Behörden.  Sie  ver- 
einigen mit  diesen  Functionen  die  Oberaufsicht  der  Steuerver- 
anlagung imd  Erhebung.  Ihr  Strafrecht  erstreckt  sich  bis  zur 
Höhe  von  1000  r.  Sie  können  einen  Theil  der  Verwaltungs- 
Beamten  nicht  allein  suspendiren,  sondern  auch  absetzen ;  ilmen 
steht  auch  das  Recht  zu ,  durch  einen  Einspruch  oder  durch  die 
Ergänzung  des  väterHchen  Consenses,  insbesondere  bei  Minder- 
jährigen, die  Schüessung  einer  Ehe  zu  verhindern  oder  möglich 
zu  machen.  Den  Civil -Gouverneuren  stehen  Provinzialräthe  (Re- 
gierungsräthe)  und  Provüizial-Deputationen  zur  Seite.  Die  Mit- 
glieder der  Provinzial -Deputation  gehen  aus  allgemeinen  Wah- 
len hervor;  ihre  DienstobHegenheiten  entsprechen  den  Pflichten 
der  membres  du  conseil  de  prefecture  in  Frankreich.  Sie  bilden 
unter  dem  Vorsitz  des  Gouverneurs  ein  berathendes  CoUegium, 
welches,  das  Wohl  der  Provinz  im  Auge  behaltend,  insbeson- 
dere die  Steuer -Veranlagung  und  Erhebung  und  das  Militaiiv 
Ersatzwesen  überwacht.  Der  Gouverneur  ist  jedoch  an  die  Be- 
gutachtung der  Provinzial- Deputation  nicht  gebunden,  sondern 
ermächtigt»  seine  entgegenstehende  Ansicht,  unter  eigener  allei- 
niger Verantwortlichkeit,  zur  Ausfuhrung  zu  bringen.    Zu  den 


238 

Amtsinsignien  des  Provinzial- Gouverneurs  gehört  der  Stock  und 
die  weisse  Schärpe.  Die  Localverwaltung  leitet  ein  Ayunta- 
miento  oder  Magistrats-Behörde.  Jede  Gemeinde,  welche  min- 
destens 30  Mitglieder  zählt,  hat  ihr  eigenes  Ay imtamiento ,  in 
welchem  sich ,  je  nach  der  grösseren  oder  geringeren  Zahl  der 
Bevölkerung  des  Ortes,  4  —  28  Mitglieder  (regidores  oder  con- 
sejales)  befinden.  In  den  Ortschaften  unter  30  Gemeinde-Mit- 
gliedern ernennt  der  Gouverneur  einen  Dorfrichter  (alcalde  pe- 
daneo),  welcher  dem  Districts-Alcalden  untergeordnet  ist  Die 
Gemeinderechte  uind  die  Macht  der  Ayuntamientos  sind  durch 
das  Gesetz  vom  1  Januar  und  6  Juli  1845  zwar  bedeutend  be- 
schränkt oder  paralysirt,  wie  dies  durch  Ernennung  der  Alcalden 
und  Corregidore  seitens  der  Regierung  der  Fall  war;  nichts 
desto  weniger  besitzen  diese  Körper  noch  bedeutende  Präroga- 
tive. Das  Ayuntamiento  controllirt  die  Verwaltung  und  Verwen- 
dung des  Gemeinde -Vermögens;  es  beschUesst  über  die  Höhe 
der  Gemeinde -Auflagen  zur  Deckung  der  Gemeinde-Bedürfiüsse, 
und  sorgt  für  die  öffentliche  Ruhe  imd  Ordnung,  Wohlfehrt  und 
Sicherheit,  Anlagen,  Verschönerungen  und  Vergnügungen.  Die 
Stellimg  des  Ayuntamiento  entspricht  im  Wesentlichen  der  der 
Stadtverordneten -Versammlung  der  revidirten  Städteordnung. 
Die  Wählbarkeit  zur  Mitgliedschaft  des  Ayuntamiento  ist  zwar 
ziemlich  allgemein,  die  Wahlfahigkeit  aber  auf  die  Eigenschaft 
eines  Familienhauptes  beschränkt. 

An  der  Spitze  der  städtischen  Verwaltung  als  ausftih- 
rende  Behörde  steht  der  Alcalde  oder  Bürgermeister,  gewählt 
aus  der  Zahl  der  Consejales;  ihm  zur  Seite  mehrere  Alcalde- 
tenientes  (Magistrats-Mitglieder  und  Stellvertreter),  ebenfalls 
aus  den  Mitgliedern  des  Ayxmtamiento  gewählt.  Der  Alcalde 
tritt  zugleich  in  der  Eigenschaft  als  Friedensrichter  auf.  Seit 
dem  Jahre  1845  waren  von  der  Regierung,  wie  schon  bemerkt, 
noch  besondere  aus  den  Stadtkassen  besoldete  Königliche  Beamte, 
unter  der  Bezeichnung  Corregidores,  bei  der  städtischen  Verwal- 
tung angestellt,  denen  insbesondere  die  höhere  Polizei  übertra- 
gen war;  dieselben  sind  aber  grossentheils  inzwischen  wieder 


239 

entfernt  worden.  Die  Aemter  der  Mitglieder  der  Provinzial- 
Deputation,  des  Alcalden  und  des  Ayuntamiento  sind  als  Ehren- 
ämter unbesoldet.  Die  Alcalden  wechseln  alle  Jahre;  das  Ayun- 
tamiento ergänzt  sich  gleichfalls  alljährlich  durch  Neuwahl  der 
Hälfte  seiner  Mitglieder.  Die  von  der  Gemeinde  gewählten  Al- 
calden bedürfen  der  Bestätigung  der  Regienmg.  Zur  städtischen 
Verwaltung  gehören  auch  Schutz-  und  Sicherheits- Beamten,  aus 
Commissaxien,  Inspectoren  \md  Agenten  bestehend,  welche  die 
Pass-,  Ordnungs*-,  Sitten-,  Gesundheits-,  Sicherheits-  und  Ge- 
werbe-Polizei ausüben. 

Vielleicht  ist  es  hier  am  Orte,  einige  Notizen  über  die  städti- 
schen Verhältnisse  der  beiden  grossesten  Städte  der  Monarchie, 
Madrid  xmd  Barcelona,  mitzutheilen,  um,  im  Vergleich  zu  deut- 
schen Städten  gleicher  Grösse,  den  Umfang  der  einer  städtischen 
Verwaltung  in  Spanien  zur  Disposition  gestellten  Mittel  näher 
kennen  zu  lernen. 

Madrid,  mit  einer  Bevölkerimg  von  250,000  Einwohnern 
(ausschliesslich  des  Militairs),  darunter  49,721  Famüüen  und 
6120  Wähler,  enthält  512  Strassen,  70  Plätze  und  8000  Häuser. 
Die  Stadt  ist  in  2  cuarteles,  6  XJntergerichts-Sprengel,  10  Muni- 
cipal-Districte,  16  Parochien,  10  Polizei-Commissariate,  40  Mili- 
tair-Loosungsbezirke  und  89  Stadtbezirke  getheilt  Madrid  steuert 
jährlich  34,279,294  r.,  und  zwar  7,099,654  r.  an  Territorial- Con- 
tribution  und  5,921,269  r.  por  el  subsidio  industrial  y  de  co- 
memo,  d.  h.  Gewerbesteuer,  und  21,258,374  r.  an  Consumtions- 
und  Thorsteuer.  Der  Grundbesitz  in  Madrid  repräsentirt  ein 
Capital  Ton  2,141,601,000  r.,  und  an  Renten  die  Summe  von 
99,689,900  r.  Der  jährHche  Verbrauch  wird  berechnet  auf 
1,520,000  Fanegen  (Scheffel)  Waizen,  300,000  Fanegen  Gerste, 
220,000  Arobas  (zu  25  Pfund)  Garbanzos  (Kichererbsen),  51,000 
Arobas  Reis;  1,700,000  Arob.  Wein;  574,000  Arob.  Oel;  223,000 
Stück  Hammel,  25,600  Stück  Rindvieh,  76,200  Schweine; 
2,900,000  Arob.  Kohlen;  81,300  Arob.  Seife;  22,300  Fanegas 
Salz;  8200  Arob.  Kerzen;  12,700  Arob.  Zucker;  10,331  Arob. 
Essig  und  155,220  Arob.  Schnee. 


240 

Das  Excelentisimo  Ayimtamiento  Constitutional  von  Madrid 
besteht  aus  dem  Präsidenten  in  der  Person  des  Gefe  politico; 
aus  einem  Alcalde  Corregidor  (dem  Marquis  von  Santa  Cruz), 
aus  10  tenientes  de  Alcalde,  unter  ihnen  der  Herzog  von  Alba 
und  der  Vizconde  de  la  Armeria,  und  aus  37  Regidoren.  Die 
executive  PoUzei  besteht  aus  10  Revier-Commissarien,  45  Polizei- 
Sergeanten  (celadores).  Unter  dem  Sicherheits-Polizei-Inspector 
stehen  besonders,  was  die  Ausfuhrung  der  niederen  stadtischen 
Poüzei  anbetriffi^  die  am  31  Mai  1848  reorganiskte  Ronda  muni- 
cipal,  zusammengesetzt  aus  1  Chef,  12  Celadoren,  3  Supemume- 
rarien  und  60  Mimicipalen.  Für  die  KönigUche  Poüzei-Verwal- 
tung  von  Madrid  werden  noch  verwendet:  1  Chef  der  Salva- 
guardias  (Schutzmannschaft),  3  Sergeanten  ersten,  15  zweiten 
Grades,  18  Corporalen  und  322  Schutzmänner  (salvaguardias); 
1  Rondechef  mit  20  Unterbeamten  zur  Verfolgung  von  Verbre- 
chern; 30  Agenten  für  die  höhere  Poüzei,  und  2  Compagnien 
und  eine  Escadron  Guardias  civiles.  Die  Staats -Poüzei  für  Ma- 
drid kostet,  inclusive  der  Bureau -Ausgaben  (176,000  r.)  und  der 
Bekleidungskosten  fiir  die  Schutzmannschaft  (366,921  r.),  jedoch 
ohne  die  Unterhaltungskosten  der  Guardias  civiles,  welche  auf 
dem  Müitair-Etat  des  Kriegs -Ministerii  stehen,  3,300,000  r. 

Der  städtische  Haushalts -Etat  von  Madrid  fiu*  die  Bestrei- 
tung der  Verwaltungskosten  des  Ayuntamiento,  der  Sicherheits- 
und Stadt-Poüzei,  für  den  ölBfentüchen  Unterriclit  (1,000,000  r.), 
Wohlthätigkeit,  Bauten  u.  s.  w.  beläuft  sich  auf  20,000,000  r. 
Unter  den  zur  Deckung  dieser  Summe  aufzubringenden  Ein- 
nalimeposten  betragen  die  Renten  und  Zinsen  des  Gemeinde- 
Vermögens  292,890  r. 

In  Barcelona  besteht  bei  einer  Bevölkerung  von  170,000 
Einwohnern,  die  Vorstädte  Barceloneta,  Gracia  und  San  Bertran 
mit  eingerechnet^  die  städtische  Verwaltung  aus  einem  Alcalden 
imd  6  Alcalde -tenientes,  einem  Eönigüchen  Alcalde -Corregidor 
und  31  Regidoren,  als  Mitgüeder  des  Ayuntamiento.  Das  letz- 
tere ist  zur  Bearbeitung  der  verschiedenen  Verwaltungs- Gegen- 
stande in  sechs  Abtheilungen  getheUt.    Die  erste  erledigt  Alles 


241 

was  Wohlthatigkeit,  Gesundheit,  Unterrichts-  und  Gefängniss- 
wesen, so  wie  den  Handel  anbetrijBRt;  die  zweite  die  Etats-  imd 
Steuersachen ;  die  dritte  die  öffentlichen  Arbeiten,  Strassen,  Bau- 
ten, Brunnen;  die  vierte  die  Statistik  und  das  Leichenfuhrwerk; 
die  fünfte  die  Militairlosung,  Reclamationen  imd  Aushebung ;  die 
sechste  das  Liquidationswesen.  Die  Kosten  der  städtischen  Ver- 
waltung betragen  6,500,000  r.  Die  Einkünfte  des  Gemeinde- 
Vermögens  1,000,000  r.  Der  Rest  wird  meistentheils  durch  Zu- 
schläge auf  die  Consumtionssteuer  gedeckt  Für  den  äusseren 
Dienst  sind  in  Thätigkeit:  1)  Die  Fuerza  municipal,  aus  einem 
Chef  und  14  Subalternen  bestehend;  2)  das  Resguardo  munici- 
pal, die  Schutzmannschaft,  einen  Chef  imd  12  an  den  Thoren 
beschäftigte  Executiv  -  Beamte  zählend;  3)  für  jeden  Stadt- 
district  (es  sind  deren  4)  ein  Commissarius  imd  3  Celadoren; 
5)  die  eigentüch  im  Dienste  des  General- Capitains  stehenden 
Mozos  de  la  esquadra;  und  6)  die  hier  stationirten  Maimschaf- 
ten  der  Guardia  civil. 

Der  Provinzial-Rath,  welcher  dem  Civil -Gouverneur  zur 
Seite  steht,  zählt,  je  nach  der  Bedeutung  der  Provinz,  3  —  5  Mit- 
glieder de  numero  (ordentHche)  imd  2  —  5  Supemimxerarien, 
so  Avie  einen  Vice -Präsidenten.  Chef -Präsident  ist  der  Gouver- 
neur, welcher  die  Stimmen  der  Räthe  nur  als  berathend  xmd 
vorschlagend  betrachtet,  und  nach  eigenem  Ermessen  und  Ver- 
antworüichkeit  zu  handeln  berechtigt  ist.  Die  MitgUeder  dieser 
Behörde  werden  von  der  Regierung  angestellt  und  besoldet. 

Mit  Bezug  auf  die  Verhandlungen  über  die  Preussische  Ge- 
meinde-Ordnung wird  es  den  Lesern  angenehm  sein,  nähere 
Kenntniss  von  der  Spanischen  Gemeinde-Ordnung  zu  er- 
halten, und  zwar  in  der  Form,  wie  solche  von  der  Regierung  am 
5  November  1852  den  Cortes  vorgelegt  ist,  um  dadurch  die  Or- 
ganisation und  die  Attribute  der  Ayuntamientos  zu  ergänzen  und 
resp.  zu  beschränken,  indem  danach  die  Mitglieder  der  Ayunta- 
mientos vermindert,  und  sämmüiche  Alcalden  in  den  Provinzen 
von  den  Civil -Gouverneuren,  diejenigen  in  den  Haupt-  und  Re- 
sidenzstädten aber  von  der  Kjone  ernannt  werden  sollten.    Zu- 

T.  Mlnutoli,  Spanien.  \Q 


242 

gleich  waren  mit  Hinweisung  auf  das  neue  Gesetz  besondere 
Gesetzes -Vorschläge  in  Betreff  der  Reform  der  bisherigen  Be- 
stimmungen über  die  Wahl,  Thätigkeit  und  den  Geschäftsgang 
der  Pro vinzial- Deputationen,  so  wie  zur  Reform  der  Gesetze 
über  die  Attribute  imd  Wirksamkeit  der  Provinzial-Räthe  und 
der  Civil -Gouverneure,  den  Cortes  mit  überreicht. 


Gesetz  in  Betreff  der  Organisation  der  Attribute  der 

Ayuntamientos. 

Titel  L 
Von  der  Organisation  des  Ayuntamiento. 

Art.  1.  In  allen  Ortschaften,  welche  gemäss  dieses  Gesetzes 
eine  besondere  Municipal -Verwaltung  haben,  soll  ein  Alcalde  und 
ein  Ayuntamiento  sein. 

Art.  2.  Das  Ayuntamiento  soll  bestehen  aus  der  entsprechen- 
den Zahl  von  Rathen  in  Gemässheit  der  folgenden  Scala. 

Summa  totalis 
Teniente.  Regidor.  incl. 

des  Alcalden. 

In  den  Orten  und  Districten,  die  nicht 
mein*  als  200  Familienhäupter  (veci- 

nos)  zählen —  3  4 

in  denen  von       201-     500 1  4  6 

501-  1,000 2  7  10 

»      1,001-  2,500 2  9  12 

»       2,501-  5,000 3  12  16 

»       5,001-10,000 4  19  24 

»     10,001^15,000 4  19  24 

n        .        »     15,001-20,000 5  22  28 

»        »     20,001  und  mehr 6  25  32 

in  Madrid 10  31  42 

Art.  3.  Mit  den  Geschäften  des  Procurador  sindico  wird  das 
Ayuntamiento  in  allen  vom  Gesetz  bestimmten  Fällen  in  der  ersten 
Session  jedes  Jahres  einen  der  Kegidores  ernennen. 

Art.  4.  Wenn  der  District  eines  Ayuntamiento  aus  verschie- 
denen Parochien  oder  unter  sich  abgesonderten  Ortschaften  be- 
steht, so  soll  ein  Local- Alcalde  für  jeden  Ort  besonders  ernannt 
werden.  Ausgenommen  ist  nur  der  Fall,  dass  dort  bereits  ein  Te- 
niente oder  Consejal  residirt 


243 

Art.  5.  Die  Aemter  des  Alcalden,  Teniente  und  Regidor  sind 
unentgeltlich  zu  verwaltende  Ehrenämter  und  unablehnbar.  Das 
Alcalden-  und  Tenienten-Amt  dauert  zwei  Jahre,  das  des  Conse- 
jal  vier. 

Art.  6.  Die  Consejale  werden  alle  zwei  Jahre  zur  Hälfte  er- 
neuert. Diejenigen,  welche  aufhören  Alcalden  oder  Tenienten  zu 
sein,  fahren  fort  dem  Ayuntamiento  anzugehören,  wenn  sie  nicht 
schon  vier  Jahre  als  Consejale  beendet  haben. 

Art.  7.  Der  Alcalde  und  alle  Individuen  des  Avuntamiento 
können  wiedergewählt  werden,  aber  in  diesem  Falle  hängt  die  An- 
nahme oder  Ablehnung  des  Amtes  von  ihnen  ab. 

Titel  n. 

Ernennung  des  Alcalden  und  Teniente  des  Alcalden. 

Art.  8.  Die  Alcalden  und  Tenienten  des  Alcalden  werden  in 
den  Provinzial-Hauptstädten  durch  den  König  ernannt.  Der  Gouver- 
neur der  Provinz  ernennt  kraft  Königlicher  Delegation  die  Alcalden 
und  Tenienten  des  Alcalden  aller  Ortschaften  seiner  resp.  Provinz, 
und  zwar  muss  er  diese  Ernennungen  aus  der  Reihe  der  von  den 
Gemeinden  gewählten  Consejale  eintreten  lassen. 

Art.  9.  Der  König  soll  dessenungeachtet  ganz  frei  einen  Al- 
calde corregidor  ernennen,  an  Stelle  oder  neben  dem  ordentlichen 
in  den  Ortschaften,  wo  er  es  angemessen  findet.  Die  Dauer  des 
Alcalde-corregidor- Amtes  ist  unbeschränkt ;  der  Betrag  seines  Soldes 
wird  im  Gemeinde -Budget  aufgenommen. 

Ar  t.  10.  Die  Local- Alcalden  sollen  auf  Vorschlag  des  Districts- 
Alcalden  vom  Gouverneur  aus  der  Reihe  der  Urwähler  der  resp. 
Ortschaft,  Parochie  oder  Gemeinde -Verband  ernannt  werden. 

Titel  m. 
Wahl  der  Ayuntamientos. 

Art.  11.  Die  Ayuntamientos  sollen  durch  die  Famihenhäupter 
(vecinos)  der  Ortschaften  gewählt  werden,  welche  sich,  in  Folge 
der  nachgenannten  Bestimmungen,  in  die  Wählerlisten  aufgenommen 
finden. 

Capital  I. 
Von  den  Wählern. 

Art.  12.  Wähler  sind  alle  Vecinos  des  Orts,  der  Gemeinde 
oder  Gemeinde -Verbandes,  welche  irgend  erhebhche  Steuerquoten 
zahlen,  bis  zur  Zahl  der  Individuen,  welche  die  folgende  Scala  be- 
stimmt. 

16' 


244 

In  den  Orten,  welche  nicht  mehr  als  60  Vecinos  haben,  sollen 
Alle  Wälller  sein ;  mit  Ausnahme  der  Armen  de  solemnidad  (Almosen- 
Empfanger).  In  den  Orten,  welche  nicht  mehr  als  1000  Vecinos  zah- 
len, sollen  60  Wähler  sein,  und  der  lOte  Theil  von  den  ausserdem 
vorhandenen  Vecinos.  In  den  Ortschaften,  die  nicht  mehr  als  5000 
Vecinos  haben,  sollen  155  Wähler  sein ,  das  Maximum  des  vorigen 
Falles,  und  ausserdem  der  Ute  Theil  der  Vecinos,  die  noch  über 
1000  da  sind.  In  den  Orten,  die  nicht  mehr  als  10,000  Vecinos  ha- 
ben, sollen  517  Wähler  sein,  das  Maximum  des  vorigen  Falles, 
und  ausserdem  der  12 te  Theil  der  über  5000  vorhandenen  Vecinos. 
In  den  Orten,  die  mehr  als  20,000  Vecinos  haben,  sollen  1767  Wäh- 
ler sein,  das  Maximum  des  vorigen  Falles,  und  ausserdem  der 
13te  TheU  der  Zahl,  die  über  20,000  da  sind. 

Es  werden  Vecinos  im  Sinne  des  Gesetzes  genannt  alle  Fami- 
lienhäupter, die  einen  eigenen  Herd  haben,  und  ausserdem  Jahr 
und  Tag  im  Orte  gewohnt  oder  Bürgerrecht  im  Sinne  des  Gesetzes 
erlangt  haben. 

Art.  13.  Auch  sollen  eingesclüossen  werden  in  die  Liste  alle 
diejenigen,  welche  eine  Steuerquote  zahlen,  der  niedrigsten  gleich, 
die  in  jeder  Ortschaft  entrichtet  werden  muss  um  nach  der  obigen 
Scala  Urwähler  sein  zu  können. 

Art.  14.  Was  die  Abmessung  der  Quote  anbelangt,  so  wird 
dasjenige  zusammengeworfen,  was  die  im  Orte  und  ausserhalb  des- 
selben Wohnenden  an  directen  Abgaben  und  zur  Deckung  der 
Gemeinde -Bedürfhisse  aufbringen. 

Art.  15.  In  den  Orten,  wo  keine  directen  Steuern  entrichtet 
werden,  sollen  die  Wähler  aus  den  wohlhabendsten  Ortseinwohnem 
genommen  werden. 

Art.  16.  Bei  Berechnung  der  Steuer quote  und  Rente  \vird  als 
eigenes  Vermögen  angesehen: 

a)  bei  den  Gatten  das  Vermögen  der  Frau  während  der  Ehe; 

b)  bei  den  Vätern  das  Vermögen  der  Söhne,  so  lange  sie  Ver- 
walter desselben  sind; 

c)  bei  den  Söhnen  dasjenige  Vermögen,  dessen  Niessbrauch  aus 
irgend  einem  Grunde  der  Mutter  zusteht. 

Art.  17.  Auch  sollen  das  Recht  zur  Wahl  haben,  wenn  sie 
älter  als  zwanzig  Jahre  und  Vecinos  der  Ortschaft  oder  Municipa- 
Utät  sind: 

a)  Mitglieder  der  Spanischen  Academie  von  S.  Fernando  und  der 
Geschichte ; 

b)  Doctoren  imd  Licenciaten; 

c)  die  Mitglieder  der  geistiichen  Domcapitel,  Parochial- Geistliche 
und  Coadjutoren; 


245 

d)  Magisträte,  Stadtbeamte,  Richter  erster  Instanz  und  Promoto- 
res fiscales; 

e)  die  activen  Beamten  und  die  passiven  oder  jubilirten  mit  einem 
höheren  Sold  als  10,000  r.; 

f)  pensionirte  Officiere  des  Heeres  und  der  Flotte; 

g)  Advocaten  mit  zweijähriger  Praxis,  einem  CoUegio  incorporirt; 
h)  Aerzte,  Chirurgen  und  Pharmaceuten  mit  zweijähriger  Praxis; 
i)  Architecten,  Maler,  Bildhauer,  die  den  Grad  eines  Academikers 

in  irgend  einer  Academie  der  edlen  Künste  erworben  haben; 
k )   die  Professoren  oder  liehrer  an  einem  aus  öffentlichen  Kosten 
dotirten  Unterrichts -Institute. 

Die  in  diesen  Klassen  begriffenen  Individuen,  welche  den  Satz 
bezahlen,  den  die  Höchstbesteuerten  entrichten,  sollen  in  die  Zahl 
dieser  begriffen  werden,  und  in  dieser  Eigenschaft  votiren. 

Art.  18.    Es  sollen  nicht  Wähler  sein  können: 

a)  diejenigen,  gegen  welche  zur  Zeit  der  Wahlen  Criininal-Prozess 
schwebt,  vorausgesetzt  dass  gegen  sie  ein  Verhaftsbefehl  er- 
lassen ist; 

b)  diejenigen,  welche  in  Folge  eines  richterlichen  Urtheilsspruches 
körperliche  (aflictivas)  oder  entehrende  Strafen  erhalten,  und 
nicht  rehabilitirt  sind; 

c)  diejenigen,  welche  sich,  sei  es  aus  physischen  oder  moraUschen 
Gründen,  unter  richterUcher  Oberaufsicht  befinden; 

d)  diejenigen,  welche  fallirt,  ihre  Zahlungen  eingestellt  haben 
oder  in  deren  Vermögens -Verhältnisse  das  Gericht  sich  ein- 
gemischt hat; 

e)  die  als  Schuldner  der  Königlichen  oder  Communal  -  Steuer 
zweiter  Ordnung  öffentUch  bekannt  gemacht  worden  sind; 

f)  diejenigen,  welche  sich  kraft  richterUcher  Sentenz  unter  Auf- 
sicht der  Behörden  gestellt  sehen. 

Capitel  n. 
Von  den  Wählbaren. 

Art.  19.  In  den  Ortschaften,  welche  nicht  mehr  als  100  Veci- 
nos  haben,  sind  alle  Wähler  wählbar.  In  den  Orten,  welche  nicht 
mehr  als  1000  Vecinos  zählen,  sollen  zwei  Drittel  der  stimmenden 
Wähler  wählbar  sein,  indem  von  oben  nach  unten  gezählt  wird; 
ausserdem  alle  diejenigen,  welche  eine  Quote  zahlen,  gleich  der  letz- 
ten der  besagten  zwei  Theile.  In  denjenigen,  die  mehr  als  1000 
Vecinos  haben,  soll  die  Hälfte  der  steuerpflichtigen  Wähler  wähl- 
bar sein,  und  es  soll  dabei  gleichfalls  von  oben  nach  unten  gezählt 
werden;  ausserdem' sollen  alle  diejenigen  wählbar  sein^  welche  eine 
Steuerquote  zahlen,  gleich  der   des  Ultimum  der  besagten  Hälfte 


246 

es  dürfen  aber  niemals  weniger   sein   als  102,  das  Maxiinum  des 
vorigen  Falles. 

Art.  20.  In  den  Ortschaften,  welche  mehr  als  100  Vecinos 
haben,  gilt  als  nothwendiges  Requisit,  um  Alcalde  oder  Teniente 
sein  zu  können,  dass  man  lesen  und  schreiben  kann;  indessen  soll 
der  Gouverneur,  wo  es  ihm  nöthig  erscheint,  hiervon  dispensiren 
können. 

Art.  21.  Es  können  weder  Alcalden  noch  IVEtglieder  des  Ayun- 
tamiento  sein: 

a)  die  ordinirtcn  Geistlichen; 

b)  die  Königlichen  activen  Beamten,  die  Uirc  Besoldung  aus  Staats- 
kassen beziehen; 

c)  diejenigen,   die  Sold  oder  Gratificationen  aus  Municipal-  oder 
Provinzial  -  Fonds  erhalten ; 

d)  die  Provinzial -Deputirten,   so  lange  sie   ihre   Geschäfte  ver- 
walten; 

e)  die  Pächter  und  Verwalter  der  Gemeindegüter. 

Art.  22.     Vor  der  Annahme  können  diese  Aemter  ablehnen: 

a)  die  über  60  Jahre  zählenden,  und  physisch  Unfähigen; 

b)  die  Cortes-  und  Provinzial -Deputirten,  bevor  sie  ihr  Amt  nie- 
dergelegt haben; 

c)  die  aus  dem  activen  Dienst  des  Heeres  und  der  Flotte  Zurück- 
getretenen, die  im  Genuss  von  Pensionen  befindlich. 

Art.  23.  Wenn  ein  Ayuntamiento  aufgelöst  wird,  so  können 
diejenigen  Mitglieder  desselben,  welche  zu  dieser  Maassregel  Ver- 
anlassung gegeben  haben,  in  der  ersten  Wahl  nicht  als  Consejale 
gewälilt  werden;  eben  so  wenig  in  der  unmittelbar  darauf  folgenden 
allgemeinen  Wahl. 

Capitel  III. 
Von  den  Listen  der  Wähler. 

Art.  24.  Die  Listen  der  Wähler  und  Wählbaren,  welche  durch 
die  Alcalden,  im  Verein  mit  zwei  Consejale  und  zwei  der  Höchst- 
steuernden durch  das  Ayuntamiento  designirten,  angesichts  der 
statistischen  Daten  über  die  Staats-  und  Municipahtäts  -  Steuern, 
aus  den  Steuerämtern  gebildet  werden,  sind  permanent,  und  sollen 
für  alle  successiven  Wahlen  mit  den  angemessenen  Modificationen, 
welche  die  Alcalden  selbst  und  ihre  vorgedachten  Hülfsarbciter  ent- 
werfen, dienen. 

Art.  25.  Bei  der  Rectificirung  sollen  diejenigen  ausgeschlossen 
werden,  welche  fallirt  oder  ihren  Wohnsitz  verändert  haben.  Aber 
diejenigen,  welche  aus  irgend  einem  anderen  Grunde  das  Wahlrecht 
verloren  zu  haben  scheinen,  sollen  erst  dann  aus  der  Liste  gelöscht 


247 

werden,  nachdem  sie  vorgeladen  und  darüber  gehört  sind,  ob  sie 
sich  behufs  der  Ausschliessung  beschweren  werden. 

Art.  26.  Die  rectificirten,  durch  den  Alcalden  und  seine  Hülfs- 
arbeiter  gegengezeichneten  Listen  sollen  in  den  Jahren,  wo  eine  all- 
gemeine Wahl  stattfindet,  für  das  Publicum  ausgestellt  werden,  vom 
15  —  31  August  einschUesslich.  Während  dieser  Zeit  sollen  die  Re- 
clamationen  wegen  ungerechtfertigter  Auslassung  oder  Ausschliessung 
gemacht  werden.  Jeder  in  die  Listen  eingeschriebene  Wähler  ist 
berechtigt,  diese  Reclamationen  zu  machen,  und  der  Wähler,  welcher 
sich  ausgeschlossen  glaubt,  kann  persönlich  seine  Aufiialune  fordern. 

Art.  27.  Die  Reclamationen  werden  dem  Alcalden  zugeschickt, 
welcher,  seine  Hiilfsarbeiter  hörend,  bei  eigener  Verantwortlichkeit 
darüber  entscheiden  wird. 

Art.  28.  Am  10  September  werden  zum  zweiten  Male  für  das 
Publicum  die  Listen  mit  den  neuen  Berichtigungen,  welche  der  Al- 
calde  gemacht  hat,  ausgestellt,  damit  sie  zur  Kenntniss  der  Bethei- 
ligten gelangen. 

Art.  29.  Diejenigen,  welche  mit  der  Entscheidung  des  Alcalden 
nicht  zufrieden  sind,  sollen  bis  zum  20  September  beim  Gouverneur 
appelliren  können.  Dieser  entscheidet  nach  Anhörung  des  Provin- 
zialrathes  darüber.  Bis  zum  15  October  giebt  es  dann  keinen  wei- 
teren Recurs. 

Art.  30.  Der  Gouverneur  wird  vor  dem  25  October  seine  Re- 
solution dem  Alcalden  mittheilen,  welcher  mit  Bezug  darauf  die  recti- 
ficirten Listen  publiciren  wird.  Diese  Listen  sollen  für  die  neue  all- 
gemeine Wahl  dienen  und  auch  für  alle  theilweisen  Wahlen,  welche 
während  der  laufenden  zwei  Jahre  vorkommen. 

Art.  31.  In  den  Fällen,  in  denen  sich,  mit  Bezug  auf  Art.  15, 
als  nothwendig  herausstellt,  die  Listen  der  Höchststeuemden  zu 
entwerfen,  wird  auf  dieselbe  Weise,  wie  in  den  früheren  Artikeln 
mitgetheilt,  vorgegangen. 

Art.  32.  Nur  die  in  der  allgemeinen  und  hernach  rectificirten 
Wählerliste  BegriflEenen  sollen  bei  der  Wahl  für  die  Municipalämter 
votiren  dürfen.  Die  Nichteingereihten  sollen  nicht  votiren,  selbst 
wenn  sie  die  nöthigen  Erfordernisse  haben  um  Wähler  sein  zu 
können. 

Art.  33.  Wenn  die  Berichtigung  der  MunicipaUisten  oder  die 
Municipalwahlen  mit  den  allgemeinen  Cortes-  oder  Provinzial-Depu- 
tirtenwahlen  zusammenfallen,  so  sollen  die  ersten  suspendirt  wer- 
den, und  die  zweiten  werden  nach  ihrer  Beendigung  mit  allen  For- 
malitäten in  gesetzlich  vorgeschriebener  Weise  einen  Monat  später 
vorgenommen. 


248 

Capitel  IV. 
Von  den  Wahl  -  Comites. 

Art.  34.  In  den  Orten,  wo  kein  Alcalde-teniente  ernannt  wer- 
den kann,  oder  nur  einer  ernannt  ist,  soll  auch  nur  eine  Wahl- 
Section  sein. 

Art.  35.  In  den  Orten,  aufweichen  zwei  Alcalde-tenientes  oder 
melirere  fallen,  soll  auch  eine  gleiche  Zahl  von  Wahl-Sectionen  sein. 
Der  Alcalde  wird  nach  Anhörung  des  Ayuntamiento  die  Designa- 
tion machen,  und  wird  dafür  sorgen,  dass  die  stärkste  Section  die 
schwächste  nicht  um  50  V^ähler  überschreitet.  Die  so  gemachte 
Eintheilung  der  Section  soll  für  alle  vorliegenden  Wahlen  statt  fin- 
den und  nicht  ohne  Befehl  des  Provinzial- Gouverneurs  verändert 
werden  können. 

Art.  36.  Den  28  October  spätestens  wird  der  Alcalde  dem 
Publicum  Verrichtung,  Ort  und  Stunde  bezeichnen,  wo  die  Wahl- 
Junten  abgehalten  werden  sollen. 

Art.  37.  In  den  Orten,  die  nur  eine  Wahl-Section  haben,  wer- 
den die  Wähler  alle  Mitglieder  des  Ayuntamiento  ernennen;  in  den- 
jenigen hingegen,  die  mehr  als  eine  Section  haben,  werden  die  Wäh- 
ler nur  die  auf  sie  fallende  Zahl  von  Consejalen  ernennen.  Diese 
Zahl  soll  bei  allen  gleich  sein,  ausgenommen  wenn  die  Zahl  der 
Consejale  in  denen  der  Sectionen  nicht  gerade  aufgeht.  In  diesem 
Falle  werden  die  durchs  Loos  bezeichneten  Sectionen  einen  Conse- 
jal  mehr  ernennen. 

Art.  38.  Am  ersten  Sonntag  des  November,  alle  zwei  Jahre, 
wird  zur  allgemeinen  Ayuntamiento -Wahl  in  allen  Ortschaften  des 
Festlandes  und  der  Adjacentes  vorgeschritten. 

Art.  39.  Der  Alcalde,  oder  da  wo  es  mehr  als  eine  Wahl- 
Secüon  giebt,  die  Tenienten,  oder  die  Regidoren  in  ihrer  Ordnung, 
werden  dem  Wahl -Acte  präsidiren. 

Art.  40.  Behufs  Constituirung  des  Bureaus  treten  der  präsi- 
dirende  Consejal  und  zwei  aus  der  Reihe  der  gegenwärtig  ernann- 
ten Wähler  zusammen.  Die  Wähler,  welche  am  ersten  Tage  und 
zur  ersten  Stunde  der  Abstimmung  beigewohnt,  werden  dem  Präsi- 
denten einen  Zettel  übergeben,  den  sie  geschrieben  mitbringen  oder 
während  des  Actes  schreiben  können.  Auf  diesem  Zettel  werden 
zwei  Wähler  als  stimmzählende  Secretaire  bezeichnet;  der  Präsident 
soll  den  Zettel  in  Gegenwart  des  Wählers  in  die  Urne  legen.  Nach 
Abschluss  des  Stimmens  findet  das  Scrutinium  statt,  und  es  sind 
stimmzählende  Secretaire  diejenigen  vier  Wähler,  auf  welche  sich 
bei  der  Zählung  die  meisten  Stimmen  vereinigt  haben.  Diese  Se- 
cretaire, mit  dem  präsidirenden  Alcalde,  Teniente  oder  Regidor  sol- 
len definitiv  das  Bureau  bilden.  Wenn  als  Resultat  der  Stimmen- 
zählung sich  nicht  die  gehörige  Zahl  von  Secretarios  escrutadores 


249 

ergiebt,  so  sollen  Präsident  und  Erwählte  aus  der  Zahl  der  gegen- 
wärtigen Wähler  die  fehlenden  zur  Completirung  des  Bureaus  er- 
nennen.   Im  Fall  der  Stimmengleichheit  entscheidet  das  Loos. 

Art.  41.  Nach  Constituirung  des  Bureaus  beginnt  die  Abstim- 
mung, und  dauert  zwei  Tage,  wenn  nicht  schon  früher  alle  Wähler 
ihr  Votum  abgegeben  haben  sollten.  Die  Abstimmung  ist  eine  ge- 
heime. Der  Präsident  giebt  dem  Wähler  einen  rubricirten  Zettel. 
Der  Wähler  schreibt  oder  lässt  im  Locale  und  angesichts  des  Bu- 
reaus den  Zettel  beschreiben,  und  zwar  mit  dem  Namen  des  Can- 
didaten.  Der  Präsident  legt  den  Zettel  in  die  Urne,  und  verzeich- 
net den  Namen  und  Vecindad  des  Wählers  in  eine  besondere  Liste. 

Art.  42.  Die  Wahl-Operation  fängt  um  9  Uhr  Morgens  an  und 
dauert  bis  2  ülir  Nachmittags. 

Art.  43.  Täglich  nach  Abschluss  der  Abstimmung  werden  Prä- 
sident und  Secretaire  die  Stimmenzählung  vornehmen,  mit  lauter 
Stimme  die  Zettel  vorlesen,  ihre  Zahl  mit  der  Zahl  der  in  den  Listen 
aufgenommenen  Wähler  vergleichen,  und  über  das  Ergebniss  das 
entsprechende  ProtocoU  aufnehmen.  Bei  jedem  Scrutinium  wird 
der  Präsident  mit  lauter  Stimme  die  Zettel  lesen,  und  auch  die  Se- 
cretaire  werden  von  ihrem  Inhalt  Kenntniss  nehmen. 

Art.  44.  Wenn  die  Zettel  mehr  Namen  als  nöthig  ausweisen, 
so  sollen  die  zuviel  gesetzten  Namen  nicht  gelten;  aber  es  bleiben 
die  Vota  der  Zettel  giiltig,  auf  denen  weniger  Namen  stehen  als 
geschrieben  werden  sollten. 

Art  45.  Nach  beendigtem  Scrutinium,  und  nachdem  das  Re- 
sultat der  Wahlen  mitgetheilt,  werden  sämmtliche  Zettel  in  Gegen- 
wart des  Publicums  verbrannt. 

Art.  46.  Vor  9  Uhr  des  nächsten  Morgens  soll  an  der  Aussen- 
seite  des  Wahl-Locals  die  namentUche  Liste  aller  Wähler  befestigt 
werden,  welche  an  der  letzten  Wahl  sich  betheiligt  haben;  ingleichen 
das  Resultat  der  Stimmen,  welche  jeder  Candidat  erhalten  hat. 

Art.  47.  Am  Tage  nach  Beendigung  der  Wahl  werden  sich 
um  10  Uhr  Morgens  der  Präsident  imd  Secretaire  dem  Ayunta- 
miento  der  Ortschaft  vorstellen,  und  jedes  Bureau  soll  in  seiner 
Reihenfolge  das  General- Scrutinium  der  Voten  seiner  Section  vor- 
nehmen und  das  über  das  Resultat  entworfene  ProtocoU  zeichnen; 
auch  darin  die  Zahl  der  Wähler  der  Section  bezeichnen,  die  Zahl 
der  Theilnehmer  an  der  Wahl,  so  wie  die  Zahl  der  auf  jeden  Can- 
didaten  gefallenen  Stimmen. 

Art.  48.  Sowohl  bei  den  täglichen  Voten,  wie  bei  dem 
General -Scrutinium  soll  ein  Präsident  und  stimmzählende  Secre- 
taire mit  Stimmenmehrheit  über  alle  vorkommenden  Zweifel  und 
Reclamationen  entscheiden;  aber  nicht  das  Recht  haben,  Voten  zu 


250 

annulliren,  sondern  nur  in  dem  Protocoll  ihre  Meinung  und  die  ge- 
troffene Entscheidung  vermerken  dürfen. 

Art.  49.  Das  Original  -  Protocoll  wird  in  dem  Archive  des 
Ayuntamiento  deponirt,  und  eine  vidimirte  Abschrift  desselben  dem 
Alcalden  mitgetheilt. 

Capitel  V. 
Prüfung  und  Genehmigung  der  Wahlen. 

Art.  50.  Die  mit  Stimmenmehrheit  erwählten  Consejale  treten 
nunmehr  in  dieser  Eigenschaft  in  jede  Wahl-Section  ein. 

Art.  51.  Die  Liste  der  Gewählten  wird  für  das  PuhUcum  durch 
den  Alcalden  vom  15  bis  20  November  eiuschUesslich  ausgestellt- 
Während  dieses  Termins  werden  der  Behörde  etwanige  Reclama- 
tionen  oder  Entschuldigungen  eingereicht  • 

Art.  52.  Der  Alcalde  wird  am  21  November  die  Wahl- Acten 
nebst  einer  Liste  der  Gewählten,  ingleichen  der  Consejale,  in  der- 
selben Weise  für  die  nicht  neu  gewählte  Hälfte  dem  Gouverneur 
zusenden.  Eben  so  wird  er  auf  eingereichte  Reclamationen  oder 
Ablehnungen  bezügliche  Scliriftstücke  einreichen.' 

Art.  53.  Der  Provinzial- Gouverneur  \vird  nach  Anhörung  des 
Provinzial-Conseils  über  die  Gültigkeit  der  ProtocoUc  entscheiden. 
Im  Fall  der  Ungültigkeit  wurd  er  sofort  Abhülfe  geschehen  und  die 
Wahl  wiederholen  lassen,  sei  es  ganz  oder  theilweise.  Der  Gou- 
verneur entscheidet  zugleich  über  die  Reclamationen  und  Ableh- 
nungen. 

Art.  54.  Sind  die  Walilen  gesetzhch  befunden,  so  wdrd  zur 
Ernennung  des  Teniente  des  Alcalden  geschritten,  wie  es  Art.  8 
bestimmt,  und  diese  Ernennung  kann  unter  sämmthchen  Neugewähl- 
ten statt  finden. 

Art.  55.  Der  neue  Alcalde,  die  Tenienten  und  Regidore  wer- 
den sich  zur  Uebernahme  ihrer  Aemter  am  1  Januar,  nach  vorgän- 
giger Benachrichtigung  des  ausscheidenden  Alcalden,  vorstellen,  und 
den  dem  Könige,  der  Verfassung  und  den  Gesetzen  schuldigen  Eid 
ableisten.  Dieser  Act  darf  nicht  etwa  durch  Beclamation  der  Er- 
nannten au%ehalten  werden. 

Art.  56.  Soll  aus  irgend  einem  Grunde  das  neue  Ayuntamiento 
noch  nicht  bis  zum  1  Januar  ernannt  werden  können,  so  soll  das 
frühere  bis  daliin  in  Thätigkeit  bleiben. 

Art.  57.  Für  den  Fall  einer  Vacanz  des  Alcalden  oder  Te- 
nienten -  Amtes  wird  in  Gemässheit  des  Art.  8  verfahren.  Vorüber- 
gehende Behinderungen  des  Alcalden  vertritt  der  Teniente;  der 
Tenienten  —  ein  Regidor,  bis  zur  getroffenen  Entscheidung  des 
Gouverneurs. 


251 

Art.  58.  Im  Fall  einer  Vacanz  unter  den  Regidoren  tritt  nur  dann 
eine  Stellvertretung  ein,  wenn  mehr  als  der  dritte  Theil  derer  fehlt, 
welche  das  Ayuntamiento  bilden  sollen.  In  solchem  Fall  wird  zu 
einer  theilweisen  Wahl  geschritten,  und  es  wählt  jeder  Wahl-Üistrict 
oder  Section  den  Substituten  des  oder  der  entsprechenden  Con- 
sejale. 

Art.  59.  Die  numerische  Reihenfolge  der  Rcgidore  entscheidet 
das  Loos;  desgleichen  der  Consejale,  welche  an  Stelle  der  zu  er- 
neuernden ersten  Hälfte  treten  sollen.  Immer  vorausgesetzt  dass 
eine  Generalwahl  eines  ganzen  Ayuntamiento  statt  findet. 

Art.  60.  Der  Gouverneur  kann  im  Fall  eines  groben  Verseheus 
den  Alcalden  oder  das  Ayuntamiento  suspendiren;  muss  aber  der 
Regierung  sofort  Anzeige  machen,  wenn  reclarairt  wird,  oder  er 
Auflösung  und  Absetzung  für  nöthig  hält. 

Art.  61.  Die  Regierung  kann,  wenn  grobe  Versehen  vorge- 
kommen sind,  den  Alcalde,  Teniente  oder  Regidor  absetzen,  oder 
das  Ayuntamiento  auflösen,  muss  aber  dann  dem  competenten  Tri- 
bunal sogleich  Anzeige  von  dem  Vorgefallenen  machen,  damit  das- 
selbe im  Wege  Rechtens  zur  Feststellung  des  Thatbestandes  und 
zur  Bestrafung  der  Schuldigen  vorschreite. 

Art.  62.  Im  Fall  der  Auflösung  des  Ayuntamiento  wird  bin- 
nen sechs  Monaten  eine  neue  Walü  anberaumt.  Inzwischen  können 
zur  provisorischen  Verwaltung  die  Consejale  des  letzten  Jahres  ein- 
berufen, oder  Consejale  aus  der  Zahl  der  wählbaren  Vecinos  er- 
nannt werden. 

Titel  IV. 
Sitzungen  der  Ayuntamientos. 

Art.  63.  Es  können  die  Ayuntamientos  zur  Erledigung  der 
ihnen  obüegenden  Arbeiten  zwei  ordentliche  Sitzungen  anberau- 
men. Eine  ausserordentüche  Sitzung  kann  nach  Ermessen  vom  Al- 
calden einberufen  werden,  doch  darf  dann  nur  über  die  in  der 
Einladung  bezeichneten  Gegenstände  verhandelt  werden. 

Art.  64.  Das  Ayuntamiento  kann  sich  nur  unter  dem  Vorsitz 
des  Gouverneurs,  oder  Unter-Gouverneurs,  oder  Alcalden,  oder  des 
legalen  Substituten  versammeln.  Jede  dieser  Bedingung  entbehrende 
Versammlung  ist  illegal,  und  nichtig  was  in  ihr  verhandelt  wird. 

Art.  65.  Kein  MitgUed  des  Ayuntamiento  darf  die  Sitzungen 
versäumen,  ausser  im  Falle  der  Krankheit  oder  eines  gesetzlichen 
Grundes,  worüber  er  dem  Ayuntamiento  Rechenschaft  geben  muss. 
p]ben  so  wenig  darf  es  sich,  ohne  Kenntniss  des  Alcalden,  länger 
als  acht  Tage  aus  dem  Orte  entfernen.  Im  Fall  der  Entfernung  be- 
nachrichtigt der  Alcalde  den  jedesmal  einzuberufenden  Substituten 
hiervon;  desgleichen  den  Gouverneur,   welcher   bei  gesetzlich  ge- 


252 

rechtfertigten  Gründen  die  Erlaubniss  ertheilt.  Sind  nicht  wenig- 
stens die  Hälfte  der  Mitglieder  des  Ayuntamiento  und  nocli  Eins 
versammelt,  so  hat  die  Sitzung  keine  Gültigkeit  und  die  Beschlüsse 
sind  nichtig.  Weigern  sich  jedoch,  trotz  ergangener  Einladung,  die 
Consejale,  zu  erscheinen,  so  sollen  die  Anwesenden  die  Geschäfte 
allein  erledigen  können,  und  wäre  selbst  Niemand  gegenwärtig  als 
der  Alcalde.  In  beiden  Fällen  wird  der  Gouverneur  davon  benach- 
richtigt. 

Art.  66.  Die  Ayuntamientos  halten  ihre  Sitzungen  bei  ver- 
schlossenen Thüren,  ausser  wenn  es  sich  um  MiUtair-Recrutirung 
handelt. 

Art.  67.  Beschlüsse  werden  mit  absoluter  Stimmenmehrheit  ge- 
fasst.  Alle  Anwesende  zeiclmen  das  ProtocoU,  in  welchem  auch  auf 
den  Wunsch  der  Dissentirenden  ihre  Meinungen  vermerkt  werden. 

Titel  V. 
Von  den  in  Thätigkeit  befindlichen  Ayuntamientos. 

Art.  68.  Alle  bestehenden  Ayuntamientos  von  über  30  und 
weniger  als  60  Vecinos  werden  beibehalten,  und  haben  sich  in  Ge- 
mässheit  dieses  Gesetzes  zu  reorganisiren.  Diejenigen,  welche  eine 
geringere  Anzahl  von  Vecinos  haben,  werden  mit  anderen  verbun- 
den, oder  bilden  durch  Vereinigung  unter  sich  ein  Ayuntamiento. 

Art.  69.  Das  Gouvernement  ist  berechtigt,  nach  Anhörung  der 
Provinzial- Deputationen,  in  den  Districten,  die  bis  100  Vecinos  ha- 
ben, neue  Ayuntamientos  zu  bilden.  Zur  Errichtung  von  Ayunta- 
mientos in  den  Districten,  die  eine  kleinere  Anzahl  von  Vecinos  ha- 
ben, bedarf  es  eines  Gesetzes. 

Art.  71.  Das  Gouvernement  ist  ermächtigt,  zwei  oder  melirere 
Ayuntamientos  zusanunen  zu  legen,  Ayuntamientos  zu  trennen  und 
anderen  zuzuschlagen:  jedoch  sollen  die  Provinzial -Deputationen 
darüber  gehört  werden. 

Titel  VI. 
Attribute  der  Alcalden  und  Ayuntamientos. 

Capitel  I. 
Attribute  der  Alcalden. 

Art.  72.  Als  Staatsorgan,  vom  Provinzial -Gouverneur  ressor- 
tirend,  kommen  dem  Alcalden  folgende  Rechte  zu: 

a)  Vorsitz  im  Ayuntamiento. 

b)  VeröflFenthchung  und  Sorge  für  die  Ausfuhrung  der  Gesetze, 
Reglements,  Verordnungen  und  Verfügungen  der  Regierung. 


253 

c)  In  den  Fällen,  wo  nicht  besondere  Regierungs- Beamte  dazu 
bestellt  sind,  Anordnungen  aller  Maassregeln,  welche  die  Sicher- 
heit des  Eigenthums  und  die  öflFentliche  Ordnung  betreffen. 
Dies  alles  nur  nach  Inhalt  der  Gesetze  und  Instructionen  der 
Regierung.  Zu  solchem  Zwecke  kann  er  den  betreffenden 
MiUtair-Chef  requiriren. 

d)  Förderung  der  Steuer eintreibung  durch  Unterstützung  der  Er- 
heber. 

e )  Ausfuhrung  aller  ihm  zugehenden  Verordnungen  in  Betreff  des 
Militair- Ersatzes,  der  Wohlthätigkeits-,  Unterrichts-,  statisti- 
schen und  anderen  Verwaltungs- Angelegenheiten. 

f)  Verbot  oder  Erlaubniss  öffentlicher  Vergnügungen;  Sorge  für 
die  Einquartierung  der  Königlichen  Truppen,  nach  Vorschrift 
der  Gesetze. 

g)  Veröffenthchung  von  Erlassen,  so  weit  er  dies  für  nöthig  hält. 
Erlasse,  die  sich  auf  bleibende  Interessen  beziehen  oder  eine 
constante  Observanz  bilden,  werden  dem  Gouverneur  abschrift- 
lich mitgetheilt. 
Art.  73.    Als  Verwaltungs -Beamten  der  Gemeinde  hegen  dem 
Alcalden  unter  Controlle  der  Regierung  folgende  Verpflichtungen  ob: 

a)  Er  stellt  das  Gemeinde -Budget  zur  Berathung  und  Beschluss- 
nahme  des  Aynntamiento,  und  sorgt  für  die  Ausfiihrung  der 
Beschlüsse  darüber.  Er  expedirt  das  Erforderliche  in  Betreff 
der  Ausgaben  und  hinsichts  der  Einziehung  der  Einnahmen. 

b)  Er  legt  jährUch  nach  Vorschrift  der  erhaltenen  Instruction 
jährUch  Rechenschaft  von  seiner  Verwaltung  ab. 

c)  Er  sorgt  für  die  Ausfuhrung  der  legalen  Beschlüsse  des  Ayun- 
tamiento.  Beziehen  sie  sich  auf  Gegenstände  ausserhalb  der 
Competenz  der  Municipal- Behörden,  oder  können  sie  dem  Ge- 
meinwohl nachtheihg  werden,  so  suspendirt  er  ihre  Ausführung, 
berichtet  darüber  an  den  Gouverneur,  welcher  binnen  Monats- 
frist entscheidet.  Nach  Verlauf  dieser  Zeit  wird  die  Entschei- 
dung des  Alcalden  als  legal  betrachtet. 

d)  Er  sorgt  für  die  Erhaltung  der  der  Commune  gehörenden 
Grundstücke. 

e)  Er  überwacht  die  Beschleunigung  der  auf  Gemeindekosten  aus- 
geführten öffentUchen  Arbeiten. 

f )  Bei  öffenthchen  Versteigerungen  präsidirt  er,  und  zwar  in  Ge- 
meinschaft mit  dem  Regidor  -  Sindico,  wenn  Gemeinde -Grund- 
stücke verpachtet  werden.  Er  setzt  dazu  die  Kaufs-,  Ver- 
kaufs-, Vergleichsbedingungen  auf,  und  sonstige  Verhandlun- 
gen, zu  denen  er  vom  Ayuntamiento  ermächtigt  ist. 

g)  Er  sorgt  für  städtische  und  ländhche  Polizei,  in  Gemässheit 
der  Regierungs  -  Verordnungen  und  der  Gemeinde- Vorschrifiten. 


254 

h)  Er  ernennt  auf  Ermächtigung  des  Ayuntamiento  alle  von  der 
städtischen  und  ländlichen  Pohzei  ressortirenden  Beamten, 
wenn  dieserhalb  nicht  besondere  Bestimmungen  bestehen.  Er 
kann  dieselben  auch  suspendiren  und  absetzen. 

i)  Er  controllirt  die  mit  der  Verwaltung  der  Communalgüter  be- 
auftragten Beamten. 

k)  Sobald  er  die  erforderUche  Vollmacht  erhalten,  tritt  er  vor 
Gericht,  sei  es  als  Kläger  oder  Verklagter,  als  MunicipaHtäts- 
Vertreter  auf.  In  dringenden  Fällen  kann  er  auch  ohne  be- 
sondere Vollmacht  vor  Gericht  auftreten,  hat  dann  jedoch  dem 
Gouverneur  zur  Ertheilung  der  nachträglichen  Autorisation 
einzuberichten.  Er  reicht  gleicherweise  höheren  Ortes  die  Aus- 
einandersetzungen oder  Reclamationen  ein,  welche  die  Attri- 
bute des  Ayuntamiento  betreflFen,  und  über  welche  dieses  Be- 
schluss  gefasst  hat. 

1)  Er  soll  sich  mit  den  Alcalden  anderer  Gemeinden  derselben 
Provinz,  behufs  Regulirung  gemeinschaftlicher  Interessen,  oder 
behufs  besserer  Erledigung  ihrer  besonderen  Obliegenheiten 
verständigen. 

Art.  74.  Der  Alcalde  soll  Namens  der  Regierung  die  in  den 
polizeilichen  Gesetzen  und  Reglements  und  in  den  Gemeinde- 
Ordonnanzen  bezeichneten  Strafen  anwenden,  und  Geldbussen  auf- 
erlegen und  einziehen  können,  jedoch  mit  folgenden  Beschrän- 
kungen : 

bis  zu  100  r.  in  den  Ortschaften,  die  nicht  500  Einwohner  haben; 
bis  300  r.  in  denen,  die  nicht  5000  haben; 
bis  500  r.  in  allen  übrigen. 

In  Insolvenzfällen  soll  der  Alcalde  der  Geldstrafe  Gefängniss- 
strafe substituiren  können,  welche  jedoch  niemals  eine  14tägige  Haft 
übersclireiten  darf.  Wenn  ein  Vergehen  seiner  Natur  nach  stren- 
gere Strafen  erfordert,  so  instruirt  er  die  Sache  und  stellt  solche 
dem  Richter  oder  Tribunale  zu. 

Art.  75.  Wenn  ein  Alcalde  unterlässt,  irgend  einen  durch  das 
Gesetz  gebotenen  Act  auszufuhren,  so  soll  der  Gouverneur  den  Al- 
calden officiell  auffordern,  eventuaUter  die  Ausführung  auf  geeignete 
Weise  durch  Delegirte  veranlassen. 

Art  76.  Der  Alcalde  soll  den  Tenienten  diejenigen  Fächer  der 
Communal- Verwaltung  anweisen,  welche  sie  ganz  oder  zum  Theil 
besorgen  sollen;  desgleichen  diejenigen  Attribute,  die  er  von  sich 
selbst  auf  jene  zu  übertragen  geeignet  hält,  jedoch  innerhalb  der 
durch  Reglement  bestimmten  Grenzen. 

Art.  77.  Die  Alcalden  üben  auch  die  ihnen  gesetzlich  über- 
wiesenen richterlichen  Functionen  aus. 


255 

Capitel  IL 
Attribute  der  Ayuntamientos. 

Art.  78.    Dem  Ayuntamiento  ist  vorbehalten: 

a)  Unter  eigener  Verantwortlichkeit  diejenigen  zu  bezeichnen,  bei 
welchen  Communalfonds  deponirt  werden  sollen;  und  diejeni- 
gen, welche  diese  Fonds  verwalten  sollen,  unter  Bestellung  der 
erforderlichen  Bürgschaften,  dazu  zu  ernennen. 

b)  Unter  Beobachtung  der  gesetzlichen  Bestimmungen  die  von  der 
Commune  zu  besoldenden  Aerzte,  Chirurgen,  Pharmaceuten 
und  Elementarlehrer  zu  bestellen. 

c)  Die  ihnen  unmittelbar  imtergebenen  Beamten  zu  ernennen. 
Art.  79.     Die  Entscheidung  in  Folge  gefasster  Beschlüsse  ge- 
bührt den  Ayuntamientos  gesetzlich  über: 

a)  das  Verwaltungssystem  des  Gemeinde -Vermögens. 

b)  Verwendung  der  Wiesen,  Wasser  und  sonstigen  geldwerthen 
Gemeinde  -  Liegenschaften. 

c)  Unterhaltung  und  Herstellung  der  Wege,  Strassen,  Pflaster, 
Brücken  und  Fähren. 

d)  Meliorationen  nach  Höhe  der  bewilligten  Fonds. 

e)  Die  Municipal- Ordonnanzen  für  städtische  und  ländliche  Po- 
lizei zu  bestimmen. 

f )  Erbauung  und  Geradelegung  von  Strassen  und  Plätzen. 

g)  Die  jährliche  Verpachtung  der  Gemeinde- Grundstücke. 

Art.  80,  Die  diesfälligen  Beschlüsse  fasst  das  Ayuntamiento; 
ihre  Ausfuhrung  liegt  dem  Alcalden  ob. 

Art.  81.  Der  Alcalde  bringt  diese  Beschlüsse  zur  Kenntniss 
des  Gouverneurs,  der  sie  suspendiren  kann,  wenn  er  sie  für  unan- 
gemessen, unausführbar  oder  dem  Gemeinwohl  nachtheilig  hält. 

Art.  82.  Die  Ayuntamientos  berathen  über  folgende  Gegen- 
stände: 

a)  Ueber  materielle  Meliorationen,  wenn  im  Budget  dafür  keine 
Fonds  ausgesetzt  sind. 

b)  Ueber  Gemeinde -Verpachtungen,  wenn  die  Pachtzeit  ein  Jahr 
überschreitet. 

c)  Ueber  Anlegung  und  Benutzung  der  Gemeinde  -  Waldungen ; 
über  den  Hieb,  Brenn-  und  Bauholz. 

d)  Ueber  Verändenmg  oder  neue  Auflagen  der  Gemeindesteuern 
und  die  Mittel  zur  Einziehung. 

e)  Ueber  die  bessere  Verwerthung  der  Gemeinde -Etablissements. 

f)  Ueber  die  Veräusserung  des  beweglichen  und  unbeweglichen 
Vermögens;  über  die  Reducirung  des  Census. 

g)  Einrichtung,  Verlegung  der  Messen  und  Märkte. 

h)  Ueber  die  Annahme  von  Geschenken  und  Vermächtnissen, 
i)  Ueber  anzustrengende  Gemeinde -Prozesse. 


256 

k)  Bewilligung  von  Pensionen  für  geleistete  Dienste;  Sorge  für 

Wittwen  und  Waisen  der  Stadtbeamten. 
1)  Die  Beschlüsse  hierüber  werden  dem  Gouverneur  mitgetheilt, 
ohne  dessen  Genehmigung  sie  nicht  zur  Ausfuhrung  kommen 
können. 
Art.  85.    Die  Ayuntamientos  haben  auf  die  an  sie  gerichteten  An- 
fragen der  Alcalden  und  des  Gouverneurs  sachgemäss  zu  berichten.   . 
Art.  86.    Andere  als  die  bezeichneten  Gegenstände  dürfen  die 
Ayuntamientos    nicht  zu  ihrem  Ressort  ziehen  oder  in  Berathung 
nehmen;   eben  so  wenig  ohne  höhere  Ermächtigung  ihre  Ansichten 
und  Beschlüsse  veröffentlichen. 

Art.  87.  Alle  Anträge  des  Ayuntamiento  gelangen  durch  den 
Alcalden  an  den  Gouverneur  und  durch  diesen  an  die  Regierung. 
Ausnahmen  machen  ledigUch  Beschwerden. 

Capitel  III. 
Alcalde-tenientes,  Regidores,  Alcaldes  pedaneos  und  Secretaire. 

Art.  88.  Die  Tenienten  übernehmen  ausser  der  Thätigkeit,  die 
ihnen  als  Consejalen  im  Ayuntamiento  angewiesen,  die  ihnen  durch 
Gesetz,  Instruction  oder  vom  Alcalde  überwiesenen  Functionen. 

Art.  89.  Die  Regidores  mit  Sitz  und  Stimme  in  den  Ayunta- 
mientos erledigen  diejenigen  Anfragen,  welche  von  Corporationen 
oder  Alcalden  an  sie  ergehen,  und  führen  die  Aufträge  der  letzte- 
ren aus. 

Art.  90.  Die  Alcaldes  pedaneos  üben  als  Delegirte  des  eigent- 
lichen Alcalden  die  ihnen  durch  Reglement  oder  richterliche  Ver- 
fügung übertragenen  Geschäfte.  Ausserdem  geben  sie  dem  Ayunta- 
miento überall  die  erforderüche  Auskunft,  wo  es  sich  um  die  ihnen 
übertragene  Verwaltung  handelt. 

Art.  91.  Die  Alcalde  -  Secretaire  werden  vom  Ayuntamiento 
ernannt^  und  können  nur  durch  formlichen  Beschluss  und  unter  An- 
gabe der  dafür  sprechenden  Gründe  abgesetzt  werden. 

Art.  92.  In  Krankheits-  oder  Abwesenheitsfallen  oder  bei 
Suspension  des  Secretairs  ernennt  das  Ayuntamiento  zu  seiner  Ver- 
tretung ein  geeignetes  Individuum. 

Art.  93.  Der  Gouverneur  bestimmt  die  Fälle,  wo  dem  Alcalden 
ausser  der  Unterstützung  des  Secretairs  des  Ayuntamiento  noch 
ein  Privat -Secretair  gehalten  werden  soU.  Ein  solcher  wird  dann 
vom  Alcalden  nach  Beheben  angestellt  und  entlassen. 

Titel  VII. 
Das  Gemeinde-Budget. 

Art.  94.  Das  Gemeinde -Budget  soll  ein  dauerndes  sein.  Etwa 
zu  machende  Abänderungen  werden  vom  Alcalden  am  Jahresschlüsse 


257 

in  Vorschlag  gebracht^  und  dann  nur  vom  Ayuntamiento  motiyirt 
berathen. 

Art.  95.  Die  im  Budget  ausgeworfenen  Kosten  werden  in  obli- 
gatorische und  freiwillige  getheilt. 

Art.  96.    Obligatorische  sind: 

a)  Die  zur  Unterhaltung  der  Gemeinde -Grundstücke  erforder- 
lichen Summen,  und  diejenigen  für  Reparatur  des  Stadthau- 
ses (casa  consistorialis )  ^  oder  der  Miethsbetrag  für  das  Amts- 
local,  wenn  die  Gemeinde  solches  nicht  selbst  besitzt, 

b)  Gemeindebeamten- Gehalt  und  Bureaukosten. 

c)  In  den  Gemeinden  von  mehr  als  1000  Vecinos  für  die  Sub- 
scription  des  Boletin  oficial  und  die  Gazeta  de  Madrid. 

d)  Kosten  der  Schulen  und  Wohlthätigkeits- Anstalten. 

e)  Die  Kosten  der  Rekruten -Aushebung. 

f)  Der  Betrag  für  den  Druck  der  Gemeinde -Rechnungen. 

g)  Unterhaltung  der  mittellosen  Gefängnisse. 

h)  Die  Bezahlung  von  Schulden  und  rückständigen  Steuern. 
Art.  97.    Die  hier  nicht  specificirten  Unkosten  sind  freiwillige. 
Art.  98.    Die  Einnahmen  sind  ordentliche  und  ausserordentliche. 
Art.  99.     Ordentliche  sind; 

a)  Die  Einnahmen  aus  Gemeinde  -  Vermögen  und  Zöllen. 

b)  Die  Einnahmen  vom  Census  und  von  verzinslichen  Capitalien 
imd  Staatspapieren. 

c)  Die  aus  den  Geldstrafen  zufliessenden  Summen, 
e)  Alle  gesetzlichen  Auflagen  und  Abgaben. 

Art.  100.    Ausserordentliche  Einnahmen  sind: 

a)  Die  gesetzUch  ausgeschriebenen  Contributionen. 

b)  Das  Product  der  Anleihe. 

c)  Verkaufspreis  für  praedia  rustica,  urbana  und  Zölle. 

d)  Das  Capital  des  abgelösten  Census  und  der  Werth  der  ver- 
kauften Staatspapiere. 

e)  Die  aussergewöhnlichen  Holzschläge  für  ausserordentliche  Ge- 
meinde-Auflagen. 

f)  Geschenke,  Legate,  Vermächtnisse, 
g)  Jede  andere  zufällige  Einnahme. 

Art.  101.  Sind  durch  das  Ayuntamiento  die  Budgets -Verände- 
rungen berathen  und  genehmigt,  so  werden  sie  dem  Gouverneur  mit 
dem  Gutachten  des  Alcalden  übersendet. 

Art.  102.  Der  Gouverneur  kaim  jeden  Posten  der  freiwilligen 
Budget -Ausgabe  reduciren  und  verwerfen.  Vermehrungen  kann  er 
nur  im  obligatorischen  Ausgabetitel,  mit  Rücksicht  auf  gesetzliche 
Motive,  vornehmen. 

Art.  103.  Bis  zum  1  September  muss  der  Gouverneur  die  zum 
Budget  vorgeschlagenen  Veränderungen  genehmigt  haben.    Von  da 

T.  Minutoli,  Spaniea.  \J 


258 

ab  tritt  es  in  Kraft;  jedoch  darf  die  Regierung  das  Budget  in  den 
drei  ersten  Monaten  zur  nochmaligen  Prüfung  einfordern,  und  es 
dann  auch  modificiren. 

Art.  104.  Ueberschreiten  die  Gemeinde -Budgets  in  ihrer  regel- 
mässigen Einnahme  die  Summe  von  200,000  r.,  so  legt  der  Gouver- 
neur dasselbe,  eben  so  wie  bei  den  Budgets  der  Provinzial- Haupt- 
städte überhaupt,  dem  Provinzial-Conseil  vor.  Der  Durchschnitt 
der  Einnahmen  der  letzten  vier  Jahre  bildet  hierbei  den  Maasstab. 

Art.  105.  Reicht  die  Einnahme  zur  Deckung  der  Ausgabe  nicht 
hin,  so  wird  vom  Ayuntamiento  eine  ausserordentliche  Steuer  in 
Vorschlag  gebracht.  Der  Gouverneur  genehmigt  solche,  wenn  ihre 
Höhe  die  aufzubringenden  Staatssteuern  der  Gemeinde  nicht  über- 
steigt. In  letzterem  Falle,  so  wie  wenn  Gegenstände  besteuert  wer- 
den sollen,  welche  bis  dahin  abgabenfrei  waren,  muss  an  die  Regie- 
rung berichtet  werden. 

Art.  106.  Der  Alcalde  verfugt  zu  ausserordentlichen  Ausgaben 
über  den  Betrag  der  filr  dergleichen  ausgeworfenen  Summe,  und 
legt  darüber  demnächst  Rechnung. 

Art.  107.  Für  unvorhergesehene  aussergewöhnliche  Etatsaus- 
gaben wird  während  der  Etatsperiode  ein  Additional- Budget  ent- 
worfen und  höheren  Orts  zur  Prüfung  und  Genehmigung  vorgelegt. 

Art  108.  Im  Januar  jedes  Jahres  werden  die  öconomischen 
Verwaltungs- Resultate  des  vergangenen  Jahres  zusammengcsteUt, 
und  die  am  31  December  noch  schwebenden  Einnahmen  und  Aus- 
gaben übersichtlich  übertragen. 

Art.  109.  Die  Zahlungen  der  etatsmässigen  Ausgabeposten 
weist  der  Alcalde  schrifüich  an.  Der  Gemeinde -Depositarius  kann 
sich  der  Zahlung  widersetzen,  wenn  solche,  seiner  Ansicht  nach, 
etatsmässig  nicht  vollständig  gerechtfertigt  ist.  Er  muss  aber  zah- 
len, sobald  der  Alcalde  unter  seiner  Verantwortlichkeit  darauf  be- 
steht. In  solchen  Fällen  wird  an  den  Gouverneur  berichtet,  wel- 
cher nach  Anhörung  des  Provinzial-Rathes  entscheidet. 

Art.  110.  Für  neue,  bei  Aufstellung  des  Budgets  nicht  vor- 
gesehene öffentliche  Arbeiten  und  Bauten  werden  Additional-Budgets 
entworfen. 

Art.  111.  Der  Rechenschaf)» -Bericht  des  Alcalden  geht  an  das 
A3runtamiento,  und  nach  dessen  Prüfung,  mit  dem  Gutachten  des 
Syndicus  begleitet,  zurück  und  dann  an  den  Gouverneur. 

Art.  112.  Auch  der  Depositar  überreicht  seinen  mit  Belagen 
justificirten  Jahresbericht  an  das  Ayuntamiento,  von  wo  er  später 
gleichMls  dem  Gouverneur  zur  Prüfung  in  dem  Provinzial-Raihe 
vorgelegt  wird. 

Art.  113.  Die  Rechenschafts -Berichte  der  Gemeinden,  deren 
Einnahmen  mehr  als  400,000  r.  betragen,  gehen  zur  Prüfung  und 


259 

D<ßchargirung  an  die  Ober -Rechenkammer.  Auch  hier  bildet  die 
vierjährige  Durchschnittssumme  den  Maasstab  der  Höhe. 

Art.  114.  Ein  Deficit  wird  sofort  durch  die  verantwortliche 
Pierson  gedeckt.  Bei  Beschwerden  darüber  muss  der  Betrag  depo- 
nirt  und  dtr  Ober -Rechenkammer  die  Entscheidung  überlassen 
werden.  Der  Defect  wird  vom  Alcalden,  Depositar  und  Interventor 
gemeinschaftlich  ersetzt,  wenn  er  dadurch  entstanden,  dass  die  ver- 
ausgabten Summen  nicht  etatsmässig  begründet  waren,  oder  die 
Etatssumme  überschritten  haben  ohne  dass  eine  Autorisation  nach- 
gesucht oder  abgewartet  worden. 

Art.  115.  Wenn  im  Ayuntamiento  der  Rechenschafts -Bericht 
des  Alcalden  geprüft  wird,  und  es  sich  triflffc,  dass  der  letztere  den 
Vorsitz  hat,  so  wird  diesen  der  Teniente  einnehmen.  Der  Alcalde 
kann  bei  der  Verhandlung  gegenwärtig  sein;  er  muss  sich  aber  sei- 
nes Votums  enthalten,  \md  darf  bei  der  Abstimmung  nicht  gegen- 
wärtig bleiben. 

Art.  116.  Im  Falle  die  Budget -Ausgaben  sich  auf  100,000  r. 
belaufen,  werden  die  Rechenschafts -Berichte  der  Alcalden  gedruckt. 
Bei  geringeren  Summen  hängt  die  Art  der  VeröflFentlichung  von  der 
Bestimmung  des  Ayuntamiento  ab.  Jedenfalls  bleiben  die  Rechen- 
schafts-Berichte  sammt  Belägen  während  eines  Monats  im  Rath- 
hause  öffentlich  ausgelegt. 

Art.  117.  Ein  Resume  aller  Rechenschafks- Berichte  wird  im 
Boletin  oficial  der  Provinz  veröffentlicht. 

AJrt.  118.  Das  Gouvernement  wird  aUe  zur  Ausfahrung  des 
Gesetzes  nöthigen  Reglements  veröffentlichen. 

Art.  119.  Die  Regierung  vnid  etwanige  Zweifel  des  Gesetzes 
nach  Anhörung  des  Consejo  Real  interpretiren. 

Madrid,  den  1  November  1851. 

Welchen  Stoff  zu  interessanten  Vergleichen  mit  der  Preussi- 
sehen  Städteordnung  von  1808,  mit  der  revidirten  Städteord- 
nimg  von  1831  und  mit  der  Gemeindeordnung  von  1850  bietet 
die  Spanische  Gemeinde -Verfassung!  Abgesehen  von  der  eigen- 
thümlichen  Stellung  der  Ayuntamientos,  denen  neben  dem  Wir- 
kungskreise der  Preussischen  Stadtverordneten  auch  Obliegenhei- 
ten unserer  Magistrats  -  Collegien  zustehen,  ist  es  insbesondere 
die  verantwortliche  Lage  des  Alcalden,  und  dabei  seine  vollstän- 
dige Abhängigkeit  von  dem  Civil  -  Gouverneur  (Regierungs- Prä- 
sidenten), welcher,  in  Gemeinschaft  mit  dem  Provinzial-Rathe 
(Regierungs -Collegium),    die  Bevormundung  der  Gemeinden 

17" 


260 

durch  alle  Etatsbestimmungen  und  Abänderungen,  durch  die 
ganze  Verwaltung  hindurch,  von  der  Ernennung  bis  zur  Suspen- 
sion und  Auflösung  der  Beamten  und  Behörden  und  Einsetzung 
neuer,  fortfahrt,  ohne  andererseits  ermächtigt  zu  sein,  einer  mit 
Belägen  justificirten  Gemeinde -Rechnung  Decharge  ertheilen  zu 
können,  wenn  solche  die  Summe  von  400,000  r.  (27,000  Thlr.) 
überschreitet. 

Wenden  wir  uns  von  den  Gemeinde  -  Angelegenheiten  zur 
Polizei-Verwaltung. 

Die  PoHzei  in  Spanien  ist  wenig  sichtbar,  aber  darum  nicht 
weniger  aufmerksam.  Der  Zweck  der  Polizei  ist  die  Prävention. 
Um  vorbeugen  zu  können,  muss  die  Polizei  in  der  Nähe  oder 
gut  unterrichtet  sein.  Um  Alles  zu  wissen,  ist  eine  Einmischung 
in  die  öffentlichen  Angelegenheiten  nicht  unbedingt  nothwendig. 
Wo  eine  solche  unmittelbare  Einmischung  imd  eine  eigene  An- 
schauung nicht  ausfuhrbar  oder  nicht  beliebt  ist,  wird  der  Be- 
amte neben  der  ihm  beiwohnenden  Local-  und  Personalkenntniss 
auf  die  Mittheilimgen  Dritter  angewiesen  sein.  Gehen  ihm  diese 
Mittheilungen  nicht  der  Sache  selbst  wegen  und  von  ehrenhafter 
Seite  zu,  so  wird  er  sich  seine  Notizen  mittelbar  durch  solche 
verschaffen  müssen,  welche  sich  zur  Berichterstattung  nur  gegen 
Entgelt  hergeben,  und  ein  Gewerbe  daraus  nur  gegen  entspre- 
chende Bezahlung  machen  werden.  Weil  solche  Agenten  eben 
nur  gegen  Zahlung  dienen,  und  weil  der  Zahler  auch  für  seine 
Zahlung  ein  Aequivalent  verlangt  und  der  Bezahlte  seine  über- 
nommene Verpflichtung  erfiillen  muss,  so  werden  sich  in  Erman- 
gelung imzweifelhafter  Thatsachen  in  seine  Relationen  subjective 
Ansichten,  Combinationen  imd  Vermuthungen  mit  einmischen, 
wenn  sie  nicht  gar,  um  die  Dienstleistungen  des  Berichterstatters 
zu  erhöhen,  mit  Entstellungen,  Ueb  er  treibungen  und  eigenen  Er- 
findimgen  ausgestattet  werden.  Solche  Agenten  können  höchst 
gefahrüch  wirken;  und  wenn  auch  leider  ihre  Benutzxmg  durch 
die  Umstände  häufig  geboten  wird,  so  darf  doch  dabei  nur  mit 
grossester  Vorsicht  zu  Werke  gegangen  werden.  Abgesehen  da- 


261 

von,  dass  dergleichen  Individuen  in  der  Regel  desjenigen  Bil- 
dungsgrades ermangeln  werden,  welcher  erforderlich  ist,  um  die 
bestehenden  Verhältnisse ,  oder  die  bezeichneten  Persönlichkei- 
ten ,  oder  den  Sinn  belauschter  Gespräche  und  Reden  richtig  zu 
beurtheilen,  namentUch  Aeusserungen  in  ihrem  Zusammen- 
hange, in  ihren  allgemeinen  imd  besonderen  Beziehungen  richtig 
aufzufassen  und  wiederzugeben,  so  wird  man  solchen  Agenten 
niemals  ganz  freie  Hand  lassen,  weil  sie  zu  gefahrhch  wirken 
können,  und  ihren  Angaben  nur  bis  zu  einem  gewissen  Puncte 
Glauben  schenken  dürfen;  erwägend,  dass  darin  fast  immer  Täu- 
schungen untermischt  sein  werden;  entweder  Täuschungen  des 
Denuntiaten,  in  dessen  Vertrauen  sich  der  Demmtiant  zu  setzen 
gewusst,  oder  des  letzteren  selbst;  seien  sie  Selbsttäuschungen 
des  Angebers,  oder  absichthche  Täuschungen  desjenigen,  dem 
sie  hinterbracht  werden.  Leider  ist  es  leichter,  solche  Agenten 
aufzufinden,  als  sie  wieder  los  zu  werden,  imd  es  bleibt  fast  im- 
mer ein  besonderes  Glück ,  wenn  die  Behörde  nicht  auf  irgend 
eine  Weise  durch  dergleichen  Individuen  compromittirt  wird. 
Die  Spanische  Polizei-Behörde  wird  in  dieser  Beziehung  nicht 
weniger  Erfahrungen  gemacht  haben  als  die  Polizei  anderer  Län- 
der, und  in  der  Entwickelung  der  Thätigkeit  hiesiger  Agenten 
werden  die  Schattenseiten  nicht  ausgebUeben  sein,  die  sich  darin 
in  den  übrigen  Staaten  bemerkbar  gemacht  haben. 

Die  Idee  der  Englischen  Poüzei- Verwaltimg  ist  die  der  All- 
gegenwart, um  durch  die  Anwesenheit  des  Abgeordneten  der 
Obrigkeit,  durch  einen  freundlichen  Wink,  ein  ernstes  Wort, 
Verbrechen  oder  Vergehen  nicht  zur  Ausfiihrung  kommen  zu 
lassen;  im  Gegensatz  zu  der  sonst  wohl  übHchen  Auffassimg  der 
poUzeüichen  Thätigkeit,  eine  Genugthuimg  in  der  Denuntiation 
einer  mögüchst  grossen  Zahl  von  Polizei- Contraventionen,  imd 
in  der  Bestrafung  möglichst  vieler  Contravenienten  zu  suchen. 
Jenes  Vorbild  der  Englischen  Poüzei,  an  deren  Uebertragimg  in 
die  Residenzstadt  meines  Vaterlandes  meinen  Antheil  zu  haben 
ich  mich  freue,  ist  seit  1848  auch  von  Paris  adoptirt  xmd  weiter 
über  Europa  verbreitet  worden.    Auch  die  Spanische  Polizei  er- 


262 

scheint  hiemach,  wenigstens  in  Madrid,  Barcelona  und  anderen 
Städten,  von  besonderer  Bedeutung,  wenn  auch  nicht  in  so  gros- 
ser Anzahl  um  die  Stadttheile  im  regelmässigen  Turnus  unaus- 
gesetzt abpatrouillirenzu  können,  so  doch  in  ihrer  Thätigkeit 
überhaupt;  insbesondere  in  ihrer  Beweglichkeit  einer-,  in  der 
ernsten  Haltung  und  Höflichkeit  andererseits,  und  endüch  in 
ihrer  Umsicht  imd  Entschlossenheit,  wenn  es  darauf  ankonunt 
zu  handeln,  —  im  Allgemeinen  ähnUch  der  Englischen  Schutz- 
mannschaft, imterstützt  wie  ausser  England  in  keinem  Lande 
Europas  durch  die  Achtung  vor  dem  Gesetz,  wie  sie  in  Spaiüen 
in  der  grossen  Mehrzahl  der  Bevölkerung  heimisch  ist.  Es  ist 
richtig,  dass  es  in  Spanien  nicht  zu  den  Seltexiheiten  gehört,  Ver- 
wundete oder  Getödtete  auf  der  Strasse  zu  finden.  Dies  sind 
aber  nicht  die  Opfer  von  Raubmördern,  sondern  jener  Leiden- 
schafüichkeit,  welche  in  ihren  unbezähmbaren  Ausbrüchen  der 
Wuth  sich  der  Klinge  statt  der  Faust  bedient  Solche  Auftritte 
wird  auch  die  wachsamste  PoHzei  niemals  ganz  zu  verhindern 
vermögen,  da  zur  Ausfuhrung  die  Einsamkeit  und  Dunkelheit 
gewählt  zu  werden  pflegt,  und  dem  Gedanken  in  der  Regel  die 
Ausfiihrung  umnittelbar  folgen  wird.  Die  Spanische  ambulai^te 
Polizei  tritt,  wie  in  England,  wenig  störend  und  sich  einmischend 
in  die  Lebendigkeit  des  öffentüchen  Verkehrs  auf,  und  da,  wo 
grosse  oder  aufgeregte  Massen  versammelt  sind,  hat  sie  fiir  hin- 
reichenden militairischen  Rückhalt  und  Unterstützung  gesorgt^ 
um  im  äussersten  Fall  das  Feld  behaupten  zu  können.  Für  solche 
Eventualitäten  bestehen  in  den  Hauptstädten  Spaniens  sehr 
zweckmässige  Dispositionen,  wonach  für  alle  Stadttheile  ausrei- 
chende Truppemmterstützung  consignirt  ist,  ohne  dass  das  Pu- 
bUcum  durch  sichtbare  Vorsichtsmassregeln  beunruhigt  würde, 
welche  nur  dann  entwickelt  werden ,  wenn  einer  sich  bildencien 
Aufregung  gegenüber  gezeigt  werden  soll,  dass  man  zum  En^- 
pfange  gerüstet  und  vorbereitet  ist.  Madrid  ist  zu  diesem  Behuf 
in  sechs  Mihtair-Commandantschaften  eingetheilt;  und  ausser- 
dem wird  dort,  wie  in  den  Provinzial- Hauptstädten,  jeden  Mor- 
gen durch  das  Wochenblatt  zur  öfTentUchen  Kenntniss  gebracht. 


263 

welche  Truppentheile  für  den  Tag  den  Dienst  in  den  Theatern, 
Hospitalern,  für  die  Ronden  etc.  haben,  an  welchen  Commandan* 
ten  des  Tages  man  sich  erforderlichen  Falles  zu  wenden  habe. 
Endlich  hat  eine  Abtheilung  jeder  Cavallerie-Escadron  abwech- 
selnd gesattelt,  so  dass  jeden  Augenblick  bei  Tag  und  Nacht  Ca- 
vallerie  zum  Ausrücken  bereit  ist. 

Die  Tracht  der  Spanischen  Polizei- Maimschaften,  wie  ihre 
ganze  Haltung  ist  militairisch.  Sie  sind  mit  Seitengewehren  ver- 
sehen, und  fuhren  in  Madrid  schwarze  Nummern  auf  dem  gelben 
Uniformskragen.  Der  auf  beiden  Seiten  aufgeschlagene  Hut  wird 
quer  getragen,  damit  die  Spitze  nicht  dem  freien  Blick  hinderlich 
ist  Wahrhaft  imponirend  ist  in  der  Residenz  die  berittene  Gen- 
darmerie, in  ihren  vergoldeten  Helmen  mit  rothem  Schweif  und 
Busch,  grüner  Uniform,  weissen  Stulphandschuhen,  engen  weis* 
sen  Tuchunterkleidem  und  hohen  Stulpenstiefeln.  Ihre  Pferde 
sind  gross  und  tüchtig,  die  Waffen,  Riemen-  und  Sattelzeug  im 
besten  Stande,  und  der  ganze  Anzug  von  derselben  Sauberkeit 
und  Ordnung,  wie  sie  dem  Fremden  in  der  Bekleidung  der  Spa- 
nischen Armee  überraschend  entgegen  tritt. 

Unter  den  verschiedenen  Gattungen  der  Spanischen  execu- 
tiven  FoUzei-Organe  steht  mit  Recht  die  Guardia  civil  obenan; 
ein  Truppe,  so  ausgezeichnet  in  ihrer  Thätigkeit  und  durch  den 
moralischen  Eindruck,  den  sie  in  der  ganzen  Monarchie  behaup- 
tet hat,  dass  ich  zu  ihrem  Lobe  nicht  mehr  sagen  kann^  als  dass 
ich  sie  in  allen  Beziehungen  der  Preussischen  Land-Gendarmerie 
an  die  Seite  stelle.  Dieselbe  feste  militairische  Haltimg;  dieselbe 
musterhafte  Disciplin;  dieselbe  unermüdliche  Thätigkeit  und 
Hingebung  im  Dienst;  dieselbe  Unerschrockenheit,  Entschlossen- 
heit und  Energie  des  Handelns;  dieselbe  durch  Local-  und  Per- 
sonalkenntniss,  durch  Umsicht,  Talent  und  Erfahrung  geläuterte 
praktische  Gewandtheit! 

Diß  Guardia  civil,  eine  der  verdienstlichen  SohöpAmgen  des 
General  Narvaez,  ward  durch  Königliches  Decret  vom  13  April 
1844  gegründet,  und  durch  die  Verordnungen  vom  12  JuB  1846 
ui\d  6  October  1847  nach  ihrer  jetzt  bestehendem  Einrichtung  In 


264 

Thätigkeit  gesetzt.  Unter  dem  Kriegs -Ministerio,  als  militairisch 
organisirte  und  disciplinirte ,  aus  gedienten  Soldaten  exemplari- 
scher Fühnmg  zusammengesetzte  Truppe,  stehend,  ist  dieselbe 
ihrer  Bestimmung  nach  den  Civil-Provinzial- Gouverneuren  über- 
wiesen, um  die  Sicherheit  der  Landstrassen  aufrecht  zu  erhalten, 
die  Verfolgung  von  Verbrechern,  den  Transport  von  Verhafteten 
auszufahren,  und  für  Ruhe  und  Ordnung  überhaupt  zu  sorgen. 
Die  Guardias  bestehen  aus  kräftigen,  in  den  besten  Jahren  be- 
findhchen,  schönen  Männern,  welche  mit  Auszeichnung  ihrer  Mi- 
litairpflicht  genügt,  niemals  eine  Strafe  erhalten  haben;  welche 
lesen  und  schreiben  können,  und  sich  als  umsichtige,  verschwie- 
gene und  muthige  Soldaten  bemerkbar  gemacht  haben.  Man 
sieht  bei  der  Auswahl  auch  auf  Erziehung  und  äussere  Gewandt- 
heit Sie  melden  sich  selbst  zum  Eintritt.  Ihre  Besoldung  ist 
sehr  bedeutend.  Der  Mann  erhält  8  r.  (16^  Sgr.),  der  Unteroffi- 
zier 10  r.  täglich.  Die  Uniform  beschaflfen  sie  selbst,  zu  welchem 
Zweck  Kleiderkassen  angelegt  und  eventuell  Vorschüsse  darauf 
bewilligt  werden.  Das  Corps  besteht  aus  6200  Infimteristen  und 
1600  Cavalleristen ;  die  Unterhaltungskosten  betragen  jährlich 
28,000,000  r. 

Die  Infanterie  ist  in  49  Compagnien,  die  Cavallerie  in  1 1  Es- 
cadrons  getheilt.  Unter  einem  General-Inspector  und  Inspections- 
Secretair  mit  dem  Titel  eines  Oberst-Lieutenants  sind  aus  dem 
Corps  13  Detaschements  (tercios)  gebildet.  Diese  sind  nach- 
stehend distribuirt: 

I.  fiir  Neu  -  Castilien  besteht  die  Abtheilung 

aus  7  Comp.  Infant,  und  2    Escadr.  Cav. 

l>  »  »        1^  » 

»  »  »1  » 

»  »  »1  Section 

»  »  »     1  Escadr. 

»  »  »     1  » 

1»  »  »     1  » 

»  »  *     i         * 


n. 

» 

Catalonien        » 

4 

III. 

» 

Andalusien      » 

4 

IV. 

» 

Valencia          » 

5 

V. 

» 

GaHcien            » 

4 

VI. 

» 

Aragon             » 

3 

VIL 

9 

Granada           » 

4 

VIII. 

» 

Alt- Castilien    » 

7 

IX. 

» 

• 

Estremadura    » 

2 

265 

X.  für  Navarra         aus  1  Comp.  Infant,  und  ^  Section  Cavall. 
XI.     »    Burgos  »     4       »  »       »     ^  Escadr.       » 

Xn.     »    die  Basken      »     3       »  »       »     1  Section       » 

Xni.     »    die  Balearen    »     1       »  » 

Die  Guardias  sind  in  Stationshäusem  über  ihren  District 
vertheilt,  ähnlich  wie  in  ganz  Irland  die  Constabulary-force,  um 
sich  gegenseitig  unterstützen  zu  können.  Diese  Stationshäuser 
sind  nothdürftig  zur  Vertheidigung  eingerichtet  und  mit  Schiess- 
scharten versehen.  Die  Uniform  der  Infanterie  besteht  in  einem 
Waifenrock  von  dunkelblauem  Tuche,  mit  geschlossenem  rothen 
Kragen;  Futter  und  Aufschläge  des  Rockes  sind  roüi;  in  den 
Zipfeln  der  Leibröcke,  welche  zur  Parade  getragen  werden,  be- 
finden sich  weisse  Löwen  und  Thürme  gestickt.^  Auf  den  Schul- 
tern werden  weisse  leinene  Rundschnur-Litzen  getragen;  weisse 
Wappenknöpfe,  mit  den  Buchstaben  G.  C.  Blaue  Beinkleider  mit 
rother  Biese,  und  dunkelen  hohen  Tuchkamaschen  fiir  den  Win- 
ter; weisse  leinene  Beinkleider  fiir  den  Sommer.  Grosser  Rad- 
mantel von  grünem  Tuch  mit  rothem  Kragen  und  Wachstuch- 
Regenkragen  im  Sommer;  doppelt  aufgesclilagener  Hut,  rings- 
herum mit  weisser  Tresse  besetzt.  Die  CavaUerie  trägt  dieselbe 
Uniform,  und  mit  Leder  besetzte  Beinkleider,  hohe  Reiterstiefeln. 
Der  Mantelkragen  schüesst  am  Halse  mit  starker  Kupferkette 
und  Haken.  Auf  der  Brust  hat  die  Uniform  zwölf  Knöpfe,  in  der 
Taille  und  Schössen  acht.  Sattelzeug  und  Pistolenhalfler  kom- 
men denen  der  Preussischen  Ulanen  am  nächsten.  Die  Pferde 
werden  mit  Sorgfalt  ausgesucht  und  theuer  bezahlt;  sie  sind 
grösser,  als  man  sie  in  den  CavaUerie -Regimentern  findet.  Die 
Waffen  der  Infanterie  bestehen  in  Gewehr,  Bayonnett  und  Säbel; 
die  der  CavaUerie  in  Carabiner,  Bayonnett,  Pistolen  und  PaUasch, 
an  breitem  gelben  Lederzeug  mit  Namenszug  imd  Krone  auf  gel- 
bem Messingschüd. 

Man  begegnet  auf  den  Hauptlandstrassen  Tag  und  Nacht  den 
PatrouiUen,  welche  in  je  zwei  Stimden  aufeinander  folgen.  Bei 
imsicheren  Wegestrecken  begleiten  sie  die  Dihgencen  oder  ein- 
zelne Reisende.     Man  erzählt  eben  so  schöne  Züge  von  ihrer 


1 


266 

Menschenfreundlichkeit,  mit  cler  sie  besonders  bei  Wassersgefiüi- 
ren  und  Unfällen  bis  zur  Aufopferung  Hülfe  geleistet  haben,  als 
von  ihrem  Muthe  beim  Zusammentreffen  mit  Wegelagerern  und 
Räubern.  Ihrer  Dienst- Instruction  nach  sind  sie  bei  Strafe  der 
Disciplinar- Untersuchung  genöthigt,  bei  Ueberfallen  von  R&u- 
bem,  selbst  wenn  sie  die  Schwächeren  sind,  anzugreifen  und  von 
ihren  Waffen  Gebrauch  zu  machen.  Niemals  sind  sie  zu  ver- 
mögen, für  Dienstleistungen  freiwillig  angebotene  Geschenke  an- 
zunehmen. Bei  der  Errichtung  des  Corps  wurde  dasselbe  mit 
Misstrauen  imd  Widerwillen  in  den  Provinzen  aufgenommen. 
Dass  die  öffentUche  Meiniuig  sich  so  vollständig  günstig  um- 
geändert hat,  verdankt  dasselbe  dem  eigenen  Verdienste.  Ord- 
nung und  Sicherheit  herrschen  im  Lande,  denn  die  vereinzelt 
vorgekommenen  Raubanfalle  der  Dihgencen  bilden  nur  seltene 
Ausnahmen;  und  würde  selbst  eine  verdoppelte  Aufsicht  und 
eine  neue  Vermehrung  der  Patrouillen  keine  Bürgschaft  für  das 
gänzliche  Aufhören  gewähren,  da  die  wenig  bewohnten  Land- 
strecken, besonders  in  Fels-  und  Waldgegenden,  den  Versteck 
imd  die  Flucht  der  Räuber  eben  so  sichern ,  als  sie  den  Ueber- 
fall  erleichtem. 

Im  Jahre  1846  hatten  die  Guardias  civiles  18,429  Verbre- 
cher und  Vagabunden  verhaftet,  1847  21,641,  im  Jahre  1848 
20,000,  1849  14,000,  im  Jahre  1850  8200.  Im  Jahre  1845  waren 
auf  den  Landstrassen  29  Fälle  von  Strassenräubereien  vorgefal- 
len, 1846  nur  10,  1847  deren  14,  1848  nur  10,  1849  nur  8,  1850 
nur  6.  Man  sieht  hieraus,  dass  die  öffentliche  Sicherheit  zuge- 
nommen hat 

In  Catalonien  besteht  noch  eine  besondere  e^genthfimliche 
Polizeimacht.  Es  sind  die  Mozos  de  la  escuadra  de  Cata- 
luna.  Auf  Grund  des  Gesetzes  vom  23  October  1825  bestimmte 
König  Ferdinand  VII,  dass  dies  Corps  in  den  Militair-Etat  mjt 
angenommen  werden  sollte.  Am  21  April  1719  errichtet,  ward 
es  durch  Decret  vom  6  April  1817  dem  General- Capitain  von 
Catalonien  zur  ausschliesslichen  Disposition  überwiesen.  Es  be- 
steht aus  14  Unterofficieren  und  250  Mozos,  welche  s^uJf  die  zum 


367 

Provinzial-Cominaiido  gehörigen  Departements  vertheilt  sind. 
Der  Zweck  der  Truppe  betrifft  die  sicherheitspolizeiliche  Ueber- 
wachung  und  Verfolgung  von  Verbrechern ,  so  wie  die  Ermitte* 
lung  von  Verbrechen.  Sie  leisten  Vorzügliches;  sie  haben  überall 
Freunde  und  Zuträger;  sie  besitzen  genaue  Localkenntnisse  und 
wissen  durch  Gewandtheit  \md  Unerschrockenheit^  häufig  durch 
glückUche  Verkleidungen,  Verbrecher  irre  zu  fuhren,  zu  überra- 
schen und  zu  verhaften.  Wenn  auch  nicht  die  monatlichen  amt- 
lichen Veröffentlichungen  Zeugniss  gäben  von  der  erspriess- 
liohen  Thätigkeit  der  Guardias  civiles  xmd  der  Mozos  4©  escua- 
dra  in  Entdeckung  von  Verbrechen  und  Verhaftung  der  Uebel- 
thäter,  so  würden  doch  die  Dienstleistungen  beider  nicht  weniger 
anerkannt  sein  im  Publicum,  welches  seit  einer  Reihe  von  Jahren 
Zeuge  der  Haltung  und  Handlungsweise  dieser  Beamten  war. 
Darum  haben  auch  die  Angriff*e,  welche  im  December  1851  in 
den  Cortes  gegen  die  Mozos  erhoben  wurden,  keinerlei  Anklang 
gefunden.  Die  Uniform  der  Mozos  besteht  in  einer  kurzen  run- 
den dunkelblauen  Jacke,  mit  rothem  Kragen,  mit  Silbertresse 
eingefasst,  und  bogenförmig  aufsteigenden  runden  weissen 
Knöpfen  besetzt,  welche  das  Wappen  der  Provinz  mit  der  Um- 
schrift Escuadra  de  Cataluna  tragen.  Der  runde  schwarze  Filz- 
hut ist  auf  einer  Seite  aufgeschlagen,  mit  Silbertresse  eingefasst 
und  festgehalten.  Sie  tragen  im  Sommer  hellblaue  oder  graue 
Leinen- Beinkleider:  im  Winter  weite  blaue  Tuchhosen,  und 
einen  weiten  blauen,  roth  gefütterten  Mantel  mit  weissen  Bran- 
denburgs, rothem  Kragen,  und  in  Seide  gesticktem  Oelzweig  und 
Wappen.  Der  Mantel  hängt  über  der  linken  Schulter.  An  den 
Füssen  tragen  sie  Sandalen.  Ihre  Waffen  sind  ein  Gewehr  und 
an  weissem  Bandelier  ein  breiter  kurzer  Säbel. 

Die  Provinz  Valencia  hat  mit  sehr  günstigem  Erfolge  aus 
Provinzial- Fonds  eine  Brigade  von  Mozos  de  la  escuadra  zur 
Unterstützung  der  Sicherheits  -  Polizei  errichtet. 

Gleiche  Ursachen  werden  überall  gleiche  Wirkungen  her- 
vorbringen ,  und  zur  Erreichung  gleicher  Zwecke  werden  in  der 
Regel  gleiche  Mittel  angewendet  werden.     Sind  auch  die  Natio- 


268 

nalitäten  in  ihrer  Eigenthümlichkeit ,  welche  die  Gesammtheit 
bewahrt,  verschieden;  das  Individuum  in  seinen  Neigungen  und 
Gelüsten,  in  seinen  Vergehen  und  seinen  Verbrechen,  in  seiner 
Entschuldigung,  Beschönigung  und  Vertheidigung  —  also  der 
angeklagte  schuldige  Mensch  vor  dem  Richter  —  wird  im  We- 
sentUchen  immer  derselbe  sein,  der  Polizei -Beamte  mithin,  wel- 
cher Menschenkenntniss  und  Erfahrung  besitzt,  im  Allgemeinen 
überall  gleich  operiren.  Deshalb  ist  auch  das  polizeiUche  Unter- 
suchungs-Verfahren, sei  esPoHzei-Contraventionen  oder  Criminal- 
Verbrechen  gegenüber,  in  Spanien  dasselbe  wie  in  Deutschland, 
England  oder  Frankreich.  Die  Spanische  Ordnungs-,  Sicher- 
heits-,  Medicinal-,  Sitten-  und  Gewerbe -Polizei,  welche  von  der 
höheren  oder  politischen  Polizei  vollständig  getrennt  ist,  beruht 
grossentheils  auf  dem  Reglement  vom  20  Febniar  1822  und  auf 
dem  Königlichen  Decret  vom  20  Januar  desselben  Jahres.  Die 
Sicherheits-Polizei  hat  seit  der  jetzigen  Repräsentativ-Verfas- 
sung  in  mancher  Hinsicht  organische  Veränderungen  erfahren.  In 
Madrid  vertritt  der  Gefe  pohtico,  in  den  Provinzen  die  Provinzial- 
Civil- Gouverneure  die  vom  Staate  auvSgeübte  PoHzei,  denen  die 
zur  Ausfahrung  erforderlichen  Executiv  -  Beamten  zugewiesen 
sind.  Dem  Ayuntamiento  verbleibt  die  Local-Polizei,  in  so  weit 
sie  die  Gesundheit,  Wohlfahrt,  Sicherheit,  Ordnung  und  Ver- 
schönerung betrifft..  Die  Polizei -Gesetze  sind  danach  theils  all- 
gemeine von  der  Regierung  erlassene  Ge-  und  Verbote,  theils 
örtliche  Verordmmgen  oder  Bandos.  Die  Veröffentlichung  ge- 
schieht durch  die  Amts-,  Provinzialblätter,  Diarien  oder  durch 
öffentlichen  Ausruf  und  Anschlag  im  Rathhause.  Wie  in  den 
meisten  Europäischen  Staaten,  so  stellt  sich  auch  in  Spanien  das 
Bedürfiiiss  nach  einem  kiu-z  imd  klar  gefassten  Hülfsbüchlein 
zur  Belehrung  und  Instruction  der  ambulanten  Beamten,  und 
nach  einem  Poüzei-Codex,  nach  Materien  geordnet,  als  sehr  wün- 
schenswerth  heraus.  Das  Instructions -Büchlein,  welches  der 
EngUsche  Constabler,  obgleich  er  es  in  der  Vorbereitungsschule 
auswendig  gelernt  hat ,  immer  bei  sich  tragen  muss ,  bietet  für 
den  Executiv- Beamten  einen  guten  Halt.     Die  poUzeilich  zuer- 


269 

kannten  Geldstrafen  können  im  Falle  der  Mittellosigkeit  des  Con- 
travenienten  in  eine  Gefängnisstrafe  verwandelt  werden,  welche 
jedoch  eine  Haft  von  vierzehn  Tagen  nicht  übersteigen  darf.  Bei 
höheren  Strafinaassen  werden  dem  Richter  die  instmirten  Acten 
zur  Entscheidimg  übersandt.  Die  AHmentation  der  in  den  PoHzei- 
Geßmgnissen  Detinirten  übernimmt  das  Ayuntamiento  nur  bei 
notorischer  Mittellosigkeit  des  Verhafteten. 

Was  die  Handhabung  der  Ordnungs-Polizei  anbetrüSt^ 
so  befindet  sich  das  Meldewesen  und  die  Pass-Polizei,  als 
dazu  gehörig,  in  sehr  guter  Ordnung.  Die  Seelenhsten  in  allen 
Gemeinden  sind  auf  zweckmässige  Weise  angelegt;  Ab-  und 
Zugänge  und  alle  eingetretenen  Veränderungen  werden  über- 
sichtlich nachgetragen;  Register  mid  alphabetisch  fortlaufende 
Namensverzeichnisse  erleichtem  die  ControUe.  Jede  Verände- 
rung des  Hausstandes  muss  sogleich  amtUch  gemeldet  werden. 
Fremde  sind  verpflichtet,  Aufenthaltskarten  zu  lösen  und  solche 
von  Zeit  zu  Zeit  persönhch  zu  erneuern.  Die  Pässe  werden  zum 
Visiren  persönUch  der  Poüzei  vorgelegt,  nachdem  solche  durch 
die  betreffenden  Consuln  beglaubigt  sind.  Man  darf,  wenn  man 
nicht  Unannehmlichkeiten  ausgesetzt  sein  will,  sich  nicht  auf 
wenige  Meilen  aus  seinem  Wohnorte  entfernen,  ohne  Pass  oder 
sonstige  Legitimations-Papiere  bei  sich  zu  führen,  denn  die  Guar- 
dias  civUes  sind  auf  ihren  Patrouillen  eben  so  aufmerksam  auf 
Fremde,  als  streng  in  der  Befolgung  ihrer  Instructionen  in  Be- 
treff unlegitimrrter  Personen.  Bei  der  wegen  der  bestehenden 
Consumtions- Steuer  sehr  strengen  Thor-Controlle  ist  es  leicht^ 
die  Aufsicht  auf  Fremde  zu  verschärfen.  Zur  Zeit  eines  Belage- 
rungs  -  oder  Kriegszustandes  ist  die  Ertheilung  der  Pässe  noch 
grösseren  Formalitäten  unterworfen. 

Die  Feuer-Polizei  ist  überall  organisirt.  Da  die  Häuser 
alle  massiv,  fast  nirgends  Holztreppen  angebracht  sind,  da  nicht 
helle  Holzfeuer,  keine  Oefen,  selten  Eanüne  und  auf  den  Küchen- 
herden nur  kleine  Kohlenfeuer  gehalten  werden,  so  sind  Feuers- 
brünste sehr  selten.   Die  Schornsteine  werden  nicht  regelmässig, 


270 

sondern  ausnahmsweise ,  wie  es  den  Hausbesitzern  gelegen  ist^ 
gereinigt.  Für  den  Fall  eines  Brandes  würde  die  Rettung  der 
Menschen  grosse  Schwierigkeiten  haben,  weil  die  Häuser  sehr 
hoch,  mit  einer  einzigen  xmd  meistentheils  schmalen  Treppe  ver- 
sehen sind,  wenn  nicht  die  Fenster,  als  eben  so  viele  Balcon- 
thüren,  es  erleichterten,  von  aussen  hinauf  und  von  innen  hinaus 
zu  steigen  um  Sachen  imd  Personen  in  Sicherheit  zu  bringen. 
Ausserdem  befinden  sich  aber  in  den  meisten  Häusern  laufende 
Brunnen  oder  Wasser -Reservoire,  aus  denen  das  Wasser  durch 
Pumpwerke  in  alle  Etagen  geleitet  wird,  so  dass  beim  Entstehen 
eines  Brandes  gewöhnlich  Wasser  in  der  Nähe  ist.  Nichts  desto 
weniger  haben  die  Städte,  je  nach  ihrer  Grösse,  Vermögen  oder 
feuergefahrlichen  EtabUssements,  ihre  Spritzen,  Wasserwagen, 
Retttmgsleitem  und  eine  Instruction,  nach  welcher  bei  eintreten- 
der Gefahr  die  städtischen  Polizei-Beamten,  und  gewöhnlich  auch 
die  Wasserträger  und  Verkäufer  verpflichtet  sind,  sich  sofort  an 
den  bedrohten  Punkten  einzufinden.  Gewisse  Kirchthürme  müs- 
sen mit  gedämpften  Glocken  die  Gefahr  und  den  Stadttheil,  wo 
es  brennt,  den  Bewohnern  verkündigen.  Durch  Prämien  werden 
diejenigen  Spritzen  belohnt,  welche  sich  zuerst  auf  der  Brand- 
stätte einfinden.  Das  Militair  leistet  durch  Absperrung  der 
Strassen  und  Bewachung  der  geretteten  Sachen  Hülfe.  Es  ist 
gerade  eine  Reorganisirung  der  executiven  Feuer- Polizei  für 
Madrid  im  Werke ;  insbesondere  sollen  portative  Spritzen  imd 
Rettungs  -  Colonnen ,  nach  dem  Muster  der  französischen  Pom- 
piers,  eingeführt  werden.  Ich  habe  in  Guadalajara  den  Hebun- 
gen der  Rettungs-Mannschaften  xmd  Pompiers  zugesehen,  welche 
unter  Anleitung  des  Directors  der  Militair- Schule,  des  Haupt- 
manns Aparici,  für  diesen  Dienst  ausgebildet  werden.  Die  jun- 
gen Leute  leisteten  sehr  Tüchtiges,  wiewohl  sie  hinsichts  der 
raschen  Ausfahrimg  der  Manöver  noch  sejir  hinter  der  Berliner 
Rettungs  -  Colonne  zurückbleiben.  Das  Material,  wie  ich  es  in 
den  Probespritzen ,  Wagen  und  Schläuchen  gefunden,  war  vor- 
trefflich. Mir  erschien  die  Construction  der  Steigleiter  jedoch 
nicht  so  zweckmässig  als  diejenige,  welche  bei  ims  angewendet 


271 

wird.  Die  hier  angewandte  Steigleiter  ist  11  Fuss  lang,  einen 
FusB  breit,  und  hat  oben  ein  Gelenk,  mittelst  dessen  die  beiden 
obersten  Füsse  der  Leiter,  wenn  ihr  der  Widerstand  der  Haus- 
mauer fehlt,  also  wenn  sie  ein  Fenster  oder  eine  Vertiefung  er- 
reicht hat,  nach  rückwärts  überschlägt  und  sich  dort,  mittelst 
der  an  den  äussersten  Enden  befindlichen  starken  Haken,  den 
nächsten  Stützpunkt  sucht,  um  dem  Rettungsmann  die  Gelegen- 
heit zu  bieten,  daran  sicher  hinauf  zu  steigen.  Für  einzelne  be- 
sondere Fälle  mag  diese  Einrichtimg  sich  als  praktisch  bewäh- 
ren ;  im  AUgmeinen  werden  die  Haken  an  der  geraden  unbeweg- 
lichen Leiter  dieselben  Dienste  thun,  und  werden  die  letzteren 
vorzuziehen  sein,  weil  sie  um  vieles  leichter  imd  besser  zu  re- 
gieren sind,  als  jene,  bei  denen  sich  der  Schwerpimkt  durch  das 
Zurückschlagen  so  wesentlich  und  zum  Nachtheil  des  Trägers 
verändert,  dass  es  ihm,  selbst  wenn  er  sich  anbindet,  oft  tmmög- 
lich  wird,  die  Leiter  von  einer  unbequemen  Stellung  aus,  allein, 
über  sich  hinaus  in  die  höhere  Etage  zu  dirigiren.  Gewiss  ist 
auch  für  den  Fall  des  Gelingens  eine  grössere  Anstrengung  und 
eine  bei  weitem  grössere  Gefahr  fftr  den  Rettungsmann  damit 
verbunden,  abgesehen  von  dem  bedeutenderen  Zeitverlust,  der 
doch  gerade  bei  solchen  Gefahren  seine  besonderen  Bedenken 
hat  Auch  der  Pariser  Rettungssack  ist  vom  Hauptmann  Apa- 
rid  mit  eingeführt. 

Zur  Deckung  der  durch  Feuersbrunst  vernichteten  Grund- 
stücke und  Mobiliar -Vermögen  bestehen  in  Spanien  eine  Menge 
von  Assecuranz- Gesellschaften,  welche  sämmtlich  sehr  gute  Ge- 
schäfte machen.  Die  Beiträge  sind  äussert  gering,  und  werden 
in  vielen  Gesellschaften  al^ährhch  Dividenden  vertheilt.  Diesei^ 
Assecuranz -Gesellschaften  sind  in  Madrid:  la  Sociedad  de  se« 
guros  contra  incendios  de  casas  en  Madrid ;  la  MutuaUdad ;  Com- 
pania  de  seguros  mutuos  contra  incendios ;  la  del  Iris ;  la  gene- 
ral  de  seguros ;  el  Ancora.  Die  Gesellschaften  disponiren  über 
grosse  Capitalien;  sie  stehen  ganz  selbstständig  da,  und  haben 
der  Regierung  nur  ihre  Statuten  einzureichen.  In  den  Hafen- 
städten findet  man  insbesondere  dergleichen  Assecuranz -Gesell- 


272 

Schäften,  die  alles  Mögliehe  versichern.  So  in  Barcelona  bei- 
spielsweise die  Compania  Catalana  general  de  seguros,  1845  ge- 
gründet, für  Schiffe,  Ernten,  Feuersgefahr,  Lebensversicherung, 
MiUtair -Vertretung  —  die  Sociedad  de  navigacion  y  industria^ 
1833  mit  einem  Capital  von  800,000  Duros  gegründet,  zum  An- 
kauf von  fünf  Dampfschiffen  zur  Küstenfahrt  von  Marseille  nach 
Cadiz  —  die  Compania  Barcelonesa  de  seguros  maritimos,  im 
Jahre  1838  mit  einem  Capitale  von  250,000  Duros  —  die  Socie- 
dad Catalana  del  aliunbrado  por  gas,  1840  mit  einem  Capitale 
von  240,000  Duros  —  Compania  general  Espaiiola  de  seguros, 

1841  mit  einem  Capitale  von  41  Millionen  Realen  gegründet  für 
Feuers-,  Wassergefalir  und  MiUtair -Vertretung  —  Sociedad  de 
veterano  y  de  camino  de  hierro  de  San  Juan  de  las  Abadesas, 

1842  mit  einem  Capitale  von  18,240,000  r.  zur  Ausbeutung  der 
Steinkohlenlager  von  Suroca  und  Ogaso  bestimmt  —  Sociedad 
de  las  aguas  de  la  Puda,  mit  150,000  Duros  zur  Benutzung  der 
Heilquelle  gestiftet  —  Compania  Iberica  de  seguros,  mit  einem 
Capitale  von  60  MilUonen  Realen  im  Interesse  der  Landwirth- 
schaft  —  Sociedad  del  camino  de  hierro  de  Mataro,  1845  mit 
20  Millionen  gegründet  —  Compania  agricola  Catalana,  mit 
9  Millionen  für  Gärten,  Pflanzen,  Hausthiere,  Milch  und  Butter- 
bereitimg durch  Prämien  sorgend  —  la  Espana  industrial,  So- 
ciedad anonima  fabril  y  mercantil,  1847  gestiftet,  Besitzerin  der 
höchst  interessanten  Baumwollenfabrik  -  Etablissements  in  Sans, 
Saria  und  Sabadell.  Die  Barcelonaer  Assecuranz-Gesellschaften 
für  Wasserreisen  erheben  massige  Procentsätze ;  sie  richten  sich 
jedoch  bei  vielen  Versicherungen  nach  der  Zeit  der  Reise,  indem 
bei  Reisen  nach  Cuba,  Südamerica  xmd  nach  den  Antillen  \  pro- 
cent  mehr  erhoben  wird,  wenn  die  Zeit  der  Aequinoctialstürme 
w^ährend  der  Fahrt  fallt.     Es  werden  entrichtet: 

nach  Valencia  ....  \  proc.  nach  Gibraltar \  proc 

»     Alicante  ....  -1     »  »     Cadiz \     » 

»     Almeria  ....  \     »  »     Sevilla 1        » 

»     Motril %     »  »     Ferrol 1^     » 

9    Malaga \     »  »    Santander  ....  1^     » 


273 

nach  San  Sebastian .  .  If  proc.     nach  Bayonne 1^  proc. 

»     Canarias 1        »  »     Bordeaux 1-|     » 

»     Puerto  -  Rico  ..  .  1^     »  »     England,  Canal .  l^     » 

»    Puerto  de  Cuba  1^     »  »     Charlestown .  .  .  l^     » 

»    Filippinen 4       »  »     New -Orleans  . .  1^     » 

»     Triest 1^     »  »     Brasilien,  Rio  .  .  l^     » 

»     Marseille ^     *  •     Montevideo  1| — 2        » 

»     Genua ^     »  »     Buenos  Ayres  2 — 3^     » 

»    Livomo ^     »  »     Norwegen 1^     » 

»     Sicilien 1        »  »     Stille  Meer  .   3 — 3-1     » 

»     Neapel 1        »  »     Lucia  bis  S.  Blas  3-1-4      » 

Ostsee  ....  24  proc. 
Die  Bau-Polizei  wird  nicht  so  strenge  gehandhabt  wie  in 
Deutschland,  wo  die  Sorge  fiir  die  öffentliche  Sicherheit  eine  ge- 
naue Prüfimg  der  Baupläne,  namentiich  in  feuerpolizeilicher  Be- 
ziehung, vorangehen  lässt,  während  die  Ausfuhrung  selbst  un- 
ausgesetzt bis  zur  Vollendung  beaufsichtigt,  und  selbst  das  Be- 
wohnen erst  nachdem  das  Mauerwerk  vollständig  ausgetrocknet 
ist,  gestattet  wird.  Auch  der  äussere  Anstrich  der  neuerbauten 
Häuser  ist  an  vielen  Orten  in  Deutschland  Beschränkungen  in 
der  Wahl  der  Farben  imterworfen.  In  Spanien  wird  weder  der 
Geschmack  noch  die  Freiheit,  nach  Belieben  den  Bau  im  Innern 
auszuführen,  beschränkt.  Nur  in  den  ProviQzial- Hauptstädten 
bestehen  Pläne ,  wonach  bei  Neubauten,  zur  BequemUchkeit  des 
Publicums  und  zur  Verschönerung  der  Strassen  und  Plätze,  ge- 
wisse FluchtUnien  inne  gehalten,  vorspringende  Winkel  cassirt 
und  wo  möglich  auf  eine  gewisse  Symmetrie  lüngewirkt  werden 
soU.  Solche  Verschönerungspläne  betreffen  insbesondere  die 
Hauptplätze  der  Stadt,  welche  seit  1845  in  ganz  Spanien  die 
Bezeichnung  Constitutions-Platz  erhalten  haben;  und  die  Prome- 
naden, alameda,  rambla  oder  paseo  genannt,  der  täghche  Sam- 
melpmikt  für  die  elegante  Welt  zum  Spazierengehen,  Sitzen  und 
zur  gegenseitigen  Begrüssung.  Diese  Promenade  ist  meist  der 
Glanzpunkt  der  Spanischen  Städte,  und  man  verwendet  grosse 
Summen  auf  die  Bepflanzung,  tägliches  Besprengen  und  Be- 

T.  Minutoli,  Spanien.  Jg 


274 

giessen  der  Bäiune,  auf  Herstelhmg  von  Fontainen,  Statuen  und 
Bänken. 

Die  Kühnheit  der  Spanischen  Baumeister  ist  bemerkens- 
werth.  Sobald  sie  festen  Grund  haben,  oder  zu  dessen  Siche- 
rung mit  den  solidesten  Fundamenten  vorangegangen  sind,  wer- 
den, ausser  den  starken  Umfassungsmauern,  Dutzende  von 
schmalen  Zwischenwänden  wie  Kartenhäuser  über  einander  ge- 
baut. In  der  Regel  werden  zuerst  die  Eckpfeiler,  dann  die 
Vorderfront  bis  zum  ersten  Stockwerke,  hierauf  die  Seiten- 
wände bis  auf  30  oder  40  Fuss  aufgefiihrt,  und  dazwischen 
dann,  von  den  Kellergewölben  an,  zwei,  drei,  vier,  fünf  Stockwerke 
über  einander  gesetzt,  so  dass  man  von  der  Vorderseite  in  die 
offenen  Zimmer  aller  Etagen  schauen  kann.  Die  Vorderseite  ^vird 
dann  zuletzt  errichtet.  Eben  so  werdenbeim  Abbruch  der  Gebäude 
häufig  die  Vorderseiten  zimächst  abgerissen,  und  dann  erst  die 
Etagen,  vom  Dache  abwärts,  abgetragen.  Das  Baumaterial  ist 
vorzügüch.  Zu  den  Fronten  nimmt  man  meistentheils  Werk- 
stücke; die  Gewölbe,  Haupt-  und  Zwischenwände  der  inneren 
Baulichkeiten  werden  von  Ziegeln  gemauert.  Die  Backsteine 
werden  bald  stärker,  bald  schwächer  gebrannt;  die  Klinker  ge- 
ben den  unsrigen  an  Güte  nichts  nach.  Es  besteht  in  Spanien 
kein  bestimmtes,  zu  Bauten  observanzmässig  oder  durch  Ver- 
ordnungen vorgeschriebenes  Maass  von  Ziegeln;  man  findet 
solche  in  verschiedener  Grösse ,  Länge  und  Breite ,  wie  in  den 
eigenthümüchsten  Formen.  Die  Hohlziegel  sind  vortreflnüch, 
und  auch  die  roth  gebrannten  vier-,  sechs-,  achteckigen  zur 
Pflasterung  der  Fussböden  imd  Treppen  bestimmten  Fliesen 
von  feinem  Korn,  sehr  fest,  mit  scharfen  Kanten  imd  so  gleich- 
massig  gebraimt,  dass  sie  ohne  irgend  einen  Kitt  auf  das  Ge- 
naueste zusammenpassen.  Kalk,  Gips,  hydraulischer  Cement 
sind  von  vorzüglicher  Güte ;  sie  verhärten  in  der  trockenen  Luft 
so  vollständig,  dass  es  beim  Abbruch  von  Gebäuden  schwer 
hält,  die  Steine  in  ihren  ursprüngüchen  Formen  aus  den  verstei- 
nerten Bindemitteln  auszulösen.  Die  grosseste  Kunst  der  Spa- 
nischen Maurer  besteht  in  dem  Bogenschlagen  und  Wölben. 


275 

Bogen,  welche  von  Granit,  Sandstein  oder  Kalkstein- Quadern 
über  Hauptthüren  oder  schmaleren  Pforten  und  Fenstern  aufge- 
führt werden,  erhalten  eme  so  aufifallend  schwache  Unterlage 
von  Brettern,  dass  man  nicht  begreift,  wie  sie  diese  Last  tragen 
kann.  Die  Kellergewölbe  sind  ausnehmend  dünn,  häufig  von 
aufrecht  stehenden  schmalen  Dachziegeln  ausgeführt.  Am  be- 
wundemswerthesten  aber  sind  die  Ziegelgewölbe  in  breiten 
Haus-  und  Treppenfluren,  Vorhallen  oder  hohen  Wohnzim- 
mern. Sie  halten  bisweilen,  bei  einer  Spannimg  von  30  Fuss, 
kaum  eine  Höhe  von  3  Fuss.  Diese  flachen  Gewölbe  werden 
von  Ziegelquadem,  anderthalb  Zoll  stark,  je  einen  Fuss  in  Länge 
und  Breite  messend,  zusammengefSgt,  und  bilden  trotz  ihrer 
weiten  tmd  dünnen  Fläche  einen  so  sicheren  Stützpunkt,  dass 
man  in  fünf  Fuss  breiten  Parallel-Linien  schwache  Ziegelmauem 
darauf  setzt,  imd  solche  oben  mit  noch  düimeren  Gewölben,  aus 
zwei  Lagen  ganz  schmaler  Dachziegel  bestehend,  verbindet. 
Werden  auch  bei  den  neuen  Gebäuden  dergleichen  künstliche 
Gewölbe  seltener  angebracht,  so  sieht  man  sie  doch  mitunter, 
und  kann  mindestens  an  den  Kellergewölben  der  Spanier  noch 
Manches  lernen.  Da  die  Strassen  in  Spanien  im  Allgemeinen 
eng  sind,  theils  weil  man  in  den  ursprüngüch  mit  Mauern  um- 
geben gewesenen  festen  Städten  den  Raum  möglichst  benutzen 
wollte,  theils  und  hauptsächlich  um  sich  dadurch  vor  den  Son- 
nenstrahlen zu  schützen,  so  ist  der  Platz  zur  Aufstellung  von 
Baugerüsten  entweder  äusserst  beschränkt  oder  gar  nicht  vor- 
handen; dadurch  wird  auch  das  Anfahren  des  Baumaterials 
ausserordentlich  erschwert.  Die  Maurer  arbeiten  in  der  Regel 
auf  fliegenden  Gerüsten.  Bei  Reparaturen  oder  beim  Bau  und 
Decoration  der  Fa^aden  werden  auf  dem  fertigen  Dache  oder 
auf  dem  höchsten  Punkte  der  Mauern  an  künstlich  gebildeten 
festen  Unterlagen  drei  grosse  Winden  oder  Balken  mit  Flaschen- 
zügen angebracht,  in  welchen  die  schmale  Laufbrücke  hängt, 
und  medergelassen  oder  höher  hinaufgezogen  werden  kann.  An 
solcher  Brücke  hängt  oft,  in  Stricken,  6  Fuss  tiefer,  eine  zweite 
Brücke,  und  an  dieser  auch  wohl ,  6  Fuss  tiefer,  eine  dritte^  und 

18- 


276 

so  fort,  so  dass  es  möglich  ist,  gleichzeitig  eine  Menge  von  Ar- 
beitern zu  beschäftigen.  Das  Letztere  ist  insbesondere  noth- 
wendig,  wenn  die  äusseren  Fronten  der  Häuser  mit  Verzierungen 
in  Stuck  oder  mit  einem,  in  Spanien  sehr  beliebten  Ueberzug  von 
künstüchem  Marmor  bekleidet,  oder  wenn  Fresco  -  Malereien  an- 
gebracht werden  sollen ;  weil  es  bei  der  Trockenheit  der  Tem- 
peratur nothwendig  ist,  dergleichen  in  Form  und  Farbe  schnell 
hinter  einander  auszuführen  und  zu  beendigen,  damit  die  Festig- 
keit oder  Haltbarkeit  nicht  leiden ,  und  eine  grössere  Gleichför- 
migkeit erreicht  werden  kann.  In  Madrid  habe  ich  bis  zu  sieben 
solcher  Laufbrücken  an  einem  Hause  über  einander  hängen  se- 
hen. In  Ermangelung  sichernder  Bauzäune  werden  unten  einige 
Burschen  aufgestellt,  um  durch  warnenden  Zuruf  die  Köpfe 
und  Kleider  der  Vorübergehenden  vor  Steinen  und  Farben  zu 
schützen. 

Die  Spanier  bauen  sehr  praktisch.  Die  chmatischen  Ver- 
hältnisse und  die  Lebensweise  werden  dabei  vorzugsweise  im 
Auge  behalten.  Hohe  Zimmer,  hell  und  luftig  durch  die  Balcons, 
zum  Wohnen  im  Sommer  und  für  die  Geselügkeit  bestimmt; 
kleinere  Zimmer,  Alcoven,  Gabinets,  Kiimmem,  Verschlage, 
Wandspinden,  Verbindungsthüren  und  Corridore  im  Ueberfluss, 
zum  Schlafen,  für  Garderoben,  Aufbewahrungs-Kammem  und 
so  weiter  für  alle  Arten  der  häusUchen  Bequendichkeiten.  Die 
Zwischenwände  aller  kleineren  Zimmer  sind  zwar  von  Stein,  aber 
unglaubHch  dünn,  indem  sie  von  aufrecht  übereinander  gestellten 
schmalen  grossen  Ziegelquadem  aufgeführt  sind.  Die  Gallerien 
nach  den  inneren  Höfen,  die  Patios  in  Andalusien,  im  Sommer 
mit  einem  Leinendache  (toldo)  überspannt  und  durch  Blumen 
und  Rankengewächse  zum  Gärtchen  imageschaffen ;  die  kühlen- 
den Springbrunnen  in  der  Mitte,  die  fast  nirgends  fehlen,  bilden 
für  die  Sommermonate  den  angenehmsten  Aufenthalt  für  die 
Hausbewohner. 

Neuerdings  fangt  man  an,  Kamine  xmd  Kaminöfen  zu  ^setzen. 
In  den  nach  modernem  Geschmack  erbauten  Häusern  von  Ma- 
drid fehlen  dergleichen  in  keiner  Wohnung.    Mag  der  Winter  in 


277 

Spanien  in  den  meisten  Provinzen  immerhin  so  schön  sein,  dass 
man  in  den  Mittagsstunden  sich  auf  den  Spaziergängen  in  den 
luftigsten  Sommerkleidern  ganz  angenehm  von  der  Sonne  durch- 
wärmt fiihlt;  der  Aufenthalt  in  den  Zimmern  ist  für  Ausländer 
nichts  weniger  als  behaglich.  Die  grosse  Menge  von  nicht  schlies- 
senden  Balconthüren  wehrt  eben  so  wenig  die  kalte  Morgen-  und 
Abendluft  und  den  Wind  ab,  als  die  über  den  Steinfussboden 
geispannten  Strohdecken  (esteras)  denselben  erwärmen.  Die 
Thüren  der  Zimmer  berühren  den  Fussboden  nichts  da  die  Este- 
ras darunter  fortgezogen  werden ;  es  ist  mithin  die  Temperatur 
durch  den  dauernden  Luftzug  immer  kühl  erhalten,  und  die  Zim- 
merwärme, welche  durch  die  grossen  Kohlenbecken  (braseros) 
verbreitet  wird,  macht  sich  in  der  Regel  erst  bemerkbar,  wenn 
man  vor  Kopfschmerz  oder  Betäubung  nicht  mehr  empfanglich 
ist  die  Annehmlichkeit  zu  würdigen.  Dieser  unbehagliche  und 
ungemüthliche  Zustand  trifft  die  Fremden  mehr  als  die  Einhei- 
mischen. Die  Spanier  leiden  darunter  in  der  That  wenig.  Sie 
sind  überhaupt  abgehärtetere  und  vielleicht  gesundere  Naturen. 
Sie  sind  nicht  daran  gewöhnt,  den  Winter,  wie  wir,  in  gleich- 
massig  erwärmten  Räumen  zuzubringen;  sie  ertragen  die  Dämpfe 
des  Brasero  und  fülden  sich  dabei  wohl.  Nach  den  Erfahrungen, 
welche  sämmtHche  in  Spanien  wohnende  Deutschen  an  sich 
selbst  gemacht,  und  nach  der  Bestätigung  dieser  Erscheinung 
durch  die  hiesigen  Aerzte,  verlieren  die  Bewohner  der  nördlich 
gelegenen  Länder  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  von  der  ihnen  eigen- 
thümlichen  Körperwärme ;  sie  werden  von  Jahr  zu  Jahr  empfind- 
licher gegen  die  Kälte,  die  ihnen  immer  unerträglicher  wird,  bis 
sie  in  Folge  dieser  Veränderung  ihrer  Temperatur  nach  längerer 
Zeit  von  organischen  Leiden  heimgesucht  werden,  denen  nur 
sehr  Wenige  durch  glückliche  Badekuren  in  Deutschland  wieder 
entgehen. 

Die  Thüren  in  den  meisten  Spanischen  Häusern  sind  noch 
in  dem  alten  maurischen  Geschmack  mit  tiefen  Holzfachem,  wie 
eine  Mauer,  und  so  stark  gearbeitet,  dass  es  den  Anschein  hat, 
als  wären  sie  so  eingerichtet,  um  das  Haus  und  jedes  Zimmer 


278 

dadurch  gegen  äussere  Gewalt  vertheidigen  zu  können.  Haus- 
und Wohnungs-Eingänge  sind  mit  Klopfern  imd  Klingeln  und 
mit  einem  wohlverwahrten  Scheibfensterchen  versehen,  durch 
welches  vor  dem  OeflQien  die  Unverdächtigkeit  des  Einlassbegeh- 
renden geprüft  wird.  Was  der  Franzose  lieux  d'aisanee ,  nennt 
der  Spanier  comun.  Es  herrscht  dort  in  Privathäusem  ausneh- 
mende Reinüchkeit.  Ventilatoren  sind  überall  vorhanden,  und 
die  Wände  und  Fussböden  mit  glasirten  Fliesen  (azulejos)  be- 
legt, um  sie  abwaschen  und  von  Ungeziefer  rein  halten  zu  kön- 
nen. Diese  Azulejos  bilden  in  vielen  Häusern  die  Fussböden, 
statt  der  rothen  Backsteine;  auch  werden  sie  rings  um  die 
Wände,  3  —  4  Fuss  hoch,  als  Panele  eingelegt,  wie  dies  seit  der 
Maurenzeit  eingeführt  ward.  Treppen,  Hausflure,  Speisekam- 
mern, Küchen  imd  Badstuben,  kurz  überall,  wo  grosse  Sauber- 
keit wünschenswerth ,  wo  Ungeziefer  fem  gehalten  werden  soll, 
und  wo  man  die  Wände  kühl  zu  erhalten  wünscht,  sind  in  Spa- 
nien die  Azulejos,  in  den  buntesten  Farben  und  barockesten  Mu- 
stern mehr  oder  weniger  Geschmack  entwickelnd,  angebracht. 
Auch  bei  uns  würde  sich  die  Anwendung  derselben  in  manchen 
Einrichtungen  als  zweckmässig  und  geschmackvoll  bewähren; 
nur  würden  die  Fussböden  allerdings  den  mit  Eisen  beschlage- 
nen Deutschen  Stiefeln  auf  die  Dauer  nicht  Widerstand  zu  lei- 
sten vermögen. 

Der  Gips  in  Spanien  ist,  wie  schon  bemerkt^  von  besonderer 
Güte ;  er  widersteht  dem  Einfluss  der  Witterung  und  wird  mit 
vielem  Geschick  an  den  Ornamenten  der  Gebäude  verwendet 
Für  die  innere  Zimmer- Decoration  ist  er  unentbehrüch  gewor- 
den, da  er  in  halb  wie  in  gaaz  trockenem  Zustande  alle  Farben, 
mit  Leimwasser  oder  mit  Oel  versetzt,  annimmt  und  bewahrt, 
für  Halbpolituren  mit  Seifen  sehr  empfangUch  ist,  aber  auch  Ma- 
stixfimisse  leicht  annimmt  und  Jahre  hindurch  klar  und  glänzend 
erhält.  Die  Thürbekleidungen,  Panele,  Säulen -Capitäle,  Arabes- 
ken, Gesimse  und  Decken  in  Prachtzimmem,  Gallerien  und  Sälen. 
werden  in  Gips  ausgeführt,  abgerieben,  polirt,  gefärbt,  lackirt 
und  gewähren  ein  täuschendes  Bild  wirklichen  Marmors.  In  der 


279 

neuesten  Zeit  werden  auch  die  Wände  der  Schlafzimmer  mit 
Gips  überzogen,  und,  nachdem  sie  einen  Oelferbenanstrich  be- 
kommen, geiimisst.  Es  erhalten  sich  diese  Zimmer  dadurch  ganz 
frei  von  Ungeziefer,  weshalb  ähnhche  Versuche  in  Deutschland 
gemacht  werden  möchten. 

Was  die  Zimmermalerei  in  Spanien  anbetrifft,  in  so  weit 
solche  noch  nicht  durch  die  sehr  behebt  gewordenen  Papier- 
tapeten verdrängt  ist,  so  entspricht  solche  dem  Deutschen  Ge- 
schmack durchaus  nicht.  Es  scheint,  als  ob  der  Spanier  für  Farbe 
und  Form  weniger  Sinn  und  Verständniss  habe,  als  der  Deutsche 
und  der  Franzose.  Dem  letzteren  muss  man  den  Preis  hierin 
zugestehen.  Die  eigenthümUche  Schöpferkraft,  mit  welcher  der 
Franzose  neue  Formen  erfindet  und  in  der  Abwechselung 
und  Zusammenstellung  von  Farben,  selbst  der  heterogen- 
sten, ein  harmonisches  Ganze  schafft,' ist  längst  anerkannt  und 
bewährt  durch  die  Thatsache,  dass  fast  in  allen  Ländern  in 
den  Kattundruckereien,  Seiden-  und  Shawl Webereien  Franzosen 
und  Elsasser  als  Zeichner  und  Coloristen  arbeiten.  Die  Spanier, 
welche  in  der  Industrie  gegen  ihre  Nachbarn  ziuuckgebUeben 
waren,  mussten  erst  nachholen,  was  Andere  vor  ihnen  voraus 
hatten;  es  wird  sich  zeigen,  in  wie  weit  sie  neben  der 
Materie  auch  in  der  Verarbeitung  und  äusseren  Appretur,  in 
Eleganz  und  Geschmack  der  Muster  die  Concurrenz  bestehen 
können.  Nicht  alle  Spanier  lieben  das  Grell-Bunte  an  und  um 
sich.  Der  Andalusier,  dem  die  vielen  bunten  Farben,  die  er  zu 
seinem  Anzüge  wählt,  nicht  grell  genug  sein  können,  wohnt  in 
einfach  geweissten  Zimmern;  der  Catalonier,  dessen  National- 
tracht schhchter  und  einfarbig  ist,  liebt  es,  die  Wände  der  Wohn- 
zimmer mögUchst  bunt  zu  färben.  Hier  und  insbesondere  in 
Barcelona  leistet  man  wirküch  in  der  Verwendung  und  Ver- 
schwendung der  Farben  zur  Zimmermalerei  Aussergewöhnhches; 
und  man  bemüht  sich,  wo  möglich  für  jedes  einzelne  Zimmer 
den  Gesammtinhalt  der  Farbentöpfe  in  Bewegung  zu  setzen. 
Selbst  in  niedrigen  Stuben  pflegen  unten  an  den  Wänden 
Stücke  von  angebHch  grünen,  rothen,  blauen  oder  gelben,  wie- 


280 

derum  buntgesprenkelten  Marmorquadem  herum  zu  laufen; 
darauf  sitzen  breit  und  bequem  Postamente;  auf  ihnen  stehen 
schlanke  Säulen;  von  diesen  hängen  Früchte,  Blumen,  Vögel  imd 
Engel,  unter  einem  Walde  von  Zweigen,  Stäben,  Schleifen  und 
Palmen.  Darüber  schwebt  in  der  Luft  ein  Gesims  mit  Blumen, 
Harfen  und  einigen  Motiven  aus  der  Alhambra  vermischt,  und 
trägt  die  Balkenlage,  welche  die  Decke  bildet.  Ist  der  Streit, 
welcher  unter  den  Farben  bis  dahin  die  Oberherrschaft  in  die- 
sem Zimmer  gebührt,  noch  nicht  entschieden,  so  entspinnt  sich 
darüber  an  der  Decke  ein  neuer  hitziger  Kampf;  denn  dort  ent- 
falten sich  auf  jeder  Balkenseite  neue  Erfindungen  imd  Experi- 
mente an  Farbenabstufungen  und  Zusammenstellungen;  während 
Cassetten,  verschobene  Vierecke,  Pfauenaugen  und  Thyrsusstäbe 
die  Verwirrung  vollständig  machen.  Dazwischen  leuchtet  die 
grelle  Grundfarbe  des  Zimmers,  tapetenartig  durchmustert,  fast 
verschämt  hindurch,  dass  sie  ihr  Recht  so  wenig  zu  behaupten 
vermocht  hat  Dass  die  Thür-  und  Fensternischen  benutzt  wer- 
den, um  die  bis  dahin  noch  nicht  zur  Geltung  gekommenen  Schat- 
tirungen  wenigstens  dort  anzubringen,  versteht  sich  von  selbst 
Man  geräth  in  nicht  geringe  Verlegenheit,  an  solchen  Wänden, 
welche  mit  Kaleidoscopen  oder  Polychromen  zu  vergleichen 
sind,  ein  Gemälde  aufhängen  zu  müssen,  und  man  athmet  or- 
dentlich auf,  wenn  man  aus  der  unruhigen  Farbenfiille  eines  sol- 
chen schöngen[ialten  Spanischen  Zimmers  hinaustritt  in  den  ru- 
higen getünchten  Treppenflur. 

Ob  der  Spanische  Geschmack  mangelhaft,  der  Deutsche  bes- 
ser und  weniger  einseitig  ist,  lasse  ich  dahin  gestellt  sein;  wer 
soU  die  Frage  entscheiden,  wo  jedes  Urtheil  je  nach  dem  objecti- 
ven  oder  subjectiven  Standpunct  des  Beschauers  ein  anderes 
sein  wird.  Wenn  wir  Deutsche,  nach  unseren  Begriffen,  in  dem 
Schönen  die  Ruhe,  Würde  und  Haltung  beobachtet  wissen,  Den- 
ken, Sprechen  und  Handebi  in  Harmonie  gebracht,  den  Affect 
gemässigt  sehen  wollen,  wenn  wir  unsere  Ideale  in  der  Griechi- 
schen Kunst  suchen  und  uns  von  ihnen  durchs  Leben  leiten  las- 


281 

sen,  so  wollen  wir  darum  nicht  verwerfen  was  andere  Völker 
aus  anderen  Gründen  fiir  sich  in  Anspruch  nehmen. 

Das  Mobihar  in  den  Spanischen  Zimmern  ist  dagegen  weder 
überladen  vertheilt,  noch  in  seinen  Formen  abweichend;  denn 
namentlich  die  sehr  beliebten  Kommoden,  breit,  hoch  und  tief, 
bieten  eine  Abwechselung  eigentHch  nur  in  der  bunten  Zusam- 
menstellung der  Hölzer,  in  den  Platten  und  Schnörkeleien  auf 
dem  obersten  Schubfache. 

Die  Miethen  in  Spanien  werden  nur  ausnahmsweise  auf 
längere  Zeit  abgeschlossen,  oder  monatUch  oder  quartaUter  prä- 
numerando gezahlt.  Nach  der  bestehenden  Observanz  erkundet 
man  den  tägüchen  Miethspreis  der  Wohnung,  zahlt  zur  Sicher- 
heit des  Wirthes  auf  einige  Wochen  voraus,  hat  aber  das  Recht, 
jederzeit  nach  zwölfstündiger  Kündigung  die  Wohnung  zu  ver- 
lassen, und  fiir  diejenigen  Tage,  über  welche  hinaus  die  Miethe 
etwa  noch  vorausbezahlt  ist,  diese  vom  Hausbesitzer  wieder  zurück 
zu  fordern.  Miethsklagen  können  nur  beim  Alcalden  oder  ge- 
richtlich verfolgt  werden.  Zum  Zeichen,  dass  eine  Wohnung 
zu  vermiethen ,  werden  weisse  Papiere  an  den  Balcons  der  leer- 
stehenden Wohnung  befestigt.  Befinden  sich  diese  Papiere  in 
der  Mitte  des  Balcons,  so  deutet  dies  an,  dass  die  Wohnung  im- 
möblirt  zu  vermiethen  steht;  ist  das  Papier  an  die  Ecke  des  Bal- 
cons geheftet^  so  weiss  man,  dass  die  Wohnung  mit  Meubles  ge- 
miethet  werden  kann.  In  letzterem  Falle  ist  in  der  Regel  das 
Frühstück  und  Licht  mit  in  dem  täglich  geforderten  Miethspreise 
einbegriffen.  Wird  auch  Mittagessen  verabreicht,  so  nennt  man 
die  Wohnung  Casa  de  huespedes. 

An  die  Bau-Polizei  schhesst  sich  die  polizeiUche  Beaufsich- 
tigung des  Strassenpflasters.  Darin  bleibt  in  Spanien  noch 
Vieles  zu  wünschen  übrig,  indem  die  meisten  Städte  schlecht, 
andere,  selbst  Provinzial- Hauptstädte,  wie  Valencia,  fast  gar 
nicht  gepflastert  sind.  Madrid  geht  in  diesem  Punkte  mit  einem 
grossartigen  Beispiele  voraus.  In  Madrid  waren  im  Jahre  1545 
die  beiden  Hauptstrassen  gepflastert;  im  Jahre  1611  wurden 


282 

vom  Ayuntamiento  sieben  Pflaster -Commissare  ernannt,  welche 
für  weitere  Fahrbarmachung  der  Residenz  sorgen  sollten;  1747 
erging  eine  besondere  Instruction  in  Betreff  der  successive  zu 
pflasternden  Strassen.  Allein  es  geschah  wenig  mehr,  als  dass 
das  bestehende  Strassenpflaster  aus  Mangel  an  Unterhaltung  von 
Jahr  zu  Jahr  unßihrbarer  wurde  und  verfiel.  Erst  seit  1827 
ward  die  Sache  in  Erwägung  gezogen  und  seit  1841  ernstlich  in 
Angriff  genommen.  Die  Englischen  und  Belgischen  Pflaster- 
arbeiten wurden  als  Vorbüd  genommen,  und  seitdem  mit  einem 
bedeutenden  Eostenaufwande  in  den  Strassen  ein  Pflaster  von 
Granit  (berroqueno)  gelegt^  bestehend  aus  Parallelipeden  ^  Fuss 
breit,  ^  Fuss  lang  und  ^  tis  1^  Fuss  tief.  Auf  diese  Weise  sind 
gepflastert;  die  Galle  del  principe  für  192,838  r.,  die  Galle  Ca- 
ballero de  Gracia  für  252,307  r.,  die  Galle  mayor  für  1,114,597  r., 
die  Puerta  del  Sol  für  357,550  r.,  S.  Geronimo  für  280,076  r., 
die  Montera  für  293,043  r.,  und  so  fort.  Es  sind  an  Pflasterungs« 
kosten  verausgabt : 

1843 535,609  r.         1847 2,188,676  r. 

1844 466,195  •         1848 2,250,860  . 

1845 612,890  »         1849 2,680,424  . 

1846 1,661,402  ^         1850 2,890,132  . 

Aber  gleichzeitig  wurde  auch  zur  Verbesserung  der  Bürger- 
steige (acera)  in  Madrid  viel  gethan.  Eine  alte  Verordnung  vom 
14  Mai  1761  verpflichtete  die  Hausbesitzer,  die  Bürgersteige  in 
der  Ausdehnung  üirer  Strassenfronten  mit  Steinplatten  zu  be- 
legen. Auch  diese  Sache  gerietli  in  Verfall ,  und  wurde  gleich- 
zeitig mit  der  Pflasterung  der  Strassendämme  wieder  in  Angriff 
genommen.  Die  Bürgersteige  wurden  seit  1843  erhöht,  die 
Platten  durch  neue  und  grössere  ergänzt  und  neu  belegt.  Es 
wurden  dafür  verausgabt : 

1843 273,987  r.         1847 1,969,195  r. 

1844 233,627  »         1848  .......  2,001,316  » 

1845 834,074  »         1849 2,203,754  . 

1846 1,228,368  »         1850 2,455,522  • 


283 

Auch  mit  Asphalt -Pflasterungen  hat  man  in  Madrid  sehr 
gelungene  Versuche  gemacht.  In  dem  grossen  und  reichen 
Barcelona  dagegen  befindet  sich  das  Pflaster  mehrerer  Haupt* 
Strassen,  selbst  die  Thorpassagen,  in  dem  allerklägUchsten  Zu- 
stande ;  wiewohl  eine  eigens  zum  Besten  der  Pflasterung  geneh- 
migte Lotterie  bedeutende  Einnahmen  abwirft.  Worin  der  Grmid 
liegt,  dass  trotz  der  Klagen  des  Publicums  so  wenig  geschieht, 
kann  ich  nicht  beurtheilen;  in  meinem  Vaterlande  würde  man 
den  jetzt  bestehenden  Zustand  für  einen  poUzeiwidrigen  erklä- 
ren, und  eventuell  im  Wege  der  Execution  die  Verpflichteten 
zur  Abhülfe  des  Uebelstandes  anhalten. 

Die  Sicherheits-Polizei  ist  in  grosser  Thätigkeit.  Be- 
strafte Verbrecher  stehen  imter  Observation;  ö£Fentüche  Locale 
werden  beobachtet ;  die  Häuser  müssen  mit  Anbruch  der  Dun- 
kelheit geschlossen  oder  im  Flur  und  auf  der  Treppe  erleuchtet 
sein.  Die  Nachtwächter  machen,  mit  Laternen  und  Waffen  ver- 
sehen, ihre  regelmässige  Runde.  Neben  der  Stunde  mussten  sie 
früher  auch  verkünden,  was  fiir  Wetter  sei.  Da  es  nun  in  der  Re- 
gel in  Spanien  heiteres  Wetter  ist,  imd  sich  diese  Verkündigung 
«sereno»  also  fast  immer  mederholte,  so  haben  die  Nachtwäch- 
ter davon  den  Beinamen  Serenos  erhalten. 

Die  Spanischen  Städte  sind  pohzeiUch  in  Districte  und  Be- 
zirke (barrios)  getheilt.  An  den  Strassenecken  finden  sich  die 
Bezeichnungen  des  Barrio  und  der  Strasse.  Die  Häuser  sind 
numerirt,  mit  Hypotheken-  und  fortlaufenden  Nummern.  Ge- 
wöhnlich hat  jede  Hausthür  eine  besondere  Nummer,  gleich  viel 
ob  deren  mehrere  zu  demselben  Hause  oder  Grundstück  gehö- 
ren. Die  Nummern  steigen  in  der  Regel  zur  rechten  Hand ;  sie 
sind  nach  geraden  und  ungeraden  getheilt;  die  ersteren  sind  auf 
der  rechten,  die  anderen  auf  der  linken  Seite  der  Strasse,  vom 
Anfang  derselben  an  gerechnet.  Die  Strassen  in  den  Städten 
sind  Nachts  erleuchtet  In  den  meisten  Provinzial-Hauptstädten 
ist  die  Beleuchtung  mit  Gas  eingeführt.  Sevilla  macht  eine  Aus- 
nahme davon ;  angeblich  damit  dadurch  nicht  der  Oelverbrauch 


' 


284 

vermindert  und  die  Besitzer  der  Oliven-Pflanzungen  beeinträch- 
tigt werden.  Die  meisten  Theater,  Kaffeehäuser  und  Verkaufs- 
Locale  sind  mit  Gas  beleuchtet.  Der  Mondschein  im  Kalender 
hat  auf  das  Auslöschen  der  Gasflammen  keinen  Einfluss,  wie- 
wohl die  Klarheit  der  Spanischen  Nächte  darauf  einen  gegrün- 
deteren Anspruch  machen  dürfte  als  die  häufig  bewölkten  dun- 
kelen  Herbst-  und  Winter  -  Mondnächte  derjenigen  Länder,  in 
denen  die  städtische  Sparsamkeit  den  späten  Nachtwandlern 
nicht  zu  statten  kommt.  —  In  Madrid  brannten  im  Jalire  1795 
187  Laternen,  im  Jahre  1835  2462,  deren  Besorgimg  den  Nacht- 
wächtern obhegt.  Letztere  correspondiren  mit  den  ilmen  über- 
wiesenen Laternen  durch  Nummern.  Ausserdem  brannten  1835 
noch  2000  Laternen,  zu  deren  Besorgung  besondere  Beamte  an- 
gestellt waren.  Die  Kosten  betrugen  5  —  600,000  r.  Im  Jahre 
1845  gründete  eine  Actien- Gesellschaft  fiir  Gaserleuchtung  mit 
12  Millionen  ilir  Institut.  Die  jetzige  Beleuchtung  ist  sehr  schön, 
die  Kosten  verhältnissmässig  gering.  Die  gewöhnhche  Flamme 
kostet  monatlich  21  r.,  die  grösseren,  fächerförmigen  bis  48  r., 
während  die  Oelflammen  tägüch  28|  marav.  gekostet  hatten; 
mithin  ein  Verhältniss  von  42:45. 

Die  Sorge  für  Strassenreinigung  wird  in  verschiedenen 
Provinzen  verschiedenartig  beurtheilt.  Im  Allgemeinen  befrie- 
digt dieselbe ;  doch  kommt  es  dabei  wesentlich  auf  die  Jahres- 
zeit^  die  Lage  der  Stadt,  die  Pflastenmg  und  die  Mittel  der  Ge- 
meinde an.  In  den  grösseren  Städten  wird  auf  grosse  Reinüch- 
keit  und  auf  regelmässig  wiederholte  Besprengungen  gehalten. 
In  Madrid  ziehen  Morgens  von  5  bis  8  Uhr  die  Strassenfeger  mit 
grossen  Karren  durch  die  Strassen,  und  benachrichtigen  durch 
Klingeln  die  Hausbesitzer,  dass  dieselben  den  Kehricht  unten 
mit  ablagern  können.  Eine  andere  Gattung  von  Reinigungs- 
karren darf  erst  von  1  Uhr  Nachts  ab  ihre  Thätigkeit  in  den 
Strassen  der  Stadt  entwickehi.  Die  öffentüchen  Brunnen  und 
Wasserleitungen  sind  von  zu  grosser  Wichtigkeit,  als  dass  ihre 
sorgfaltige  Beaufsichtigung  und  Unterhaltung  nicht  als  eine  hei- 
lige Verpflichtung  erschiene.     In  Madrid  bestehen  35  Quellen, 


285 

an  welchen  920  öffentliche  Wasserträger  angestellt  sind;  ausser- 
dem sind  noch  11  Reservoirs  mit  Wasser  und  118  Privatbrun- 
nen vorhanden,  diejenigen  nicht  gerechnet^  welche  durch  Röhr- 
leitungen ihren  Bedarf  aus  den  erstgenannten  Quellen  oder  Brun- 
nen beziehen.  Im  Jahre  1851  hat  die  Stadt  Madrid  neuerdings 
einige  Millionen  ausgesetzt,  um  den  Zufluss  an  Trinkwasser  zu 
vermehren.  Die  fiir  die  einzelnen  Brunnen  bestellten  Aguadores 
sind  theils  solche ,  welche  das  Wasser  in  die  Häuser  gegen  ge- 
wisse Taxen  besorgen,  theils  solöhe,  welche  dasselbe  zum  Ge- 
nuss  auf  der  Stelle  verkaufen.  Die  letzteren  tragen  auf  zier- 
lichen Metallgestellen  Gläser,  und  mitunter  Essenzen  in  Fläsch- 
chen,  von  denen  einige  Tropfen  unter  das  Wasser  gegossen  wer- 
den, imd  in  dickbäuchigen  Krügen  (jarras)  das  frische  Wasser. 
In  den  südlichen  Provinzen  haben  die  Wasser-  und  Sorbett- 
verkäufer auf  den  Strassen  ihr  Schnee-  und  Eiswasser  in  Metall- 
kannen am  kühlsten ,  welche  einen  Ueberzug  von  Kork  haben. 
Die  Eigenschaft  des  Korkes  erhält  im  Sommer  die  Metallkanne 
kühl,  im  Winter  warm.  Der  Schnee  wird  im  Winter  in  Gruben 
getragen,  in  welchen  ein  in  Holz  ausgesetzter  Brunnen  sich  be- 
findet Da  hinein  wird  der  Schnee  festgestampft^  und  zwar  auf 
einer  Unterlage  von  Stroh  imd  mit  der  MögUchkeit  des  Abflusses 
des  schmelzenden  Schneewassers.  Stroh  wird  auch  oben  über 
den  Schnee  gedeckt^  der  sich  den  Sommer  hindurch  gut  halt.  — 
Die  beliebtesten  kühlenden  Getränke  sind  Orangen  -  und  Gersten- 
wasser (agua  cebada)  imd  eine  Limonade  von  einer  mehligen 
Hülsenfrucht,  Choufa  genannt. 

Mit  dem  Gesindewesen  macht  sich  die  Polizei  nichts  zu 
schaffen.  In  Spanien  steht  es  dem  Gesinde  eben  so  frei  wie  der 
Herrschaft,  das  Dienstverhältniss  ohne  irgend  eine  gegründete 
Veranlassung  jeden  Tag  aufzuheben.  Das  Gesindelohn  ist,  mit 
Ausschluss  von  Madrid,  im  Allgemeinen  nicht  bedeutend,  doch 
werden  geschickte  Diener  immer  gut  bezahlt.  Das  Spanische 
Gesinde  wird  wegen  seiner  Anhänglichkeit  an  die  Herrschaft  und 
wegen  seiner  Zuverlässigkeit  gelobt.  Eine  Ausnahme  machen, 
wie  überall,  so  auch  in  Spanien,  die  Fabrikstädte,  wo  die  Arbeit 


286 

gesucht  und  gut  bezahlt  wird,  wo  Arbeiter  und  Arbeiterinnen 
die  Abendstunden  für  sich  verwenden  können,  und  wo  der  sitt- 
liche Werth  der  imteren  Klassen  mehr  in  Frage  gestellt  ist 

Die  Beköstigung  der  Dienstboten  ist  sehr  reichlich.  Mor- 
gens früh  ein  Tässchen  ( jicara)  Chocolate ;  um  1 1  Uhr  Frühstück 
(almuerzo),  Weissbrod,  Fisch,  Sallat;  Mittags,  nachdem  die  Herr- 
schaft gegessen,  Suppe,  Gemüse  (puchero),  aus  Grarbanzos,  Kar- 
toffeln und  Fleisch  bestehend;  Abends  Stockfisch  imd  Sallat; 
und  jedem  Dienstboten  tägUch  eine  Flasche  Wein,  von  welcher 
auch  die  weiblichen  Dienerinnen  nichts  übrig  lassen. 

Als  Köchinnen  sind  die  Baskinnen  am  meisten  gesucht.  In 
Madrid  bilden  diese  wenn  auch  nicht  eine  Kaste,  so  doch  einen 
Sonntags-Club  oder  Reunion,  zu  welchem  nur  die  Landsmännin- 
nen zugelassen  werden,  und  wo  sie  die  heimischen  Weisen  im 
Guitarrenspiel  und  Tanz  üben,  um  ihrer  eingedenk  zu  bleiben 
bis  zur  dereinstigen  Rückkehr.  Die  beliebtesten  Ammen  sind 
die  Asturierinnen,  auch  Montaiiesas  genannt.  Man  findet  sie 
in  Madrid  an  der  Trinidad  ihre  Dienste  anbieten,  oder  in  den 
Zeitungen,  wo  man  täglich  unter  den  Annoncen  lesen  kann:  «Una 
jöven  con  leche  de  dos  meses  etc. »  Sie  werden  sehr  bunt  her- 
ausgeputzt, mit  rothen  Röcken  und  Silbertressen,  und  ausser- 
ordentiüch  gut  bezahlt.  Man  erzählt,  dass  mitunter  Contracte 
eigenthümlicher  Art  geschlossen,  und  für  die  Aussicht,  nach 
Jahr  und  Tag  als  Amme  eine  hübsche  Summe  verdienen  zu  könr 
nen,  eine  Unze  gezahlt^  und  diese  demnächst  von  dem  Betheilig- 
ten reclamirt  wurde,  wenn  die  Hoflftiungen  nicht  in  Erföllung  ge- 
gangen sind.   Die  Wahrheit  kann  ich  nicht  verbürgen. 

Die  Sonntagsfeier  darf  in  Spanien  nicht  durch  öffentliche 
Arbeiten  gestört  werden.  Die  Verkaufsläden  sind  nur  vor  und 
nach  dem  Gottesdienst  geöffiiet. 

Die  öffentlichen  Vergnügungen  sind  polizeilich  über- 
wacht. Den  Behörden  steht  im  Theater  eine  Loge  zu.  Un- 
gebührliche Störungen  durch  übertriebene  Beifalls-  oder  Miss- 
fallen-Bezeugungen  werden  mit  erheblichen  Geldstrafen  gerügt, 
inzwischen  aber  die  Ruhestörer  aus  dem  Theater  entfernt.  Nach 


287 

der  Verordnung  vom  7  Februar  1849  bestehen  drei  Classen  von 
Theatern.  Zur  ersten  gehören  die  Theater  de  la  Cruz  und  die 
Oper,  so  wie  der  Circo  in  Madrid;  das  Liceo  in  Barcelona;  Prin- 
cipal und  San  Fernando  zu  Sevilla;  Principal  in  Cadiz  und  Va- 
lencia. Zur  zweiten:  das  Institut  in  Madrid  und  die  Bühnen  in 
Coruna,  Malaga,  Granadsi,  Palma,  Valladolid  und  Zaragoza.  Alle 
übrigen  gehören  zur  dritten  Classe.  Die  Unternehmer  zahlen 
jährlich  3000,  1500  und  500  r.,  je  nach  den  drei  Theaterclassen. 
Die  Censur  der  neuen  Stücke,  welche  meistentheils  Uebersetzun- 
gen  aus  oder  Bearbeitungen  nach  dem  Französischen  sind,  ist 
sehr  streng.  Die  zur  Aufifuhrimg  geeignet  befundenen  werden 
von  der  beaufsichtigenden  Junta  öffentUch  amtUch  bekannt  ge- 
macht. 

Das  öffentliche  Fuhrwerk  hat  bestimmte,  von  der  Obrig- 
keit festgesetzte  Taxen.  Das  Droschken -Reglement  für  Madrid 
vom  2  Juni  1846  enthält  im  Interesse  des  Publicums  sehr 
strenge  Bestimmungen  wider  die  Kutscher  und  Eigenthümer 
der  Wagen. 

Die  öffentliche  Sittlichkeit  darf  nicht  auffallend  ver- 
letzt werden.  Die  Polizei  greift  mitunter  eine  Anzahl  zweideuti- 
ger Frauenzimmer  auf  imd  verweist  sie  nach  protocoUarischer 
Verwarnung,  undnachdem  man  ihnen  Zeit  gelassen,  einige  Wochen 
in  der  Violin  (dem  Polizei- Gefangniss)  über  die  Vorzüge  eines 
ehrsamen  Wandels  nachzudenken,  in  ihre  Heimath.  In  den  gros- 
sen Städten  wird  die  ärztliche  Praxis  durch  die  ungeregelte 
Lebensweise  der  Jugend  viel  in  Anspruch  genommen,  da  jedes 
Uebel,  wenn  seiner  Verbreitung  keine  Grenzen  gesetzt  werden, 
rasch  um  sich  greift. 

Die  Gewerbe-Polizei  fallt  zum  grossen  Theil  mit  der 
Fioanzverwaltung  zusammen.  Es  besteht  vollständige  Gewerbe- 
freiheit, mit  Ausschluss  derjenigen  gewerbüchen  Verrichtungen, 
deren  Ausübung,  auf  wissenschaftlicher  Vorbildung  beruhend, 
von  dem  durch  Prüfungen  und  Titeln  begründeten  Nachweis  der 
wissenschaftlichen  Qualification  abhängig  gemacht  wird.  Es  ist 
auchSache  der  ControUe  der  Steuerbehörde,  dafür  zu  sorgen,  dass 


288 

nicht  unangemeldete  Gewerbe  ausgeübt  und  dass  die  angemel- 
deten nur  in  dem  angegebenen  besteuerten  Umfange  betrieben 
werden.  Nichts  desto  weniger  entwickelt  auch  in  dieser  Bezie- 
hung die  Polizei  ihre  Thätigkeit. 

Der  Marktverkehr  steht  unter  ihrer  besonderen  Aufsicht 
Zum  Theil  sind  es  die  Maasse  und  Gewichte,  welche  geprüft^ 
imd  wenn  sie  unrichtig  befunden,  in  Beschlag  genommen  wer- 
den, zum  Theil  die  Güte  der  Lebensmittel,  die  zum  Verkauf  aus- 
gestellt sind,  oder  die  Reinlichkeit,  welche  stets  in  allen  Bezie- 
hungen auf  dem  Markte  herrschen  muss,  oder  die  Absonderung 
gewisser  Verkaufsartikel  und  Verkaafsplätze,  welche  der  polizei- 
lichen Controlle  unterworfen  sind.  Die  Fleischer  besitzen  mit 
Leinwandschirmen  überdeckte  Tische  und  nehmen  ein  abgeson- 
dertes Quartier  des  Marktplatzes,  in  den  meisten  Städten  eigens 
zu  diesem  Zwecke  erbaute,  gut  gepflasterte,  mit  Wasserrinnen 
und  Abflüssen  versehene,  gewölbte  Hallen  ein.  Ausgehängte 
Taxen  geben  die  Preise  der  verschiedenen  Fleischwaaren  an. 
Rindfleisch,  Kuh-,  Kalb-,  Hammel-,  Schaaf-,  Ziegen-  und 
Schweinefleisch  wird,  jede  Gattung  von  besonderen  Fleischern 
verkauft.  Wurst,  Schinken  und  Speck  fähren  alle.  Weisses  imd 
braimes  Schmalz  (manteca,  im  Gegensatz  zu  manteca  de  Flandes 
oder  Butter,  welche  bei  den  Conditoren  oder  in  sogenannten 
Italienerwaaren-Gewölben  verkauft  wird)  steht  in  sauberen  Ge- 
ßlssen  kegelförmig  auf  den  mit  Fliesen  bedeckten  Verkaufs- 
tischen. Vom  10  November  an  bis  zum  Frühjahr  ist  täglich  Ari- 
sche Wurst  zu  verkaufen.  Die  Schinken  sind  zur  besseren  Auf- 
bewahrung mit  einem  ziemlich  starken  Ueberzug  von  Gips  ver- 
sehen. Die  frischen  Speckseiten  werden  mit  rothem  Spanischen 
Pfeffer  bestreut,  damit  die  Fliegen  sich  nicht  darauf  setzen. 

Auch  die  Bäcker  sitzen  in  besonderen  Hallen  vereinigt; 
eben  so  die  Eierhändler,  Federvieh-,  Tauben-,  Kaninchen-  und 
Wildverkäufer;  die  kleinen  Hasen  und  Kaninchen  werden  mit 
und  ohne  Fell,  nach  Belieben  des  Käufers,  verkauft.  Es  sind  die 
Hühner  lebend,  geschlachtet,  gerupft,  im  Ganzen,  in  Hälften  oder 
Vierteln  zu  verkaufen.    Gemüse-,  Grünzeug-  und  Obsthändler 


289 

sitzen  wiederum  zusammen.  Salat^  Eppich  (apio),  Endivie  (esca- 
rola)  und  Pommes  d'amour,  Spanischer  Pfeffer  und  Kohl  bil- 
den ihre  Hauptvorräthe.  Daran  reihen  sich  die  Zwiebelhändler, 
welche  besonders  mit  dem  Knoblauch  (ajo)  gute  Geschäfte 
machen.  Hierauf  folgen  die  Obstverkäufer;  die  Händler  mit 
Hülsenfrüchten,  Nudeln  und  Maccaroni.  —  Die  Fischer  haben 
auf  jedem  Markte  der  Stadt  ihre  besondere  Halle.  In  den  See- 
städten findet  täglich  Morgens  und  Abends  Fischmarkt  statt 
Hier  und  bei  den  Fleischern  herrscht  die  allergrösseste  Sauber- 
keit. Die  Verkaufsstellen  laufen  in  gemauerten  Reihen  an  den 
Wänden  herum,  bedeckt  mit  Marmorplatten  und  Steinen  zimi 
Ablauf  des  Wassers;  die  Fische  sind  in  flachen  runden  Körben 
oder  auf  weissen  Tüchern  zimi  Verkauf  ausgestellt ;  die  Sardinen 
sternförmig  gelegt.  Alles  wird  nach  dem  Gewicht  verkauft.  Die 
Seefische  werden  von  den  nördlichen  Häfen  zu  Pferde  oder  zu 
Wagen  mit  untergelegten  Relais  nach  Madrid  gebracht  Täglich 
sieht  man  Caravanen  mit  den  langen  schmalen  Korbgeflechten, 
in  welche  die  Fische  gepackt  sind ,  durch  die  Thore  einziehen. 
Der  Verbrauch  des  sehr  beliebten  Stockfisches  (bacalao),  haupt- 
sächlich von  Schweden  und  Norwegern  eingeföhrt,  ist  ausser- 
ordentlich. Es  wurden  in  den  Spanischen  Häfen  1850  im  Gan- 
zen versteuert: 

aus  England 22,099  Centner 

aus  Dänemark 13,714        » 

aus  Hamburg 787        » 

aus  Norwegen  und  Schweden  184,409        » 

Im  Ganzen  versteuert .  .  .  221,009  Centner. 

Endlich  machen  die  Gärtner  mit  ihren  Blumensträussen  den 
Schlttss  der  Marktverkäufer.  Die  Frische  des  Fleisches  und  der 
Fische,  die  BeschalBfenheit  des  Brotes  und  der  Milch  werden  ab 
und  zu  polizeilich  untersucht,  um  Verfälschungen  zu  constatiren 
und  zu  bestrafen. 

Die  Polizei  lässt  es  sich  angelegen  sein,  die  Preise  der 
Lebensmittel  und  hauptsächlichsten  Verkaufsaxtikel,  so  wie  die 

▼.  MinutoU,  Spanieo.  29 


290 


Menge  der  täglich  zu  Markt  gekommenen  Waaren  durch  das 
Wochenblatt  zur  Kenntniss  des  Publicums  zu  bringen.  Bei  dem 
statistischen  Interesse,  was  solche  Zusammenstellungen  unzwei* 
felhaft  bewahren ,  lasse  ich  hier  zwei  derartige  Bekanntmachun- 
gen aus  der  Madrider  Zeitung  folgen,  und  zwar  aus  dem  zweiten 
und  vierten  Quartale.   Es  waren  die  Preise: 


am  15  November  1851 


Aroba 

(25  Pfund) 


I^ibra 

(Pfund) 


Rindfleisch 

Hammelfleisch 

Kalbfleisch 

Schweinefleisch    .  .  .  . 

Speck 

Schinken  mit  Knochen 
ohne  Knochen.  .  .  . 

Oel 

Wein 

Brod 

Garbanzen 

Bohnen . 

Reis 

Linsen 

Viereckige  Erbsen.  .  . 

Kohlen 

Seife 

Kartoffeln 


Eingegangen  waren  zum  Markte 

am  25  Mai: 

Waizen 5,401  fanegas  (Scheflel) 

Waizenmehl 454       » 

Brod  von  ausserhalb  .    5,770  Pfiind 

Kohlenkarren 161 

Grosse  Kohlenwagen.         71 
Kleine  vierrädrige.  .  .       179 

Kühe 78  mit  59,316  Pfund  Gewicht 

Hammel.  ...  475     »    13,165      i>  » 

Es  kostete  das  Getreide: 

Waizen 31^-36    r. 

Gerste 20  —21     » 

Johannisbrod  ....  25  —25^  » 


37  r. 

36 

50 


• 

51 

.    .     .    . 

G2 

74 

G9 

70 

28 

• 

34 

•    .    .    . 

-36 
-25 
-36 
■10 
-26 

-  54 
-60 

•  8 


12—16  r. 

12—16 

17—25 

24—26 

20-22 

28—42 

20-22 
8— Um. 
7—10 
8—14 
6—10 
8—14 


5 
5 


20—22 
2—  4 


am  15  November: 
1,974  fan. 
538    » 
11,556  Pfd. 
188 
55 
129 
105  mit  57,611  Pfd. 
577    .    12,611     . 

33-35  r. 

18-21  . 

32  > 


291 

Die  Einfllhraiig  der  Wirthshaustaxen  ist  nicht  aUgemein  ge- 
worden. .  Sie  beschränkt  sich  auf  diejenigen  Gasthäuser,  wo  die 
Gorreos  und  Diligencen  Mittags  und  Abends  anhalten,  und  regelt 
die  Preise  der  Mahlzeiten  auf  ziemlich  gleichartige  Weise,  das 
heisst,  die  Preise  sind  fast  überall  gleich,  nicht  aber  die  Güte  der 
vorgesetzten  Speisen.  In  den  von  Franzosen  und  Piemontesen 
gehaltenen  Hotels  haben  sich  observanzmässig  die  Preise  massig 
iixirt  Das  Gasthausleben,  wie  die  Lebensweise  in  Spanien  über- 
haupt^ ist  nach  unseren  Preisen,  und  im  Vergleich  zu  denjenigen 
Bequemlichkeiten,  die  man  in  den  Hotels  in  Deutschland,  Frank- 
reich und  England  gewohnt  ist,  theuer  imd  mangelhaft.  Allein 
wer  reisen  will,  mag  sich  mit  Geld  versehen,  und  füge  sich  und 
ertrage  die  Gewohnheiten  des  Landes,  welches  er  kennen  lernen 
will.  Man  verhungert  in  Spanien  nichts,  wenn  gleich  in  den  Dör- 
fern imd  kleinen  Orten  in  den  Gasthäusern  nichts  zu  haben  und 
die  bestellten  Lebensmittel  erst  gekauft  werden  müssen.  Rei- 
sende klagen  über  den  grossen  Mangel  an  Reinlichkeit  in  den 
Gasthäusern,  und  es  ist  richtig,  dass  auch  ich  hierin  einige  sehr 
unangenehme  Erfahrungen  gemacht,  und  selbst  in  dem  Gastliofe 
einer  grösseren  Stadt,  auf  meine  Bemerkung,  dass  das  fiir  mich 
bestimmte  Bett  nicht  firisch  überzogen  sei,  die  Antwort  erhal- 
ten habe: 

«Was,  Herr?  das  Bett  wäre  nicht  rein?  imd  es  haben 
doch  erst  zwei  Engländer,  ein  Franzose  imd  gestern  eine  Mar- 
quise  darin  geschlafen!» 

Allein  man  müss  billigerweise  berücksichtigen,  welche  An- 
sprüche man  an  die  Einrichtung  und  Aufnahme  in  den  Gasthäu- 
sern eines  Landes  zu  stellen  berechtigt  ist. 

Am  besten  wird  in  der  Regel  in  den  besuchtesten  Gasthöfen 
für  den  Reisenden  gesorgt  sein.  Wo  die  Zimmer  und  die  Table 
dTiöte  eines  Hotels  Tag  für  Tag  besetzt  sind,  und  der  Besitzer 
eine  dauernde  bedeutende  Einnahme  hat,  liegt  es  in  seinem  In- 
teresse, die  Concurrenz  durch  möglichst  gute  und  billige  Auf- 
nahme der  Gäste  zu  besiegen.  In  Spanien  reist  man  selten;  man 
bleibt  möglichst  auf  den  grossen  Strassen;  man  föhrt  meisten- 

19' 


292 

theils  mit  den  Posten  und  berührt  nur  gewisse  Orte  und  darin 
bestimmte  Gasthöfe;  diejenigen,  welche  in  Geschäften  oder  zum 
Vergnügen  sich  von  den  Hauptstrassen  entfernen ,  und  in  ihren 
kleineren  Tagereisen  häufiger  und  in  wenig  besuchten  Dörfern 
und  Fondas  einkehren,  führen  in  der  Tartane  oder  auf  dem 
Maulthiere,  welches  das  Gepäck  trägt,  ihre  Lebensmittel  auf 
einige  Tage  mit  sich,  und  ergänzen  das  Verzehrte  durch  An- 
käufe, wie  und  wo  sich  die  Gelegenheit  darbietet;  wie  will  man 
also  erwarten,  dass  die  Gastwirthe  sich  zum  Empfang  der  sel- 
tenen, massigen  und  öconomischen  Reisenden  mit  demjenigen 
versehen,  was  sich  unter  anderen  Voraussetzungen  von  selbst 
verstehen  würde?  Ich  habe  meine  Anforderungen  stets  nach 
den  gegebenen  Verhältnissen  gerichtet;  ich  habe  mich  auch 
durch  das  Unbehagüche  nicht  verstimmen  lassen;  ich  habe  das 
Widerwärtige  ein  Paar  Stunden  mit  Ergebung  getragen,  und 
habe  mich  dabei  stets  wohl  befunden,  lieber  unfreundliche  Be- 
handlung habe  ich  mich  niemals  zu  beklagen  gehabt,  ich  habe 
aber  wohl  für  die  Theilnahme ,  die  ich  der  FamiUe  des  Wirthes 
durch  Erkxmdigungen  nach  Kindern  und  der  Mula,  nach  ihrer 
Landwirthschaft  und  Sitten  schenkte,  viele  Beweise  von  Zutrauen 
imd  herzlicher  Begegnung  erfahren ,  und  bin  überall  in  Frieden 
geschieden. 

Die  Medicinal-Polizei  wird  in  den  Provinzen  in  höchster 
Instanz  durch  die  Juntas  provinciales  de  sanidad  del  interior  ge- 
handhabt; sie  bilden  gewissermaassen  eine  Abtheilung  der  Re- 
gierung, unter  dem  Präsidium  des  Gouverneurs,  dessen  Stellver- 
treter der  Alcalde  der  Hauptstadt  ist,  und  bestehen  aus  einem 
Regierungs-Oficial  und  Secretair,  so  wie  aus  fiinf  bis  sechs  aus 
freier  Wahl  der  Provinz  hervorgegangenen  Mitgliedern.  Solche 
Juntas  sind  in  allen  Provinzen  vorhanden.  Ausserdem  aber  giebt 
es  in  den  Haupthäfen  noch  Juntas  provinciales  de  sanidad  de 
puertos.  Den  Vorsitz  fiihrt  gleichfalls  der  Provinzial- Gouver- 
neur und  in  seiner  Vertretung  der  Alcalde,  und  von  den  zehn 
Mitghedem  werden  sechs  gewählt,  während  der  Hafen-Capitain, 
der  Douanen-Director,   der  Parochial- Geistliche   und  der  die 


293 

Schiffe  besuchende  Arzt  die  übrigen  bilden.  Solcher  Juntas  sind 
in  den  Städten  Alicante,  Almeria,  Barcelona,  Cadiz,  auf  den 
Canarien,  in  Castellon,  Coruna,  Huelva,  Malaga,  Mallorca, 
Santander,  Sevilla,  Tarragona,  Valencia  und  Viscaya. 

Ausserdem  giebt  es  noch  zwei  Special -Sanitäts- Junten;  die 
eine  in  Algeciras,  deren  Präsident  der  Commandant  des  Campo 
de  Gibraltar  und  der  Alcalde  sind,  und  die  andere  in  Ceuta  un- 
ter dem  Vorsitz  des  in  Africa  commandirenden  Generals  und  des 
dortigen  Polizei -Chefs.  In  Mahon  und  Vigo  sind  die  Special- 
Jimten,  unter  Vorsitz  des  Gouverneurs,  Lazareth-Commissionen 
der  dortigen  Quarantaine-Anstalten.  Auf  gleiche  Weise  zusam- 
mengesetzt und  vertreten  sind  die  Jimtas  provinciales  litorales 
zu  Gerona,  Granada,  Guipuzcoa,  Lugo,  Murcia,  Oviedo  und 
Pontevedra. 

Academien  der  Medicin  imd  Chirurgie  des  Königreichs  be- 
stehen auf  Grimd  des  Königlichen  Decrets  vom  28  August  1830 
in  Madrid,  Valladoüd,  Coruna,  Sevilla,  Cadiz,  Granada,  Valen- 
cia, Barcelona,  Zaragoza,  Murcia  und  in  Palma  auf  Mallorca. 

Es  sind  von  Seiten  der  Regierung  nach  den  Verordnungen 
vom  29  Juni  1816  und  3  Februar  1834  an  den  Haupt -Mineral- 
quellen und  Bädern  Aerzte  angestellt,  um  die  Benutzung  durch 
ärztlichen  Beistand  zu  erweitern.  Diese  Beamten  sind  wie  folgt 
vertheilt.   In  den  Provinzen: 

Alicante in  Busot.  (Sulf.  magnes.  hidroclor.) 

Almeria Sierra  AlhamiUa. 

Badajoz Alange.  (Magnes.  carb.  sulf) 

Barcelona Caldas  de  Mombuy,  Olesa  und  Esparraguera- 

Puda.  (Muriat.  sidf ) 

Caceres Baiios  de  Montemayor. 

Cadiz Chiclana,  Patema  und  Gigonza. 

Castellon  d.  1.  P.   Villavieja.  (Acid.  carb.  sulf.) 

Ciudad-Real  .  .  .   Hervideros  imd  Villar,  Fuencaliente  und  Pu- 

ertollano.  (Acid.  carb.) 
Cordova  ......   Arenosillo. 

Coruna Axtego  und  Carballo.  (Acid.  hidr.  sulf.) 


294 

Cuenca Solan  de  Cabras.  (Magn.  sulf.) 

Granada Alhama,  Graena,  Lanjaron. 

Guadalsgara.  .  • .   Sacedon,  Garlos  III  (Trillo). 

Guipuzcoa Arechavoleta,  Gestona,  Santa  Agueda.  (Acid. 

carb.  sal.) 

Hucsca Panticosa.  (Acid.  carb.  sal.) 

Jaen Marmalejo,   Trailes,  La  Ribeira  und  Fuenta^ 

Alamo. 

Logrono Amedillo, 

Madrid El  Molar.  (Sulf.  sal.) 

Malaga Garatracca.  (Acid.  magn.  carb.) 

Murcia Archena.  (Muriat  carb.  sulf.) 

Navarra Fitero. 

Oviedo Galdas  de  Ovicdo,  Fuensanta  de  Buyeros  de 

Nava.  (Acid.  carb.) 

Orense Carballino  und  Partovia.  (Hidrosulf.) 

Pontevedra  ....   Galdas  de  Reyes  und  de  Guntis,  Galdas  von 

Tuy.  (Acid.  hidrosulf.) 

Salamanca Ledesma.  (Acid.  sal.) 

Santander Ontaneda  und  Uceda. 

Teruel Segura. 

Valencia Bellus. 

Zaragoza Alliama,  Tiermas  imd  Quinto. 

Die  Zahl  der  Mineralquellen  in  Spanien  ist  sehr  bedeutend. 
Es  sind  entweder  solche,  welche  ärztiüch  verschrieben,  beauf- 
sichtigt und  amtlich  ihrer  Temperatur  nach  geprüft  sind,  «quc 
tienen  direccion  facultativa  oficial » ,  oder  solche ,  wo  dies  nicht 
der  Fall  ist. 

Die  Gesammtzalil  beträgt  325;  darunter  bewahren  ihre 
Temperatur  303,  während  22  solche  wechseln. 

Ganz  kalte  Quellen  sind  118,  frische  57,  laue  63,  warme 
38,  heisse  52. 

Die  Zahl  derjenigen,  welche  Direccion  facultativa  haben, 
beträgt  161.  Davon  bewaliren  die  Temperatur  146,  es  wechseln 
damit  15. 


295 

Darunter  sind  kalte  32,  frische  24 ,  laue  43,  warme  28, 
heisse  38. 

Die  kälteste  ist  die  eisenhaltige  von  Apatriz,  und  nächst  ihr 
die  von  Urberoaja  de  Alzola  in  Guipuzcoa,  sie  hält  90°,5ü  Reaum. 

Die  heisseste  ist  die  Luivenquelle  von  Mombuy  bei  Barce- 
lona ( salino  -  alcalina ),  5  6  "^  Reaum. 

Unter  den  nicht  amtlich  benutzten  ist  die  kälteste  Quelle 
die  eisenhaltige  Peiia  de  Lapiritu,  welche  5  °  Reaum.  zählt. 

Mineralquellen  der  Direccion-facultativa  sind; 

1.  Kalte:  von  Aramajora  10"^  zum  Baden,  11°  zum  Trinken; 
Arechavoleta  14°  zum  Baden;  Barambio  11°,50;  Benimarful 
14°;  Caratracca  15°;  Ghiclana  zwei  zu  15°;  Elorrio  drei 
zu  12°;  Frailes  drei  zu  13°,  14°,  15°;  Fuente  Alamo  14°,50; 
Gigonza  14°,50;  Grabalos  13  —  14°;  Graena  11°;  Horcajo 
de  Lucena  15°;  Lai^jaron  drei  zu  14°,  14°,  15°;  Molar 
15°;  Parquellos  de  Güoca  10—  13°;  Puertollano  13°;  Ri- 
bera 15°;  S.  Juan  de  Azcoitia  13°;  Santa  Agueda  zwei, 
11°,50  und  11°;  Urberoaja  de  Alzola  zwei,  11°  und  9°,50; 
Vüo  o  Rosas  15°;  Villatoja  15°.     • 

2.  Frische:  Alcantud  16°;  Arenosillo  19°;  Buyeres  deNava 
18°;  Caldas  de  Cuntis  16°;  Carballo  20°;  Cortegada  18 
bis  20°;  Hervideros  de  Fuen  Santa  zwei  zu  17°;  Lanjaron 
16°;  Lierganes  16°;  Lonjo  16  —  22°;  Malaha  17  —  21°; 
Marmolejo  17°;  Martos  15°;  Panücosa  16°;  Patema  de 
Rivera  15°,5o;  Puertollano  16°;  Quinto  zwei  zu  14°,50  und 
13°,95;  Sejura  de  Arajon  19°;  Solan  de  Cabras  15°,50; . 
Tiermas  20°;  TriUo  19°;  Vüo°. 

3.  Laue:  Alange  22°;  Artejo  24°;  Bellus  21°;  Bigeres  de 
Nava  21°;  Caldas  de  Cunüs  24°;  Mombuy  24—46°;  Cal- 
das  de  Reyes  24°;  CarbaUino  25°;  Carballo  zwei,  23°  und 
24°;  Cortegada  zwei,  20  —  24°  und  24—28°;  Esparra- 
guera  23°;  Guarda  vieja  22°;  Hervideros  21°;  Jaen  24 
bis  50°;  Lanjaron  24°;  Ledesma  24°;  Malaba  25°;  Na- 
valpino  zwei,  22°  und  23°;  Ontaneda  zwei  zu  23°;  Panti- 
cosa  vier  zu  22°,  21°,50,  21°  und  25°;  Sacedon  23°,50;  So- 


296 

lares  22°,50;  Trillo  neun,  worunter  fünf  zu  23°,  eine  zu  19% 
eine  zu  21°,  eine  zu  22°,  eine  zu  23°,25;  Urberoaja  24°,50; 
Villatoja  zwei  zu  21  °;  Villavieja  de  Nules  24°. 

4.  Warme:  Alhama  de  Aragon  28;  Alhama  de  Murcia  zwei, 
26°  und  28°;  Arteijo  26°;  Caldas  de  Buelna  30°;  Caldas 
de  Cuntis  drei  zu  26°,  27°,  28°;  Caldas  de  Reyes  28°; 
Carballino28°;  CarbaUo29°;  Cestonazwei,  25°,12,  26—56°; 
Cortegada  26  —  30°;  Fitero  nuevo  zwei,  26°  und  30°;  For- 
tuna 28°;  Graena  28°;  Lugo  drei,  26°,  28°,  30°;  Molinar 
28°,75;  Mula  30°;  Puente  Tiesgo  28°;  ViUavieja  de  Nules 
28  —  35°. 

5.  Heisse:  Alhama  de  Granada  36°;  de  Murcia  36°;  Alme- 
ria  42°;  Archena  42°;  Arnedillo  42°;  Artejo  31°;  Bejar 
32  —  34°;  Busot  33°;  Caldas  de  Cuntis  drei,  33°,  48°,  43°; 
de  Estrach  33°;  de  Mombuy  fünf,  35°,  51°,  52°,  54°,  56°; 
Oviedo  34°;  Reyes  zwei,  34°  und  37°,50;  Fitero  antiguo 
38°;  nuevo  34°;  Fortuna  42°;  Fuencaüente  32°;  Graena 
32°,50;  Hermida  zwei,  42°  und  49°;  Ledesma  32  —  33°, 
40°;  Loiyo  37°,50;  Lugo  33°;  San  Juan  de  Campos  38°; 
Tiermas  drei,  32°,  34°  und  32°,33. 

Ueber  die  Geschicklichkeit  der  Spanischen  Aerzte  sind  die 
Urtheile  sehr  verschieden,  eben  so  über  die  Summen,  für  welche 
man  sich  ihres  ärztlichen  Beistandes,  sei  es  in  Consultaüonen 
oder  Recepten  oder  in  Besuchen,  versichert.  Ohne  Zweifel  giebt 
es  in  Spanien,  wie  überall,  ausgezeichnete,  mittelmässige  und 
schwache  Aerzte.  Es  wird  sehr  gründlich  wissenschaftlich  ge- 
bildete und  besonders  praktisch  befähigte,  es  wird  Aerzte  geben, 
die  in  ihren  Curen  und  Operationen  besonders  glückhch ,  andere 
welche  von  der  Fortuna  weniger  begünstigt  sind.  Das  Vertrauen 
des  Patienten  zum  Arzt  ist  schon  der  erste  Grad  der  Besserung, 
und  Jean  Paul  sagt  sehr  richtig,  dass  man,  eines  Arztes  bedür- 
fend, jedesmal  zum  besten  gehen  müsse,  weil  dieser  unfehlbar 
hülfe,  wenn  auch  nicht  gerade  von  der  Krankheit,  so  doch  von 
einem  schlechten  Arzte.  Einen  glücküchen  und  guten  Arzt  kann 
man  nicht  zu  theuer  bezahlen;  dass  sich  alle  für  gute  Aerzte 


297 

halten,  ist  ihnen  nicht  zu  verbieten;  dass  man  das  Publicum 
durch  hohe  Preise  in  diesem  Glauben  bestärkt,  ist  mindestens 
politisch;  auch  ist  Niemandem  untersagt,  mehr  als  die  Taxe  zu 
bezahlen;  und  so  ist  also  Alles  in  bester  Ordnung.  Die  ärztlichen 
Taxen  sind  gering;  die  Observanz  hat  in  den  Preisen  von  Madrid 
und  den  Provinzen  den  Unterschied  und  Vorzug  sehr  bestimmt 
ausgesprochen,  den  die  Residenz  für  sich  in  Anspruch  nimmt. 
Die  untergeordneten  chirurgischen  Operationen  mit  Lancette  und 
Blutegeln  werden  von  Professoren  der  Chirurgie,  welche  offene 
Locale  halten,  verrichtet.  Um  Apotheker  sein  zu  können,  ist  der 
Grad  des  Licenciaten  der  Pharmacie  nothwendig ;  will  man  selbst 
Recepte  verschreiben,  um  sie  eigenhändig  dispensiren  zu  kön- 
nen, so  muss  man  als  Doctor  graduirt  sein.  Unter  dieser  Vor- 
aussetzung kann  ein  Jeder  eine  Apotheke  etabliren;  es  kommt 
gar  nicht  darauf  an,  wie  viele  oder  wenige  Etablissements  bereits 
in  derselben  Stadt  oder  Strasse  bestehen.  In  Barcelona  giebt  es 
neunzig  Apotheken.  Die  beliebtesten  sogenannten  Hausmittel 
gegen  Krankheiten  sind  sehr  einfach.  Wo  nicht  Malventhee 
hilft,  werden  Blutegel  gesetzt,  und  wenn  Blutegel  bereits  an- 
gewandt waren,  wird  Malventhee  nachgetrunken;  damit  über- 
windet man  die  meisten  kleinen  Uebel,  welche  eben  aus  Ursachen 
entstehen,  die  durch  jene  Remedia  wieder  beseitigt  und  in  Ord- 
nung gebracht  werden.  Mcdicinflaschen  sind  in  den  Spanischen 
Apotheken  (boticas)  noch  nicht  allgemein  bekannt;  eine  Ober* 
tasse  oder  eine  Flasche  thun  dieselben  Dienste  und  sind  in  jeder 
Haushaltung  vorhanden.  Der  Apotheker  füllt  ein  und  fügt  münd- 
lich die  Gebrauchsanweisung  hinzu.  Die  Apothekertaxen  wer- 
den von  der  Provinzial-Universität  festgesetzt,  und  es  steht  den 
Behörden  frei,  Revisionen  der  Apotheken  vorzunehmen.  Ein  in 
Spanien  sein*  beUebtes  Mittel  ist,  den  Patienten  auch  in  solchen 
Krankheiten,  welche  die  Aerzte  in  Deutschland  veranlassen  wür- 
den, den  Körper  in  einer  gewissen  Schwäche  zu  erhalten,  fort- 
gesetzt mit  ganz  kräftiger  Bouillon  zu  futtern.  Es  schlägt  dies 
Mittel  in  der  That  gut  an. 


298 

Die  ärztliche  Kunst  in  Spanien  ist  sehr  alt,  und  die  medici- 
nischen  Wissenschaften  waren  nirgends  in  Europa  so  gründUch 
und  mit  solchem  Erfolge  gepflegt  als  in  Spanien. 

Von  der  Geschichte  der  Spanischen  Aerzte  ist  die  der  Spa- 
nisch en  Juden  nicht  zu  trennen,  weshalb  hier  darauf  zurück- 
zukommen mir  gestattet  sein  möge.  Die  Ansichten  über  das 
Alter  der  Juden  in  Spanien  sind  verschieden.  Einige  nehmen 
an,  dass  sie  seit  Nebucadnezar  ins  Land  gekommen  wären,  an- 
dere, dass  sie  schon  früher  dort  festgesessen  hätten.  Toledo 
ward  sehr  früh  zum  Mittelpimkt  ihrer  Niederlassungen  gemacht, 
und  viele  Städte  gegründet,  welche  an  die  ferne  Heimath  er- 
innern sollten,  wie  Escalona  (Ascalon),  Maqueda  (Maquedah), 
Noves  (Joppe)  und  andere.  Dass  Kaiser  Titus  einen  grossen  Theil 
der  Juden  nach  Jerusalems  Zerstörung  nach  Spanien  gewiesen, 
ist  historisch  nicht  zweifelhaft.  Als  die  Westgothen  nach  Spa- 
nien vordrangen,  fanden  sie  viele  Juden  angesessen  und  mit  Han- 
del und  wissenschaftUchen  Studien,  namentUch  mit  ärztlicher 
Praxis,  beschäftigt.  Dieser  letztere  Umstand  veranlasste  auch 
die  Mauren  bei  der  Besitznahme  Spaniens,  die  Juden  nicht  allein 
zu  dulden,  sondern  auch  nach  der  Gründung  der  Universität 
Cordova,  948,  die  gelehrtesten  imter  ihnen  dorthin  zu  berufen. 
Unter  diesen  erwarben  sich  durch  ihre  hohe.  Weisheit  die  Ge- 
lehrten der  Persischen  Rabi  Mosch  einen  weitverbreiteten  Ruf, 
und  Cordova  ward  der  Sammelpunkt  aller  Wissbegierigen, 
welche  Sprach-  und  Gesetzeskunde,  Philosophie,  Arzneiwissen- 
schaft, Mathematik  und  Astronomie  studieren  und  solche  in  ihre 
Heimath  übertragen  wollten,  bis  unter  Alonso's  X  Schutz  sich 
das  jüdische  Gelehrtenthum  auch  in  den  Spanischen  christlichen 
Staat  verpflanzte. 

Die  Arzneikunde  hatte  in  der  Halbinsel  unter  den  Juden 
jederzeit  ihre  bewährten  Vertreter  gefunden.  Im  eilft.en  Jahr- 
hundert war  es  der  berühmte  Izchak,  Leibarzt  des  Königs 
Alonso  VII  von  CastiUen,  welcher  mehrere  gelehrte  Werke  über 
Arzneikimde,  so  namentlich  ein  Buch  über  Fieberkrankheiten, 
geschrieben  und  hinterlassen  hat.    Vom  zwölften  Jahrhundert 


299 

an  waren  es  Mosch  ben  Maimon  (Maimonides  el  Egipcio);  Rabi 
Jona  ben  Janacli;  Abraham  ben  Meier  Abu  Hezra  (Chazan); 
Rabi  Jehuda  Mosca,  Leibarzt  Alonso's  X;  Salomo  ben  Abraham 
ben  Adhereth  (Arisba)  aus  Barcelona;  Rabi  Abner  aus  Burgos; 
Jehosua  Alorqui.  Uebersetzungen  aus  der  Griechischen  und  Ara^ 
bischen  Arzneikimde,  eigene  Werke,  glückliche  innere  Curen 
und  Operationen  jüdischer  Aerzte  sicherten  ihren  Ruf  dergestalt^ 
dass  sie  Jahrhunderte  hindurch  ausschliesshch  zu  Leibärzten  der 
Spanischen  Könige  gewählt  wurden.  Die  Academie  zu  Toledo 
bildete  den  letzten  Glanzpunkt  vereinigter  jüdischer  Gelehrsam- 
keit, von  wo  aus  durch  das  Gesetz  von  1492  ihre  Auflösung  be- 
gann, um  nach  der  Vertreibung  aus  Spanien  ihre  Kenntnisse 
nach  Portugal,  Frankreich,  Deutschland  und  ItaUen  zu  ver- 
pflanzen. 

Unter  den  Arabischen  Aerzten  erlangten  durch  ihre  Studien, 
Werke  und  Praxis  grossen  Ruhm  Abdallah  ben  Jahia  Isak,  Arzt 
Abderrahmans  I,  Abu  Bakr  Mahomed  ben  Bagsch,  Avenzoar, 
Abulvalid  Ebu  Rosched  imd  Ben  Theophilus. 

Die  Verfolgung  der  Juden  datirt  auch  in  Spanien  auf  frühe 
Jahrhunderte.  Da  sie  stets  im  Besitz  von  Geld,  da  sie  ihrer 
Kenntnisse  wegen  gesucht,  da  sie,  voller  Intriguen  und  ehrgeizig, 
sich  bald  erniedrigten,  bald  im  Bewusstsein  ihres  Einflusses 
hochmüthig  waren,  so  wurden  sie  Gegenstand  des  Neides,  des 
Hasses  und  der  Verachtung.  Die  ihnen  zur  Last  gelegte  Ver- 
folgung der  Christen,  das  Kaufen  und  Schlachten  von  Christen- 
knaben, das  Stehlen  und  Durchbohren  geweihter  Hostien,  That- 
sachen  oder  Mährchen,  in  wunderbarer  Uebereinstimmung  durch 
die  Geschichte  aller  Jahrhunderte  und  Länder  verbreitet,  gab 
auch  in  Spanien  Veranlassung,  den  Fanatismus  zu  erwecken  und 
Verfolgungen  herbeizuführen,  wie  sie  anderswo  kaum  ihres  glei- 
chen finden.  Das  siebzehnte  Concil  zu  Toledo,  694,  trat  zuerst 
öffentlich  feindlich  wider  die  Spanischen  Juden  auf,  weil  sie  an- 
geblich mit  den  Filistins  der  Barbarei  correspondkt  hätten.  Die 
hieraus  hervorgegangene  Verfolgung  gab  Veranlassung,  dass  die 
Juden  den  Mauren  am  Palmsonntage,  als  die  christliche  Garnison 


300 

zum  Gottesdienst  nach  der  Santa  Leocadia  gezogen  war,  die 
Thore  von  Toledo  öffiieten.  Anfangs  geschont,  dann  aber  auch 
von  dieser  Seite  bedrängt  und  beraubt,  stellten  sie  sich  unter 
den  Schutz  Alonsos  XI,  1348.  Enrique  II  legte  1375  Beschlag 
auf  die  Gemeindekasse  der  Juden,  wegen  derjenigen  Streitigkei- 
ten, welche  mit  ihrer  Vertreibung  120  Jahre  später  endeten. 
160,000  FamiUen,  nach  Anderen  800,000  Köpfe,  verliessen  mit 
einem  grossen  Theil  ihrer  Schätze  das  Land;  die  übrigen  nah- 
men das  Christenthmn  an,  Uessen  sich  an  den  Küsten  des  Mittel- 
ländischen Meeres  nieder,  und  bewahrten  theilweise  angebüch 
bis  auf  die  neueste  Zeit  im  Stillen  ihre  mosaischen  Gebräuche. 
Ganz  besonders  auf  Mallorca,  in  der  Hauptstadt  Palma,  haben 
sich  die  aus  jener  Zeit  herstammenden  jüdisch -christiichen  Fa- 
miUen in  ihrer  Abgeschlossenheit  von  den  übrigen  christUchen 
Familien  und  in  dem  Typus  ihrer  Physionomien  erhalten.  Man 
nennt  sie  auch  dort  Judaos ;  sie  verheirathen  sich  nicht  mit  den 
sogenannten  Alt- Christen,  und  werden  von  der  übrigen  Bevöl- 
kerung mit  Geringschätzung  behandelt.  Der  ärgste  Schimpf- 
name in  Spanien  ist  die  Bezeichnimg  Judiado ,  und  noch  in  die- 
sem Jahrhunderte  ist  der  Ruf  Judiado  mehrfach  das  Signal  zum 
Ausbruch  entfesselter  Volks wuth  benutzt  worden. 

Die  Medicinal -Polizei  ist  durch  Verordnimgen  vom 
17  März  1847,  18  Jan.  1848  und  durch  das  Reglement  vom  24  Juli 
1848  auf  die  Nothwendigkeit  der  Absperrung  bei  ansteckenden 
Krankheiten  und  mit  der  nothwendigen  Sorge  fiir  die  Gesund- 
heit der  Bevölkerung  beauftragt.  Dazu  gehört  der  Beistand, 
welcher  mittellosen  Kranken  gewährt  werden  muss;  deren  Auf- 
nahme in  die  Hospitäler,  und  bei  TodesfiQlen  die  Beerdigung 
binnen  der  vorgeschriebenen  Zeit;  bei  den  Beisetzungen  die 
Aufrechthaltung  der  bestehenden  Gebote  und  Verbote ,  wie  des 
Verbotes  von  Leichenreden  durch  Layen,  und  der  sonst  erfor- 
derüchen  Vorsieh ts  -  Maassregeln.  Die  Leichen  werden  in  Spa^ 
nien  nicht  vergi-aben,  sondern  die  Särge  werden  in  gemauerte 
Nischen  geschoben  und  daselbst  vermauert  Erst  nach  zwei 
Jahren,  wenn  der  Verwesungs-Prozess  beendet^  ist  der  Trans- 


301 

port  einer  Leiche  von  dem  Sterbeorte  nach  Familien -Begräb- 
nissen polizeilich  zulässig.  An  gewissen  Tagen  des  Jahres  wer- 
den die  Kirchhöfe,  welche  vortrefflich  unterhalten  sind,  von  den 
Angehörigen  besucht,  und  die  Grabstätten  mit  Kränzen  und  Blu- 
men geschmückt.  Die  Leichenwagen  fiir  Erwachsene  sind 
schwarz,  offen,  mit  einem  Baldachin,  brennenden  Laternen  und 
dem  Spanischen  Wappen  versehen.  Werden  Kinder  beigesetzt^ 
so  wird  ein  weiss  lackirter  Wagen  mit  weissem  Baldachin  ge- 
wählt, gezogen  von  4  bis  6  weissen  Pferden,  mit  weissen  Decken 
und  Federbüschen,  geschmückt  mit  Blumen  und  Kränzen. 

Zur  Gesundheitspflege  gehört  auch,  dass  die  Polizei  überall 
für  Anlage  und  Unterhaltung  öffentlicher  Fluss  -  und  Seebäder 
sorgt  Der  Gebrauch  der  letzteren  ist  den  Aermeren  unentgelt- 
lich gestattet  An  den  bestimmten  Badestunden  sehen  ausge- 
stellte Wachtposten  darauf,  dass  zudringliche  Neugier  von  den 
Frauenbädem  fem  gehalten  wird. 

Zur  Zeit  der  grossesten  Hitze  ist  man  sehr  vorsichtig  wegen 
der  tollen  Hunde.  Die  Gasthaus-  und  Kaffee- Wirthschaften  sind 
angewiesen,  Gefösse  mit  Wasser  vor  die  Thüren  ihrer  Häuser 
zu  stellen.  Die  Polizei  schärft  die  Verbote  ein,  dass  Hunde 
ohne  Begleitung  ihrer  Herren  sich  auf  den  Strassen  umhertrei- 
ben, und  lässt  Nachts  auf  die  Strassen  in  Butter  gebratene  Gift- 
kugeln auslegen,  nach  deren  Genuss  der  Tod  des  Thieres  so- 
gleich erfolgt.  Die  Resultate  dieser  Fürsorge  werden  durch 
das  Wochenblatt  zur  öffentlichen  Kenntniss  gebracht  Beispiels- 
weise sagte  das  Diarium  von  Madrid  am  25  Mai  1851,  dass  vom 
14  bis  zum  21  Mai  täglich  50  Giftkugeln  gelegt  worden,  und 
daran  gestorben  wären:  am  14ten  44  Hunde,  am  15ten  26^  am 
16ten  16,  am  17ten  21,  am  18ten  10,  am  19ten  49,  am  20ten.21, 
am  21ten  15  Hunde,  Summa  202  Hunde. 

Es  giebt  gewiss  kein  Land  in  Europa,  wo  so  viel  fiir  die  öf- 
fentliche Wohlthätigkeit  geschieht,  wie  dies  in  Spanien  der 
Fall  ist  Richtig  ist  es,  dass  die  Bettelei  nichts  desto  weniger 
auf  eine  das  Publicum  in  hohem  Maase  belästigende  Weise  fast 
in  allen  Städten  herrscht    Man  kann  in  Spanien  weder  aus  dem 


802 

Reisewagen  heraus  noch  in  denselben  hineinsteigen,  ohne  von 
Männern,  Weibern  und  Kindern,  Krüppeln  und  Gesunden,  Alten 
und  Jungen,  umgeben,  bestürmt  und  verfolgt  zu  werden.  Ich 
weiss  es  nichts  ob  die  Bettelei  in  Spanien  gesetzlich  verboten  ist, 
factisch  besteht  sie  auf  lästige  Weise  selbst  unter  den  Augen  der 
Polizei.  Die  sehr  zweckmässigen  in  Deutschland  gültigen  Be- 
stimmungen, wonach  monströse,  kranke  und  verkrüppelte  Glied- 
massen nicht  zur  Erweckung  des  Mitleidens  öffentlich  zur  Schau 
gestellt  werden  sollen,  kennt  man  hier  nicht,  denn  man  sieht  die 
ekelhaftesten  und  entsetzliche  Verunstaltungen  auf  die  wider- 
lichste und  zudringlichste  Weise  präsentiren,  um  durch  die 
Theilnahme  oder  den  Abscheu  auf  die  Börse  des  Publicums  ein- 
zuwirken. Nichts  desto  weniger  hat  jede  Gemeinde,  ohne  Un- 
terschied, mindestens  eine  Wohlthätigkeits- Anstalt;  in  grösseren 
Communen  giebt  es  deren  für  alle  Arten  von  Hülfsbedürftigen : 
Findlinge,  uneheliche,  verwahrloste  Kinder,  geistig  und  körper- 
lich Leidende.  Diese  Etablissements  stehen  theils  unter  welt- 
licher, theils  unter  geisthcher  Aufsicht;  namentlich  sind  es  die 
barmherzigen  Schwestern,  hermanas  de  caridad,  deren  Hinge- 
bung und  trostreichen  Sorge  die  Kranken  und  unglücklichen 
expositos  sich  am  liebsten  und  mit  dem  glucklichsten  Erfolge 
hingeben.  Es  bestehen  fiir  die  beneficencia  publica:  estableci- 
mientos  de  caridad  hermandados,  hospicios,  hospitales,  estable- 
cimientos  de  sanidad  y  lazaretos.  Ich  habe  deren  in  grossen 
und  kleinen  Städten  gewiss  Hundert  besucht;  ich  erschien  über- 
all unangemeldet,  und  ich  kann  versichern,  dass  ich  nicht  ein 
einziges  Institut  gefunden  habe,  wo  nicht  die  ausgezeichnetste 
Reinlichkeit  in  Stuben,  Küchen,  Betten  und  im  Hofe,  bis  zu  den 
Latrinen  hinab,  geherrscht,  wo  ich  nicht  neben  einer  humanen 
Behandlung  gute  und  ausreichende  Nahrungsmittel  und  eine 
pünktliche  Befolgung  der  Hausordnimg  imd  den  Zustand  der 
Pfleglinge  so  entsprechend  gefunden  hätte,  als  derselbe  über- 
haupt oder  mit  Bezug  auf  die  vorhandenen  Mittel  oder  die  über 
Behandlung  und  Verpflegung  in  solchen  Anstalten  herrschenden 
Ansichten  herzustellen  ist.     Wenn  ich  Madrid  zunächst  anführe^ 


B03 

so  geschieht  dies  nicht  weil  die  vorgedachten  Anstalten  dort  als 
Masteranstalten  zn  betrachten  wären.  In  den  Residenzstädten 
herrschen  im  Allgemeinen  ganz  eigenthümliche  Verhältnisse, 
welche  sich  weder  in  den  Provinzen  finden,  noch  auf  dieselben 
übertragen  werden  können.  Es  wird  vieles  fiir  derartige  Insti- 
tutionen in  einer  Residenz  in  der  Ausführung  erleichtert ;  es  wird 
noch  mehr  durch  die  unmittelbare  Controlle  erschwert  werden. 
Es  sind  bedeutendere  Mittel  vorhanden ;  sie  werden  aber  unver- 
hältnissmässig  mehr  in  Anpruch  genommen.  Madrid  mag  hier 
nur  in  statistischer  Beziehung  angeführt  werden,  um  aus  der 
Zahl  seiner  Wohlthätigkeits-Anstalten  auf  das  diesföllige  Bedürf- 
niss  zurückschliessen  zu  können.  Madrid  besitzt  21  Hospitäler: 
das  allgemeine  Krankenhaus,  la  Pasion,  Anton  Martin,  Convale- 
cencia,  la  Concepcion,  Orden  Tercera,  Buen  Succeso,  Misericor- 
dia,  Buena  Dicha,  San  Pedro,  San  Fermin,  Monserrat,  Pontificio, 
San  Juan,  Colegio  de  la  paz,  Hospital  de  incurables,  San  Andres, 
San  Antonio  de  los  Portugueses,  San  Luis  de  los  Franceses, 
Nuestra  Senora  de  la  Novena,  und  das  grosse  Militair-Lazareth; 
die  Taubstummen  und  Blinden  -  Institute  nicht  mit  gerechnet 
Am  1  December  1851  waren  4722  Kranke  in  Verpflegung  der 
Madrider  Krankenanstalten.  Ausserdem  besteht  in  jeder  der 
16  Parochien  eine  Junta  de  caridad,  beauftragt,  die  verschämten 
und  Hausarmen  zu  unterstützen;  und  existiren  4  Hospize,  die 
von  San  Fernando,  Casa  de  ninos  expositos,  San  Behiardino  und 
Desamparados.  Eine  grosse  Anzahl  von  establecimientos  bene- 
ficos  und  sociedades  filantropicas  sind  von  der  Regierung  ge^ 
nehmigt  und  mit  Corporationsrechten  ausgestattet^  wie  el  Monte 
de  piedad ,  el  posito ,  la  Sociedad  del  buen  pastor  und  die  hier- 
her gehörige  Caja  de  ahorros  oder  Sparkassen -Verein.  Dieser 
letztere,  bereits  im  Besitz  eines  Depositum  von  2  Millionen  Rea- 
len, hat  durchschnittUch  eine  tägliche  Einnalmie  neuer  Fonds  von 
60,000  r.,  während  die  täglich  wieder  erhobenen  Summen  etwa 
40,000  r.  betragen.  Sollen  hierzu  die  Casas  de  reclusion  ge- 
rechnet werden,  so  nenne  ich  die  Santa  Maria  Magdalena,  die 
Arrepentidas  und  San  Niex>las  de  Bari. 


304 

In  Betreff  der  Fortschritte  im  Unterricht  und  den  Leistun- 
gen der  Taubstummen  und  Blinden  verweise  ich  auf  die  Revista 
de  la  ensenanza  de  los  sordo-mudos  y  ciegos  von  Ballesteros 
und  Villabrille,  welche  auch  denen  von  Interesse  sein  wird, 
die  keine  Gelegenheit  gehabt  haben,  das  wirklich  Tüchtige  der 
Anstalt  aus  eigener  Anschauung  kennen  zu  lernen.  Die  Zahl  der 
Blinden  in  Spanien  ist  sehr  bedeutend.  Blindgeborene  giebt  es 
wenige ;  die  in  Erblindung  übergehende  Augenschwäche  tritt  ge- 
wöhnlich erst  nach  dem  20ten  Lebensjahre  ein.  Sei  die  Einwir- 
kung der  Sonne,  die  Lebensweise,  namentlich  das  Schlafen  im 
Freien,  Erkältung  auf  vorhergegangene  Erhitzung  die  Hauptver- 
anlassung —  man  hat  noch  keine  nachhaltigen  Mittel  gegen  den 
Fortschritt  und  das  Ende  des  einmal  begonnenen  Augenleidens 
gefunden.  Die  meisten  Erblindungen  kommen  an  der  Ost-  und 
Südküste  Spaniens  vor,  namentlich  wo  die  Uferfelsen  oder  Erd- 
flächen kalkhaltig  oder  von  heller  Farbe  sind.  Die  nachtheilige 
Einwirkung  des  Lichtes  auf  die  Sehkraft  der  Bewohner  solcher 
Gegenden  hat  sich  besonders  bei  Alicante,  Cai'tagena,  Murcia 
und  vor  allem  in  Albatierra  gezeigt,  wo  die  Mehrzahl  der 
Einwohner  an  Schwachsichtigkeit  oder  an  Augenkrankheiten 
leidet. 

In  Barcelona  steht  die  Sorge  für  öffentliche  Wohlthätigkeit 
der  Junta  municipal  de  beneficencia  zu,  gebildet  durch  vier  Mit- 
güeder  der  Gemeinde  unter  dem  Vorsitze  des  Alcalden,  eines 
Regidors  und  des  Parochial- Geistlichen.  Das  erste  Institut  ist 
die  Casa  de  caridad,  1799  mit  bedeutenden  Fonds  gestiftet,  für 
Männer,  Frauen  und  Kinder.  Arbeit  und  Unterricht  beschäftigen 
die  Häuslinge.  Eine  Knabenschule,  von  460,  eine  Mädchen- 
schule, von  321  Kindern  besucht,  leisten  recht  Erfreuliches- 
Zur  Deckung  der  sehr  beträchtlichen  Unterhaltungskosten  wird 
der  Erlös  einer  städtischen  Wochen -Lotterie  verwendet 

Derselbe  beträgt  etwa 28,092  r. 

demnächst  die  Abgabe  von  Stierkämpfen 196  » 

von  den  öffentlichen  Bädern 754  » 

von  den  Latrinen 791   » 


von  Maskeraden 5,770  r. 

von  Leichenkutschen 2,781   » 

von  den  Vermächtnissen 4,700  » 

Der  Ueberrest  des  Bedarfs  ist  durch  die  Zinsen  luid  Renten 
der  der  Anstalt  gehörenden  Capitalien  und  Grundstücke  ge- 
sichert. 

Demnächst  folgt  die  Casa  de  misericordia,  1583  gestiftet. 
350  Kinder  werden  daselbst  unter  der  Aufsicht  von  24  Nonnen 
erzogen  und  verpflegt.  Die  Casa  retiro.  Das  Hospital  de  Santa 
Cruz,  1229  gegründet  und  1401  mit  den  übrigen  damals  in  Bar- 
celona bestandenen  Krankenanstalten  vereinigt.  Die  Renten  der 
Anstalt  betragen  30,000  Duros.  Männer,  Weiber,  altersschwach 
und  arbeitsunfähig,  verwahrloste  und  uneheliche  Kinder  werden 
dort  aufgenommen ;  die  letzteren  gut  unterrichtet  und  zur  Erler- 
nung von  Handwerken  vorbereitet. 

Die  Zahl  der  unehelichen  zu  den  ehelichen  Geburten  ge- 
staltet sich 

in  Madrid wie  1  zu   4 

in  Barcelona »     1    »     5 

in  Valencia »     1    »     6 

in  Sevilla »     1»     7 

in  Cadiz »     1    »     8 

in  den  nördlichen  Provinzen ...     »     1    »  1 5 

im  Lande  überhaupt »     1    »  35. 

In  Barcelona  sind  noch  an  Wohlthätigkeits- Anstalten:  das 
Hospital  de  Convalecencia,  1629  fundirt;  Hospital  San  Lazaro ; 
desgleichen  San  Severo,  seit  1412;  das  de  infantes  huerfanos, 
seit  1370;  de  Santa  Marta,  seit  1308;  Monte  pio  barcelones; 
Monte  de  piedad;  und  endlich  43  Associationen  zur  Befördenmg 
wohlthätiger  Zwecke. 

Valencia  zählt  68,700  Einwohner  innerhalb  der  Stadt,  und 
51,000  welche  zur  Gemeinde  gehören,  aber  ausserhalb  der  Thore 
ihre  Wohnungen  haben.  Unter  den  1 3  Wohlthätigkeits-Anstalten 
sollten  einige  nicht  unbesucht  von  Fremden  gelassen  werden;  so 
insbesondere  das  Provinzial- Hospital  mit  500  Krankenbetten, 

T,  MiOtttoli,  Spanien.  20 


306 

400  Expositos  und  einer  grossen  Anzahl  von  heilbaren  nnd  un- 
heilbaren Gemüthskranken.  Das  Institut  bedarf  jährlich  63,000 
Duros,  und  wird  die  Krankenpflege  durch  die  Schwestern  de 
Caridad  de  Vincente  Paul  besorgt.  Die  grosse  Waisenanstalt  Va- 
lencias gehört  zu  dem  Ausgezeichnetsten  was  ich  in  dieser  Be- 
ziehung gesehen  habe.  Die  Gebäude  der  öflfentüchen  Anstalten 
und  die  Dienst-  luid  Amtsgebäude  in  Spanien  sind  überhaupt 
mit  wenigen  Ausnahmen  auf  die  würdigste  Weise,  mitunter  mit 
palastähnlicher  Pracht,  erbaut  imd  ausgestattet.  Auch  die  er- 
wähnten Wolüthätigkeits- Anstalten  sind  theil weise  in  herrUchen 
Gebäuden  untergebracht. 

Cadiz  zählt  bei  100,000  Einwohnern  13  Wohlthätigkeits- 
Anstalten ;  darunter  die  berühmte  Casa  de  misericordia,  von  Tor- 
quato Cayon  erbaut,  in  welcher  1000  Menschen  verpflegt  werden. 

Sevilla  mit  92,000  Einwohnern  zählt  22  Wohlthätigkeits- 
Institute;  darunter  das  Hospital  San  Jose  (la  Guna),  welches 
jährlich  339,000  r.  verausgabt. 

Toledo  hat  bei  15,000  Einwohnern  16  Wohlthätigkeits- 
Anstalten.  Die  Casa  de  caridad  schliesst  ihren  Jahres  -  Etat  mit 
497,000  r.  ab. 

Diese  Beispiele  werden  ausreichen,  um  die  ausgesprochene 
Ansicht  zu  begründen. 

Irrenhäuser.  Das  Verhaltniss  der  Gemüthskranken  ge- 
staltet sich  in  Spanien  zur  Gesammtbevölkenmg  wie  1  zu  1667; 
in  Madrid  wie  1  zu  4900;  das  der  gemüthskranken  Frauen  zu 
den  Männern  wie  3  zu  7.  In  Barcelona  waren  von  1800  bis 
1839  in  den  Krankenanstalten  4000  Gemüthskranke  verpflegt; 
darunter  2274  Männer  imd  1726  Frauen.  Das  Verhaltniss  der 
aus  den  Irrenanstalten  Spaniens  als  hergestellt  oder  vielmehr  als 
vernünftig  Entlassenen  berechnet  man  auf  38  procent  der  Auf- 
genommenen, die  TodesßQle  auf  25  procent  Man  kann  nicht 
behaupten,  dass  man  in  Spanien  für  die  imglücklichen  Gemüths- 
kranken nicht  sorge.  Wie  wäre  dies  auch  erklärlich  in  einem 
Lande,  in  welchem,  wie  wir  eben  gesehen,  der  Wohlthätig- 
keitssinn  so  rege  ist;  wo  grossartige  Krankenhaus -Stiftungen 


S07 

die  herrlichsten  Zeugen  desselben  sind ;  wo  man  zu  Detentions- 
orten der  Unglücklichen  und  Verwahrlosten  Paläste  benutzt 
oder  erbaut  hat     Allein  die  effective  Lage  der  Irren  in  Spanien 
ist  eine  traurige.     Es  ist  allerdings  eine  Wohlthat,  diese  Un- 
glückhchen  von  ihren  Familien  zu  trennen,  wo  sie  entweder 
vemachlässigt  oder  in  ihren  fixen  Ideen,  um  sie  zu  beruhigen 
und  weniger  unbequem  zu  machen  —  jedoch  zum  grossesten 
Nachtheil  für  die  Besserung  —  bestärkt  werden.     Es  ist  eine 
Wohlthat  für  jene  Unglücklichen,  die  zum  grossen  Theil  den  un- 
teren Schichten  der  Bevölkerung  angehören  und  den  Ihrigen  zur 
Last  sind,  da  sie  zum  Unterhalt  Aller  nichts  beitragen,  sie  in  An- 
stalten unterzubringen,  wo  die  Sorge  des  Leibes  nichts  zu  wün- 
schen übrig  lässt     Aber  es  ist  keine  Wohlthat,  die  Unglück- 
lichen, mit  der  Ueberweisung  an  die  Casas  de  los  locos,  aus  dem 
Kreise  der  Vernünftigen  für  inuner  zu  verbannen;  die  Thüre  die- 
ses Hospitals  als  die  Abschliessimg  von  aller  Gemeinschaft  mit 
der  Aussenwelt  —  mit  einem  Worte  —  die  Irrenhäuser  als  De- 
tentionshäuser  fiir  Unheilbare  zu  betrachten,  statt  sie  zu  Irren- 
Heilanstalten  zu  machen.     Man  geht  allerdings  nicht  so  weit 
wie  in  Constantinopel,  wo  ich  Zeuge  war,  wie  man  zwei  in  stiller 
Melancholie  gemüthskrank  gewordene  Unglückliche  an  eine  Kette 
mit  ungeheuren  Ringen  schmiedete,  indem  man  den  eisernen 
Reifen  um  den  Hals  nietete,  den  erst  der  Schmied  dereinst  beim 
Tode  des  Kranken  wieder  abfeilen  sollte.     Aber  man  darf  mir 
zur  Widerlegung  meines  Urtheils  nicht  jene  38  procent  der  als 
vernünftig  entlassenen  Pfleglinge  als  ein  Verdienst  der  diese  An- 
stalten überwachenden  Aerzte  anfuhren.     Ich  vnR  das  Verhält- 
niss  der  38  procent  Entlassenen  nicht  als  etwas  Unrichtiges  be- 
streiten, denn  es  fehlt  mir  dazu  an  richtigen  Anhaltpunkten,  und 
es  kann  ein  Zufall  sein,  dass  in  den  Irrenanstalten,  die  ich  in 
Spanien  besucht,  die  Residtate  ungünstiger  waren  und  die  mir 
angegebene  Zahl  der  als  geheilt  Entlassenen  jenen  38  procent 
nicht  nahe  kam.     Einige  Anstaltsärzte,  mit  denen  ich  darüber 
sprach^  schüttelten  auch  ziemlich  ungläubig  den  Kopf,  indem  sie 
meinten,  dass  sich  jener  Procentsatz  wohl  nur  durch  die  Eile 

20" 


308 

erklären  lasse ,  mit  welcher  man  in  den  meisten  Provinzen  Indi- 
viduen, sobald  sich,  wenn  auch  nur  in  Folge  örtlicher  Leiden, 
Spuren  von  Geistesverwirrung  zeigten,  um  die  Familien  von 
einer  Last  zu  befreien,  in  die  Anstalten  absende,  wo  sich  nattir- 
lich  häufig  in  der  Heilung  des  örtUchen  Leidens,  in  der  Ruhe 
und  Abgesclilossenheit  die  Krankheit  als  eine  vorübergehende 
Erscheinung  bethätige.  Jene  Aerzte  meinten  hiemach ,  dass  es 
dem  glücklichen  Geschicke,  das  heisst  der  Gnade  Gottes,  zu  ver- 
danken sei,  wenn  38  procent  aus  den  Anstalten  als  geheilt  ent- 
lassen wären;  denn  die  letzteren  würden,  wenn  auch  unter  ärzt- 
liche Aufsicht  gestellt,  so  doch  nicht  als  Heilanstalten  betrachtet, 
indem  sie  weder  als  solche  eingerichtet  noch  mit  den  erforder- 
lichen Heilmitteln  und  Apparaten  versehen  wären. 

Das  XJrtheil,  welches  ich  von  Spaniern  über  die  Irrenhäuser 
des  Landes  vernommen,  war  em  sein:  wenig  günstiges,  und  ich 
muss  mit  Genugtlmung  zugestehen ,  dass  ich  diese  Detentions- 
häuser  besser  gefunden  habe,  als  ich  es  nach  jenen  Urtheilen  er- 
wartet hatte.  Das  unbehagüche  Gefühl,  eine  Mischung  von  Mit- 
leiden, Widerwillen  und  Furcht,  w^elches  die  meisten  Besucher 
einer  solchen  Anstalt  schon  beim  Eintritt  erfasst,  dieselben  wäJi- 
rend  ihres  Aufenthaltes  bis  zum  Austritte  begleitet,  und  selbst 
in  der  Erinncnmg  nicht  verlässt,  ist  Grund,  dass  man  es  in  der 
Regel  bei  solchen  einmaligen  Besuchen  bewenden  lässt,  und 
dass  man  harte  Urtheile  nicht  zurückliält,  wenn  man  eine  strenge 
Behandlung  den  Ausbrüchen  der  Tobsucht  entgegensetzen  sieht. 
Ich  glaube  es  deshalb  auch  nicht,  dass  das  Prügehi,  wie  man  mir 
erzählt  hat,  ein  sehr  behebtes  Beruhigungsmittel  in  den  Spani- 
schen Irrenhäusern  sein  sollte,  und  dass  die  Gemüthskranken  bei 
ihren  regelmässigen  Berücksichtigungen  eine  Anzahl  von  Schlä- 
gen auf  den  Kopf  erlüelten,  um  dem  aus  dem  Gleichgewicht  ge- 
kommenen Hirne  seine  ursprüngUche  Lage  durch  jene  heilsame 
Erschütterung  wieder  zu  geben;  ich  habe  wenigstens  bei  meinen 
Besuchen  keine  Bemcrkimgen  gemacht,  welche  eine  solche  An- 
nahme glaubüch  erscheinen  Hessen.  Dagegen  muss  ich  wieder- 
holen, dass  im  Vergleich  zu  Deutschland,  England  und  Frank-« 


309 

reich,  insbesondere  aber  mit  Preussen,  wo  ich  die  vorzüglichsten 
Irren -Heilanstalten]  besucht,  ich  in  Spanien  wenig  BemeAens- 
werthes  fiir  das  Heilverfahren  wahrgenommen  habe.  Bestimmte 
Systeme  darüber  scheinen  nicht  aufgestellt,  wie  überhaupt  dem 
Gegenstande  bisher  weder  Seitens  der  Regierung  noch  Seitens 
der  ärztlichen  Praxis  eine  besondere  Aufinerksamkeit  gewidmet 
worden  zu  sein  scheint.  In  Toledo  befindet  sich  das  Hospital  del 
Nimcio  mit  32  Kranken,  welche  entweder  als  ganz  arm  imentgelt- 
lieh  aufgenonmaen  sind,  oder  je  nach  ihren  Verhältnissen  ein  täg- 
liches Kostgeld  von  8,  10,  12  bis  16  r.  zahlen  in  dem  prächtigen 
Palast  des  Cardinais  Lorenzano,  welcher  mit  seinen  schönen 
Sälen  imd  Treppen,  mit  seiner  entzückenden  Aussicht  in  die 
Vega  diesen  XJnglücküchen  eingeräumt  ist.  Die  Zimmer  und 
Gänge  mit  ihren  vergitterten  Bogenhallen  lassen  zwar  Irische 
Luft  und  Bewegung  zu,  allein  an  einem  grossen  Hofe  und  Gar- 
ten, an  Bewegung  und  Ai'beit  im  Freien,  an  einer  solchen  kör- 
perüch  anstrengenden  Beschäftigung,  welche  erfahrungsmässig 
das  beste  Mittel  ist,  um  einen  Heilimgsprozess  vorzubereiten, 
fehlt  CS  gänzlich.  Diesen  Mangel  habe  ich  auch  in  anderen  Spa- 
nischen Irrenhäusern  wahrgenonmien  und  überall  die  Kranken 
auf  den  Müssiggang  aagewiesen  gefunden,  welcher  dem  von 
fixen  Ideen  Heimgesuchten  Gelegenheit  giebt,  sich  darin  bis  zum 
Wahnsinn  zu  vertiefen,  oder  dem  an  Arbeit  Gewölmten,  thierisch 
zu  verdummen,  oder  dem  Unstäten  und  Um'uhigen,  zur  Tobsucht 
überzugehen.  In  Valencia,  wo  ich  im  Allgemeinen  grosse  Ord- 
nimg und  Reinhchkeit  in  der  zahlreich  besetzten  Irren-Station  des 
Provinzial-Hospitals  fand  und  mich  nach  der  Verpflegung  der 
Gemüthskranken  in  quantitativer  und  quaUtativer  Beziehung  er- 
kimdigte,  konnte  ich  mein  Erstaunen  darüber  nicht  unterdrücken, 
dass  die  Kost  für  Unbeschäftigte  zu  nalirhaft  und  mit  Hinsicht 
auf  die  gewohnte  Massigkeit  der  Spanier  zu  reichhch  erschien. 
Es  wird  nämlich  zu  dreien  Malen  des  Tages,  7  Uhr  Morgens, 
2  Ulir  Mittags  und  5  Uhr  Abends  gespeist:  zweimal  warme  Kost, 
jedesmal  1^  Quart  dickgekochtes  Gemüse  mit  5  Unzen  Fleisch, 
dazu  1^  Pfund,  und  das  dritte  Mal  ein  halb  Pfund  Brod  ver- 


310 

abreicht.  Man  antwortete,  dass  die  reichliche  Kost  das  Mittel 
sei,  die  Kranken  ruhig  zu  erhalten;  dass  die  Uebersättigung  eine 
schlafsüchtige  Trägheit  des  Körpers  herbeifiihre,  welche  Aus- 
brüche der  Tobsucht  nicht  aufkommen  lasse,  imd  es  sich  nach 
den  dortigen  Beobachtungen  herausgestellt  habe,  dass  bei  6e- 
müthskranken  der  Geist  vollständig  durch  den  Körper  beherrscht 
würde.  Es  wäre  in  der  That  interessant^  diese  Erscheinung  phy- 
sich und  psychologisch  in  ihren  Wirkungen  und  Erfolgen  näher 
zu  prüfen.  Auch  in  der  Irrenanstalt  zu  Palma  auf  Mallorca  er- 
schien mir  die  Kost  viel  zu  reichlich. 

In  der  Regel  bestehen  in  Spanien  die  Irrenanstalten  als  Ab- 
theilungen der  Provinzial- Hospitäler.  Mit  Ausnahme  einer  ein- 
zigen  habe  ich  bei  meinen  Besuchen  überall  eine  vorzügliche 
Reinlichkeit  und  Ordnung  in  den  Zinmiem,  Schlafstätten,  in  den 
Küchen  imd  sonstigen  Räumlichkeiten  angetroffen;  auch  fand  ich 
durchweg  die  nothwendige  Trennung  der  Geschlechter  und  die 
Beaufsichtigung  der  weibüchen  Ejranken  durch  Wäiterinnen  be- 
obachtet. Nach  den  gemachten  Erfahrungen  zeigt  sich  in  Spa- 
nien die  Gemüthskrankheit  selten  bei  Kindern  oder  im  Alter. 
Die  Zeit  der  körperhchen  Entwickelung  bildet  dies  Uebel  in  der 
Regel  zuerst.  Tobsüchtige  Kranke  gehören  zu  den  Ausnahmen. 
Unter  den  fixen  Ideen  bilden  Ehrgeiz,  Eitelkeit  und  Stolz  die 
grössere  Zahl. 

Straf-  und  Besserungs -Anstalten.  Am  Schluss  des 
Jahres  1850  behef  sich  die  Zahl  der  in  den  Strafanstalten,  Galee- 
ren und  städtischen  Arresthäusem  des  Festlandes,  der  Adjacen- 
tes  und  der  Besitzungen  in  Afhca  verurtheilten,  detinirten  und 
polizeilich  verhafteten  Individuen  auf  15,927;  und  zwar  in  den 
Gefangnissen  zu 


311 


Setill« 

Toledo    .... 
Valencia    .  .  . 
VaUadoUa   .  . 
Vigo  -  Straaee 
Zaragoza  .  .  . 

125 

8 
37 

29 

285 
230 
460 
369 
797 
120 

48 
32 
59 
33 
20 
24 

458 
262 
527 
439 
817 
173 

3 

8 
12 

4 

's 

33 
17 
11 
32 
115 
17 

57 
19 
21 
29 
6 
26 

397 
362 
47 
229 

193 
119 
196 
147 
10 
185 

348 

574 
178 

1,006 

514 

1,169 

1,013 

995 

639 

Total 

407  5.109 

4169 

9,885 

1115 

S15 

411 

2997 

1654 

6042 

15,927 

Desgl.  1849 .  . 

1205  6079 

3833 

11,117 

58 

225 

175 

1710 

824 

2992 

14.109 

also  melix  1850 

380 

87 

016 

236 

1287 

830 

1,818 

weniger  1850  . 

798 

770 

3,232 

312 


In  den  städtischen  Arrestlocalen  und  Gefkngenh&usern  befanden  sich 


Alava 

Albacete 

Alicante 

Abneria 

Avila 

Badajoz 

Balearen 

Barcelona    .  .  .  . 

Burgos 

Caceres  

Cadiz 

Canarien 

Castellon 

i^eui/a  ••••••• 

Ciudad  Real .  .  . 

Cordova  

Coruna 

Cuenca 

Gerona  ....'. 

Grranada 

Guadalajara  .  .  . 
Guipuzcoa  .  .  .  . 

Huelva 

Huesca 

Jaen 

Leon 

Lerida 

Logroüo 

Lugo 

Madrid 

Malaga 

Murcia 

Navarra 

Orense 

Oviedo 


vom  Tribunal 
verurtheilt 


o 

G 
ISA 


16 
41 
60 
43 
10 
79 
23 
95 
46 
87 
47 
12 
63 

■ 

223 
61 
59 
70 
82 

109 
21 
5 
50 
36 
39 
45 
49 

126 
49 
90 

117 
49 
69 
35 
39 


a 

V 

9 
01 

h 


1 

6 
14 

4 

2 

11 

14 

110 

2 
11 

8 
27 
12 

• 

15 
6 
134 
4 
4 
77 
4 
1 
5 
1 
6 
6 
3 

19 
17 
112 
27 
9 
47 
13 
23 


in  schwebender 
Untersuchung 


e9 

'4-* 

o 

H 


17 
47 
74 
47 
12 
90 
37 
205 
48 
98 
55 
39 
75 

• 

238 
67 

188 
74 
46 

181 
25 
6 
55 
37 
45 
51 

250 

145 
66 

202 

114 
58 

116 
48 
62 


t« 

V 


36 
172 
302 
160 
119 
329 

61 
449 

62 
157 
304 

72 
192 

• 

255 
190 
297 
183 
230 
492 
150 
16 
88 
152 
223 
129 
214 
130 
177 
862 
521 
199 
180 
149 
144 


a 

es 
u 


5 

32 
36 

7 

4 
26 

9 
44 
16 
26 
17 
30 
40 

• 

16 
10 
66 
31 
12 
25 
12 
5 
1 

19 
26 
12 
15 
21 
30 
127 
37 
17 
90 
18 
29 


-•-1 

o 

H 


41 
204 
338 
167 
123 
355 

70 
493 

78 
183 
321 
102 
206 

• 

271 
200 
363 
214 
242 
517 
162 
21 
89 
171 
249 
141 
229 
151 
207 
989 
558 
216 
199 
167 
173 


in  polizeilicher 
Untersuchungs- 
haft 


C 

c 


8 

13 

7 

2 

28 

2 

14 

1 

9 

34 
24 
10 

• 

97 

27 

16 

8 

12 

49 

11 

2 

2 

5 

58 

4 

20 

22 

1 

95 

24 

8 

26 

8 

1 


i 

OS 


2 
4 
1 
0 
9 


3 

18 
5 

• 

12 
2 
6 
2 
2 
4 
2 


25 

• 

4 
6 

38 
11 


o 


Total- 
Summe 


1 


10 

17 

8 

2 

37 

2 

14 

1 

9 

37 

42 

15 

1 

109 

29 

22 

10 

14 

53 

13 

2 

2 

5 

83 

4 

24 

28 

1 

133 

35 

8 

32 

8 

2 


58 
261 
429 
222 
137 
482 
109 
712 
127 
290 
413 
183 
296 
1 
618 
296 
573 
298 
302 
751 
200 

29 
146 
113 
377 
196 
305 
324 
274 
1324 
737 
282 
347 
223 
237 


313 


vom 

i  Tribunal 

in  schwebender 

in  polizeilicher 

TT        ■                                1 

verurtheilt 

Untersuchung 

üntersuchungs- 
hafl 

ToUl- 

& 

c 

a 

Ö 

e 

Summe 

a 

o 

^^ 

a 

V 

^n« 

C3 

4) 

»4 

(3 

s 

5 

fl 

a 

« 

a 

P 

« 

2 

o 
H 

ni 

s 

2 

o 
H 

13 

2 

O 

H 

Palencia.  .  .  . 

22 

7 

29 

88 

8 

96 

• 

• 

• 

125 

Pontevedra.  , 

• 

52 

37 

89 

109 

51 

160 

2 

1 

3 

252 

Salamanca  .  , 

40 

2 

42 

231 

20 

250 

3 

• 

3 

296 

Santander   . 

15 

4 

19 

43 

7 

50 

5 

• 

5 

74 

Segovia .... 

2 

3 

12 

77 

8 

85 

2 

• 

7 

69 

Sevilla.  .... 

104 

126 

230 

363 

45 

108 

70 

5 

75 

713 

Soria   .... 

83 

6 

59 

63 

3 

66 

22 

1 

26 

151 

Tarragona  .  . 

123 

11 

133 

312 

17 

329 

2 

3 

5 

467 

Teruel.  .  .  . 

57 

6 

63 

104 

16 

120 

8 

6 

14 

197 

Toledo  .  .  . 

47 

4 

51 

.243 

6 

249 

8 

3 

11 

311 

Valencia  .  . 

123 

155 

278 

558 

74 

623 

84 

12 

96 

1,006 

ValladoUd  . 

54 

146 

200 

152 

18 

170 

6 

2 

8 

378 

Viscaya .  .  . 

12 

6 

18 

22 

7 

29 

11 

13 

24 

71 

Zamora  .  .  . 

44 

7 

51 

121 

12 

133 

■ 

• 

. 

189 

Zaragoza  .  . 

107 

119 

226 

301 

11 

312 

64 

24 

88 

626 

T^ 

3tal 

2856 

1394 

4250 

10,320 

1117 

11,300 

936 

236 

1172 

16,723 

1849 

215611733329 

8,721   868 

9,589 

1061 192 

1258 

14,171 

mehr  1850  .... 

700  221|  921 

1,462  219 

1,711 

.      44 

• 

2,551 

weniger 

• 
• 

• 

• 
Tfc 

• 
•  •■• 

• 

• 

125 

. 

81 

• 

von  den  Tribunalen  verurtheilt  15,927  Männer 
In  den  Galeeren -Gefangnissen  und 

Arresten  abgeurtheilt 2,856        »        1,394  Frauen 

In  Untersuchungshaft 10,181        »        1,117       » 

Im  Poüzei-Arrest 936       »  236      » 


In  Summa 

Im  JaJire  1849 

FolgUch  mehr  im  Jahre  1850  .  .  . . 


32,649 

28,280 

4,389 


Hierbei  sind  folgende  Momente  bemerkenswerth : 
1.  die  Zunahme  der  Zahl  der  Gefangenen  in  grösserer  Pro- 
gression als  die  Zunahme  der  Bevölkerung. 


9 


314 

2.  Die  eigenthümlichen  Anomalien,  dass  wie  in  Ciudad  Real 
die  Zahl  der  bestraften  Männer  223  um  2^mal  diese  Zahl  in 
Madrid  übersteigt;  dass  in  Logroiio  nur  126,  in  Malaga  117, 
in  Sevilla  104,  in  Zaragoza  107,  in  Madrid  90  vorhanden; 
dass  dagegen  die  Zahl  der  in  Untersuchungshaft  befind- 
lichen Personen  in  Barcelona  493,  in  Madrid  989,  in  Ciudad 
nur  271  beträgt 

3.  Dass  die  Verbrechen,  von  Frauen  verübt,  überhand  nehmen, 
und  im  Jahre  1850  auf  1394  gestiegen  sind.  Es  waren  ver- 
urtheilt 

in  Valencia.  ...  123  Männer  und  155  Weiber 

in  Sevilla 104        •         «126 

in  Barcelona ..  .     95        »  »     110        » 

in  Madrid 90        »  »     112       » 

in  Ciudad 223        »         »15        » 

Logrono 126       »         »19 

Malaga 117       »         »       27 

4.  Dass  die  Zahl  der  Untersuchungs-Gefangenen  im  Jahre  1850 
gegen  das  Jahr  1849  um  1711  gestiegen  war. 

Was  das  Gefängnisswesen  in  Spanien  anbetrifft,  so  ist 
dasselbe  im  AUgemeiaen  nicht  so  weit  vorgeschritten  als  in 
Deutschland  und  namenthch  in  Preussen,  imd  bleibt  dasselbe 
auch  hinter  demjenigen,  was  in  England  und  Frankreich  dafür 
geschehen,  bedeutend  zurück.  In  diesen  Ländern  hat  man  seit 
einer  Reihe  von  Jahren  nach  Systemen  und  Theorien  gesucht, 
und  unter  Verwendung  ungeheurer  Summen  experimentirt,  um 
das  möghchst  Beste  zu  erproben.  Es  gereicht  der  Zeit  zur  Ehre, 
dass  man  das  Gefangnisswesen  zur  Wissenschafl  erhoben,  dass 
man  Commissarien  ausgesandt  hat,  um  die  Erfahrungen  anderer 
Staaten  zu  sammeln  und  das  als  praktisch  Bewährte  auf  den 
heimischen  Boden  zu  übertragen.  Man  hat  aber  Fehler  be- 
gangen, indem  man  die  eigentUchen  Zwecke  der  Strafanstalten 
verschiedenartig  aufgefasst  und  danach  verscliiedenartig  ausge- 
führt hat;  man  hat  nicht  gerecht  gehandelt^  indem  man  zugab, 


315 

dass  die  für  dieselben  Vergehen  festgesetzten  Strafen,  je  nach 
den  in  den  verschiedenen  Provinzen  zur  Anwendung  kommen- 
den verschiedenen  Systemen,  ungleichartig  wirkten,  nicht  so- 
wohl im  Allgemeinen,  als  auch  insbesondere  auf  die  individuelle 
Verschiedenheit  der  Klassen  der  bürgerüchen  Gesellschaft.  Man 
hat  endlich  darin  gefehlt,  dass  man  Strafsysteme  anderer  Regie- 
rungen adoptirte,  ohne  der  vaterländischen  Eigenthünüichkeit 
der  Volkserziehung,  Lebensweise,  Sitten  imd  Gewohnheiten  die 
nothwendige  Rechnung  zu  tragen. 

Die  praktische  Seite  der  Sache  ist,  die  Zahl  der  Verbrecher 
und  Verbrechen  möglichst  zu  vermindern,  und  dahin  zu  wirken, 
dass  der  bestrafte  Verbrecher  gebessert  imd  als  solcher  der  bür- 
gerlichen Gesellschaft  als  brauchbares  MitgUed  wieder  einverleibt 
werde.  Man  darf  die  Moralität  der  Verbrechen  in  diesem  Pro- 
zesse nicht  unbeachtet  lassen;  man  muss  die  Zahl  der  rückfälli- 
gen Verbrecher  nicht  aus  dem  Auge  verlieren;  man  muss  von 
der  Wirkung  auf  die  Ursache  zurückgehen.  Der  Verbrecher 
muss  wie  ein  Kranker  betrachtet  werden,  welchem  neben  den 
angewandten  Mitteln  das  beobachtende  Auge  des  Arztes  über 
die  Wirkung,  je  nach  der  eigenthümlichen  Natur  des  Leidenden, 
zur  Seite  bleiben  muss.  Der  Anstalts-Director  muss  vor  allen 
Dingen  ein  erfahrener  Menschenkenner  sein!  Das  pensylvanische 
System  ist  allerdings  unter  der  Voraussetzung  zweckmässiger 
Beschäftigimg  imd  geistüchen  Zuspruches  am  meisten  geeignet, 
den  Verbrecher  zur  Erkenntniss,  zum  Bewusstsein  seines  Un- 
rechts, zur  Reue,  zur  Busse  und  zum  Vorsatz  der  Bessenmg  zu 
fuhren;  aber  der  Uebergang  aus  solcher  Haft  in  die  Freiheit  ge- 
wahrt keinerlei  Bürgschaft,  ob  die  gefassten  Vorsätze  stark  ge- 
nug sind  um  der  Versuchung  widerstehen  zu  können.  Die 
Strafe  in  dem  pensylvanischen  Gefangnisse  wirkt  auch  zu  ver- 
schiedenartig, je  nachdem  der  Bestrafte  noch  Ehrgeftihl  genug 
besitzt,  um  die  Strafe  lieber  allein  tragen  zu  wollen,  oder  Bil- 
dung, um  sich  in  der  Einsamkeit  nachdenkend  zu  beschäftigen; 
oder  ob  er  stumpf  für  das  Gefiihl  der  Schande,  ungeeignet  sich 
mit  sich  selbst  zu  beschäftigen,  gewohnt  im  Freien  und  in  Ge- 


316 

meinscliaft  mit  Anderen  zu  leben  und  zu  arbeiten.  Als  das  Er- 
gebniss  meiner  Besuche  der  Europäischen  Strafanstalten  haben 
imch  meine  Beobachtimgen  zu  dem  Schlüsse  gefulirt: 

dass  ein  jedes  Straf-  und  Besserungssystem  unter  der  Leitung 
eines  für  diese  Aufgabe  mit  Talent,  Liebe  und  Hingebung  aus- 
gestatteten Mannes  von  Bildung  und  Menschenkenntniss  glän- 
zende Erfolge  nach  sich  ziehen  müsse;  und 
dass  das  bewährteste  System  imter  der  Leitung  eines  des  Ta- 
lentes, der  Liebe  und  Hingebung  ermangelnden,  mit  Erfahrung 
und  Menschenkenntniss  nicht  ausgestatteten  Mannes  erfolglos 
scheitern  müsse. 

Unter  Allem,  was  ich  auf  meinen  Reisen  Vorzügliches  in 
vorgedachter  Beziehimg  gesehen,  haben  die  Gefangnisse  in  Mün- 
chen unter  der  Leitung  Obermayers,  und  in  Valencia  imter  der 
Verwaltung  des  Obersten  Monte sinos  ilirer  Einrichtung  und 
Hausordnung  und  ihrem  Resultate  nach  mich  am  meisten  befrie- 
digt. Beide  Männer  sind  in  ihrem  Fache  auss ergewöhnliche  Er- 
scheinimgen;  beide  besitzen  einen  seltenen  Schatz  von  Menschen- 
kenntniss, von  Humanität,  eiserner  Consequenz  und  administra- 
tivem Talent;  beide  wenden  selten  Strafen  an;  beide  verfolgen 
keins  von  den  neueren  genau  präcisu'ten  Systemen,  und  beide 
erreichen  durch  die  ausgebildete  Geschicklichkeit  und  Kunst  der 
Sträflinge,  durch  die  Trefflichkeit  der  gelieferten  Arbeiten,  durch 
die  Arbeitslust,  Fülinmg  und  Besserung  der  Gefangenen,  und 
endlich  durch  die  überraschend  niedrige  Zahl  der  Rückfalligen 
unter  den  Entlassenen,  Resultate,  liinter  welchen  die  Gefangnisse 
aller  übrigen  Länder  faktisch  zurückgeblieben  sind. 

Monte  sinos,  1796  in  San  Roque  bei  Gibraltar  geboren, 
widmete  sich  dem  Miütairdienste.  Er  nalun  Theil  an  dem  Un- 
abhängigkeitskriege und  gerieth  in  Französische  Gefangenschaft. 
Im  Jahre  1818  w^ard  er  in  dem  Bureau  des  Kriegs -Ministerii  an- 
gestellt; verliess  1823  sein  Vaterland  und  lerjite  einen  Theil 
Europas  imd  Americas  kennen.  Er  kehrte  1827  zurück  und 
übernahm  die  Direction  des  Valencianischen  Gefängnisses  vor 
dessen  Uebersiedelung  in  das  dortige  Augustinerkloster,  und 


317 

zwar  in  der  allerkläglichsten  Verfassung.  Montesinos  war  ein 
Mann  von  Charakter  und  allgemeiner  wissenschaftlicher  Bildung; 
es  fehlten  ihm  jedoch  die  Vorkenntnisse  fär  seine  Berufsthätig- 
keit  Er  hatte  nichts  über  Gefangnisse  und  die  neueren  Systeme 
gelesen;  er  hatte  weder  auf  seinen  Reisen  die  Gefangnisse  des 
Auslandes  noch  irgend  eins  in  seinem  Vaterlande  besuQht  Er 
trat  als  Naturalist  auf  und  bildete  sich  sein  System  nach  folgen- 
den Grundsätzen: 

1.  die  Schlechten  von  den  Besseren  zu  trennen; 

2.  niemals  die  bestehende  Disciplin  zu  ändern; 

3.  für  unausgesetzte  Beschäftigung, 

4.  fiir  stete  Beaufsichtigung  der  Sträflinge  zu  sorgen; 

5.  gerechte  Anwendimg  der  Strafe  und  Belohnung. 
Montesinos  schuf  aus  dem  Zusammenfluss  roher  imd  un- 
wissender, trotziger  und  widerspenstiger  Verbrecher  eine  Werk- 
statt voller  fleissiger  Arbeiter  —  wissbegierig,  imi  in  den  Freistun- 
den die  versäumten  Schulkenntnisse  nachzuholen;  unermüdUch 
in  der  Arbeit,  deren  Absatz  kaum  die  Nachfrage  befriedigt,  und 
aus  deren  Verkauf  ihnen  ein  entsprechender  Ueberverdienst  zu- 
gesichert ist;  gesittet^  ordentlich,  reinlich,  höflich,  gehorsam  imd 
der  Besserung  nicht  allein  föhig,  sondern  auch  theilhaftig. 

In  den  weitläuftigen  Gebäuden,  in  den  Gomdoren,  Treppen 
und  Schlafsälen  herrscht  eine  solche  Sauberkeit  und  eine  so  reine 
Luft,  dass  man  die  Räume  fiir  unbewohnt  halten  könnte.  In  den 
Werkstätten  wird  jedes  Handwerk,  jede  Kunstfertigkeit  vertre- 
ten. Eisenguss  und  Schmiedearbeit,  Klempner-,  Schlosser-, 
Sammet-,  Seiden-,  Leinen-  und  Baumwollenwaaren  werden  ge- 
fertigt, gesponnen,  gewebt  und  appretirt.  Lithographie,  Drucke- 
rei, Wagenfabrication ,  Lackir-  und  Vergolderarbeit,  alles  vnrd 
tüchtig  und  preiswürdig  ausgeführt.  Das  Kaufgewölbe,  an  be- 
stimmten Tagen  geöffiiet,  findet  reichlichen  Zuspruch.  Da  die 
Industrie  in  Valencia,  mit  Ausnahme  einiger  wenigen  Artikel, 
noch  in  den  Anfangsstadien  der  Entwickelung  begrilTen  ist,  so 
wird  der  freie  Arbeiter  diurch  die  Concurrenz  der  Strafanstalt 
wenig  beeinträchtigt.    Die  Zahl  der  Sträflinge  beläuft  sich  auf 


318 

13  —  1400.  Ein  Theil  von  ihnen  wird  zu  den  öffentlichen  Wege- 
arbeiten verwendet. 

Der  regebnässige  Schulunterricht  wird  den  jugendlichen 
Verbrechern  ertheilt;  doch  nehmen  auf  besonderen  Wunsch 
auch  Erwachsene  in  den  Freistunden  daran  Theil.  Der  Andrang 
ist  so  gross,  dass  der  Raum  nicht  immer  ausreicht.  Es  haben 
durchschnittUch  jährlich  250  Gefangene  Lesen  und  Schreiben 
gelernt.  Die  Sterblichkeit  unter  den  Gefangenen  beträgt  2  pro- 
cent  Die  Strafanstalt  wird  sehr  fleissig  von  Einheimischen  be- 
sucht. An  Markttagen  ziehen  ganze  Schaaren  von  Landleuten 
mit  Frauen  imd  Kindern  durch  die  Werkstätten,  Ess-  und  Schlaf- 
säle, und  bewimdern  den  Fleiss,  die  Ordnung  und  Geschicklich- 
keit der  Sträflinge.  Die  Kost  ist  gesund,  gut  und  ausreichend. 
Die  Strafen  bestehen  in  Stubenarrest,  Ausschliessimg  von  der 
Arbeit  und  Einsperrung  in  ein  dunkles  Gefangniss.  Der  Director 
kann  als  Strafe  die  Frühstückskost  entziehen,  und  nach  Umstän- 
den Prügel  ertheilen  lassen  (Art  337  des  Code  penal).  In  letz- 
terem Falle  muss  über  Veranlassimg  zur  Strafe  und  Vollstreckung 
derselben  ein  Protocoll  aufgenommen  werden.  Die  beiden  eben 
erwähnten  Strafen  hat  Montesinos  als  der  Gesundheit  nachtheilig 
und  das  Ehrgefühl  imtergrabend  niemals  vollstrecken  lassen. 
Die  Belolmung  für  gute  Führung  besteht  in  Ernennung  zum 
Stubenältesten,  Werkführer,  Aufseher  imd  in  der  Erlaubniss, 
eine  Blouse  tragen  zu  dürfen. 

Von  der  eisernen  Consequenz  des  Directors,  so  wie  von 
dem  trefflichen  Geiste,  welcher  in  dem  Gefangenhause  herrscht 
und  sich  in  kritischen  Augenblicken  auf  eine  schöne  Weise  be- 
thätigt  hat,  werden  interessante  Beispiele  erzählt.  Zur  Zeit  der 
Reorganisation  der  Anstalt  imd  der  Uebersiedelung  in  das 
Augustinerkloster,  im  Jahre  1836,  brach  der  Bürgerkrieg  mit 
grosser  Heftigkeit  aus  imd  zog  sich  auch  in  die  Provinz  Valencia 
hinein.  Es  war  Cabrera  gelimgen,  sich  mit  seinen  Schaaren  in 
den  Cabrillen  festzusetzen,  wo  damals  400  Sträflinge  von  Valen- 
cia an  dem  Bau  der  Strasse  von  Cuenca  beschäftigt  waren.  Es 
"  lag  sehr  nahe,  dass  die  Carlisten  sich  bemühten,  ilu'e  Streitmacht 


319 

durch  jene  Schaar  kräftiger  und  verwegener  Mensehen,  welche 
wenig  mehr  im  Leben  zu  verUeren  hatten,  zu  vermehren,  und  es 
wurden  deshalb  Unterhandlungen  mit  derselben  angeknüpft. 
Montesinos  hatte  dies  vorhergesehen.  Er  machte  sich  von  Va- 
lencia auf,  ging  auf  unwegsamen  Pfaden,  meist  in  der  Dunkel- 
heit, durchs  Gebirge,  und  erschien  in  einer  dunklen  Nacht^  ganz 
allein,  unbewaffnet,  in  Mitten  jener  Sträflinge,  von  denen  18,  un- 
ter der  Führung  eines  Aufsehers,  sich  bereits  in  Cabreras  Schaa- 
ren  hatten  aufiiehmen  lassen.  Mit  Ausschluss  dieser  schlössen 
sich  Alle  ihrem  Director  an,  der  sie  auf  Umwegen,  um  nicht  durch 
einen  Ueberfall  des  wachsamen  Gegners  seinen  Zweck  vereitelt 
zu  sehen ,  nach  Valencia  zurück  in  die  Strafanstalt  fiihrte.  Ein 
bejahrter  Bürger  von  Valencia  erzählte  mir,  dass  er  damals,  von 
dem  Stadtthore  herab,  diesen  Zug,  als  er  sich  der  Stadt  näherte, 
beobachtet  hätte.  Er  versicherte,  dass  man  den  Eindruck  nicht 
beschreiben  könne,  den  es  in  der  ganzen  Stadt  gemacht^  als  man 
jene  381  Verbrecher,  zum  Theil  zu  lebenswieriger  Kettenstrafe 
verurtheilt,  Männer,  denen  nicht  allein  die  Gelegenheit  zur  Frei- 
heit geboten,  sondern  dazu  noch  glänzende  Verheissungen  ge- 
macht waren,  &eiwiUig,  ihrer  Pflicht  gehorsam,  in  das  Gefangniss 
habe  zurückkehren  sehen.  Als  acht  Tage  später  die  äusseren 
Thore  der  Strafanstalt  des  Morgens  früh  geöflhet  wurden,  lagen 
vor  denselben  vierzehn  von  jenen  zu  Cabrera  gegangenen  Sträf- 
hngen.  Sie  hatten  heinüich  die  Reihen  verlassen,  und  waren 
Nachts  durch  Schleichwege  und  Gebirgsschluchten  gezogen  und 
nach  Valencia  geeilt.  Vollständig  bewaffiiet,  aber  abgerissen, 
halb  verhungert  und  todmüde  waren  sie  gekommen,  um  ihre 
Wiederaufriahme  üi  das  Gefangniss  als  eine  Gnade  zu  erbitten. 
Vier  Tage  später  trafen  dann  noch  drei  Sträflinge  imter  älm- 
lichen  Umständen  ein;  ihnen  folgte  der  letzte  Felilende,  jener 
Aufseher,  der  es  vorzog,  sein  Haupt,  grau  von  Jahren  und  Lei- 
den, die  Brust  voll  Scham  und  Reue,  dem  strengen  Urtheils- 
spruche  seines  Vorgesetzten  zu  beugen.  Die  damaligen  Scenen 
waren  tief  erschütternd.  Montesinos  berief  die  Gefangenen  sämmt- 
Hch  in  den  Hof.    Er  stellte  ihnen  die  Heimgekehrten  in  ihrem 


320 

kläglichen  Aufzuge  vor  und  verwies  sie  auf  die  gewissenhafte 
Erfüllung  ihrer  Pflichten,  in  welchem  Bestreben  ihnen  kern  Opfer 
und  kerne  Entbehrung  zu  gross  sein  dürfe. 

Während  sich  in  Deutschland  und  Frankreich  die  Rückfalli- 
gen in  Jahresfrist  auf  40  —  50  procent  der  Entlassenen  belaufen, 
beträgt  deren  Durchsclmittszahl  in  Valencia  1  bis  2  vom  Hun- 
dert. Man  darf,  psychologisch  betrachtet,  nicht  verkennen,  dass 
in  einem  Lande,  wie  in  Spanien,  wo  die  Volksbildung  und  Er- 
ziehung zurückgeblieben  war  und  sich  erst  später  als  in  den 
Nachbarländern  entwickelt  hat,  dass  in  einem  Lande,  wo  die 
Mehrzahl  der  Verbrechen  gegen  die  Person  und  nicht  das  Eigen- 
thum  gerichtet,  wo  solche  weniger  einen  Mangel  an  ehrUebenden 
Gesinnungen,  als  den  Beweis  einer  ungezügelten  Leidenschaft 
oder  einer  geringen  Selbstbeherrschung  liefert,  dass  in  einem 
solchen  Lande  auf  den  gesunden  Sinn  des  Sträflings  Unterricht, 
Arbeit,  Reügion  und  Disciplin  tief  und  nachhaltig  einwirken  wer- 
den, indem  sie  die  mangelhafte  Jugenderziehung  ergänzen.  Es 
sind  dies  ähnliche  Erscheinungen  und  Aufschlüsse,  wie  sie  in 
der  geringen  Zalil  der  Rückfiilligen  in  der  Obermayerschen  Straf- 
anstalt in  München  zu  suchen  sind,  wo  die  Züchthnge  gleichfalls 
durch  die  Hausordnimg  nachträgUch  erzogen  und  demnächst 
wirkhch  gebessert  entlassen  werden. 

Wir  haben  hier  wiederum  ein  Beispiel  von  den  Paradoxen, 
welche  das  praktische  Leben  aufstellt;  dass  nänüich  mit  der 
steigenden  Volksbildung  imd  Erziehung,  mit  der  Civilisation  sich 
auch  die  MoraÜtät  der  Verbrechen  ändert  und  die  Immorahtat 
zunimmt;  dass  mit  der  Civilisation  auch  die  Zahl  der  Verbrecher 
wächst,  die  Natur  der  Verbrechen  sich  ändert,  die  Besserung  er- 
schwert und  die  Wiederaufiialime  in  die  bürgerüche  Gesellschaft 
fast  unmögÜch  wird.  So  unglaubüch  die  Sache  im  ersten  Augen- 
blick erscheint,  so  besteht  dieser  Widerspruch  doch  nun  einmal 
in  der  Wirkhchkeit,  und  lässt  sich  in  den  Strafanstalten  und  in 
den  zuverlässigen  statistischen  Tabellen  über  die  Zahl  der  Rück- 
falligen unter  den  angebüch  als  gebessert  entlassenen  Sträflingen 
nachweisen. 


321 

Auch  Spanien  hat  diese  Erfahrung  mit  allen  übrigen  Län- 
dern Europas  getheilt,  und  wird  eben  so,  wie  dies  in  anderen 
Ländern  der  Fall  gewesen,  sich  überzeugen,  ob  diese  Zunahme 
im  gleichen  Verhältniss  zur  zunehmenden  Bevölkerung  steht; 
so  wie,  ob  sie  in  geometrischer  oder  arithmetischer  Progression 
steigt  Die  Regierung  hat  das  seltene  Talent  Montesinos  erkannt 
und  gewürdigt.  Als  General -Inspector  de  Presidios  hat  man  ihn 
benutzt,  um  die  Provinzial- Gefangnisse  zu  revidiren  und  Vor- 
schläge zu  deren  Reformen  zu  machen. 

Wenn  Barcelonas  Strafanstalt  als  eine  recht  tüchtige  gilt,  so 
muss  ich  leider  aussprechen,  dass  ich  in  dem  Spanischen  Geßlng- 
nisswesen  auch  vieles  Mittelmässige  und  sehr  Mangelhaftes  wahr- 
genommen habe.  Der  Scharfbhck  Montesinos  hat  sich  gewiss 
nicht  täuschen  lassen.  Seine  Erfahrung,  sein  Talent  haben  ge- 
wiss überall,  wo  er  gewesen,  die  Mängel  und  Fehler  entdeckt 
und  die  rechten  Mittel  zur  Abhülfe  gefunden,  und  bei  dem  red- 
Uchen  Bestreben  der  Regierung  wird  diesem  wichtigen  Verwal- 
tungszweige gewiss  die  nöthige  Aufinerksamkeit  und  Unter- 
stützung gewährt.  Aber  es  giebt  in  Spanien  nur  einen  Montesi- 
nos, vne  es  in  Bayern  nur  einen  Obermayer  giebt,  und  w^nn 
Beide  nicht  so  glückUch  sind,  für  die  Ausführung  ihrer  Reformen 
ihnen  selbst  ähnUche  Talente  zu  finden  oder  auszubilden,  so  wer- 
den auch  die  Erfolge  ihrer  Vorschläge  hinter  den  Erwartungen 
zurückbleiben. 

Eine  in  Spanien  eigenthümliche  Art  weiblicher  Gefangenen 
bilden  die  Reclusas,  Töchter  aus  den  höheren  Ständen,  welche 
auf  den  Antrag  üirer  FamiUen  auf  kürzere  oder  längere  Zeit,  sei 
es  in  Nonnenklöstern  oder  Casas  de  caridad,  wegen  begangener 
Fehltritte  eingesperrt  werden.  Eine  Junta,  aus  dem  Gouverneur, 
dem  Bischof  und  einer  dritten  Person  bestehend,  entscheidet  auf 
den  Antrag.  Auf  Grund  eines  Handbillets  des  Gouverneurs  wird 
die  Einzusperrende  Nachts,  verschleiert,  ohne  Bezeichnung  des 
Namens,  der  Anstalt  übergeben,  und  nach  Ablauf  der  Haft  eben 
so  wieder  abgeholt,  ohne  dass  man  während  der  vollständigen 
Isolirung  die  Gefangene  gesehen  oder  gesprochen,  oder  ihren 

T.  Minnkoli,  Spanien.  2 1 


322 

Stand  «nd  Namen  oder  die  Veranlassung  zur  Einsperrang  erfah- 
ren  hätte. 

Die  Briefbeförderung  besorgt  die  Regierung  unter  Auf- 
sicht der  General -Direction  der  Postverwaltung.  Die  Central- 
Administration  befindet  sich  in  Madrid,  mit  einem  zahlreichen 
Personale  ausgestattet.  Der  Hauptverwaltungen  in  den  Provin- 
zen sind  35,  und  zwar  zu  AUcante,  Badajoz,  Ballen,  Barcelona, 
Benavente,  Bilbao,  Burgos,  Cadiz,  Cordova,  Cormla,  Eeija, 
Granada,  Guadalajara,  Lerida,  Logrono,  Lugo,  Mallorca,  Man- 
zanares,  Medina  del  Gampo,  Murcia,  Orense,  Oviedo,  Pamplona, 
Salamanca,  Santa  Cruz  de  Tenerifa,  Sevilla,  Talavera  de  la 
Reina,  Tarancon,  Toledo,  Trujillo,  Valencia,  Valladolid,  Vitto- 
ria,  Zaragoza.  Die  Zahl  der  etatsmässig  angestellten  Subaltem- 
beamten  beläuft  sich  auf  450.  Täglich  kommen  und  gehen  in 
Madrid  Gouriere  nach  und  von  Frankreich,  Aragon  und  Catalo- 
nien,  Andalusien,  Valencia  und  Estremadura;  dreimal  wöchent- 
lich nach  und  von  Castilien  und  Galicien.  Die  Briefbeförderung 
ist  schnell,  billig  und  sicher.  Die  Hauptpuncte  des  Landes,  jede 
Stadt  von  einiger  Bedeutung  stehen  mit  den  Courierposten  mit- 
telbar oder  unmittelbar  in  Verbindung.  Die  Wagen  auf  den 
Hauptstrassen  (posta  de  silla)  sind  sehr  bequem,  zur  Aufnahme 
von  2,  4  und  6  Passagieren  eingerichtet.  Die  Preise  sind  wenig 
höher  als  die  ersten  Plätze  der  Dihgencen;  die  Conducteurs  sind 
sehr  gefallig,  und  man  fahrt  ausserordentlich  schnell.  Wo  der 
Weg  es  nur  irgend  zulässt,  wird  die  legua  in  30  Minuten  zu- 
rückgelegt; in  steilen  Gebirgsgegenden  werden  45  Minuten  be- 
willigt. Die  Wagen  halten  nur  zweimal  des  Tages  so  lange  an, 
um  den  Reisenden  Mittag  imd  Abendessen  zu  gönnen;  an  diesen 
Stationsorten  sind  Taxen  der  Preise  der  Speisen  und  Getränke 
ausgehängt. 

Auf  den  Nebenstrassen  werden  die  Briefe  durch  zweispSn- 
nige  zweirädrige  Tartanen  befördert  Will  man  von  den  zwei 
disponiblen  Plätzen  Gebrauch  machen,  so  muss  man  eine  Licenz 
bei  der  Diligence- Administration  mit  3  Thalem  lösen  und  dann 
auf  jeder  Station  dem  Conducteur  die  Bezahlung  ftlr  dieselbe 


323 

einhandigen.  Was  die  sonstige  Extrapost-Beförderung  anbetrifft-, 
so  gilt  die  Ordonnanz  von  1794  mit  den  ergänzenden  Bestim- 
mungen vom  14  Juli  1844  und  26  Juli  1846  noch  jetzt.  Danach 
ivird  die  Erlaubniss  dazu  in  Madrid  durch  die  General-Admini- 
stration, in  den  Provinzen  durch  die  Local- Administration  der 
Correos  ertheilt,  nachdem  insbesondere  bei  Ausländem  die  per- 
sönUchen  Bedenken  durch  polizeiliche  Pass-Visa,  event.  Geneh- 
migung des  Ministerii  erledigt  sind.  Für  die  Licenz  wird,  wenn 
die  Reise  zu  Pferde  zurückgelegt  wird,  40  r.  fiir  jede  Person  ge- 
zahlt; wenn  zu  Wagen  eben  so  viel  fiir  jede  Person,  welche  im 
Innern  desselben  Platz  nimmt;  fiir  Dienstboten  wird  nichts  ent- 
richtet, doch  müssen  sie  im  Passe  mit  aufgefiihrt  stehen.  Brücken-, 
Thor-  imd  Fälirgeld  zahlt  der  Reisende.  Für  jedes  Thier  wer- 
den 6  r.  pro  Legua  gezahlt,  und  eben  so  viel  fiir  das  Pferd,  wel- 
ches der  begleitende  Postillon  reitet.  Für  Reisen  im  KönigHchen 
Dienste  werden  nur  5  r.  pro  Pferd  und  Legua  gezahlt,  wenn  der 
amtUche  Charakter  der  Reise  durch  die  betreffenden  Civil-  oder 
MiUtair-Behörden  bescheinigt  ist  In  diesem  Falle  wird  auch  an 
Brücken-  und  Fährgeld  nichts  entrichtet.  Werden  an  Reisende 
Postpferde  verabfolgt,  ohne  diese  Bestimmungen  beobachtet  zu 
haben,  so  verlieren  die  betreffenden  Beamten  ihre  Stellen. 

Reisende  zu  Wagen  zahlen  pro  Pferd  und  Legua  5  r.,  bei 
Dienstreisen  3  r.,  dem  Postillon  2  r.  Vierrädrige  Wagen  mit  drei 
Personen  und  vier  Arrobas  Gepäck  müssen  drei  Pferde;  eine 
oder  zwei  Personen  in  einem  zweirädrigen  Wagen  zwei  Pferde, 
wenn  sie  mehr  als  vier  Arrobas  Gepäck  fiiliren,  3  Pferde  bezah- 
len. Leichte  vierrädrige  Wagen  mit  halbem  Verdeck  und  einer 
Person  2  Pferde,  fiir  je  eine  Person  mit  Gepäck  ein  Pferd  mehr. 
Ganz  geschlossene  Wagen  bedürfen  vier  bis  sechs  Pferde,  je 
nach  der  Schwere  des  Wagens.  Sind  letztere  besonders  schwer, 
so  werden  auch  6  r.  pro  Meile  und  Pferd  berechnet.  Zwei  Kin- 
der bis  sieben  Jahren  zahlen  fiir  eine  Person.  Jede  Legua  muss 
in  einer  halben  Stimde  zurückgelegt  werden.  Die  sich  begegnen- 
den PostiDone  dürfen  die  Pferde  nicht  wechseln.  Auf  den  Sta- 
tionen werden  im  Dienst  Reisende  vorzugsweise  befiirdert.    In 

21- 


324 

der  Administration  herrscht  grosse  Ordnimg,  und  das  Publicum 
wird  überall  mit  grosser  Zuvorkommenheit  behandelt. 

Die  Briefporto -Reform  datirt  aus  dem  Jahre  1848.  Die  jetzt 
geltenden ,  in  Folge  vorgängiger  Revision  und  Ermässigung  re- 
vidirten  Taxen  sind  durch  Königliches  Decret  vom  24  October 
1849  festgestellt  Die  Tarife  wurden  im  Jahre  1850  zugleich  mit 
einer  erläuternden  Instruction  der  General- Dir ection  veröffent- 
licht, und  damals  auch  die  Bestimmungen  repubhcirt^  welche  die 
Beförderung  von  periodischen  Blättern  und  Zeitungen  behan- 
deln: die  Verordnungen  vom  6  September  1849  und  22  Sep- 
tember 1849;  das  Decret  vom  30  November  1835  über  das  ge- 
genseitige Frankiren  der  Englischen  und  Französischen  Zeit- 
schriften, und  endlich  die  Ordre  vom  23  Januar  1836  in  Betreff 
der  Französischen  Zeitungen. 

Hiernach  zahlt 

1.  der  einfache  Brief  innerhalb  des  Festlandes  und  der  Balea- 
rischen  Inseln  1  r.  (2  Sgr.  2  Pf),  wenn  das  Gewicht  von 
6  Adarmes  {\  Loth)  nicht  überschritten  wird. 

2.  Der  einfache  Brief  innerhalb  des  Administrations-Postrayons, 
wo  er  aufgegeben  ist,  5  cuartos. 

3.  Doppelgewicht  von  mehr  als  6  Adarmes,  und  zwar  von 
6  —  8  zahlt  1 0  cuartos,  von  8—12  Adarmes  zahlt  1 5,  von 
12  — 16  Adarmes  (1  Onza)  20  cuartos  und  so  fort  5  cuar- 
tos für  je  eine  viertel  Onza  Gewicht  mehr. 

4.  Die  täglichen  Zeitungen  und  periodischen  Blätter  zahlen 
für  die  Arroba  (25  Pfund)  50  r.,  fiir  das  Pfund  2  r.  Die 
Bücher  unter  einfachem  Kreuzband,  die  periodischen  Zeit- 
schriften das  Doppelte  des  Zeitungsportos. 

5.  Die  Briefe  von  den  Canarien  kosten  3  r.,  die  von  Frank- 
reich 2  r. 

6.  Die  Sendung  der  Französischen,  EngUschen  und  Portu- 
giesischen Zeitungen  ist  frei,  so  wie  die  der  Spanischen 
nach  jenen  Ländern. 

7.  Die  überseeische  Correspondenz  ist  erst  durch  Verordnung 
vom  September  1851  dahin  abgeändert,  dass  die  Dampf- 


325 

schiffe  nach  Cuba  jeden  Dritten  des  Monats  von  Cadiz  ab- 
gehen und  bei  den  Canarien  anlegen.    Das  Porto  nach  Ha- 
vanna und  Puerto -Rico  beträgt  5  r.    Die  Briefe  nach  den 
PhiHppinen  werden  durch  Englische  Schiffe  besorgt,  welche, 
von  Southampton  kommend,  in  Algeziras  das  von  einem 
Spanischen   Beamten  begleitete   Spanische  Brieflfelleisen 
aufnehmen.      Das  Porto  beträgt  etwa  15  Silbergroschen 
m  r.). 
Zur  Beförderung  und  Erleichterung  des  Frankirens  sind  ge- 
druckte Postfreimarken  eingefiihrt,  bei  deren  Aawendung  der 
zu  frankirende  einfache  Brief  innerhalb  des  Festlandes  und  der 
Balearen  nur  6  cuartos  kostet    Recommandirte  Briefe  Averden 
gegen  Erlegung  von  4  r.  angenommen  und  darüber  besondere 
Bescheinigungen  ausgefertigt  und  dem  Absender  eingehändigt. 
Bei  Paketbeförderungen  wird  das  Paket  mit  vollständiger  Adresse 
versehen  imd  nicht  durch  einen  Brief,  Adresse  oder  Declaration 
begleitet.    Der  Absender  schickt  mittelst  besonderen  Schreibens 
dem  Empfanger  die  von  der  Post  erhaltene  Bescheinigung  zu, 
wogegen  das  Paket  demnächst  ausgelöst  wird. 

Für  die  Regelung  des  Postportos  der  Briefe  und  Zeitungen 
von  und  nach  Preussen  durch  Postvertrag  vom  December  1851 
ist  das  Publicum  dem  Königlichen  Gesandten  Grafen  Raczynski 
sehr  verpflichtet,  da  die  eingetretene  Erleichterung  und  Ermässi- 
gimg  einem  dringenden  Bedürfiiisse  entsprochen  hat. 

Die  Adressen  sämmtlicher  Postrestante -Briefe  findet  man 
in  dem  Vorsaale  des  Brie^ost- Gebäudes  unter  fortlaufenden 
Nummern  an  Tafeln  verzeichnet.  Für  Briefe  an  Ausländer  und 
Briefe  an  Militairs  sind  besondere  Tafehi  vorhanden.  Bei  der 
Aushändigung  abgeforderter  Postrestante-Briefe  wird  die  Legi- 
timation des  Empfangers  nicht  besonders  geprüft;  weshalb  Viele, 
um  ihre  Briefe  nicht  vielleicht  durch  Andere  abgefordert  zu 
sehen,  dergleichen  Postrestante -Schreiben  Heber  an  bestimmte 
Handlungshäuser  adressiren. 

Das  Personengeld  im  Correo  beträgt  12  Silbergroschen  für 
die  Legua. 


326 

Die  Einnahme  der  Königlichen  Posten  aus  der  Brief-,  Zei- 
tungs-  und  Personen -Beförderung  ist  sehr  bedeutend.  Die  neuen 
Wegevermessungen  haben  ohnedies  eine  grössere  Entfemimg, 
als  die  bisher  berechnete  zum  Nachtheil  des  reiselustigen  Publi- 
cums  herausgestellt.  Das  anerkennenswertlie  Streben  der  Spa- 
nischen Regierung,  über  ilire  Verwaltung  öffentlich  Rechnung 
zu  legen,  crbUckt  man  auch  in  der  Postadministration.  Alle 
Monate,  alle  Quartale  und  am  Jahresschlüsse  erscheint  in  der 
amtlichen  Gazeta  de  Madrid  eine  specificirte  Uebersicht  der 
Einnahme  imd  Ausgabe,  unter  Anfulu'ung  des  ausgefallenen  Be- 
trages für  Dieustcorrespondenz ,  und  mit  Hinzufiigung  der  ver- 
wendeten Postfreimarken.  Jede  Veröffentüchung  enthält  eine 
vergleichende  Uebersicht  mit  denselben  P^innalunen  und  Aus- 
gaben des  verflossenen  Jahres. 

Das  Jahr  1850  wies  nach  diesen  amtiichen  VeröffentUchun- 
gen  nachstehende  Einnahmen  nach,  und  zwar  aus  dem  Fest- 
lande: 

a)  Für  einfache  Briefe,  ein  Porto  von 13,483,757  r. 

b)  Für  doppelte  Briefe 1,636,863  . 

c)  Von  Puertorico,  Cuba,  Phihppinen,  einfache        209,940  » 

»            »               »              »           doppelte  72,657  » 

d)  Aus  dem  Auslande,  einfache 1,460,909  ■ 

»       »            »           doppelte 705,812  » 

c)  Reclamirte  Retourbriefe 33,710  » 

f)  Franco    für   Zeitungen    und   Schriften   fiir 

Spanien ,547,255  » 

g)  Franco  fiir  Zeitmigen  nach  Frankreich  ....  5,936  » 
h)        »         »           »            »     Belgien 1,698  » 

i)        »         »           »            »     Itaüen 17,175  » 

k)  Nachträgüch  gezahltes  Porto  fiir  imausrei- 

chende  Freimarken 2,546  » 

1)  Erstattetes  Porto  fiir  Dienst-  imd  Armen- 
sachen    100,912  » 

m)  Zeitungen  aus  Portugal 754  » 

n)  Certificate  fiir  Portugal 22  » 


327 

o)  Correspondenz  von  den  Canarien 27,765  r. 

p)  Franco  für  diese  Inseln 6,476  » 

q)  Abgabe  fiir  Beglaubigungen  dorthin 1,215  » 

Total .  .  .  18,031,671  r. 
Hierzu   die  Einnahme   fiir  Passagier- Beförde- 
rung      4,870,800  » 

Summa  totalis  .  .  .  22,902,471  r. 

Bewilligte  Berichtigungen,  Zugang 18,178  b 

Abgang 1,257,472  . 

Ausfall  fiir  nicht  abgeholte  Briefe 712,614  » 

Wonach  sich  die  Totaleinnahme  berechnet  auf.  21,297,980  r. 

Es  hatten  in  demselben  Jahre  circulirt: 

Briefe  des  Inlandes,  einfache ,  .  .  .  15,489,757  r. 

doppelte 696,836  » 

Aus  den  überseeischen  Provinzen,  einfache  ...  40,138  » 

doppelte  .  .  .  3,996  » 

Aus  dem  Auslande,  einfache 416,846  » 

doppelte 81,086  » 

Frankirte  Briefe  fiir  Spanien 5,751,325  » 

fiirltaüen 11,987  . 

In  Summa  .  .  .  20,491,971  r. 

Freimarken  wurden  1850  verkauft: 

6,227,090  fiir    6  cuartos  =  4,395,592  r.  32  m. 
51,959    .    12       .       =        73,353  »  30   . 
47,868    »      5  realen    =      239,340  » 
8,446    »    10       .        =        84,460  . 
13,009    »      6       .        =        78,034  » 

6,348,372  für 4,870,800  r.  28  m. 

Es  waren  laut  Decret  vom  3  December  1845  die  dienst- 
lichen Correspondenzen  fiir  das  Festland,  Canarien  und  Balearen 
unentgeltlich  befiirdert  Der  Ausfall  des  dafür  berechneten  Por- 
tos betrug: 


328 

1.  Für  das  Königüche  Haus 31,266  r.    8  m. 

2.  »    die  gesetzgebenden  Körper 103,115  »  28  » 

3.  »die  Präsidentschaft  des  Minister- 

Gonseils 13,389  »  —  » 

4.  »    das  Staats -Ministerium 545,773  »  18  » 

5.  »    das    Gnaden-    imd    Justiz -Mini- 

sterium   3,119,865  .  24  . 

6.  »    das  Ministerium  des  Innern 2,466,962  »     3  » 

7.  »    das  Ministerium  des  Krieges  ....  2,049,720  »  15  » 

8.  »    das  Ministerium  der  Marine  ....  425,016  »  21  » 

9.  »    das  Ministerium  der  Finanzen  .  .  .  3,817,885  »  28  » 

10.  »    das  Ministerium  der  öffentlichen 

Arbeiten 272,881  »  10  . 

11.  »    postfreie  Privat- Correspondenz.  .  58,220  »  25  » 

Total...  12,903,103  r.  25  m. 

Die  Correspondenz  in  das  Ausland  theilte  sich 

369,915  Briefe  nach  Frankreich  für  1,132,426  r.     4  m. 

11,839  »  B  Belgien  >»  69,848  »     7  » 

24,632  .  »  Portugal  »  49,953  »  16  » 

1,686  »  »  Amerika  »  14,111  »     4  » 

55,383  «  »  England  »  617,951  »  23  . 

1,429  n  .  Holland  «  14,047  »  —  . 

1,049  »  .  Schweiz  »  10,762  »  —  » 

14,047  »  »  Italien  »  131,312  .  —  » 

7,995  »  »  Deutschland  »  85,944  »  —  » 

1,929  »  »  Preussen  »  20,093  »  —  . 

653  »  »  Dänemark  »  7,286  »  —  » 

662  »  »  Russland  »  6,302  »  —  . 

609  »  »  Schweden  »  5,585  »  —  » 

103  *  n  Türkei  .  1,103  »  —  » 

491,931  Briefe  für 2,166,721  r.  26  m. 

Es  muss  jedoch  hierbei  bemerkt  werden,  dass  aus  dieser 
Berechnung  nur  die  in  den  Spanischen  Postämtern  aufgegebe- 
nen Briefe  nach  den  darauf  angegebenen  Besümmungs- Ländern 


329 

berechnet  sind;  wobei  man  auch  nur  diejenigen  Briefe,  welche 
die  Bezeichnung  Prusia  führten,  als  fiir  Preussen  bestimmt,  alle 
übrigen  mit  Alemania  bezeichneten  Briefe  aber,  gleichviel  ob 
Berlin  oder  andere  in  Spanien  bekannte  Preussische  Städte  als 
Adressen  angegeben  waren,  als  nach  Deutschland  bestimmt  spe- 
cificirte.  Bis  zur  Bestätigung  des  Postvertrages  sandten  die 
meisten  Correspondenten,  zur  Ermässigung  des  hohen  Postgel- 
des, ihre  Briefe  von  Deutschland  imd  Preussen  insbesondere 
nach  Frankreich,  von  wo  sie  mit  dem  geringen  Portosatz  von 
2  r.  hierher  befördert  wurden.  Aehnhch  sind  auch  Correspon 
denzen  nach  Preussen  von  hier  aus  erst  nach  Frankreich  adres- 
sirt,  und  erst  von  dort  weiter  befördert  worden. 

Der  bedeutende  Ausfall,  welchen  die  Staatskasse  durch  die 
portofreie  Beförderung  der  dienstüchen  Correspondenzen  erht- 
ten,  erschien  auffallend  genug,  um  eine  Modification  in  der  Be- 
stimmung vom  3.  December  1845  herbeizufahren.  Es  war  näm- 
Uch  im  Jahre  1850  die  portofreie  Correspondenz  auf  mehr  als 
12  Millionen  Realen  gestiegen,  während  die  gesammtportopflich- 
tige  nur  16  Millionen  betragen  hatte.  Diese  Correspondenz  ward 
berechnet : 

im  Jahre  1845  auf    8,000,000  r. 

»       .      1846    »      8,936,157  » 

»      »      1847    «      9,278,592  » 

•  »      1848    •      9,480,594  » 
»       »      1849    y^     10,049,577  » 

*  «      1850    »    12,904,103  » 

Das  Königliche  Decret  vom  20  August  1851  setzte  dem- 
nächst fest,  dass  vom  1  November  desselben  Jahres  ab  sämmt- 
Uche  in  dem  KönigHchen  Decret  vom  3  December  1845  aufge- 
führten Behörden,  namentlich  die  Tribunale  und  sonstigen  Pro- 
vinzial- Chefs  portopflichtige  Correspondenz  zu  fiihren  hätten, 
und  dieselbe  deshalb  auf  das  absolut  nothwendige  beschränken 
sollten.  Hiemach  ist  die  Portofreiheit  lediglich  den  Mitghedern 
des  Königlichen  Hauses  und  den  Senatoren  und  Deputirten  wäh- 
rend der  Dauer  der  Sitzimgen  vorbehalten  geblieben. 


330 

Die  Diligencen  in  Spanien  sind  Privat- Unternehmungen. 
Die  ersten  wurden  im  Jahre  1816  von  einer  GeseUschaft  in  Bar- 
celona errichtet,  welcher  im  Jahre  1819  ein  Actien- Verein  für 
dasselbe  Unternehmen  folgte.  Später  traten  mehrere  Gapitali- 
sten unter  dem  Titel « Diligencias  generales  »  als  privilegirte  So- 
cietät  zusammen;  ihr  schlössen  sich  die  Caleseros  und  1840  die 
Gompaiiia  de  carsi  ferrer  an;  dann  erschienen  die  Dihgencias 
peninsulares,  die  Postas  peninsidares  und  1847  die  Diligencias 
postas  generales.  Diese  letzeren  haben  sich  fast  der  gesammten 
Personenbeförderung,  wenigstens  auf  sämmtUchenllauptstrassen 
des  Landes,  bemächtigt  Sie  machen  vortreflfUche  Geschäfte  und 
furchten  keine  Concurrenz,  oder  sichern  durch  Einigung  mit  dem 
Concurrenten  den  gemeinschaftUchen  Vortlieil  ziur  BenachtheiU- 
gung  des  Pubhcums.  Im  Jahre  1848  beförderten  sie  im  Januar 
4947  Personen;  im  Februar  7512;  im  März  7028;  im  April 
7509;  im  Mai  7595;  im  Juni  6884;  im  Jidi  8333;  im  August 
8898;  im  September  3293;  im  October  8738;  im  November 
7017;  im  December  7792.  Im  Ganzen  85,002  Personen.  Im 
Jahre  1849  aber  91,000,  und  im  Jahre  1850  sogar  111,000  Per- 
sonen. 

Das  Material  ist  sehr  verschieden.  Auf  einigen  Wege- 
strecken sind  die  Wagen  in  der  That  in  einer  klägUchen  Ver- 
fassung ;  unbequem  und  weil  sie  oft  überladen  sind,  und  ohne 
Rücksicht  auf  die  mitunter  sehr  desolaten  Wege  darauf  los  ge- 
jagt wird,  gefahrlich.  Fenster  und  Thüren  schüessen  selten  gut. 
Die  Wagen  smd  schon  im  Innern  sehr  niedrig;  auf  den  Imperia- 
len ist  es  unmöglich,  unter  dem  Verdeck  aufrecht  zu  sitzen.  Auf 
anderen  Wegestrecken  sind  die  Wagen  gut.  Ueberhaupt  sind 
die  neuerdings  erbauten  Dihgencen  mehr  auf  die  Bequemlichkeit 
der  Reisenden  berechnet,  jedoch  werden  wohl  noch  einige  Jahre 
hingehen,  bevor  die  jetzt  verwendeten  Kutschen  vollständig  un- 
brauchbar und  ausser  Curs  gesetzt  sein  werden.  Hinsichts  der 
Schnelligkeit  der  Beförderung  köimte  man  sich  weniger  bekla- 
gen als  über  das  Liegenbleiben  über  Nacht,  wenn  die  Wege  be- 
sonders scldecht  oder  unsicher  sein  sollen,  und  in  den  heissen 


331 

Tagesstunden  von  10  Uhr  Vormittags  bis  4  Uhr  Nachmittags, 
während  der  Sommennonate  auf  den  Wegestreeken  nach  Anda- 
lusien. Die  Diligencen  nach  Bayonne,  dem  Norden,  nach  Bar- 
celona, Valencia  und  Badojoz  faliren  ohne  Unterbrechung  bis  an 
das  Ziel  der  Reisetour.  Beiwagen  werden  niemals  gegeben. 
Selbst  wenn  zur  Zeit,  wo  das  reiselustige  Pubhcum  in  die  Bäder 
geht,  oder  von  dort  zurckkehrt,  und  bei  der  starken  Nachfrage 
die  Plätze  auf  vier,  sechs  bis  acht  Wochen  voraus  gesichert  imd 
bezahlt  werden  müssen,  wird  keine  Concurrenz  eröffiiet;  im 
Gegentheil  werden  dann  sehr  häufig  die  Preise  noch  in  die  Höhe 
geschroben.  Die  Dihgencen  fahren  noch  immer  mit  Maulthieren, 
deren  in  der  Regel  fünf  Paar  zu  zweien  zienüich  locker  ange- 
spannt smd.  Der  Adelantado  an  der  Spitze  reitet  ein  Pferd. 
Auf  der  Strasse  von  Madrid  nach  Bayonne,  in  den  nordwest- 
lichen Provinzen  imd  in  Catalonien  werden  mehr  Pferde  einge- 
spannt. 

Wo  es  an  Diligencen  fehlt,  findet  man  fast  überall  Omnibus; 
vierrädrige  Galeeren,  zweirädrige  Tartanen,  in  denen  man  zu 
beiden  Seiten  sitzt,  oder  doch  Reitpferde  oder  Maulthiere,  um 
auf  die  eine  oder  die  andere  Weise  befördert  zu  werden.  Die 
Preise  richten  sich  nach  der  Personen- Frequenz  des  Ortes,  nach 
der  Zahl  der  Reisenden,  nach  der  Schwere  des  Gepäckes  und 
nach  der  Dauer  imd  Entfernung  der  Reise.  Im  Allgemeinen 
wird  man,  wenn  man  gut  adressirt  oder  der  Landessprache 
mächtig  ist,  nicht  übertheuert.  Mit  einem  Corredero  oder  Mule- 
tero  reist  man  vollkommen  sicher  durch  die  imbesuchtesten 
Landstrecken  und  Gebirge.  Man  lernt  in  diesen  Leuten  kräf- 
tige und  treuherzige  Menschen  kennen,  und  erfahrt  auf  einer 
mehrtägigen  Reise  mehr  über  die  Natur  des  Landes  und  seiner 
Bewohner,  als  man  in  Büchern  findet. 

Die  Dampfschiffahrts-Verbindung  ist  zienüich  leb- 
haft. Die  Enghschen  Dampfer  von  Southampton  gewähren  eine 
Verbindung  von  Vigo  über  Oporto,  Lissabon  nach  Cadiz  und 
Gibraltar.  Die  Französischen  fahren  zwischen  Marseille  und 
den  Spanischen  Ost-  und  Süd-Haupthäfen  bis  nach  Cadiz.    Die 


332 

Spanischen  Dampfschiffe  verbinden  die  Nordküsten-Häfen  unter 
einander  und  mit  Frankreich.  Die  Barceloneser  Actien- Gesell- 
schaft befährt  mit  ihren  schönen  Dampfschiffen  in  regelmässigen 
Touren,  von  Cadiz  aus,  die  Spanische  Küste,  und  geht,  nachdem 
die  Schiffe  in  Algeziras,  Malaga,  Almeria,  Cartagena,  Ahcante, 
Valencia  (Grao)  und  Barcelona  angelegt,  nach  Marseille.  Eine 
regelmässige  Verbindung  zwischen  Barcelona  und  den  Balearen 
findet  gleichfalls,  je  nach  der  Jahreszeit,  einmal  oder  zweimal 
wöchentUch  statt.  Das  Passagiergeld  ist  bedeutend  höher,  als 
auf  den  Deutschen,  EngUschen  und  Französischen  Dampf  boten. 
Die  Verbindung  mit  dem  Festlande  und  den  Canarien,  Cuba  und 
Puerto -Rico  wird  durch  Regierungs  -  Dampfschiffe  unterhalten, 
welche  an  jedem  Dritten  des  Monats  von  Cadiz  und  von  Habana 
abgehen. 

Staats-Archive.  Spanien  bewahrt  einen  grossen  Schatz 
wissenschaftlich  interessanter,  historisch  merkwürdiger  imd 
wichtiger  Documente  in  den  zahlreichen  Universität«-,  Stadt-, 
Kirchen-  imd  Kloster -Bibliotheken;  ganz  besonders  aber  in  sei- 
nen Staats -Archiven.  Es  ist  hier  nicht  der  Zweck,  die  vorhan- 
denen Kostbarkeiten  aufzuzählen,  wohl  aber,  rühmend  zu  er- 
wähnen, dass  überall,  wo  diese  Sammlungen  nicht  bereits  über- 
sichtlich geordnet  sind,  damit  der  Anfang  gemacht  ist;  und  dass, 
was  die  KönigÜchen  Archive  anbetrifft,  dieselben  ihrer  inneren 
Ordnung,  ihrer  Aufstellung,  Ueberwachung  und  wissenschaft- 
lichen Bearbeitung  nach,  sich  in  einer  Verfassung  befinden, 
welche  die  vollste  Anerkennung  verdient,  und  dem  Vorzüghch- 
sten,  was  in  dieser  Beziehung  in  den  übrigen  Staaten  Europas 
geleistet  wird,  dreist  an  die  Seite  gestellt  werden  kann. 

Ausser  dem  im  KönigÜchen  Palast  zu  Madrid  befindUchen 
Haus -Archive  bestehen  in  Spanien  drei  Könighche  Staats- 
Archive  : 

1.  das  Könighche  tmd  General -Archiv  der  Krone  von  Ara- 
gon zu  Barcelona ; 

2.  das  Indische  Archiv  zu  Sevilla ; 

3.  das  Staats -Archiv  zu  Simancas. 


333 

Das  Archiv  von  Barcelona,  zur  Zeit  im  Seitenflügel  des 
Audienz -Palastes  gelegen,  aber  im  Begriff,  nach  den  neueinge- 
richteten Räumen  von  Santa  Clara  verlegt  zu  werden,  darf  man 
nicht  besprechen,  ohne  des  Namens  Prosper  BofaraU  y  Mascaro 
zu  erwähnen,  eines  Mannes,  dessen  Charakter  und  wissenschaft- 
liche Bildung  und  dessen  Verdienst  um  die  Ordnung  und  Ein- 
richtung des  Archivs  von  Aragon  ihm  die  allgemeine  Achtung 
und  Anerkennung  gesichert  haben,  imd  dessen  Verdienste  auf 
seinen  Sohn  Antonio  vererbt  sind,  welcher  dem  bejahrten  Vater 
zur  Seite  gesetzt  ward. 

König  Pedro  IV,  el  ceremonioso,  von  Aragon  hatte  eigen- 
händig die  Ordonnanzen  aufgesetzt,  kraft  deren  ein  diplomati- 
sches Archiv  seines  Hauses  eingerichtet  und  fortgeführt  werden 
sollte.  Seine  Nachfolger  Hessen  es  weder  an  den  nöthigen 
Unterhaltungskosten,  noch  an  aufsichtsfiihrenden  Beamten  und 
Gelehrten  fehlen,  um  dasselbe  zu  vervollständigen  und  zu  er- 
halten. Nachdem  das  Archiv  neun  Jahrhunderte  in  dem  alten 
Palacio  major  aufbewahrt  gewesen,  ward  es  auf  Königl.  Befehl 
vom  15  September  1766  nach  dem  Palacio  de  la  Deputacion 
verlegt.  Der  Umzug  war  im  Jahre  1770  beendet.  Die  hier  auf- 
bewahrten Documente  reichen  in  das  9te  Jahrhundert  hinauf 
(874),  bis  zur  Regierung  des  Grafen  Wifredo  el  Velloso  von  Bar- 
celona; von  wo  ab  sie  die  Regierung  der  sämmüichen  Könige 
von  Aragon  bis  zur  Vereinigung  mit  Castilien  unter  Ferdinand 
dem  KathoHschen  und  Isabella  umfassen.  Leider  ist  ein  Theil 
der  Documente,  welcher  ausschliesslich  die  früheren  Könige  von 
Aragon  betraf  und  in  Zaragoza  aufbewahrt  wurde,  während  des 
Unabhängigkeitskrieges  daselbst  ein  Raub  der  Flammen  gewor- 
den. Bei  der  Ordnung  des  Archives  ist  die  chronologische  Folge 
beobachtet,  indem  General-  und  Special-Register  für  jede  Regie- 
rungs- Periode  angelegt  sind.  Es  bestehen  Sach-  imd  alphabe- 
tische Register,  welche  auf  die  neueren  Nummern  der  Register, 
auf  die  Regierungen,  Jahr,  Titel  und  Seitenzahl  verweisen,  und 
es  möghch  machen,  augenblicklich  und  ohne  aUe  Schwierigkeit 
jedes  beliebige,  nach  Jahr  und  Datum  bezeichnete  Document 


334 

aufzufinden.  Die  Archivräume  bestehen  aus  vier  grossen  Sälen, 
in  welchen  die  das  eigentliche  Königliche  und  General -Archiv 
von  Aragon  bildenden  Acten  aufbewahrt  sind.  In  einem  fiinften 
Saale  befinden  sich  die  Sammlungen  älterer  Docnmente  verschie- 
dener hierauf  nicht  bezügUchen  Epochen.  Der  sechste  Saal  ist 
zugleich  als  Arbeitszimmer  für  die  Beamten  benutzt. 

Der  erste  Saal  umfasst  die  Zeit  von  844 — 1410  und  ent- 
hält die  numerirten  Sammlungen  der  Register  und  Pergament- 
schriften aus  der  Regierungszeit  der  zwölf  ersten  souverainen 
Grafen  von  Barcelona ;  zugleich  die  erste  der  vier  Hauptepochen, 
welche  das  Archiv  aufgestellt  hat.  Es  befinden  sich  femer  darin 
die  Documente  aus  der  Regierungszeit  der  zweiten  Epoche  der 
Könige  von  Aragon,  welche  jenem  Abschnitte  entsprechen.  Es 
sind  die 

Grafen  von  Barcelona.  Könige  von  Aragon. 

Erste  Epoche.  Zweite  Epoche. 

Wifredo  I  el  Velloso  Alfonso  11 

Wifredo  II  BoreU  Pedro  II 

Suniario  oder  Sunyer  I  Jaime  I 

Doppel-    j  BoreU  H  Pedro  III 

Regierung  |  Miron  I  Alfonso  III 

Ramon  BoreU  III  Jaime  11 

Berenguer  Ramon  I  (Curvo)  Alfonso  IV 

Ramon  Berenguer  11  Pedro  IV 

Berenguer  Ramon  II  Juan  I 

Ramon  Berenguer  III  Martin  I 
Ramon  Berenguer  IV 

Die  Zahl  der  Pergamente  aus  diesen  Regierungs-Epochen 
beträgt  17,333,  die  der  Register  2372. 

In  den  Rotuln  und  Registern  flihrt  jeder  Fürst  eine  Num- 
mer, welche  mit  der  fortlaufenden  Zahl,  die  ihm  in  seiner  Dyna- 
stie zugetheilt  ist.,  correspondirt. 

Der  zweite  Saal  enthält  1142  Pergamente,  4005  Register 
und  reicht  von  1410  bis  auf  die  Regierung  Ihrer  Majestät,  der 


335 

Königin  Isabella  II.  Er  umfasst  die  Zeit  der  vier  letzten  Könige 
von  Aragon  der  zweiten  Epoche ;  die  fiinf  ersten  Regenten  aus 
dem  Hause  Oesterreich,  welche  die  dritte  Epoche  bilden,  begin- 
nen mit  der  VennäJilung  der  Donna  Juana  mit  Philipp  dem 
Schönen,  Erzherzog  von  Oesterreich;  dann  der  ersten  sieben 
Monarchen  aus  dem  Hause  Bourbon,  welche  die  vierte  Epoche 
bilden ;  und  endUch  eine  Anzahl  sehr  verdorbener  Documente, 
deren  Benutzung  eine  sorgfältige  imd  mühsame  Restauration 
vorausgehen  muss. 

Fortsetzung  der  zweiten  Epoche  der  Könige  von  Aragon: 
Ferdinand  I,  Juan  II,  Alfonso  V,  Ferdinand  II: 

Dritte  Epoche,  weibliche  Linie  von  Oesterreich: 
Carl  I  der  Grosse  (der  Fünfte  von  Deutschland),  Philipp  11, 
Phihpp  m,  Philipp  IV,  Carl  E. 

VierteEpoche,  weibUche  Linie  von  Frankreich : 
Philipp  V,  Luis  I,  Ferdinand  VI,  Carl  HI,   Carl  IV,   Ferdi- 
nand Vn,  Isabella  IL 

Im  dritten  Saale  befinden  sich  Sammlungen  Königlicher 
Briefe ,  XJrtheilssprOche ,  Tribunals  -  Entscheidungen ,  Prozess- 
Acten,  Kloster- Geschichten,  Rechts -Codices,  Päbstliche  Bullen ; 
die  Prozesse  wider  die  Templer;  die  gerichtlichen  Untersuchungs- 
Acten  der  wegen  Hochverrath  in  Anklagestand  versetzten  Gra- 
fen von  Urgel,  von  Ampurias,  Cabrera,  und  andere  historisch 
interessante  Actenstücke. 

Im  vierten  Saale  sind  grosse  Massen  von  Documenten  ver- 
einigt, zum  Theil  neuerdings  ergänzt,  aufgezogen  und  geordnet, 
theils  durch  die  Zeit  zerstört  und  in  ihrer  gegenwärtigen  Beschaf- 
fenheit nicht  brauchbar.  Es  sind  auch  hier  diejenigen  Acten  auf- 
gestellt, welche  sich  auf  die  Verwaltung  des  Archivs  beziehen. 
Eine  Sammlung  von  Verhandlungen ,  den  alten  Rath  der  Hun- 
dert von  Barcelona  betreffend;  Interessantes  über  die  Aufhebung 
der  Klöster  u.  s.  w.  befindet  sich  in  besonderen  Schränken  und 
hat  der  wissenschafthchen  Benutzung  bereits  reichlichen  Stoff 
geliefert  Seit  mehreren  Jahren  bearbeitet  auch  ein  höherer  In- 
genieur-Offleier,  Oberst  von  Camino,  alles  im  Archiv  Befindliche, 


336 

was  auf  Militair- Verfassung,  Kriegswissenschaft  und  Geschichte 
Bezug  hat,  für  das  Kriegs -Ministerium.  Merkwürdig  ist,  dass 
über  die  Audienz,  welche  Columbus  bei  seiner  Rückkehr  aus 
America  in  Barcelona  bei  dem  Königspaar  gehabt  imd  welche 
mit  grossen  Feierüchkeiten,  deren  Details  uns  die  Geschichte 
überliefert,  in  der  Cathedrale  stattgefunden,  nichts  in  dem  Ar- 
chive zu  finden  ist.  Diese  Behauptung,  welche  bereits  Navarrete 
veröflfentHchte ,  hat  mich  veranlasst,  der  Sache  näher  auf  den 
Grund  zu  gehen;  aber  auch  ich  habe  mich  davon  überzeugt,  dass 
weder  das  Staats -Archiv,  noch  die  Bibliothek  und  das  Stadt- 
Archiv  von  Barcelona  irgend  eine  Andeutung  über  Columbus 
Anwesenheit  in  Barcelona  und  seine  Audienz  in  der  Cathedrale 
enthalten.  Selbst  das  Stadtbuch  oder  die  Chronik  von  Barcelona, 
in  welche  im  Auftrage  des  Rathes  der  Stadtschreiber  mit  lang- 
weiliger Pedanterie  Alles  aufgenommen  hat,  was  nur  einiger- 
maassen  bemerkenswerth  erscliien,  beobachtet  ein  vollständi- 
ges Schweigen  über  diese  angebUche  geschichthche  Thatsache. 
Mit  den  Vorzügen  einer  chronologischen  Ordnung  eines  Archivs 
sind  übrigens  auch  die  Nachtheile  verbunden,  dass  man  Data 
oder  Documente,  welche  nicht  nach  der  Jahreszahl  genau  be- 
zeiclmet  sind,  äusserst  schwer  aufzufinden  im  Stande  ist. 

In  wie  weit  die  Besorgniss  gegründet,  dass  das  zur  Auf- 
nahme des  Archivs  überwiesene,  zu  diesem  Zwecke  bauhch  ein- 
gerichtete S.  Clara -Kloster  seiner  ursprüngUchen  Bestimmung 
zurückgegeben  und  dadurch  die  Translocation  unmögUch  wer- 
den würde,  muss  für  jetzt  abgewartet  werden. 

Das  Indische  Archiv  in  Sevilla  befindet  sich  in  der  präch- 
tigen Lonja  (Bank),  unter  Philipp  II  durch  Herrera  erbaut  und 
1598  dem  Handelsamte  von  Sevilla  feierhch  übergeben;  ein  wun- 
derschönes rechtwinkliges  Gebäude,  dessen  jede  Seite  200  Fuss 
Länge  und  54  Fuss  Höhe  zählt.  Die  Steine  zum  Palast  sind  aus 
Martellila  bei  Xeres  gekommen.  Besonders  reich  ist  der  mit  Rö- 
mischen und  Dorischen  Säulen  gezierte,  mit  dem  herrlichsten 
Mosaik-Fussboden  imd  einer  schönen  Fontaine  versehene  Patio, 
und  die  in  den  ausgewähltesten  Jaspisarten  ausgeführte  Pracht- 


337 

treppe,  welche  zu  dem,  im  oberen  Stockwerke  belegenen  Archive 
fuhrt  Es  existirt  gewiss  in  der  ganzen  Welt  kein  zweites  Archiv- 
Local,  wo  der  weite  Raum  mit  so  kostbarem  Material  an  Decken, 
Wänden  und  Fussboden,  xmd  die  Spinden  von  massivem  Maha- 
goni uünd  Cedernholz  gearbeitet  sind.  Das  Archiv  ward  1784 
von  Carl  HI  gegründet  Alle  mit  Bezug  auf  die  überseeischen 
Provinzen  verhandelten  Acten,  die  Archive  der  verloren  gegan- 
genen Amerikanischen  Besitzungen  sind  dort  vereinigt.  Das 
Archiv  ist  nicht  chronologisch ,  sondern  nach  Materien  und  Pro- 
vinzen geordnet  Unter  den  Merkwürdigkeiten  zeigt  man  ein 
mittelmässiges  Bild  von  Columbus ,  und  ein  besseres ,  aber  nur 
skizzirt,  Fernando  Cortez  darstellend.  Die  Original -Berichte, 
welche  Columbus  von  America  aus  erstattet,  sind  nicht,  wie  man 
lange  Zeit  befiirchtet  hatte,  verloren  gegangen;  sie  belinden  sich 
in  den  Händen  seiner  Familie,  des  Duque  de  las  aguas,  in  Madrid. 
Im  Archive  liegen  nur  vidimirte  Abschriften.  In  einem  Pracht- 
bande befinden  sich  jedoch  noch  einige  Original-Unterschriflen 
von  Columbus,  so  wie  von  Cortez,  Pizarro,  Magelhans  und  An- 
deren vereinigt  In  dem  Hauptsaale  sind  unter  vier  verschiedenen 
Rubriken  die  Acten  der  Secretaria  de  la  nueva  Espana  y  Peru, 
die  der  Contaduria  imd  Escribania  general,  die  der  Camera  del 
supremo  Consejo  de  Indias  und  die  des  Juzgado  extinguido  de 
arribadas  en  Cadiz.  Die  geschichtlichen  und  statistischen  Notizen 
sind  im  zweiten  Saale  in  Glasschränken  aufbewahrt  Auch  in 
diesem  Archive  ist  ein  höherer  Ingenieur- Ojfficier  nait  wissen- 
schaftlichen Arbeiten  seit  einigen  Jahren  beschäftigt. 

Das  dritte  Archiv  befindet  sich  zwei  Meilen  von  Valladolid,  in 
Simancas,  das,  auf  felsiger  Höhe  über  der  reissenden,  baumbekränz- 
tenPisuerga,  welche  eine  stattliche  Brücke  von  1  GBogen,  Römischen 
Ursprungs,  überschreitet,  malerisch  schön,  in  Mitten  eines  eng  zu- 
sammengebauten Dörfchens  gelegen,  ein  stark  befestigtes,  mit  Gra- 
ben, starken  hohen  Mauern,  halbrunden  Thürmen  xmd  massiven 
gewölbten  Brücken  versehenes  Schloss  ist.  Dasselbe  gehörte 
früher  dem  Grafen  Enrique,  Grossadmiral  von  Castilien.  Fer- 
dinand und  Isabella  kauften  es  und  Hessen  es  auf  den  Kath  des 

V.  MinatoU,  Spanien.  22 


338 

Cardinais  Ximenes  zur  Aufnahme  des  Staats -Archivs  einrichten. 
Die  noch  jetzt  bestehenden  Spinden,  Holzgallerien,  Verbindungs- 
treppen und  Urkundenkasten  stammen  aus  der  Zeit  Philipps  II, 
welcher  mit  den  baulichen  Arbeiten  Herzera  und  Bereguete,  und 
mit  der  Aufstellung  und  Sonderung  der  Documente  Geronimo 
Zurita  beauftragte.  In  38  Sälen  birgt  das  Archiv  seht  werthvolle 
Urkunden  und  Acten,  welche  trotz  des  anhaltenden  Fleisses  des 
Archivars,  D.  Manuel  Garcia  Gonzales,  nach  SOjährigem  Fleisse 
noch  nicht  vollständig  durchgearbeitet  werden  konnten.  Erst 
neuerdings  sind  in  vielen  Ballen  über  80  Centner  Acten,  die  Spa- 
nische Inquisition  betreffend,  von  Barcelona  nach  Simancas  ab- 
gegeben. Die  Documente  im  Archive  sind  theils  chronologisch, 
theils  nach  Materien  gesondert.  Die  ältesten  Urkunden  gehen 
nicht  über  das  Jahr  1400  hinaus.  Von  dort  ab  ist  AUes  sehr 
vollständig  zusammengestellt;  insbesondere  bilden  die  Gesaudt- 
schaftsberichte ,  welche  seit  400  Jahren  aus  den  verschiedenen 
Ländern  eingesandt  wurden,  sehr  interessante  Beiträge  zur  Staa- 
ten- und  Sittengeschichte  der  letzten  Jahrhunderte;  und  hoffe 
ich,  dass  es  auch  mir  später  vergönnt  sein  wird,  einige  Beiträge 
zur  Kenntniss  der  vaterländischen  Geschichte  und  zur  Verherr- 
lichung der  Dynastie  der  HohenzoUern  den  Vaterlandsfreunden 
mittheilen  zu  können.  Der  auf  Veranlassung  des  Generals  Zarco 
del  Valle  seit  8  Jahren  im  Archive  beschäftigte  Ingenieur-Oberst 
Aparici  hat  bereits  viele  för  die  Kriegswissenschaften  interes- 
sante Arbeiten  von  Simancas  eingesandt,  welche  theilweise  den 
Weg  in  die  Oeffentüclikeit  und  von  allen  Seiten  ungetheilte  An- 
erkennung gefunden  haben. 

Napoleon  hatte  seine  Aufmerksamkeit  nicht  vergeblich  auf 
die  geschichtlichen  Denkwürdigkeiten  von  Simancas  gerichtet 
1810  erhielt  General  Kellermann  den  Auftrag,  die  interessante- 
sten Gegenstände  auszuwählen  und  nach  Paris  zu  senden,  worauf 
im  November  desselben  Jahres  60  Kisten  mit  Papieren  abgeschickt 
wurden.  Der  Bibliothekar  Quiter  erschien  1811  von  Paris  in  Si- 
mancas, und  berichtete,  dass  der  vierte  Theil  von  den  29  Zim- 
mer ftillenden  Papieren  der  Uebersiedelung  nach  Paris  werth 


^39 

wäre.  Massenas  Niederlage  bei  Torres  vedras  änderte  die 
Sache,  und  Herr  Qiiiter  verschwand,  nachdem  er  112  Kisten  mit 
7861  Bündelri  Papier  nach  Frankreich  befördert  hatte.  Im  Jahre 
1814  wurde  die  Rückgabe  det  Archivalien  in  Folge  der  Recla- 
mätionen  des  Spanischen  Gesandten  Labrador  verheissen,  146 
Kii^teä  auch  von  Paris  zurück  dirigirt,  dieselben  jedoch,  nach 
der  Landung  Napoleons  von  Elba,  im  März  1815  in  der  Nähe 
von  Botdeftux  angehalten,  und  erst  nach  der  Schlacht  von  la 
Belle  AUiance  dem  Archive  wieder  einverleibt.  Aller  diploma- 
tischen und  verwandtschaftlichen  Verhandlungen  ungeachtet  ist 
der  Rest  der  archivalischen  Denkwürdigkeiten  nicht  von  Frank- 
teich zurück  gegeben  worden.  Ein  Theil  der  Papiere  ist  zur 
Zeit  der  Französischen  Einquartierung  in  Simancas  zu  den  Wacht- 
feuern verwendet  worden.  Die  Umgegend  von  Simancas  ist  ge- 
schichtlich merkwürdig  wegen  des  Sieges,  den  dort  König  Ra- 
miro  über  die  Mauren  erfocht,  deren  er  60,000  tödtete.  En- 
rique IV  vertheidigte  sich  in  dem  Schlosse  im  Jahre  1465  gegen 
die  Ligue;  und  der  Irische  Rebell  Hugh  Roe  O'Donnell  starb 
1662  in  Simancas. 

Unter  den  städtischen  Archiven  in  Spanien  erwähne  ich  hier 
noch  des  Valencianischen,  weil  ich  dort  so  glücklich  war,  einige 
Urkunden,  den  Markgrafen  Johann  von  Brandenburg  betreflfend, 
zu  finden,  welcher,  mit  Germania  voii  Foix,  Wittwe  Ferdinands  11 
von  Aragon,  1519  vermählt,  General-Capitain  und  Vice -König 
von  Valencia  ward  und  daselbst  bis  zu  seinem  Tode  1523  lebte, 
geachtet  und  geehrt  von  den  Bewohnern  des  Königreiches  imd 
vom  Kaiser  Carl,  der  ihn  ganz  besonders  auszeichnete.  Im  An- 
hang habe  ich  einige  jener  Documente  abdrucken  lassen,  imd 
:iur  Charakteristik  des  Markgrafen  einige  historische  Data  bei- 
geffigt 

Die  Presse  hat  in  Spanien  nur  einen  bedingten  Einfluss 
auf  die  öffentliche  Meinung.  Es  gab  lange  Zeit  hindurch  in  Ma- 
drid nur  zwei  Journale,  das  Diario  und  die  Gazeta  für  amtÜche 
Vetöffentlichungen.   Jetzt  erscheinen  150  Zeitungen  in  Spanien; 

22* 


340 

davon  60  in  Madrid,  12  in  Barcelona,  7  in  Sevilla,  4  in  Cadiz  etc., 
theils  politischen,  tlieils  industriellen,  wissenschaftlichen  oder  ar- 
tistischen Inhalts.  Die  Zeitschriften  in  Spanien  sind  billig.  Ein 
Fiscal  de  imprenta  überwacht  die  Presse.  Der  Herausgeber 
einer  pohtischen  Zeitung  muss  eme  Caution  von  12,000  r.  in  der 
Bank  von  San  Fernando  deponiren;  wer  als  Redacteur  auftreten 
will,  muss  jahrlich  mindestens  1000  r.  an  directen  Steuern  zah- 
len. Zwei  Stunden  vor  Ausgabe  der  neuesten  Nummer  muss 
dieselbe  der  Polizei  vorgelegt  werden,  welcher  das  Recht  zu- 
steht, auf  die  Auflage  Beschlag  zu  legen;  jedoch  muss  dann 
binnen  vierundzwanzig  Stunden  die  Anklage  gegen  den  Redac- 
teur vom  Fiscal  substantiirt  werden.  Die  Pressvergehen  stehen 
unter  einem  Special  -  Gerichtshofe ,  aus  ftinf  Richtern  erster  In- 
stanz imd  einem  Magistratualen  bestehend.  Das  Präsidium  fuhrt 
ein  Mitghed  des  Appellhofes.  Das  jetzt  bestehende  Pressgesetz 
daürt  von  dem  10  April  1844 ;  es  ward  modificirt  am  6  Juli  1845, 
und  ist  gegenwärtig  einer  neuen  Bearbeitung  unterworfen. 


Ministerium  zur  Beförderung  der  materiellen 

Interessen. 

Ministerio  de  fomento. 


Omnca,  qni  magnaram  rtnna  contiHa 
Biucipiuiit,  aettinure  debent,  u  quod  in- 
ohoator,  Reipublicae  utile,  ipaia  |^rio- 
sum  aut  promptnm  effeeta,  aut  ccrte  aon 
arduom  ait. 

Tacitaa  Aanal.  II,  70. 


Durch  Königliches  Decret  vom  20  October  1851  hat  das 
Ministerium  für  Handel,  öflfentliche  Arbeiten  imd  Unterricht  die 
Bezeiclmung  Ministerium  de  fomento  angenommen ,  und  Alles 
was  den  öffentlichen  Unterricht  imd  höhere  wissenschaftüche  Be- 
strebungen anbetriflPt,  an  das  Ministerium  der  Gnaden  und  Justiz 
abgegeben.  In  der  bisherigen  Verbindung  hatte  das  Ministerium 
seit  1847  bestanden,  in  welchem  Jahre  durch  Königliches  Decret 
die  Handels -Angelegenheiten  vom  Marine -Ministerium  und  die 


341 

landwirthschafüichen  Gegenstände  vom  Ministerio  des  Innern 
abgezweigt  wurden. 

Zum  Ressort  des  Ministerii  gehören  die  Wege-,  Canal- 
und  Hafenbauten,  so  wie  die  Ingenieur  -  Schulen  zur  Ausbil- 
dung von  Architecten  und  Wegebaumeistem ,  und  die  Schulen 
für  Ackerbau,  Forstwirthschaft  und  Bergbau;  die  landwirth- 
schaftlichen  Angelegenheiten  selbst;  die  Aufliebung  der  Servi- 
tuten, die  Abgrenzung  des  Grundeigenthums,  Wiesen  und  Weide- 
gerechtigkeiten;  Baumpflanzungen;  Gründung  neuer  Gemeinden 
und  Colonisations-Projecte;  die  Maass-  und  Gewichts-Regulirung, 
Handel  und  Industrie ,  und  die  Beaufsichtigung  der  landwirtli- 
schafüichen  und  industriellen  Vereine. 

Im  Ministerio  sind  ein  Unter-Staatssecretair  angestellt^  zwei 
General-Directoren,  dreizehn  Oficiale,  einige  Ingenieur-Chefs,  die 
Kassen-  und  Archiv  -  Beamte  nach  Bedürfiiiss.  Die  General- 
Direction  de  agricidtura,  industria  y  comercio  zählt  fiinf  Chefs 
für  die  Abtheilung  der  landwirthschafthchen  Angelegenheiten, 
Wiesen  und  Forstsachen,  Handel  und  Industrie  nebst  Bergwer- 
ken, endlich  fiir  die  Kassensachen.  Der  Real  Consejo  (König- 
liche Rath)  de  agricultura,  industria  y  comercio  hat  Präsidenten, 
Vice-Präsidenten  und  Secretaire  und  21  MitgUeder  fiir  die  Acker- 
bau-, 10  für  die  Industrie-  und  13  fiir  die  Handels- Angelegen- 
heiten. 

Die  Königlichen  Commissaire  zur  Beaufsichtigung  der  land- 
wirthschafUichen  Bestrebungen  in  den  Provinzen  bilden  eine 
Junta,  aus  24  Mitgliedern  bestehend.  Provinzial-Junten,  zu  dem- 
selben Zwecke  errichtet,  befinden  sich  unter  dem  Vorsitz  der 
Civil- Gouverneure  in  allen  Provinzen. 

Das  Gestütwesen  wird  durch  einjen  General -Director  und 
einen  General-Inspector  geleitet.  Hengste  sind  in  verschiedenen 
Stationen  unter  der  ControUe  von  besonderen  Beamten  aufge- 
stellt; und  zwar  in  Avila,  Caceres,  Cordova,  Coruna,  Benito, 
Granada,  Jaen,  Jerez  de  la  Frontera,  Leon,  Malaga,  Orense, 
Oviedo,  Santander^  Sevilla,  Valladolid,  Zaragoza. 


342 

Die  Association  der  Heerdenbesitzer  (Asociacion  general  de 
ganaderos)  besteht  unter  dem  Vorsitze  der  Königin  aus  einer 
permanenten  Central-Commission  von  1 3  Mitgliedern  und  4  Hülfs- 
arbeitem.  Neun  Beamte  leiten  die  Geschäfte,  wahrend  eine  An- 
zahl von  Procuradores  fiscales  principales  in  denjenigen  Provin- 
zen stationirt  sind,  in  welchen  die  Cabana  espanola  ihre  Weide- 
plätze hat,  oder  diurch  welche  die  Heerden  durchziehen.  Solcher 
Procuradores  sind  in  Albacete,  Alicante,  Almeria,  Avila,  Bada- 
joz,  Burgos,  Caceres,  Castellon,  Ciudad  Real,  Cordova,  Cuenca, 
Granada,  Guadalajara,  Jaen,  Leon,  Logrono,  Madrid,  Murcia, 
Palencia,  Salamanca,  Segovia,  Sevilla,  Soria,  Teruel,  Toledo, 
ValladoUd,  Valencia,  Zamora.  Am  25  April  tritt  der  Verein  zu 
seinen  Sitzujigen  zusammen,  in  welchen  die  wichtigsten  Ver- 
waltungs- Gegenstände  und  die  Instructionen  der  Gommissarien 
berathen  werden,  wonach  dieselben  die  Geschäfte  im  Verlaufe 
des  Jahres  zu  erledigen  haben. 

Die  Syndicate  für  die  Bewässerung  durch  Wasserleitungen 
aus  den  Flüssen  und  Canälen  sind  unter  Directoren  und  Vice- 
Directoren  vereinigt,  in  Alicante,  und  mit  besonderer  Beziehung 
zum  Kaiser-Canal  von  Aragon  in  Alagon,  Bunguel,  El  Burgo, 
Gallur,  Miraflor  es  und  Miralbueno.  Ausserdem  sind  dergleichen 
Behörden  in  Lorca,  Palma  und  Tauste  eingesetzt. 

Unter  den  Anspielen  des  Ministerii  stehen  die  öconomischen 
Gesellschaften,  welche  grossentheils  imter  der  Regierung  Carls  DI 
ins  Leben  getreten  sind,  die  es  verstand,  das  Interesse  für  För- 
derung des  Ackerbaus  in  Spanien  rege  zu  machen.  Die  Socie- 
dad  economica  Matritense  de  amigos  del  pais,  am  9  November 
1775  gegründet^  zählt  20  Mitglieder,  welche  auf  die  drei  Sectio- 
nen  der  Landwirthschaft,  der  Künste  und  des  Handels  vertheilt 
sind.  Ausser  derselben  bestehen  in  den  verschiedenen  Provin- 
zen im  Ganzen  78  öconomische  Gesellschaften,  welche  durch  Cor- 
respondenzen,  Veröffentlichungen,  Ausstellungen  und  Prämien 
zur  Verbesserung  des  Ackerbaus,  der  Viehzucht  und  ländlichen 
Industrie  beizutragen  bestrebt  sind. 


343 

Durch  Königliches  Decret  vom  17  Februar  1852  ist  festge- 
setzt worden,  welche  Vorstudien  im  Zeichnen,  Mathematik  und 
Arithmetik  den  Prüfungen  der  Feldmesser  (agrimensores  y  afo- 
radores)  vorausgehen  mussten,  um  in  dieser  Eigenschaft  Ver- 
messungen vornehmen  zu  dürfen. 

Das  Corps  der  Berg-Ingenieure  ward  durch  Königliche  Or- 
dre vom  14  Juü  1777  errichtet,  und  zwar  in  Almaden,  wo  sich 
unter  der  Leitung  eines  Deutschen,  D.  Heinrich  Stört,  eine  Bil- 
dungsschule von  Technikern  eröffiiete,  welche  sich  bis  auf  24 
Eleven  erweiterte.  Im  Jahre  1825  wurde  eine  General-Direction 
der  Minen  gebildet;  und  durch  diese  im  Jahre  1833  bei  der  Or- 
ganisirung  der  Ingenieur -Schule  auch  das  vorstehende  Institut 
verändert  Im  Jahre  1836  und  1849  traten  abermals  Abände- 
rungen ein,  bis  sich  daran  die  gegenwärtige  Einrichtung  an- 
knüpfte. Das  Corps  ist  aus  3  General -Inspectoren,  5  ersten, 
9  zweiten,  9  dritten,  12  vierten,  14  fünften  und  10  sechsten  In- 
genieuren zusammengesetzt.  Diese  sind  verschiedenartig  ver- 
theilt  und  beschäftigt ;  entweder  im  Ministerial-Bureau,  oder  in 
der  Special-Schule  des  Corps,  oder  in  den  verschiedenen  Minen- 
Districten  des  Königreiches.  Die  Inspections-Districte  sind  die- 
jenigen von  Madrid,  Burgos,  Zaragoza,  Barcelona,  Murcia,  Ahne« 
ria,  Almaden,  Bio  Tinto,  Linares,  Zamora  imd  Oviedo. 

In  der  Bergschule ,  welche  unter  der  Aufsicht  einer  Junta 
facultativa  steht,  unterrichten  ein  Director  und  4  Professoren : 

Angewandte  Mathematik, 

Construccion  y  Estereotomia, 

Mineralogie  und  Paleontologie, 

Geologie, 

Minenbau, 

Allgemeine  und  analytische  Chemie, 

Docimasia  y  metalurgia  general, 

Metalurgia  especiaL 

Der  Reichthum  an  Minen  in  Spanien  ist  ausserordentlich 
gross. 


344 

Der  District  Falcet,  früher  Tarragona,  umfasst  die  Provin- 
zen von  Aragon  und  Catalonien. 

Der  District  Valencia:  die  Provinzen  Castellon  de  la  Plana, 
Valencia  und  Alicante. 

Der  District  Aguilas,  früher  Lorca:  Murcia  und  die  Sierra 
Almagrera. 

Linares:  Cordova,  Jaen  und  die  neuen  Anlagen  in  der  Sierra 
Morena. 

Adra,  früher  Berja:  Granada  und  Almeria. 

Marbella:  Malaga. 

Rio  Tinto:  Sevilla  und  Huelva. 

Alma  den:  Ciudad-ReaL 

Madrid:  Avila^  Segovia,  Guadalajara,  Madrid  und  Toledo. 

Oviedo,  früher  Ribadeo:  Asturien  und  Galicien. 

Habana:  die  Insel  Cuba. 

Manila:  die  Philippinen. 

Von  den  früher  in  Betrieb  gewesenen  44  Goldminen  ist  keine 
mehr  in  Thätigkeit;  jedoch  haben  in  neuester  Zeit  die  Minen  von 
Culera,  Bezirk  Gerona,  welche  eine  Gesellschaft,  Conchita  ge- 
nannt, bearbeitet,  eine  ansehnhche  Ausbeute  an  Gold  geliefert^ 
und  zwar  auf  ein  Quintal  (Centner)  Quarz,  schwefelhaltiges  Eisen 
und  Arsenik  enthaltend,  auch  17  Onzas,  5  Adarmes  und  31  Gra- 
nos  Gold;  178  Minen  arbeiten  auf  Silber;  107  auf  Kupfer;  71 
auf  Eisen;  93  auf  Blei;  6  auf  Zinn;  12  auf  Quecksilber;  15  auf 
Antimonium;  2  auf  Cobalt;  4  auf  Galmei;  2  auf  Arsenik;  7  auf 
Vitriol;  9  auf  Schwefel;  52  auf  Steinkohlen;  2  auf  Graphit;  2 
auf  Ocker;  1  auf  Bolus;  1  auf  Magnetstein;  11  auf  Alaim;  4  auf 
Gagat  (azabache);  1  auf  Amethyst;  1  auf  Hyazinth;  3  andere 
auf  Edelsteine;  13  auf  silberhaltigen  Bleiglanz;  3  auf  Zinnober. 
Im  Jahre  1851  wurden  in  das  Ausland  verkauft:  44,570  Quintales 
Eisen,  860,966  Quintales  Blei,  425,616  Onzas  Silber  in  Barren. 
Vorzugsweise  reich  ist  die  Ausbeute  der  Bergwerke  von  Rio 
Tinto.  Der  Ertrag  wird  monatUch  auf  50,000  Quintales  berechnet; 
von  diesen  müssen  contracüich  25,000  Centner  an  den  Herrn 
Prieto  geliefert  werden,  welcher  56  r.  für  die  Arroba  Kupfer, 


345 

die  er  im  reinen  Zustande  der  Regierung  zurück  liefert,  gezahlt 
erhalt.  Bis  30,000  Quintales  nimmt  monatlich  die  Gesellschaft 
Lacerda,  und  erhält  diese  50  r.  fiir  die  Arroba  reines  Kupfer. 
S.  Prado  hat  in  seiner  Beschreibung  von  Rio  Tinto  gesagt,  dass 
es  das  Cahfornien  von  Europa  bei  entsprechender  Bearbeitimg 
werden  müsse.  Von  Interesse  ist  ein  im  Sommer  1851  erschiene- 
nes Schriftchen  von  E.  0.  Mamby:  Sobre  las  minas  de  Rio  Tinto. 
Der  Verfasser  erzählt  über  den  Umfang  der  acht  Leguas  einneh- 
menden, bis  Alemtejo  sich  erstreckenden,  ungeheure  Schätze 
enthaltenden  Minen  viel  Bemerkenswerthes;  insbesondere  über 
den  Werth,  welchen  die  Römer  den  Minen  beigelegt,  zu  denen 
sie  mit  grossen  Kosten  gute  Wege  gebaut  hatten,  welche  jetzt  voll- 
ständig fehlen,  wodurch  die  Communication  mit  Sevilla  und  Bada- 
joz  eben  so  erschwert  als  vertheuert  wird.  Er  halt  die  Erbauung 
einer  Pferde -Eisenbahn  für  sehr  wünschens  werth,  leicht  ausfuhr- 
bar und  in  ihren  Erfolgen  für  unberechenbar.  Die  Verbindung 
mit  Sevilla  soll  von  letztgedachter  Stadt  aus,  der  Richtung  nach 
Badfljoz  auf  dem  rechten  Guadalquivir-Ufer  bis  Algarebo  fol- 
gend, von  dort  über  Castillo  de  las  guardas  auf  Rio  Tinto  ge- 
fuhrt werden,  und  theilweise  die  alte  Römerstrasse  benutzen. 
Er  veranschlagt  die  Kosten  der  Bahn,  inclusive  Waggons,  mit 
Berücksichtigung  der  zu  den  Schienenunterlagen  zu  benutzen- 
den dortigen  Holzbestände  (welche  man  auf  250,000  starke, 
700,000  junge  Fichten  berechnet)  auf  11  bis  12  Millionen  Rea- 
len; nämlich  je 

1000  Varas  Wegearbeiten  zu 37,000  r. 

1000      .      Gräben  und  Brücken 5,000  » 

2200      »      Schienen,  zu  35  Pfund  d.  Vara  oder 

35  Tonnenladungen  zu  850  r 29,750  » 

1000  Querbohlen,  3  Varas  breit,  von  Fichten .  .       5,000  » 

Liegende  Bohlen  imd  Schienen 8,000  » 

Steine  zum  Wege 6,000 

2  Waggons,  pro  Vara 10,000 

Stations-  imd  andere  Kosten 23,000  » 

Summa  .  . .  125,000  r. 


346 

Von  Rio  Tinto  nach  Sevilla  sind  100,000  Varas,  nach  Huelva 
80  — 90,000  Varas. 

Der  Reichthiun  an  Steinsalz  und  Salzquellen  in  Spanien 
ist  gleichfalls  bedeutend.  Die  Salzregie  ist  bereits  beim  Finanz- 
Ministerium  erwähnt  worden;  es  handelt  sich  hier  jedoch  um 
Nachweis  der  vorhandenen  Quellen  imd  Lager.  Die  87  Salinen 
veriheilen  sich,  wie  folgt,  auf  die  Provinzen: 


Albacete 

. . .  die 

von  Bogarra,  Hornos,  Pinilla  und  Valverde. 

Alicante . 

. . .    » 

»    Mota^  Torrevieja  und  Villena. 

Almeria . . 

.  . .    » 

»    Roquetas. 

Balearen  . 

, . .    » 

»    Formentera»  Iviza,  Sonteny. 

Barcelona 

.  . .    » 

>    Cardona. 

Burgos. . , 

. . .    » 

»    Anana,  Buradon,  Herrera,  Poza  und  Rosio. 

Gadiz . .  . . 

►  . .    » 

»    San  Fernando. 

Cordova. , 

.  . .    » 

»  Arrojo  de  Algarve,  Cuestapolomas,  Duer- 
nas  und  Jarales. 

Cuenca  .  . 

.  .    » 

»  Fuente  el  Manzano,  Alcala  de  la  Veja» 
Billinchon,  Fuente  albilla,  Higuera,  Min- 
glanilla,  Monteagudo,  Requena,  Trajacete 
und  Villagorda. 

Granada. . 

>  • .    * 

»  Bacor,  Cacin,  Hinojares,  Loja,  Mula  und 
Periago. 

Guadalsgai 

ra .    » 

»  Almala,  Imon,  Medinaceli,  Olmedo  und 
Saelices. 

Huelva  . . 

, . .    » 

«    San  Lucar,  Barrameda. 

Huesca  . . 

, . .    » 

»    Noval,  Peralta. 

Jaen 

, . .    » 

»  Barranoo,  Hondo,  Brujuelos,  Benito,  La 
Orden,  Peal,  Porcel,  San  Carlos,  San 
Jose. 

Lerida  . .  . 

. . .    » 

»    Guerri,  Lina. 

Madrid. . 

. . .    » 

»  Garcaballanas,  Espartinas,  Peralejos  und 
Valdenaria. 

Malaga. . . 

. . .    » 

»    Hert49k1es. 

347 

Murda die  von  Aquila,  Caraspazta,  Jumilla,   MoUna,  La 

Rosa»  Sai^jonera,  San  Pedro  del  Pinatar 
und  Zacatin. 

Navarra ....    »      »    Valtierro. 

Santander 

SeviUa . .  . 

Tarragona 

Teruel .  . . 


Toledo.  .  . 
Valencia  . 
Valladoüd 
Zaragoza  . 


.    »      »    Cabezon  de  la  Sal  und  Trasena. 

.    »      »    Ecija,  Osuna,  Ultxera. 

.    »      »    Los  Alfaques  und  Flix. 

.    »      »    Arcos,   ArmillaSy   Ojosnegros  und  Valta* 
blado. 

.    »      »    Guero,  Villa  Rubia  de  Santiago. 

.    »      »    Manuel. 

.    »      »    Campos  de  Medina  del  Campo, 

.  »  »  Castellar,  Remolinos  und  Sastaja. 
Die  meisten  dieser  Ortschaften  produciren  das  Salz  durch 
Verdunstung  von  Meerwasser.  Dasselbe  wird  im  Februar  durch 
Schleusen  in  Bassins  eingelassen,  wo  es  nach  Verlauf  von  5  —  6 
Monaten  durch  die  Sonnenhitze  bis  auf  die  Salztheile  verdunstet 
Die  Becken  sind  theils  nach  der  örtlichen  Lage,  theils  nach  der 
Temperatur  grösser  oder  kleiner  angelegt.  Das  Wasser  in  den- 
selben steht  anfangs  2,  3  und  4  Fuss  hoch.  Die  Salinen  von 
Torre  vieja  imd  Mata  haben  einen  Umfang  von  vier  Leguas.  Das 
gewonnene  Salz  ist  je  nach  den  oberen  und  unteren  Schichten 
mehr  oder  weniger  hart  und  weiss.  Die  oberste  Lage  ist  die 
weisseste,  und  im  Monat  August,  wenn  alles  Wasser  geschwun- 
den,  erscheinen  die  Salzflächen  wie  weite  Ebenen  hart  gefrore- 
nen Schnees.  Durch  Wäsche  wird  das  braune  Salz  klarer  und 
weisser.  Die  beste  Gattung,  welche  sich  um  Stöcke,  die  in  das 
Wasser  gehängt  werden,  in  Federbuschform,  blendend  weiss, 
crystallisirt,  zeigt  in  den  Crystallisationen  durchweg  die  regel- 
mässigsten  Kubus.  Der  Verkauf  im  Inlande  geschieht  nach  Ge- 
wicht, für  auswärtige  Schiflfer  wird  die  Verladung  nach  dem 
Maasse  berechnet.  Unter  den  baulichen  Einrichtungen  solcher 
EtabUssements  zeichnen  sich  die  Anlagen  in  Torrevieja  sehr  vor- 
theilhaft  aus.    Es  liegen  Vorräthe  aller  Gattung  zum  Verladen 


348 

bereit;  die  Waagen,  die  Laufbrücken  nach  den  Schiffen  und  die 
zur  Disposition  stehenden  vielen  Arbeiter  gestatten  die  Befrach- 
tung von  je  drei  Schiffen  in  zwei  Tagen.  Für  Preussische  Schiffe, 
welche  in  Cartagena  Steinkohlen  ausgeladen  haben,  ist  Torre- 
vieja  sehr  bequem  gelegen,  um  wenige  Tage  später  mit  Rück- 
fracht die  Reise  in  die  Heimatli  antreten  zu  können;  besonders 
seitdem  Lootsen  am  Cap  Palos  stationirt  sind,  um  bei  ungünsti- 
gen Winden  die  Schiffe  in  der  dortigen  Bucht  zu  bergen.  Torre- 
vieja,  welches  im  Jahre  1829  mit  Ausschluss  eines  einzigen  Hau- 
ses durch  ein  Erdbeben  vollständig  zerstört  war,  hat  sich  durch 
den  Salzexport  sehr  gehoben.  Es  steht  zu  erwarten,  dass  die 
Regierung  die  Salzpreise  ermässigen  wird,  weil  bereits  an  den 
Sardinischen  Küsten  das  Seesalz  gleicher  Qualität  billiger  ab- 
gegeben wird,  und  die  Schiffer  es  vorziehen  werden,  sich  ihren 
Bedarf  an  der  bilUgsten  Quelle  zu  holen. 

Steinsalz  ist  in  Cardona,  Castellar,  Minglanilla,  Remolinos 
und  Villa  Rubia.  Die  vorzüglichste  Quaütät  ist  der  Fels  von 
Cardona  bei  Manresa,  auf  einer  Hochebene  gelegen,  ganz  aus 
einem  harten,  im  Wasser  schwer  aufzulösenden  Steinsalz  be- 
stehend, das  sich  in  Tropfsteinformen  in  allen  Farben,  blass  imd 
dunkelroth  bis  zum  tiefsten  Schwarz  bildet,  und  sich  wohl  zu 
kunstfertigen  Arbeiten  eignet.  Die  Regierung  hat  den  Preis  des 
Salzes  auf  55  r.  die  Fanega  (3  Rthlr.  25  Sgr.  den  Scheffel)  fixirt. 
Da  dasselbe  in  Frankreich  für  28  r.  hergestellt  werden  kann,  so 
wird  damit  mehr  oder  weniger  Schleichhandel  getrieben.  Car- 
dona liefert  jährUch  75,000  Fanegen;  die  Arbeitskosten  betragen 
9177  r.;  die  Administrationskosten  19,500  r.  Spanien  hat  im 
Jahre  1850  an  Schweden,  Dänemark,  Russland  und  Amerika 
2,814,946  Scheffel  Salz  verkauft.  Die  Einnahme  pro  1852  ist 
etatsmässig  auf  98,000,000  r.  berechnet. 

Die  General-Direction  der  öffentlichen  Arbeiten 
vereinigt  in  ihrem  Ressort  das  Personal  der  Ingenieure,  die 
Wegearbeiten,  die  Brücken,  Kanäle,  Häfen,  Leuchtthürme,  die 
Schiffbarmachung  der  Flüsse  und  die  Eisenbahnen.    Das  Bud- 


349 

get  dieser  Section  beläuft  sich  auf  40,260,867  r.,  von  denen 
26,173,935  r.  auf  die  Hauptlandstrassen  allein  berechnet  sind. 

Der  Wegebau  in  Spanien  ist  leider  firüher  ausserordentlich 
vernachlässigt  worden.  Unter  der  Regierung  Ferdinands  VI 
wurden  die  ersten  umfassenden  Pläne  entworfen,  Spanien  mit 
Hauptstrassen  zu  durchschneiden.  Es  wurde  auch  mit  den  Ar- 
beiten begonnen.  Man  überzeugte  sich  jedoch  bald  von  den 
Schwierigkeiten,  welche  sich  der  Ausfährung  entgegenstellten, 
und  liess  diese  wichtige  Angelegenheit  eine  Zeit  lang  auf  sich 
beruhen,  bis  dass  unter  der  Regierung  Carls  III  und  insbeson- 
dere durch  die  Thätigkeit  des  Ministers  de  Florida  blanca,  wel- 
cher von  der  Nothwendigkeit  durchdrungen  war,  den  Wohlstand 
des  Landes  durch  gute  Communicationsmittel  heben  zu  müssen, 
die  Sache  abermals  in  Angriff  genommen  wurde.  Man  erkannte 
jedoch,  dass  hinreichende  Mittel  zur  Disposition  und  bewährte 
technische  Kräfte  zur  Ausfuhrung  so  grossartiger  Ideen  vorhan- 
den sein  müssten.  An  Technikern  fehlte  es  damals  in  Spanien 
gänzlich.  Dieser  Mangel  gab  die  erste  Veranlassung  zur  Grün- 
dung der  Ingenieurschule  fiir  Strassen-  und  Canalbauten,  welche 
durch  Königliches  Decret  vom  12  Juni  1799  imter  dem  Namen 
der  General-Inspection  der  Wege  eröfBiet  wurde.  Die  darin  aus- 
zubildenden Baiuneister  sollten  aus  dem  Range  der  dritten  Klasse 
der  Adjutanten  in  den  Rang  der  zweiten  und  demnächst  der  er- 
sten Klasse,  und  endUch  zu  Comnüssaxien  befördert  werden  kön- 
nen, jedoch  immer  unter  der  Bezeichnung  der  Ingenieure.  Die 
factische  EröflSiung  der  Schule  erfolgte  im  Jahre  1805  in  dem 
Palaste  Buenretiro  zu  Madrid.  Der  Unabhängigkeitskrieg  löste 
die  Anstalt  auf,  welche  erst  im  Jahre  1821  wieder  hergestellt 
wurde.  Im  Jahre  1823  ward  die  Schule  abermals  geschlossen 
und  erst  1834  wieder  eröfl&iet.  Die  letzte  Organisation  derselben 
fSllt  in  das  Jahr  1836,  wo  ein  sehr  zweckmässiges  Regulativ  ent- 
worfen, unter  dem  14  April  definitiv  bestätigt  und  demnächst 
zur  Ausfuhrung  gekommen  ist.  Hiemach  werden  in  dieser  An- 
stalt ausschliesslich  Wegebaumeister  (ingenieros  de  caminos) 
für  Strassen-»  Canal-  und  Hafenbauten  ausgebildet 


m 

Dife  Wege,  welche  zur  Beaufsichtigunig  det  genannten  6e- 
neral-Direction  überwiesen  sind,  zerfallen  in  zwei  Klassen: 
Hauptlandstrassen  (carreteras  generales  o  nacionales),  welche 
von  der  Residenz  aus  nach  den  Häfen  oder  Grenzen  fiihren ;  und 
Provinzialstrasseri  (carreteraiis  ptovinciales  y  traversales),  welche 
Abzweigungen  der  vorgenannten  sind  und  die  Hauptstädte  der 
Provinzen  mit  Madrid  oder  diePi-ovinzen  untereiriander  verbinden. 

Die  nordöstlichen  Provinzen  zeichnen  sich  durch  ihre  Stras- 
sen vortheilhaft  aus.  Navarrä,  die  Basken  und  Leon  sind  von 
Kunststi^assen  durchschnitten,  \^elche  gut  angelegt,  ausgefiihrt 
und  grosseiitheils  sorgfältig  unterhalten,  selbst  an  vielen  Stellen 
mit  Bäumen  bepflanzt  sind.  Im  Süden  sind  die  besten  Kimslr 
Strassen  diejenigen  von  Bauen  nach  Jaen,  Gränada  bis  Loja. 

Das  Festland  wird  nach  dem ,  für  die  Ingenieure  entworfe- 
Ufen  Reglement  in  zwölf  Districte  getheilt: 

1.  Madrid:  mit  den  Provinzen  Avila,  Ciudad-Real,  Guada- 
lajara, Madrid,  Segoviä,  Toledo. 

2.  Bürgos:  mit  Alava,  Burgos,  Guipuzcoa,  Logrono,  Na- 
varra,  Säntander,  Soria  und  Viscaya. 

3.  Zaragoza:  mit  Huesca,  Teruel  und  Zaragoza. 

4.  Barcelona:   mit  Barcelona,  Lerida,  Gerona  und  Tarra- 
gona. 

5.  Valencia:  mit  Castellon,  Cuenca  und  Valencia. 

6.  Murcia:  mit  Albacete,  Alicante,  Murcia. 

7.  Granada:  mit  Almeria,  Granada,  Jaen,  Malaga. 

8.  Sevilla:  mit  Cadiz,  Cordova,  Huelva,  Sevilla. 

9.  Caceres:  mit  Badajoz  und  Caceres. 

10.  Valladolid:  mit  Valladolid  und  Zamora. 

11.  Leon:  mit  Leon  und  Oviedo. 

12.  Orense:  mit  Coruna,  Lugo,  Orense  und  Pontevedra. 
Ausserdem  ist  ein  Ingenieut  auf  den  Balearen  stationitt  und 

^iner  auf  den  Canai*ischen  Inseln. 

Nach  den  Verordnungen  vom  11  April  1844,  1  JuK  ilnd 
8  August  1847  ist  das  Ingenieur- Corps  dem  Ministerio  für  öf- 
ifentliche  Arbeiten  untergeordnet  worden.    Es  besteht  aus 


351 

2  General -Inspectoreü  tliit  einer  Be- 
soldung von  je 40,000  r.  =    80,000  r. 

6  District-Inspectoren  zu 30,000  »  =  180,000  . 

10  Chefs  Itet  Klasse  mit 24,000  »  =  240,000  . 

15      .     2ter      .        »     18,000  .  =  270,000  » 

36  Ingenieure  Itet  Kksse  mit 12,000  »  =  43^,000  « 

46         »  2ter       * 9,000  .  =  414,000  . 

10  Aspiranten  Iter       . 6,000  .  =    60,000  . 

15  .  2ter       » 5,000  .  =    75,000  . 

Summa 1,751,000  r. 

Die  General -Distiicts-Inspectoren  residiren  in  Madrid,  und 
bilden  unter  dem  Vorsitz  des  Ministers  und  der  Vice -Präsident- 
schaft; des  General -Directors  eine  Junta  von  12  Mitgliedern. 
Nach  dem  Reglement  vom  11  Januar  1849  treten  die  Alunmen 
der  Schule  am  Schlüsse  des  Jahres  zu  Aspiranten  zweiten  Gra- 
des, und  im  vierten  und  letzten  Studiei\jahre  in  die  blasse  der 
Aspiranten  ersten  Grades  über,  wenn  keine  Vacanzen  zu  ihrer 
definitiven  Anstellung  vorhanden  sein  sollten.  In  der  Ingenieur- 
Schule  stehen  unter  einem  Üirector  8  Professoren,  welche  über 
Wegebau,  Architectur  und  Estereotoiüia,  Maschinenlehre,  Eisen- 
bahnen und  Hafenbauten,  angewandte  Mechaiiik,  Flussschiffahrt, 
Wässerbau  und  Berieselungen,  Mineralogie  und  Geologie  und 
über  administratives  Recht  unterrichten. 

Hauptiandstrassen  (generales)  sind  auf  dem  Festlande  sechs; 
nämlich : 

1.  Die  von  Frankreich:  von  Madrid  über  Buitrago,  Aranda^ 
Lerma,  Burgos,  Miranda,  Vitoria,  Vergal»,  Tolosä,  San  Se- 
bastian und  Irun;  93|  Leguas  (84  Preussische  Mdilen)  be- 
tragend. 

Reich  an  malerischen  Schönheiten  der  Natur  erhebt 
sich  die  Strasse  bei  Somosierra  zu  den  steilsten  Steigun- 
gen. Sie  wird  besonders  gegen  die  Grenze  zu  sehr  man- 
gelhaft, wiewohl  gerade  dort  ein  wie  es  scheint  zur  Wege- 
besserung vollkommen  ausreichendes  Baumaterial  zu  bei- 


352 


den  Seiten  des  Weges  aufgestellt  ist.  Allein  dies  Material 
ist  bereits  mit  Gras  überwachsen,  und  unter  diesen  Hü- 
geln wie  begraben  und  in  den  Todesschlaf  versenkt;  ein 
trauriger  AnbUck  für  die  Reisenden,  welche  sich  daran 
vorüber  durch  die  Versenkungen  und  Unebenheiten  der 
Strasse  forträdern  lassen.  Ich  bemerke  jedoch,  dass  auch 
diese  unfahrbaren  Wegestrecken  mit  dem  Frülgahre  1852 
ihrer  gründUchen  Reparatur  entgegen  sehen. 

2.  Die  Strasse  von  Aragon  und  Catalonien:  von  Ma- 
drid über  Alcala  de  Henares,  Guadalajara,  Calatayud,  Za- 
ragoza, Lerida,  Cervera,  Barcelona,  Gerona,  Figueras,  la 
Junquera;  145  Leguas  (126  Preussische  Meilen). 

3.  Die  von  Valencia:  über  Aranjuez,  Ocana,  Quintanar,  Al- 
bacete  und  Almansa,  welche  jetzt  aber  statt  dessen  über 
Cuenca  und  die  Cabrillen  in  die  Huerta  von  Valencia  führt; 
64  Leguas  (56  Meilen). 

4.  Die  Strasse  von  Andalusien  in  zwei  Richtungen. 

Die  erste:  über  Ocana,  Manzanares,  Bailen,  Andujar, 
Cordova,  Ecija,  Carmona,  Alcala  de  Guadaira,  Xe- 
•  res  de  la  Frontera  imd  Cadiz;  108  Leguas  (91 
Meilen). 

Die  zweite:  von  Bailen  nach  Jaen,  Granada  und  Ma- 
laga; 44  Leguas  (40  Meilen). 

5.  Die  Strasse  von  Estremadura  und  Portugal:  über 
Navalcamero,  Talavera,  Almaraz,  Trujillo,  Merida  und 
Badajoz;  68  Leguas  (59  Meilen). 

6.  Die  Strasse  von  Galicien  und  Asturien  in  zwei  Rich- 
tungen. 

Die  erste:  über  Guadarrama,  Villa  Costin,  Arevalo,  Me- 
dina  del  Campo,  Benavente,  Baneza,  Astorga,  ViUa 
franca  del  Vierzo,  Lugo,  Betanzos,  Coruna;  108  Le- 
guas (91  Meilen). 

Die  zweite:  über  Olmedo,  ValladoHd,  Leon,  Oviedo, 
Gijon;  87  Leguas  (77  Meilen). 


353 

Es  sind  in  den  letzten  Jahren  an  verschiedenen  Punkten  des 
Reiches  die  Wegearbeiten  mit  Energie  aufgenommen;  theils  woa 
die  mangelhaften  Wegestrecken  zu  verbessern,  theils  um  die 
Landstrassen  auf  zweckmässige  Weise  zu  verlegen,  abzukürzen 
oder  mit  anderen  Strassen  in  Verbindung  zu  bringen.  In  dieser 
Beziehung  muss  erwähnt  werden : 

Zunächst  die  Chaussee  über  die  Cabrillen  nach  Valencia, 
welche  ihrer  Vollendung  entgegen  sieht  Es  mussten  dabei  sehr 
grosse  Schwierigkeiten  überwunden  werden ;  so  namentlich  die 
Uebergänge  über  den  Gabriel  imd  Jucar.  An  romantischen  Um- 
gebungen, an  kunstfertiger  Anlage  und  kunstgerechter  Aus- 
fuhrung kann  diese  Strasse  den  schönen  Schweizer -Gebirgs- 
chausseen  dreist  an  die  Seite  gestellt  werden.  Bei  Cuenca  er- 
hebt sich  die  Strasse  3400  Fuss  über  dem  Meere.  Die  Pinares 
de  Cuenca  bilden  nächst  Soria  den  prächtigsten  Wald  in  Spa^ 
nien ;  Botaniker  und  Geologen  finden  eine  reiche  Emdte  auf  den 
Klippen  und  in  den  Schluchten,  in  denen  die  tapferen  Celtibe- 
rier  die  letzten  vergeblichen  Anstrengungen  wider  die  vordrin- 
genden Römer  versuchten  und  einen  Guerillakrieg  fiihrten,  wie 
ihn  Juan  de  Zerecado  im  Suecessionsstreite  und  Empecinado 
gegen  Caulincourt  mit  Glück  begannen.  Die  Stadt  Cuenca,  am 
Zusammenfluss  des  Hucar  und  Jucar,  auf  einem  schroff  anstei- 
genden  Felskegel,  malerisch  über  einander  gethürmt,  ist  ganz 
Maurisch.  Sie  ward  1106  durch  Ben  Abet,  König  von  Sevilla, 
seiner  Tochter  Zaida,  bei  ihrer  Vermählung  mit  Alonso  VI,  als 
Ausstattung  mitgegeben,  und  damals  berühmt  durch  Wissen- 
schaft^ Kunst  und  Industrie.  Heute  bietet  sie  dem  Landschafts- 
maler imd  Architecten  unerschöpflichen  Stoff  zu  Studien  und 
Compositionen.  lieber  reiche  Fluren,  durch  dichte  Waldesnacht 
zieht  sich  die  Strasse  über  Fuentes,  Caxdinete  und  jenseite  Re- 
quena  über  die  Cabreros  und  Cabrillen,  über  rauhe  Abhänge, 
Schluchten  und  herrliche  Brücken  bis  zur  letzten  nackten  Fels- 
höhe, um  plötzlich  das  geblendete  Auge  wie  durch  Zauberschlag 
zu  überraschen.  Der  trunkene  Blick  senkt  sich  über  üppige  Flu- 
ren, über  Reis-  und  Maisfelder,  Frucht-  und  Weingelände,  durch 

T.  MinntoU,  Spanien.  23 


354 

die  Palmen  und  Thünne  der  paradisischen  Ebene  bis  in  das 
tiefblaue  Meer,  bedeckt  mit  schwellenden  Segeln,  um  die  Schätze 
des  Landes  in  die  weite  Feme  zu  entfiihren. 

Eine  Seitenstrasse  von  Cnenca  nach  Tarrancon  ist  gleich- 
falls in  Arbeit;  auch  die  Regulirung  des  Weges  von  Valencia 
nach  Albacete  ist  fast  beendet^  und  auf  den  Verbindungsstrecken 
zwischen  Almansa  imd  Alicante,  so  wie  zwischen  Albacete  und 
Cartagena,  wird  fleissig  gebessert. 

Die  Strasse  von  Guadalajara  nach  Logrono  ist  in  der  Rich- 
tung von  Soria  in  der  ganzen  Strecke  im  Bau  begriflfen. 

Die  Strasse  von  Logrono  nach  Pamplona  und  von  dort  nach 
Frankreich  ist  beendet;  eben  so  diejenige  Strecke  bis  an  die 
Grenze  der  Provinz  Navarra;  ein  Zweig,  der  nach  Irun  abgeht 
Dies  sollte  die  Hauptstrasse  nach  Frankreich  werden ;  es  haben 
sich  jedoch  der  Ausführung  des  Planes,  ohne  denselben  deshalb 
ganz  aufgeben  zu  wollen,  Hindemisse  in  den  Weg  gestellt  Jeden- 
falls würden  auf  diese  Weise  mehrere  Provinzen  eine  sehr  wün- 
schenswerthe  Verbindung  mit  der  Hauptstadt  hergestellt  sehen. 

Die  Strasse  von  Alcala  nach  Teruel  über  Molina,  welche 
einen  Nebenarm  der  Strasse  nach  Aragon  und  Catalonien  bildet^ 
ist  in  Arbeit,  und  wird  von  Lerida  nach  Tarragona  fortgesetzt 
Eben  so  ist  von  Zaragoza  nach  Huesca  eine  neue  Strasse  ver- 
messen und  in  Angriff  genommen. 

In  der  Hauptstrasse  von  Andalusien  sind  die  Züge  von  Gra- 
nada nach  Malaga  und  von  Sevilla  nach  Huelva  in  Arbeit  Der 
Weg  von  Granada  nach  Almeria  ist  nivellirt 

Der  Weg  von  Madrid  nach  Toledo  ist  fast  seiner  ganzen 
Länge  nach  in  Arbeit;  das  Planum  ist  durchweg  mit  der  Pack- 
lage versehen ,  zum  grösseren  Theile  auch  mit  kleinen  zerschla- 
genen Steinen,  auf  mehreren  bedeutenden  Strecken  bereite  mit 
Kies  beschüttet.  Diese  Strasse  soll  über  Toledo  hinaus  nach 
Cordova  fortgesetzt  werden  und  Ciudad  Real,  so  wie  Almaden 
berühren.  Es  ist  dabei  zugleich  der  Vorschlag  gemacht,  die 
Minenarbeiter  bei  dem  Wegebau  abwechselnd  zu  verwenden, 
um  durch  zeitweise  Beschäftigung  in  frischer  Luft  ihre  Gesund- 


355 

beit  besser  zu  bewahren.  Diese  Strasse  wird  von  besonderer 
Wichtigkeit  werden,  weil  sie  sehr  fruchtbare,  aber  fast  ganz  ent- 
völkerte Gegenden  berührt,  und  die  Ansetzung  von  Colonisten 
und  Bildung  von  geschlossenen  Landgemeinden  daselbst  bereits 
froher  beabsichtigt,  in  kurzer  Zeit  zur  Ausfiihrung  kommen 
dürfte. 

Die  Strasse  von  Madrid  nach  Badajoz  und  an  die  Portugie- 
sische Grenze  ist  zum  Theil  in  sehr  gutem  Stande;  insbesondere 
in  der  Gegend  von  Alcaraz  und  bis  Trujillo.  An  einigen  der  vie- 
len schadhaften  Strecken  ist  man  mit  Reparaturen  und  Stein- 
schfittungen  beschäftigt. 

Der  Weg  von  Vigo,  ein  Seitenzweig  der  Galicischen  Haupt- 
strasse, ist  bereits  ausgeführt,  die  grosse  Strasse  nach  Corufia 
beendet,  und  da  das  Material  besonders  gut  ist,  vortrefflich. 
Nicht  minder  die  Chaussee  nach  Valladolid.  Die  Fortsetzung 
der  Strecke  von  hier  nach  Leon  ist  dem  öffentlichen  Verkehre 
übergeben;  an  den  schadhaften  Stellen  wird  gearbeitet.  Die 
Strasse  von  Santander  nach  Peiiaspardas  ist  beendet  und  be- 
fahren. 

In  den  Basken  wird  bei  Salinas,  del  Carga  und  an  anderen 
Punkten  gebessert;  die  Strecken  von  Andoain  über  San  Seba- 
stian nach  Lrun  sind  beendet. 

In  Catalonien  sind  auf  der  Hauptstrasse  von  Madrid,  insbe- 
sondere von  Lerida  aus  nach  Brug  über  Igualada  und  weiter  bis 
nach  Esparaguerra,  tüchtige  Chaussirungen  ausgeführt.  Es  sind 
auch  dort  recht  schöne  Chausseebauten,  wie  die  Kunststrassen 
von  Barcelona  nach  Vieh,  so  wie  die  von  Barcelona  nach  Caldas 
in  gutem  Stande,  die  von  Gerona  nach  Palamos  und  von  Gerona 
nach  dem  Hafen  von  San  Felin  de  Guixol  in  Arbeit;  andere,  wie 
die  Strassen  zwischen  Tarragona  imd  Reus,  oder  die  Wege  von 
Barcelona  über  Sabadell  nach  Tarassa  und  die  Strasse  nach 
Manresa,  beendet  und  sogar  schon  wieder  in  desolaten  Umstän- 
den,  während  Hauptstrassen,  insbesondere  diejenige  nach  Per- 
pignan,  stellenweise,  bei  schlechter  Witterung  vollkommen  un- 
fahrbar sind,  und  bei  dem  Mangel  an  Brücken  über  den  Ter  und 

23' 


356 

Or  zur  Regenzeit  nur  mit  Gefahr  passirt  werden  können.  Bei 
der  lebhaften  Industrie  Cataloniens,  welche  sich  bis  tief  in  die 
Gebirgsthäler  erstreckt,  um  die  dort  vorhandene  Wasserkraft  zu 
benutzen,  tritt  der  Mangel  an  Fahrwegen  sehr  störend  entgegen. 
Ein  wunderschönes  Werk  der  schwierigsten  Wegebauanlagen  ist 
die  in  Arbeit  begriffene  Chaussee  von  Manresa  nach  Cardona  im 
Thale  des  Cardoner,  welche  in  den  grösseren  Strecken  beendigt 
ist.  Die  von  den  Grundbesitzern  Cataloniens  zum  Provinzial- 
Wegebau  erhobenen  Abgaben  sind  sehr  beträchtlich.  Sie  über- 
steigen die  Staatssteuem,  und  belaufen  sich  monatlich  auf  60,000 
Piaster.  In  den  Städten  wird  zum  Pro vinzial -Wegefonds  durch 
eine  Auflage  von  12  Maravedis  auf  jedes  verkaufte  Pftuid  Fleisch 
gesteuert.  Durch  Königliches  Decret  vom  29  December  1848 
sind  mehrere  Strassenprojecte  genehmigt  und  inzwischen  begon- 
nen. Im  Jahre  1851  wurden  an  den  Provinzialstrassen  verwen- 
det 1297  Karren,  88  Pferde  und  50,000  Handdienste. 

Die  Verbindung  zwischen  Bilbao ,  San  Sebastian  und  Sala- 
manca,  über  Bejar,  Placencia,  Caceres,  Merida,  Los  Santos,  nach 
Huelva  ist  durch  Decret  vom  8  Februar  1848  für  eine  Haupt- 
verbindimgsstrasse  erklärt,  und  wird,  wie  man  hofft,  bald  als 
eine  solche  hergestellt  und  dem  Publicum  übergeben  werden. 

Die  Vicinalwege  sind  durch  Königliches  Decret  vom 
8  April  1848  und  das  begleitende  Reglement  vom  selben  Tage 
in  ein  gewisses  System  gebracht,  und  ilire  Regulirung,  Ausbes- 
serung und  Unterhaltung  den  Pro  vinzial- Gouverneuren,  Provin- 
zial- Deputationen  imd  Ayimtamientos  besonders  anempfohlen. 
Nach  jenen  Bestimmungen  theilen  sich  auch  diese  Wege  wie- 
derum in  zwei  Klassen. 

Die  zui'  ersten  Ordnung  gehörenden  sind  solche,  welche 
nach  einem  Markte,  nach  einer  General-  oder  Provinzial- Strasse 
fuhren,  oder  nach  einem  Canal,  einem  Hauptpunkt  für  die  Di- 
stricts-,  Gerichts-  oder  Wahlversammlungen,  oder  welche  zu  ir- 
gend einer  Beziehung  gehören,  woran  mehrere  Gemeinden 
gleiche  Interessen  haben,  und  welche  Wege  deshalb  häufig  imd 
von  Vielen  benutzt  werden. 


357 

Zur  zweiten  Ordnung  dagegen  gehören  diejenigen ,  welche 
nur  von  einer  oder  wenigen  Gemeinden ,  und  zwar  nicht  behufs 
gemeinnütziger  Zwecke,  befahren  werden. 

Es  sind  im  Reglement  die  Grundsätze  ausgesprochen,  wie 
diese  Vicinalwege  angelegt,  ausgeführt  und  unterhalten,  und  in 
welchem  Verhältniss  die  Kosten  dazu  von  den  Verpflichteten 
aufgebracht  werden  sollen.  Durch  eine  ergänzende  Ordre  vom 
7  September  1848  und  beigefügtes  Reglement  sind  Commissio- 
nen  niedergesetzt,  welche  diese  Vicinalwege  und  zugleich  die 
Bewässerungsarbeiten  beaufsichtigen  sollen,  um  neben  der  Sorge 
fiir  die  erforderhchen  Wegebesserungen  die  nöthigen  Vorkeh- 
rungen zu  treffen,  damit  das  Regenwasser  nicht  verloren  gehe, 
sondern  auf  die  zweckmässigste  Weise  für  Berieselungen  der 
Felder  verwendet  werde. 

Man  wird  aus  dem  Gesagten  nicht  verkennen  dürfen,  dass 
die  Spanische  Regierung  nicht  zweifelhaft  ist  über  die  Wichtig- 
keit und  Notliwendigkeit;  den  inneren  Verkehr  und  Absatz  durch 
leichte,  bequeme  und  möglichst  abgekürzte  Verbindungen  zu  be- 
gründen. Land-  und  Wasserstrassen  bilden  die  Lebensarterien 
eines  Landes.  Die  freie  ungehinderte  Circulation  des  Blutes  be»- 
dingt  die  Frische,  Kraft,  Dauer  und  Lebensföhigkeit  eines  Kör- 
pers. Stockt  oder  erstarrt  das  Blut,  oder  durchschneidet  man 
die  Adern  in  einem  organisch  gegliederten  Körper,  so  verblutet 
er  sich,  oder  das  Glied  stirbt  ab.  Selbst  in  dem  mechanischen 
Organismus  ist  die  regelmässige  ungestörte  Bewegung  Bedin- 
gung zur  ErfiiUimg  des  vorgeschriebenen  Zweckes.  Der  Per- 
pendikel darf  in  seinen  gleichförmigen  Pulsschlägen  nicht  ge- 
hemmt werden,  wenn  er  mit  der  Zeit  fort  will ;  er  bleibt  zurück 
oder  das  Werk  steht  still.  Darum  ist  es  von  der  grossesten  Be- 
deutung, die  inneren  Verbindungswege  eines  Landes  und  die 
nach  aussen  führenden  Communicationen  auf  alle  Weise  zu  be- 
fördern, um  den  Verkehr  der  Menschen  und  Producte,  nicht  al- 
lein von  den  einzelnen  Orten  aus  nach  dem  Gentralpunkte ,  nach 
der  Hauptstadt,  sondern  auch  von  einem  jeden  nach  den  Aus- 
gangs -  und  Endpunkten  des  industriellen  und  Handelsvei^kehrs, 


358 

wie  unter  einander  selbst»  zu  sichern.  Die  Lage  Spaniens  bietet 
in  seinen  unendlichen  Küstenflächen  vortreffliche  Häfen,  im 
Osten,  Süden  imd  an  der  Westküste,  um  die  Produkte  des  Welt- 
handels einzufuhren,  und  die  Boden-  und  Industrie -Erzeugnisse 
dieses  gesegneten  Landes  zu  verschiffen.  Allein,  wiewohl  ich 
gewissenhaft  angeführt^  in  welcher  Weise  die  jetzige  Regierung 
beflissen  ist,  dem  Wegebau,  als  einem  höchst  wichtigen  Zweige 
der  Administration,  volle  Aufmerksamkeit  zu  widmen,  so  darf  ich 
doch  andererseits  nicht  verschweigen,  dass  der  factische  Zustand 
der  Haupt-  und  Nebenstrassen  Spaniens  keinesweges  den  Be- 
diirfiüssen  des  Landes  entspricht,  vielmehr  zu  bitteren  und  ge- 
rechten Klagen  Veranlassung  giebt  Unter  der  Regierung  Fer- 
dinands VI  und  Carls  III  begami  man,  wie  schon  oben  erwähnt, 
zu  allererst,  dem  Wegebau  die  genügende  Aufmerksamkeit  zu 
schenken.  Die  Bestrebungen  des  Ministers  Floridablanca  ha- 
ben ihm  ein  Andenken  bewahrt,  welches  seine  Vaterstadt  Mur- 
cia durch  ein  wohlgelungenes,  in  edlem  Style  ausgeführtes  Mar- 
morstandbild im  Paseo  geehrt  und  den  kommenden  Geschlech- 
tem überlassen  hat.  In  Mitten  geschmackvoller  Gartenanlagen 
von  Myrthen  und  Orangen  bUckt  die  Statue  von  der  Säule  herab 
nach  den  unter  seiner  Verwaltung  angelegten  prächtigen  Baum- 
pflanzungen und  Landstrassen  nach  Cartagena  imd  Albacete. 
Wahrhaft  malerisch  ziehen  sich  diese  Chausseen  durch  die  para- 
diesischen ,  mit  Oliven  und  Palmen  reich  geschmückten  Frucht- 
gärten nach  Süden  und  Nordwesten,  steigen  die  pittoresken 
nackten  Höhen  der  Sierra  de  Alcaraz  hinauf,  um  jenseits  in  die 
Ebenen  von  Saavedra  und  Lorqui  hinab  zu  eilen.  Allein  der 
Bildhauer  scheint  nicht  ohne  Absicht  den  Schritt  des  vorwirts 
ge1>ougten  Ministers  gehemmt  und  seinen  Blick  gesenkt  zu  ha- 
ben; es  ist,  als  hätte  er  den  Schmerz  oder  die  Trauer  aus- 
<lrücken  wollen ,  die  Floridablanca  empfinden  müsste,  dass  man 
sein  Andenken  durch  eine  Statue  aufbewahrt,  während  naan 
seine  Werke,  wenn  auch  nicht  dem  vollständigen  Verfiüle,  so 
doch  dem  Uebergang  zu  demselben  preisgegeben  hat 


359 

Es  gewährt  ein  peinliches  Geföhl,  wenn  man  sieht,  mit  wel- 
cher Mühe  und  Anstrengung  der  Landmann  die  Producte  seines 
Fleisses  zum  Markt ,  in  die  Residenz  oder  zum  Hafen  befördert; 
wie  vier,  fünf  und  sechs  kräftige  Maulthiere  ai*beiten  müssen, 
um  den  zweirädrigen,  nicht  überladenen  Karren  fortzubewegen, 
und  wie  die  Anfuhr  von  Getreide  in  manchen  Jahreszeiten  fast 
unmöglich,  jedenfalls  aber  durch  die  dazu  aufgewendeten  Mittel 
übertheuert  wird. 

Der  Hauptübelstand  bei  den  Spanischen  Wegebauten  liegt 

1.  in  dem  Terrain,  welches  selten  auf  grossen  Strecken  eben, 
sondern  meistentheils  sich  erhebend,  senkend,  aus  ver- 
schiedenen Erd-  und  Steinarten  bestehend,  und  von  ausser- 
ordentlich breiten  Flussbetten  mit  bald  hohen,  bald  niede- 
ren Uferrändem  durchschnitten  ist, 

2.  In  dem  Mangel  genügenden  Materials.  Die  Steinarten, 
Sand-  und  Ealkfelsen  oder  Schiefer,  welche  am  häufigsten 
vorkommen,  vermögen  dem  Druck  des  Lastfuhrwerkes 
nicht  zu  widerstehen.  Die  Eunststrassen  zer&hren  sich 
schnell,  imd  lösen  sich,  unterstützt  von  der  heftigen  Son- 
nenwärme, nach  und  nach  in  Staubmassen  auf,  welche  den 
Weg  6,  8  und  10  Zoll  hoch  überdecken. 

3.  In  den  klimatischen  Einflüssen  und  dem  Mangel  an  stehen- 
dem, fliessendem  imd  Regenwasser  hegt  die  Unmöglich- 
keit, der  Auflösung  in  Staub  vorübergehend  Widerstand 
zu  leisten. 

Eine  Erschwerung  in  der  Ausfuhrung  von  Wegebauten  liegt 
in  der  mangelhaften  Vertheilung  der  Arbeitskräfte  und  in  der 
Beschaffenheit  der  beim  An-  und  Abfahren  von  Erde  und  Stei- 
nen, in  dem  Klopfen,  Sprengen,  Stampfen  und  Walzen  verwen- 
deten Arbeitswerkzeuge  und  Geräthschaften.  Die  Theilung  der 
Arbeit  muss  auch  beim  Wegebau  zweckmässig  vorgesehen  sein; 
es  ist  für  die  Leistungen  im  Ganzen  nicht  gleichgültig,  ob  jeder 
einzelne  Arbeiter  die  Erde  abgräbt»  sie  selbst  aufladet,  sie  selbst 
fortkarrt  oder  trägt,  und  selbst  ausschüttet  imd  an  Ort  und 


360 

Stelle  planirt,  oder  ob  für  diese  verschiedenen  Verrichtungen 
verschiedene  Menschen  angestellt  werden.  Die  Last,  welche 
fortzubewegen  ist,  muss  eben  so  sehr  ermessen  werden,  als  die 
Entfernung  des  Transportes,  und  der  Verlust  an  Arbeitskraft 
und  Zeit,  wenn  der  Arbeiter  genöthigt  ist,  Ruhepunkte  zu  suchen 
und  dadurch  seine  Thätigkeit  zu  unterbrechen.  Wenn  man  an 
manchen  Wegearbeiten,  insbesondere  wo  Sträflinge  beschäftigt 
sind,  sieht,  wie  Erde  in  flache  Handkörbchen  behutsam  einge- 
fiillt,  langsamen  Schrittes  einige  hundert  Schritte  fortgetragen, 
dort  bedächtig  ausgeschüttet  und  dann  der  Rückweg  noch  lang- 
samer angetreten  wird,  und  damit  bei  uns  zu  Lande  die  dicht 
geschlossene  Reihe  der  Karrenschieber  vergleicht,  welche  durch 
untergelegte  Bretter  die  grosse  Last  zu  erleichtern  wissen,  so 
wird  man  sich  über  die  verschiedenartigen  Resultate,  welche 
Spanische  und  Preussische  Wegearbeiter  zu  fördern  gewohnt 
«ind,  nicht  zu  wundern  brauchen. 

Es  sind  in  Spanien  stets  Sträflinge  aus  den  Presidios  an  den 
Wegearbeiten  beschäftigt  An  der  Strasse  in  den  Cabrillen  ha- 
ben deren  diu-chschnittlich  400,  einige  Zeit  hindurch  bis  1000 
Köpfe  gearbeitet.  Durch  Rescript  vom  4  September  1851  sind 
neuerdings  400  Sti^äflinge  zu  den  Arbeiten  am  Canal  Isabella  11 
commandirt  worden.  Die  Verpflegung  solcher  an  dem  öffent- 
lichen Strassenbau  beschäftigten  Gefangenen  ist  eben  so  gut  als 
ihre  Behandlung.  Die  Beköstigung  wird  in  der  Regel  dem  Min- 
destfordemden  in  Entreprise  gegeben  und  durch  die  Gazeta  de 
Madrid  eine  Concurrenz  ausgeschrieben.  Da  es  vielleicht  dem 
Leser  wissenswerth  ist,  wie  sich  in  Spanien  die  Sträflingskost  in 
quantitativer  Hinsicht  berechnet,  wenn  anstrengende  Arbeit  im 
Freien  von  den  Gefangenen  gefordert  wird,  so  führe  ich  die 
einer  solchen  im  October  1851  statt  gehabten  Licitation  zum 
Grund  gelegten  Lieferungsbedingungen  hier  an.  Die  tägliche 
Ration  beträgt  mit  der  Bemerkung ,  dass  die  Lebensmittel  von 
guter  Beschaffenheit  sein  müssen,  widrigenfalls  sie  auf  Kosten 
des  Lieferanten  anderweitig  angekauft  werden: 


361 


Täglich  14  Pfund  gutes  Brod,  demnächst 


Montag: 
Dienstag: 


4  Unzen  Garbanzos, 

6       »      grosse  oder  kleine  Erbsen,] 


für  Einen. 


Donnerstag : 
Sonnabend: 


fiir  Hundert 


Mittwoch : 


Freitag: 


abwechselnd. 


Sonntag : 


abwechselnd. 


8       »      Erdäpfel, 
12  Adarmas  Oel, 

1  Pfund  Brennholz, 
2|       »      Salz, 
1       »      Pfeflfer, 
12  Köpfe  Knoblauch, 
4  Unzen  Garbanzos, 
4       »      Bohnen, 
4       »      Reis  oder  Nudehi, 
Brod,  Pfeflfer,  Salz,  Oel  wie  oben. 
6  Unzen  Garbanzos  oder  Bohnen, 
4       »      Reis  oder  Nudeln, 
12  Adarmas  Schmalz  oder  Speck, 
Brod,  Oel,  Salz  wie  oben. 
An  den  Arbeitstagen  pro  Mann  ein  Quart  Morgensuppe,  be- 
stehend fiir  je  20  Mann  aus  5  Pfund  Brod,  8  Unzen  Oel,  3  Unzen 
Pfeflfer,  2  Köpfen  Knoblauch. 

Es  wird  weder  an  Fleisch  noch  an  Getränken,  trotz  der 
schweren  Arbeiten,  etwas  vergütigt. 

Die  Rechenschaft,  welche  das  Ministerium  von  der  Verwal- 
tung der  anvertrauten  Fonds  der  Oeflfentlichkeit  ablegt,  hat  das- 
selbe auch  auf  die  Verwendung  der  zu  den  Wegebauten  ausge- 
worfenen Summen,  unter  Anfuhrung  der  dafür  geleisteten  Ar- 
beiten, ausdehnen  zu  müssen  geglaubt.  Es  erscheinen  deshalb 
alle  drei  Monate  in*der  amtlichen  Zeitung  die  Zusammenstellun- 
gen der  zu  den  nachgewiesenen  Arbeiten  erforderhch  gewesenen 
Kräfte  und  ihrer  Kosten,  so  wie  der  für  den  General- Districts- 
dienst  verausgabten  Summen.  So  wies  beispielsweise  die  Ueber- 
sicht  für  das  zweite  Trimester  1851  in  den  15  Wege-Districten 
des  Festlandes,  inclusive  der  Balearen  und  Canarien,  folgende 
Data  nach : 


S62 


1.  Es  waren  beschäftigt  gewesen:  62  Ingenieure,  72  Aufseher, 
61  Werkmeister  und  Abmesser,  191  Werkfähr  er,  23  Zahl- 
meister und  16  Wächter. 

2.  Für  Unterhaltung  und  Reparaturen:  570  Aufseher, 
2273  mit  Nummern  versehene  Chaussee -Arbeiter  (diesel- 
ben tragen  ilire  Stations -Nummer,  wie  bei  uns,  auf  einer 
Messingplatte  am  Hute,  correspondirend  mit  den  Nummern 
der  Stäbe,  welche  zur  Bezeichnung  der  kleinen  Reparatu- 
ren auf  den  ihrer  Beaufsichtigung  übergebenen  schadhaf- 
ten Wegestrecken  ausgesteckt  sind),  1480  Hülfsarbeiter, 
627  Arbeitspferde,  882  Karren  und  728  Tagelöhner. 

3.  An  neuen  Wegestrecken: 

Freie  Arbeiter:      5,603  im  Dienst  der  Administration, 

1,391  auf  Accord, 
12,861  auf  Contract. 
Zwangsarbeiter:     3,713  för  die  Administration, 

423  auf  Contract. 
Arbeitspferde:  310  fiir  die  Administration, 

1,246  auf  Contract. 
Karren:  276  für  die  Administration, 

21  auf  Accord, 
887  auf  Contract. 

4.  Ausgeführte  Arbeiten: 

Reparaturen. 

a)  Aufhäufen  und  Schütten  von  Stei- 
nen, ohne  sie  zu  zerstampfen   ....      392,710  Varas. 

b)  Aufgeschüttet  und  zerstampft  .  .  t  .      285,000      » 

c)  Mit  Kies  und  Sand  beschüttet 233,111      • 

d)  Geebnet,   Löcher  ausgeföUt,    von 

Schmutz  und  Staub  gereinigt  ....  2,807,221      » 

e)  Fussteige  gereinigt  und  geebnet  .  .  2,115,640 

f)  Brücken 11 

Pontons 35      » 

Wasserleiter 449      » 


» 


» 


363 

Regenrinnen 129  Varas. 

Steindämme 604      » 

Backsteincanäle 344      » 

Neue  Arbeiten. 

a)  Planirungs- Arbeiten 1,400,000  Cnbik -Varas. 

b)  Steinschüttungen  etc 430,221            » 

c)  Dämme  und  Rinnen 7,625            » 

d)  Brücken,  Rinnen  von  Stein  .  4,576            » 

e)  Neue  Chaussee  -  Meilen   er- 
öffnet   ; 13^  Leguas. 

5.  Zahl  der  Leguas  und  Strassen. 

Unterhaltung  fertiger  Strassen 1117  Leguas. 

der  Brücken  etc 7820  Stück, 

»  der  Gebäude  för  Wegegeld- 
Erhebung  und  Wärterwoh- 
nungen    208     » 

»  an  neuen  Wegestrecken ...  322  Leguas. 

Ganz  neu  in  Angriff  genommen 97       » 

6.  Kosten. 

Sold  der  Ingenieure 94,079  r. 

»       »    Aufseher 155,194  » 

.    Werkfuhrer 80,790  . 

Zahhmeister 23,028  » 

»      »    Arbeiter 202,424  » 

»       »    Schreiber 819  » 

»      »    Unteraufseher 5,733  » 

»      »    Correspondenzen 9,973  » 

»      »    Bureau -Arbeiter 10,566  » 

Miethe  und  Insgemein 20,1 12  » 

Für  Arbeiten:  a)  der  Reparaturen      i 

,  V    ,  .    ,  ?    •  •  •  8,526,954  » 

b )  der  neuen  Anlagen  ) 

7.  Servicio- General  de  los  Districtos. 

1.  Personal  der  Ingenieur- Chefs  und  Subal- 
ternen : 


» 
»       » 


364 

Zeichner  und  Schreiber 1 1 6  r, 

2.  Ausserordentliche  Arbeiten 89  » 

3.  Kosten  für  die  Ingenieure:  Sold 247,768  » 

Aufseher 4,368  » 

Zeichner 14,115  » 

Schreiber 20,027  . 

Ausserordentlicher  Dienst .  60,289  » 

Bureau 17,737  » 

Gorrespondenz 8,163  » 

Verschiedenes 1,261  » 

Total  373,933  r. 
Für  das  erste  Trimester  1851  beUefen  sich  die 

Kosten  der  Districte  auf 6,262,585  r. 

die  des  Generaldienstes 370,313  r. 

Durch  KönigUches  Decret  vom  7  Februar  1852  wurde  die 
Bepflanzung  der  Landstrassen  mit  Bäumen  und  die  Anlage  von 
Baumschulen  zu  diesem  Zweck  angeordnet,  und  die  Art  und 
Weise,  wie  dabei  und  hinsichts  der  Unterhaltung  zu  verfahren, 
durch  Ministerial -Verfugung  vom  selben  Tage  näher  bestimmt 

Von  Staatswegen  sind  zur  Ausfuhrung  von  Wegebauten  für 
das  Jahr  1852  fiir  63  Strassen  in  den  verschiedenen  Provinzen, 
je  nach  der  Bedeutung  der  Strassen  und  DringUchkeit  der  Arbeit 
im  Ganzen  44,599,231  r.  etatsmässig  ausgesetzt. 

Eisenbahnen.  Die  ei'ste  Eisenbahn  in  Spanien  war  die 
Verbindung  zwischen  Barcelona  und  Mataro;  im  Jahre  1848  dem 
Publicum  übergeben.  Die  Bahn  zieht  sich  fünf  Stunden  hart  an 
der  Meeresküste  auf  ebenem  Terrain  hin,  und  verbindet  eine 
Reihe  von  industriellen  Ortschaften,  welche  eine  zusammen- 
hängende Kette  von  Ackerwirthschaften ,  Gärten  und  Weinber- 
gen, Fabrik -Etablissements,  Schiffswerften,  Handelsplätzen  und 
Landhäusern  bilden.  Nur  einmal  wird  die  Bahn  durch  einen 
Bergzug  unterbrochen,  welcher  sich  hart  bis  an  die  Küste  er-, 
streckt.  Ein  schön  gearbeiteter  Tunnel  ftihrt  den  Zug  schnell 
hindurch  und  wieder  in  die  helle  Ebene  hinaus.    Die  Bahn  ren- 


365 

tirt  gut  Sie  hat  den  Actionairen  eine  Dividende  von  22  procent 
gezahlt,  und  hatte  in  den  drei  Jahren  ihres  Bestehens  82,480 
Passagiere  erster  Klasse,  407,849  zweiter  Klasse  und  1,503,706 
dritter  Klasse,  und  inclusive  von  24,949  Militairs-  und  2550 
Dienstreisenden,  im  Ganzen  2,021,514  Personen  und  18,816 
Tonnelados  Frachtgüter  befördert. 

Die  Eisenbahn  zwischen  Madrid  und  Aranjuez,  auf  einer 
Strecke  von  sechs  Leguas,  ist,  nachdem  sie  mehrere  Jahre  im 
Bau  begriffen  gewesen,  im  Jahre  1850  mit  grosser  Feierlichkeit 
eröffnet  worden.  Englische  Schienen  und  Maschinen  sind  ver- 
wendet. Die  Locomotiv -Führer  und  Maschinen-Arbeiter  sind 
sämmtlich  Spanier;  so  wie  auch  auf  allen  Spanischen  Dampf- 
schiffen nur  Spanier  als  Maschinisten  angestellt  sind.  Die  Preise 
stellen  sich  höher  als  diejenigen  in  Deutschland,  Frankreich  und 
Belgien;  die  Waggons  sind  um  Vieles  einfacher,  indem  die  zweite 
Klasse  der  Spanischen  Eisenbahnwagen  der  diitten  in  Deutsch-» 
land  entspricht.  Man  fahrt  vorsichtig  und  nicht  zu  rasch.  Er- 
hebliche Unglücksfalle  sind  noch  nicht  vorgekommen.  Die  Be- 
handlung des  Publicums  ist  sehr  höflich;  die  Bahnwärter  stehen 
mit  dem  Gewehr  auf  dem  Rücken  Posten. 

Ein  electrischer  Telegraph  läuft  neben  der  Bahn  her. 

Das  Interesse  filr  die  Eisenbahnen  hat  sich  plötzlich  über 
ganz  Spanien  verbreitet.  Man  sieht  ein,  dass  die  Eisenbahnen 
zu  einem  nothwendigen  Uebel  geworden  sind,  und  dass  man 
hinter  den  Anforderungen  der  Zeit  nicht  zurückbleiben  darf.  Es 
scheint»  als  ob  man  dasjenige,  was  hinsichts  der  Anlage  und  XJn«* 
terhaltung  von  Kunststrassen,  Provinzial-  und  Vicinalwegen  bis- 
her vernachlässigt  war,  nun  eilends  durch  Herstellung  von  Eisen- 
bahnen ausgleichen,  nach-  und  überholen  zu  können  glaube. 
Allein  man  bedenkt  nicht,  dass  die  Culturgeschichte  Schritt  vor 
Schritt  die  Höhe  ersteigt,  dass  sie  keine  Stufe  überhüpft,  ohne 
hüiterher  wieder  anhalten,  den  übereilten  Schritt  zurückgehen 
und  nachholen  zu  müssen;  dass  sie  keinen  Abgrund  überspringt» 
sondern  einen  kühnen  aber  festen  Bogen  wölbt,  um  sicheren 
Schrittes  darüber  hinweg  schreiten  zu  können.    Man  muss  von 


366 

vom  herein  erwägen ,  dass  in  Spanien  der  Bau  der  Eisenbahnen 
schwieriger  und  kostbarer  ist,  als  in  irgend  einem  anderen  Lande 
Europas.  Die  Gebirgszüge,  welche  die  Halbinsel  nach  allen 
Richtungen  durchschneiden;  die  Lage  der  letzteren  als  Hoch- 
ebene, welche  die  Schwierigkeit  des  steilen  Hinabsteigens  zu 
den  Meereshäfen  zu  überwinden  hat;  die  Natiu*hindemisse, 
welche  in  den  Strömen  mit  ihren  überaus  breiten,  im  Sonuner 
trockenen  und  flachen  Betten,  im  Winter  mit  ihren  reissenden 
Fluthen  liegen,  vermehren  sich  nach  der  Landesgrenze  zu,  und 
bieten  in  dem  Uebergange  über  die  Pyrenäen  Veranlassung  ge- 
nug zu  Preisäufgaben,  ähnlich  wie  bei  dem  Sömmering-Ueber- 
gang,  aber  zugleich  auch  zu  Zweifeln,  ob  die  damit  verbundenen 
Opfer  in  einem  entsprechenden  Verhältnisse  zu  dem  daraus  er- 
warteten Nutzen  stehen. 

Demnächst  darf  man  sich  darüber  nicht  täuschen,  dass  der 
Personenverkehr,  welcher  die  Rentabilität  der  Eisenbahnen  so 
wesentlich  bedingt,  sich  in  Spanien  zu  einer,  der  En^ischen, 
Französischen  und  Deutschen  nahe  kommenden  Frequenz  nicht 
erheben  wird.  Spanien  ist  notorisch  im  Verhältniss  zu  seinem 
Flächeninhalt  äusserst  schwach  bevölkert.  Die  Spanier  sind 
wenig  reiselustig  und  wenig  neugierig,  und  wenn  auch  die  Lust 
durch  die  sich  darbietende  Gelegenheit  geweckt  imd  gefördert 
werden  wird,  so  muss  dahin  gestellt  bleiben,  in  wie  weit  die  pro- 
vinziellen Absonderungen  sich  durch  eine  solche  Annäherung 
ausgleichen  und  schwinden,  oder  die  bisherige  Abgeschlossen- 
heit im  Allgemeinen  fortbestehen  bleibt. 

Die  Lage  Spaniens  zu  dem  übrigen  Europa  war  bisher,  was 
den  Besuch  von  Ausländern  anbetriffl;^  eine  ziemlich  isoUrte.  Es 
ist  kein  Durchgangsland  wie  Deutschland  und  Frankreich,  und 
wird  also  nur  von  den  Wenigen  bereist  werden,  welche  es  in 
industrieller  oder  künstlerischer  Beziehung  um  seiner  selbst  wil- 
len besuchen.  Es  sei  denn,  dass  das  Project  zur  Ausfilhnmg 
kommen  sollte,  eine  Eisenbahn -Verbindung  von  Bayonne  und 
von  Perpignan  nach  Madrid  und  von  dort  über  Badajoz  nach 
Lissabon  oder  Cadiz  zu  fuhren,  in  welchem  Falle  diese  Städte 


367 

die  Haupteinschifiungsplätze  zu  Reisen  nach  Mittel-,  Süd-Ame- 
rika,  Afrika  etc.  würden,  und  diese  Bahn  von  Personen  und  für 
den  Waarentransport  sehr  stark  in  Anspruch  genommen  werden 
würde. 

Die  Eisenbahnen  haben  allerdings  wunderbare  Resultate  in 
dem  raschen  Umschwünge  der  Verkehrsverhältnisse  und  Reise- 
lust erweckt,  wo  solche  bis  dahin  niemals  bemerkbar  gewesen 
war,  so  dass  man  trotz  der  erwähnten  Bedenken  nicht  berechtigt 
ist,  überraschende  Erfolge  auch  fiir  Spanien  zu  bezweifeln,  allein 
den  gegebenen  Verhältnissen  uud  den  in  allen  anderen  Ländern 
gesammelten  Erfahrungen  nach  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  dass 
die  Zinsen  des  jedenfalls  sehr  hohen  Anlage -Capitals  gedeckt 
und  die  Interessenten  auch  mit  den  gemässigtesten  Ansprüchen 
gesichert  werden  könnten.  Man  kann  gewiss  nicht  mit  Unrecht 
an  viele  Provinzen,  welche  Eisenbahn-Projecte  entworfen  haben, 
die  Frage  stellen,  ob  dazu  in  der  That  ein  Bedürfiiiss  vorhanden 
ist.  Es  möchte  diese  Frage  von  vom  herein  in  de]\jenigen  Pro- 
vinzen zu  verneinen  sein,  in  denen  es  gar  nicht  darauf  ankom- 
men kann,  die  Natur-  oder  industriellen  Erzeugnisse  schneller 
als  durch  die  vorhandenen  Transportmittel  zu  befördern,  wenn 
dieselben  anders  durch  gut  angelegte  und  ausgeführte  Kunst- 
oder  wohl  unterhaltene  Landstrassen  in  den  Stand  gesetzt  wer- 
den, sich  ohne  wesentliche  Hindemisse  fort  zu  bewegen.  Nichts 
desto  weniger  ist  das  Interesse  zur  Sache  vorhanden,  imd  zwar 
in  allen  Theilen  des  Landes.  Die  Streitfrage,  ob  mit  Anlage  von 
Eisenbahnen  begonnen  werden  müsse,  um  dadurch  den  Wohl- 
stand zu  heben  und  die  Zunahme  der  Bevölkerung  vorzuberei- 
ten, oder  ob  Beides  vorangegangen  sein  müsse,  bevor  es  an  der 
Zeit  sei,  Eisenbahnen  zu  bauen,  ist  weder  fiir  die  eine  noch  för 
die  andere  Behauptung  entschieden,  weil  sie  zwischen  Beiden  in 
der  Mitte  liegt.  Die  Regierung  hatte  den  Cortes  das  Project  zu 
einem  Gesetz  in  Betreff  der  zu  errichtenden  Eisenbahnen  auf 
Staatskosten  im  Juli  1851  vorgelegt.  Es  war  in  Vorschlag  ge- 
bracht, die  Eisenbahn  von  Aranjuez  nach  Almansa  und  von  Ma- 
drid nach  Inm  fortzuföhren;  und  zwar  sollte  die  Regierung  für 


368 

die  erste  Strecke  220,000,000  r.,  für  die  zweite  600,000,000  r. 
zahlen,  und  diese  Summe  auf  die  öffentliche  Schuld  mit  über- 
nehmen. Der  Deputirte  Ruperto  Navarro  Zamorano  formulirte 
ein  anderes  Project,  wonach  folgende  Eisenbahnen  in  Angriff  ge- 
nommen werden  sollten. 

1.  Von  Madrid  nach  Iran  über  Valladolid  und  Biirgos,  mit 
den  Häfen  des  Cantabrischen  Meeres  in  Verbindung  zu 
bringen. 

2.  Von  Madrid  nach  Cadiz. 

3.  Von  Madrid  über  Araiyuez  nach  Cartagena,  mit  Seitenzwei- 
gen nach  Valencia  und  Alicante. 

Zwischen  Madrid  und  Aranjuez  werden  die  Diligen- 
cen  neuerdings  auf  der  Eisenbahn  befördert 

4.  Von  Barcelona  über  Zaragoza,  Madrid  und  Badajoz  nach 
Portugal. 

Ausserdem  war  vorgeschlagen,  4000  Leguas  Landstrassen 
zu  bauen,  um  von  allen  Productions-Puncten  aus  bequem  zu 
den  Häfen,  Hauptstädten  und  Eisenbahnstationen  gelangen  zu 
können. 

Ohne  in  die  statt  gefundenen  Discussionen  näher  einzu- 
gehen, wird  es  genügen,  auf  die  Reden  des  Deputirten  Zamo- 
rano zu  verweisen,  in  welchen  er  am  24  und  26  Juli  1851  das 
Project  der  Regierung  bekämpft  hat 

Es  befinden  sich  augenblicklich  nachstehende  Eisenbahn- 
bauten in  Arbeit : 

1.  In  Gijon  in  Asturien,  um  aus  den  benachbarten  reichen 
Steinkohlenlagern  die  Producte  schnell  an  die  Küste  zur 
Verschiffung  befördern  zu  können. 

2.  Vom  Grao,  dem  Hafen  von  Valencia,  über  Valencia  auf 
Jativa  zu. 

Es  sind  demnächst  von  Actiengesellschaften  nachstehende 
Entwürfe  zur  Ausführung  projectirt: 

a)  Cartagena  mit  Murcia  zu  verbinden. 

b)  Die  Eisenbahn  von  Barcelona  nach  Tarragona  und  Reus, 

c)  die  Bahn  von  Mataro  nach  Gerona  fortzuführen. 


369 

d)  Von  Zaragoza  über  Jaca  auf  Toulouse  zu  zu  bauen. 

e)  Ueber  Pamplona  die  Verbindung  mit  Frankreich  durch 
eine  Bahn  nach  Inui  herzustellen. 

f)  Bei  Santander  wird  stark  an  dem  Eisenbahn-Planum  ge- 
arbeitet. 

Die  Regierung  hat  demnächst  den  Entwurf  eines  Eisenbahn- 
Gesetzes  fiir  das  Spanische  Festland  imter  dem  6  December  1851 
den  Cortes  vorgelegt.  Aus  der  sehr  gründlichen  Motivirung, 
welche  das  Gesetz  begleitet,  ergab  sich,  dass  die  zu  erbauenden 
Bahnen  in  zwei  Klassen  getheilt  werden  sollen.  Zu  Bahnen  der 
ersten  Klasse  würden  gehören : 

a)  die  Verbindung  von  Madrid  mit  den  Productions-Mittel- 
puncten  von  Andalusien ; 

b)  von  Madrid  mit  den  Hauptpuncten  von  Castilien; 

c)  desgleichen  mit  denen  der  Mancha; 

d)  desgleichen  nach  Aragon. 

Als  Bahnen  zweiter  Klasse  sollten  die  Verbindungen  der 
genannten  Züge  untereinander  betrachtet  werden. 

Für  sämmtliche  Bahnen  ward  dieselbe  Breite  vorgeschlagen, 
nämlich  die  von  5,43  Spanischen  Fuss.  Es  sollten  keine  Dop- 
pelgeleise gelegt  werden,  imd  ward  auch  ein  bestimmtes  System 
in  BetreflF  des  Erbauens  nicht  behebt,  sondern  ein  gemischtes 
vorgezogen,  um  je  nach  den  Local-  und  sonstigen  Verhältnissen 
die  Bahnen  vom  Staate  allein,  oder  von  Privatgesellschaften 
allein,  oder  von  letzteren  mit  Unterstützung  von  Staats -Zinsen- 
Garantien  ausfuhren  zu  lassen. 

Nach  der  Suspendirung  der  Cortes  ward  mittelst  König- 
licher Decrete  vom  19  December  1851  die  wichtige  Frage  über 
die  zunächst  zu  erbauenden  Eisenbahnen  dahin  entschieden,  dass 
nach  dem  einen  die  Strecke  von  Aranjuez  bis  Almansa  auf  Staats- 
kosten erbaut  werden  soll,  durch  das  zweite  der  betreffenden 
Association  die  definitive  Concession  zur  Erbauung  der  Bahn 
von  Alar  del  Rey  nach  Santander  —  Isabella  11  genannt  —  er- 
theilt  ist.  Auf  diese  Weise  ist  der  Grund  zu  dem  Spanischen 
Eisenbahnnetz  gelegt,  dessen  Mittelpimct  die  Hauptstadt  des 

T.  Minatolii  Spanien.  24 


370 

Reiches  bilden  wird,  und  dessen  Ausgangspuncte,  der  erste  nach 
dem  Mittelländischen  Meere ,  der  andere  nach  der  Französischen 
Grenze  zu,  die  Verbindung  mit  den  Nordprovinzen  und  durch 
sie  die  Annäherung  an  England  zum  Absatz  der  reichen  Castilia- 
nischen  Getreide -Emdten,  so  wie  endlich  die  noth wendige,  leben- 
digere Verbindung  Spaniens  mit  Mittel-Europa  sichern  werden. 
Die  Bahn  von  Aranjuez  ward  von  der  Regierung  für  60  Millionen 
Realen  gekauft.  Nach  dem  mit  Herrn  Salamanca  abgeschlossenen 
Staats  vertrage  sollen  die  qu.  Staatsbalmen  binnen  drei  Jahren 
vollendet  sein.  Das  Königliche  Decret  vom  28  Januar  1852  be- 
willigte den  nöthigen  Credit  zum  Bau  der  Eisenbahnen  von  Ma- 
drid nach  Gordova,  nach  Valladolid  und  nach  Zaragoza. 

Brücken.  Ein  wesentlicher  Theil  der  Landstrassen  besteht 
in  den  Uebergängen  der  Flüsse,  und  da  man  in  Spanien  280 
Wasserläufe  zählt,  welche  den  Anspruch  auf  den  Namen  von 
Flüssen  machen,  da  einige  von  ihnen  in  einem  Laufe  von  mehr 
als  100  Leguas  das  Land  durchschneiden,  da  es  ausserdem  bei 
dem  gebirgigen  Charakter  des  Landes  eine  Menge  von  Bergwas- 
sern giebt,  die  an  und  fiir  sich  imbedeutend  und  den  grösseren 
Theil  des  Jahres  hindurch  wasserarm  sind  und  trocken  liegen, 
bei  jedem  Regen  aber  zu  reissenden  Strömen  anschwellend  sieh 
in  die  Niederungen  hinabstürzen,  durch  welche  die  Landstrassen 
geführt  worden,  so  sieht  man  in  allen  Provinzen  die  Haupt-  imd 
Nebenstrassen  häufig  durch  Wasseradern  oder  Flussbette  durch- 
brochen. Da  es  an  Holz  zum  Bau  kleinerer  Brücken  fehlt,  oder 
das  Heranfahren  erschwert,  die  Ausführung  in  Stein  aber,  trotz 
des  vorhandenen  Materials,  eine  kostbare  ist,  so  fehlt  es  in  Spa- 
nien thatsächlich  noch  sehr  an  Brücken.  Wagen,  Reiter  und 
Fussgänger  sind  oft  genöthigt,  sich  die  besten  Führten  und 
Uebergänge  auszusuchen,  was  bei  Regengüssen  xmd  der  Gewalt 
der  reissenden  Fluthen  mit  eben  so  grossen  Gefahren  verbunden 
ist,  als  bei  der  dadurch  herbeigeführten  Veränderung  des  Fluss- 
bettes, welches  oft  plötzlich  Steine  und  Erde  anschweromt^  oder 
Vertiefungen  ausspült,  wo  bis  dahin  eine  ebene  Bahn  durch  das 


371 

Wasser  geföhrt  hatte.  Bleibt  also  hinsichts  der  Vennelirung  der 
vorhandenen  Uebergänge  noch  Vieles  zu  thun  übrig,  so  besitzt 
doch  Spanien  andererseits  eiM  grosse  Zahl  von  prächtigen 
Brücken,  welche  theils  durch  das  hohe  Alter,  in  welches  ihr  Bau 
geschichtlich  zurückgelegt  werden  kann,  theils  durch  die  Gross- 
artigkeit ihrer  Anlage,  theils  durch  die  Kunst  ihrer  Ausfuhrung, 
mit  Recht  die  Bewunderung  der  Fremden  in  Anspruch  nehmen. 

Zu  den  geschichtHch  interessanten  Bauwerken  gehört  die 
Teufelsbrücke  über  den  Llobregat  bei  Martorell  in  Catalonien, 
welche  laut  der  dort  befindlichen  Inschrift,  sammt  dem  noch 
ziemUch  erhaltenen  Triumphbogen  am  Ausgange  der  Brücke, 
535  U.  C.  von  Hannibal  zu  Ehren  Hamilcars  erbaut  sein  soll;  der 
mittlere  Bogen  zählt  133  Fuss  in  der  Spannung,  und  bildet  zwi- 
schen den  steilen  felsigen  Ufern  eine  malerische  Ansicht  Diese 
Brücke,  welche  unter  der  Regierung  Carls  HI  1768  wieder  her- 
gestellt wurde,  dürfte  indessen  ein  Maurisches  Werk  sein. 

Die  Brücke  von  Alcantara  über  den  Tajo  ist  im  achten  Jahre 
des  Kaiserreichs  Trajans  (106)  erbaut  und  unter  Kaiser  Carl  V 
wieder  hergestellt;  die  Brücke  in  Merida  über  den  Guadiana, 
auf  der  Strasse  von  Madrid  nach  Badi^oz,  ist  eins  der  schönsten 
Römischen  Bauwerke,  durch  welche  Trajan  sich  verewigt  hat 
lieber  81  Bogen  fährt  sie,  2575  Fuss  lang,  26  Fuss  breit  und  33 
Fuss  über  dem  Wasserspiegel  erhaben,  aus  schweren  Granit- 
blöeken  (almohahilla)  erbaut  Die  Gothen  und  Mauren  haben  die 
durch  die  Zeit  schadhaft  gewordenen  Stellen  sorgfältig  aus- 
gebessert Unter  der  Regierung  PhiUpps  IE  gerieth  sie  in  Ver- 
fall. Auf  Befehl  Marmonts  wurden  1812  während  der  Belage- 
rung von  Badajoz  mehrere  Bogen  der  Brücke  gesprengt,  welche 
neuerdings  wieder  hergestellt  sind 

Die  Brücke  über  den  Guadiana  bei  Badajoz  ist  gleichfalls 
ein  herrliches  Römisches  Werk,  welches  nach  seinem  Verfalle 
unter  Philipp  11  von  Herrera  in  den  oberen  Theilen  neu  gebaut 
und  1590  vollendet  ward.  Die  Brücke  von  Orense  über  den 
Mino,  gleichfalls  ursprünglich  Römisch,  ist  im  13ten  imd  später 
im  16ten  Jahrhundert  wieder  neu  aufgeführt 

24' 


372 

Die  Brücke  von  Cadiz  (Zuazo  genannt)  über  den  Kanal  Santi 
Petri,  die  einzige  Verbindung  mit  der  Isla  Gaditana,  wui;de  im 
Unabhängigkeitskriege  zerstörl^nd  wird  das  colossale  Bauwerk 
seit  dieser  Zeit  als  ein  zur  Fortification  gehöriger  Theil  be- 
trachtet. 

Die  Brücke  von  Cordova  über  den  Guadalquivir,  Römischen 
Ursprungs,  ist  von  den  Arabern  neu  aufgefiihrt  Auch  die 
Brücke  von  Tudela  über  den  Ebro  ist  von  den  Römern  erbaut 
Eben  so  giebt  es  die  Römische  Brücke  über  denselben  Fluss  bei  Za- 
ragoza; die  von  Villafranca  über  den  Tajo,  1338  durch  den  Bischof 
Tenario  erbaut  und  befestigt;  die  von  Zamora  über  dieEsla,  unter 
demNamenRicobajobekannt^  auf  der  Strasse  vonMadridnachVigo, 
im  Unabhängigkeitskriege  zerstört^  neuerdings  wiederhergestellt; 
die  von  Zamora  über  den  Duero,  1012  Fuss  lang  und  37  Fuss 
hoch;  die  Brücke  von  Coruna,  über  eine  Meeresbucht  fortgeführt, 
1388  durch  Fernando  Perez  de  Andrade  gebaut;  die  grossartige 
Brücke  von  Almaraz  über  den  Tajo,  unter  Carl  dem  V  1552  er- 
baut, im  Kriege  zerstört  und  erst  in  den  letzten  Jahren,  als  eins 
der  schönsten  Bauwerke  der  neueren  Zeit,  in  meisterhafter  Weise 
wieder  hergestellt;  die  Römischen  und  Maurischen  Brücken  von 
Alcantara  und  San  Martin  über  den  Tajo  bei  Toledo ;  der  Largo 
von  Aranjuez  über  den  Jarama,  unter  Ferdinand  VI  begonnen, 
unter  Carl  III  beendet;  der  Prachtbau  über  den  Llobregat  bei 
Molins  de  Rei,  auf  der  Strasse  von  Barcelona  nach  Valencia, 
1769  beendet;  der  Lladoner  über  den  Tet,  zwischen  Villafiranca 
imd  Penades  und  Albos,  auf  der  Strasse  von  Valencia  nach  Bar- 
celona, ein  Viaduct  von  höchst  interessanter  Lage  und  Bauart; 
der  Aquaeduct  des  Kanals  von  Aragon  über  den  Jalon,  der  sich 
mit  dem  Kaiserkanal  kreuzt.  Derselbe  besteht  aus  vier  halb- 
kreisförmigen, eine  Spannung  von  34  Fuss  haltenden  Bogen, 
über  denen  in  einer  Breite  von  40  Fuss  der  Kanal  hinfliesst, 
wozu  noch  auf  jeder  Seite  10  Fuss  für  die  Brustwehren  und  die 
Leinpfade  hinzukommen.  Die  Länge  der  colossalen  Mauern  be- 
trägt 5000  Fuss,  deren  Stärke  19  Fuss.  Das  grossartige  Werk 
ward  unter  der  Regierung  Carls  HI  vollendet. 


S73 

Unter  den  übrigen  bedeutenden  Brücken  des  Landes  müs- 
sen noch  hervorgehoben  werden  die  von  Salamanca  über  den 
Tormes;  die  von  Saldama  über  den  Carrion;  von  Toro  über  den 
Duero;  von  Villa  real  de  Castellon  über  den  Mijäres;  von  Lerida 
über  den  Segre;  von  Lugo  über  den  Mifio;  von  Talavera  über 
den  Tajo;  von  Sobrado  und  Cigarosa  über  den  Sib;  von  Le- 
desmo  über  den  Tormes;  von  Miranda  über  den  Ebro;  von  Gua- 
dalajara über  den  Henares;  von  Cangas  de  Onis  über  den  Sella; 
von  San  Pablo  in  Cuenca,  ein  Viaduct  von  120  Fuss  Höhe  über 
fünf  Bogen;  von  Logrono  über  den  Ebro;  die  Brücke  el  Rei  in 
Valencia;  die  von  Toledo,  Segovia  und  San  Fernando  über  den 
Manzanares  bei  Madrid. 

Unter  den  wenigen  in  Holz  ausgeführten  Brücken  in  Spa- 
nien sind  von  einiger  Bedeutimg  die  von  Fraga  über  den  Segre 
auf  der  Strasse  von  Aragon  und  Catalonien ,  und  die  von  San 
Sebastian  über  den  Urumea. 

Die  erste  Eisendrathbrücke  in  Spanien  wurde  in  Bilbao 
ausgeführt,  die  vonBurcena  über  den  Nervion,  ist  zur  Passage  von 
Wagen  nicht  geeignet.  Demnächst  die  110  Fuss  lange  schöne 
Brücke  über  den  Tajo  bei  Aranjuez ;  die  von  Carandio  über  den 
Pas,  auf  der  Strasse  von  Santander  und  Burgos,  welche  einen 
einzigen  Absatz  von  250  Fuss  bildet;  die  von  Fuentiduena  über 
den  Tajo  in  den  CabriUen,  welche  einen  Absatz  von  226  Fuss 
hat;  die  von  Arganda  in  Vacia  Madrid  über  den  Jarama,  in  drei 
Absätzen,  deren  mittelster  212,  die  anderen  117  Fuss,  die  6e- 
sammtlänge  566  Fuss  beträgt.  Die  letztere  ward  1843  beendet 
Die  von  Mengivar  über  den  Guadalquivir,  400  Fuss  lang,  1845 
beendet;  die  von  Duenas,  la  Union  genannt,  über  den  Carrion 
und  die  Pisuerga,  270  Fuss  in  einem  Absätze  enthaltend,  1845 
beendet,  eine  der  solidesten  Brücken  ihrer  Art.;  die  von  Zara- 
goza über  den  Gallejo,  1847  beendet;  und  die  vier  Drathbrücken, 
welche  in  Stelle  der  Schiff-  imd  Holzbrücken  von  Puerto  Santa 
Maria,  Sevilla,  San  Pedro  und  Traga  getreten  sind. 

C anale.  Der  schiffbaren  Wasserstrassen  in  Spanien  giebt 
es  sehr  wenige.    Die  Flussbetten  der  Hauptflüsse,  welche  von 


374 

den  Gebirgen  hinabströmen,  oder  von  dem  Plateau  der  Hoch- 
ebene tief  hinabsteigen  müssen ,  imi  in  das  Meer  ausmünden  zu 
können,  sind  im  Allgemeinen  weniger  fiir  die  Schü&hrt  geeignet, 
weil  sie  sich  oft  verändern,  weil  sie  mit  SteinrifFen  und  Felsklip- 
pen durchzogen  sind,  imd  neben  dem  Wassermangel  im  Sommer 
zu  heftige  Strömungen  im  Winter  fahren.  Eine  Regulirung  des 
Wasserlaufes,  wie  sie  die  SchiflTbarmachung  erfordert,  würde 
diese  Uebelstande  ausgleichen,  und  da,  wo  die  Ufer  hoch  sind, 
leichter  ausfuhrbar  sein ,  als  in  den  Ebenen ,  wo  man  dem  Stei- 
gen des  Wasserspiegels  Dämme  entgegen  setzen  müsste,  deren 
AufiRihrung  mit  grossen  Kosten  verbunden  sein  würde.  Diurch 
das  Concentriren  der  Wasserströmungen  würden  dieselben,  wie 
es  jetzt  beim  Austritt  au?  den  flachen  Betten  in  die  Ebenen  der 
Fall  ist,  der  Verdunstung  weniger  Preis  gegeben,  und  in  weiser 
Oeconomie  zu  regelmässigen  Berieselungen,  mittelst  Abzugs- 
canäle,  im  Interesse  des  Landes  verwendet  und  verwertliet  wer- 
den können.  Die  Schwierigkeiten,  welche  sich  bisher  der  Schiff- 
barmachuDg  der  Ströme  imd  den  Canalbauten  entgegen  gestellt 
haben,  lagen  nicht  in  Hindernissen,  welche  man  nicht  durch 
technische  Arbeiten,  durch  Sprengimgen,  Ausgrabungen,  Ein- 
dämmungen, Schleusen  u.  s.  w.  hätte  überwinden  können,  son- 
dern in  dem  Mangel  ausreichender  Geldmittel,  welche  noth wen- 
dig waren,  um  die  einmal  begonnenen  Arbeiten  nicht  zu  unter- 
brechen, sondern  dieselben,  wenn  auch  langsam,  so  doch  nach 
und  nach  ihrer  Vollendung  entgegen  zu  fuliren.  Waren  aber 
auch  bei  dem  Beginn  so  grossartiger  Canahsirungs- Arbeiten  die 
erforderlichen  Mittel  auf  die  nächsten  Jahre  vorgesehen,  so  haben 
in  der  Regel  die  politischen  Wechselfalle  diese  Voraussicht  nicht 
in  Erfüllung  gehen  lassen,  und  die  Fortsetzung  der  Arbeiten  un- 
möglich gemacht,  mit  deren  Unterbrechung  dann  das  bis  dahin 
Vollendete  häufig  nutzlos  und  die  darauf  verwendeten  grossen 
Summen  verloren  erschienen.  Vielleicht  ist  es  der  jetzigen  Re- 
gierung, von  der  so  Vieles  zur  Förderung  des  Wohlstandes  und 
zm'  Belebung  des  Verkehrs,  des  Handels  und  der  Industrie  an- 
geregt ist,  möglich,  auch  hierin  sich  ein  Gedachtniss  zu  stiften. 


375 

Die  Aufnahme  der  Arbeiten,  die  Prüfung  der  fiüheren  Wasser- 
baupläne, die  Projecte  hinsichts  der  Schiffbamaachung  des  Duero, 
Ebro  und  Tajo  zeigen  genügend,  welche  Aufmerksamkeit  dem 
Gegenstande  gewidmet  wird. 

Die  Schiffbarmaehung  des  bald  >vild  und  unbändig  sich  er- 
giessenden,  bald  still  und  melancholisch  fortschleichenden,  370 
Leguas  durchziehenden  Tajo,  bis  zu  seinem  Ausflusse  hat  Jahr- 
hunderte hindurch  zu  verschiedenen  Plänen  Veranlassung  ge- 
geben. 1581  hatten  der  NeapoUtaner  Antonelli  und  Juanelo  Tu- 
riano,  ein  Mailänder,  dem  Könige  PhiUpp  II,  der  damals  auch 
Portugal  beherrschte,  einen  diesfaUigen  Plan  vorgelegt.  Es  fehlte 
aber  an  Geld  zur  Ausführung.  Wiederum  waren  es  zwei  Aus- 
länder, welche  im  Jahre  1641  Philipp  IV  einen  neuen  Entwurf 
überreichten,  nämlich  Julio  MarteUi  und  Luigi  Carduchi.  Allein 
der  Verlust  von  Portugal  entzog  aus  erklärhchem  Grunde  auch 
dem  Tajo  die  besondere  Berücksichtigung.  Es  vergingen  inzwi- 
schen abermals  100  Jalire,  bis  dass  1755  Richard  Wall,  ein  Ir- 
länder,  den  Plan  wieder  aufiiahm,  mit  demselben  jedoch  bei 
Carl  in,  welcher  gerade  mit  kriegerischen  Plänen  beschäftigt 
war,  kein  Gehör  fand.  1808  endhch  fasste  Francisco  Xavier  de 
Gabanas  die  Sache  abermals  ins  Auge  und  veröffentlichte  ein 
Memoire  «Sobre  la  navegacion  del  Tajo»,  jedoch  ohne  Erfolg. 
Auch  die  späteren  Vorschläge  von  Bermudez  de  Castro  blieben 
unberücksichtigt. 

Die  Schiffbarmaehung  des  Guadalquivir ,  von  Cordova  aus 
nach  Sevilla,  ist  auch  zu  verseliiedenen  Zeiten  Gegenstand  ernst- 
licher Erwägungen  gew^esen,  um  den  Anwohnern  Gelegenheit  zu 
gewähren,  ihre  Producte  auf  billige  Weise  nach  Sevilla  und  wei- 
ter zur  Einschiffung  nach  Cadiz  zu  befördern.  Allein  so  wichtig 
auch  die  Eröffiaung  des  Stromes  von  Cordova  aus  für  die  Schiff- 
barmaehung wäre,  so  gering  auch  im  Vergleich  zur  Regulirung 
des  Tajo -Strombettes  die  Schwierigkeiten  und  Kosten  erschei- 
nen, so  weitläuftig  und  verwickelt  würden  die  gerichtlichen  Ver- 
handlungen sein,  welche  voran  gehen  müssten,  um  die  im  Besitz 
von  Ufer-Mühlenanlagen  befindlichen  Anwohnern,  als  unrecht- 


376 

fertige  Besitzer,  zur  Aufgabe  ihrer  Anlagen  zu  bewegen,  oder 
die  titulirten  Besitzer  dtirch  entsprechende  Geldentschädigungen 
zu  befriedigen.  Die  ungeheuren  Olivenpflanzungen,  welche  von 
Cordova  herab  meilenweit  das  Land  bedecken  und  ihre  Besitzer 
zu  reichen  Familien  gemacht,  haben  die  Nachbarschaft  des  Flus- 
ses als  eine  erwünschte  Gelegenheit  benutzen  lassen,  Oelmühlen 
anzulegen  und  durch  Wasserkraft  in  Bewegung  zu  setzen.  Diese 
Mühlen  haben  wiederum  den  Bau  von  Mühlenwehren  zur  Folge 
gehabt,  deren  Anlagen,  da  sie  in  einfachen  Steinverschüttungen 
bestanden,  biUig  waren,  jedoch  den  Strom  in  seiner  grossesten 
Breite  sperrten  und  für  die  SchilTahrt  inpracticabel  machten. 
Rechtsverständige  behaupten,  dass  die  Mühlenbesitzer  schwer- 
lich im  Stande  sein  würden,  sich  durch  Besitztitel  in  ihrem 
Rechte  zu  schützen;  allein  sie  sind  der  Meinung,  dass  die  Dauer 
des  ruhigen  Besitzstandes  den  Ausgang  der  langwierigsten  Pro- 
zesse für  die  Regierung  nnndestens  zweifelhaft  erscheinen  lasse, 
während  es  an  Fonds  fehlen  würde,  um  vergleichsweise  die  Müh- 
lenbesitzer zur  Fortnahme  der  Wassermühlen-Anlagen  zu  ver- 
mögen. Es  bleibt  hiemach  für  den  AugenbUck  nichts  anderes 
übrig,  als  dem  traurigen  Schicksale  dieses  schönen  Stromes,  der 
der  freien  Entwickelung  und  Benutzung  beraubt  ist,  vorläufig 
noch  länger  zuzusehen  oder  darüber  nachzudenken,  aufweiche 
sonstige  Weise  das  Ziel,  mit  Umgehung  der  oben  angedeuteten 
Schwierigkeiten,  zu  erreichen  sein  möchte.  In  dieser  Beziehung 
verdient  eine  Broschüre  Aufmerksamkeit,  in  welcher  Herr  Dal- 
housi  Rose  die  Möglichkeit  der  Schiffbarmachimg  des  Guadal- 
quivir  von  Cordova  ab ,  trotz  der  Sandbänke  und  vorhandenen 
Mühlenwehre,  für  ausfuhrbar  erklärt  hat.  Der  Verfasser  hat 
nämhch  den  Strom  selbst  untersucht,  und  überall,  sogar  an  den 
seichtesten  Stellen  und  an  den  Sandbänken  und  Wehren ,  min- 
destens eine  Tiefe  von  9  — 10  Zoll  Wasser,  auch  in  der  heisse- 
sten  Jahreszeit^  gefunden.  Bei  den  Transportmitteln,  welche  er 
anzuwenden  gedenkt,  haben  ihm  diejenigen  Vorrichtungen  als 
zweckmässig  vorgeschwebt,  welche  die  Engländer  mit  dem 
besten  Erfolge  anwandten,  als  sie  die  Aegyptischen  Denkmäler 


377 

aus  Ninive  auf  dem  Tigris  bis  nach  Bagdad  transportirten.  Es 
sollen  nämlich  hermetisch  verschlossene  Kasten,  5  Fuss  lang, 
1  Fuss  breit  und  1  Fuss  hoch,  zu  einer  sogenannten  Valsa  ver- 
einigt werden,  wodurch  je  100  Kasten  einen  Flächenraum  von 
10  Fuss  Breite  imd  50  Fuss  Länge  in  Form  eines  Schiffes  bilden 
würden.  Bei  einer  Tragfähigkeit  von  200  Quintales  (Centner) 
würde  dies  Floss  nur  eine  Tiefe  von  9  Zoll  Wasser  bedürfen. 
Es  würden  diese  Flosse  mit  Getreide  und  Oel  beladen  werden; 
zugleich  aber  durch  dieselben  das  Blei  und  Kupfer  aus  den  Mi- 
nen von  Linares ,  namenthch  aus  den  Minen  los  Arayanes ,  Ala- 
mülos  und  la  Cruz,  so  wie  die  Steinkohlen  von  Espiel  und  Bei- 
mez verschifft  werden,  welche  gegenwärtig  bei  dem  Mangel  ge- 
eigneter Transportmittel  in  Sevilla  fast  den  doppelten  Preis  der 
fremden  Kohlen  kosten.  Da  wo  der  Strom  durch  die  oben  er- 
wähnten Mühlenanlagen  faktisch  vollständig  gesperrt  ist ,  würde 
vorbehaltlich  des  Ausganges  der  einzuleitenden  gerichtüchen 
Schritte  oder  freiwiUigen  Ablösungen,  eine  Umladung  der  Fracht 
von  jenen  Flossen  auf  Flosse  derselben  Construction,  welche  un- 
terhalb der  Mühlenwehre  aufgestellt  wären,  nothwendig  sein, 
was  ohne  grosse  Mühe  und  Kosten  bewerkstelligt  werden  könnte. 
Solcher  Umladestationen  würden  nach  Dalhousis  Berechnung, 
nächst  Cordova,  vier  sein,  nämUch  zu  Pasadas,  Palma,  Lara  und 
Tocina. 

Es  giebt  in  Spanien  sechs  Canale ,  welche  fiir  die  Schiffahrt 
bestimmt  waren,  allein  kein  einziger  ist  nach  dem  ursprünglichen 
Plane  vollständig  ausgefiihrt  worden. 

1.  Der  Kaisercanal  von  Aragon,  zum  grossesten  Theil 
unter  der  Regierung  Carls  IV  erbaut;  er  föhrt  das  Wasser 
des  Ebro,  welcher  zu  seiner  Rechten  fliesst,  bis  zu  den 
Grenzen  des  Bezirks  von  Tudela,  zwei  Stunden  unterhalb 
Zaragoza.  Er  sollte  ursprünghch  bis  Sastago  gefiihrt  wer- 
den, lun  von  dort  aus  die  Fahrt  auf  dem  Ebro  bis  nach 
Tortosa  fortsetzen  zu  können. 

2.  Der  Canal  von  Castilla,  in  die  Nord-  und  Südrichtun- 
gen getheilt,  welche  beendet  sind,  imd  der  Nebencanal  de 


378 


Campos,  welcher  erst  begonnen  ist.  Im  Jahre  1755  wurde 
die  Arbeit  bei  der  Pisuerga  angefangen;  und  durchläuft 
der  Canal  bis  jetzt  im  Ganzen  eine  Strecke  von  27  Leguas. 

3.  Der  Canal  des  Manzanares,  1777  begonnen,  zählt 
erst  2  Leguas  von  der  Toledobrücke  bei  Madrid  bis  Vacia 
Madrid.  Er  sollte  bis  Aranjuez  fortgeföhrt  werden,  um 
den  Manzanares  mit  dem  Tajo  zu  verbinden.  Im  16ten 
Jahrhunderte  war  der  Manzanares  bei  Madrid  selbst  fiir 
grössere  Fahrzeuge  schiffbar.  Seitdem  man  die  Bäume 
des  Waldes ,  welche  seine  beiden  Ufer  dicht  beschatteten, 
ohne  Mitleiden  bis  auf  die  letzten  gefallt,  hat  der  Wasser- 
reichthum  sich  mehr  und  mehr  vermindert,  und  wenn 
man  jetzt  im  Sommer  sein  breites  Flussbett  fast  trocke- 
nen Fusses  durchwandert,  so  sieht  man,  wie  Tausende  von 
fleissigen  Händen  der  Wäscherinnen  von  Madrid  sich  ge- 
genseitig den  spärlichen  Wasserzufluss  streitig  machen 
möchten,  um  wenigstens  die  Ansprüche  der  Sauberkeit 
der  Toilette  der  Uferbewohner  an  die  Najaden  des  Man- 
zanares befriedigen  zu  können. 

4.  Der  Canal  von  Guadarrama,  1787  begonnen,  ist  von 
Gasco  nach  Rozas,  drei  Leguas  weit^  beendet.  Die  Gortes 
haben  die  Fortsetzung  der  Arbeit  einer  Actiengesellschaft 
überlassen. 

5.  Der  Ebro-Canal  von  San  Carlos  ward  am  Schlüsse 
des  vergangenen  Jahrhunderts  begonnen.  Die  Arbeit  ist 
nur  drei  Leguas  weit,  bis  Amposta,  am  Hafen  von  Rapita 
en  los  Alfagues,  vorgeschritten,  dort  aber  versumpft. 

6.  Der  Canal  von  Murcia,  gleichfalls  im  letzten  Drittheil 
des  vergangenen  Jahrhunderts  begonnen.  Das  Wasser  des 
Guardal  speist  denselben.  Von  den  45  Leguas,  die  der 
Canal  durchlaufen  sollte,  sind  nur  5  beendet 

7.  Durch  Königl.  Decret  vom  13  September  1851  sollte,  um 
den  Seitencanal  des  Guadalquivir  von  San  Fernando  wie- 
der in  Aufnahme  zu  bringen,  eine  öffentliche  Licitation  an- 
gesetzt werden.    Die  Strecke  von  Lara  nach  Sevilla  sollte 


379 

zunächst  regulirt  werden.     Sehr  einflussreiche  Personen 
haben  sich  an  die  Spitze  des  Unternehmens  gestellt,  um 
den  Fortgang  desselben  zu  sichern.     Die  Cortes  haben 
gleichzeitig   die  Regienmg  autorisirt,   die  Arbeiten  von 
Lara  aus  auch  nach  Cordova  zu  in  Angriff  zu  nehmen. 
Würde  dies  Werk  vollendet  werden,  so  wäre  der  Vortheil 
nicht  nur  flir  die  Industrie  und  den  Handel,  sondern  auch 
für  den  Ackerbau  von  unberechenbaren  Folgen ,  weil  man 
dann  das  Wasser  nicht  allein  für  die  Schiffäsihrt,  sondern 
auch  zur  Bewässerung  und  Berieselung  der  benachbarten 
Felder  benutzen  könnte. 
Es  giebt  in  Spanien  Canäle,  welche  ledighch  erbaut  wurden, 
um  nach  bestimmten  Systemen  die  Ebenen  in  ihrer  Umgebung 
zur  Beförderung  der  Fruchtbarkeit  regelmässig  zu  bewässern. 
Die  bemerkenswerthesten  sind:  die  von  Tauste,  aus  dem  Ebro 
abgeleitet;  von  Urgel,  aus  dem  Sagre;  der  Infantin  Luisa  Char- 
lotte, aus  dem  Llobregat;  die  Acequia  del  Key,  aus  dem  Jucar; 
der  Tamarite  aus  dem  Cinca;  die  Acequia  der  Vega  von  Gra- 
nada u.  s.  w.   Der  Plan,  den  Jucar  unterhalb  Valencia,  vor  sei- 
nem Austritte  ins  Meer,  bei  CuUera,  nach  Alicante  hinabzuleiten, 
oder  den  Segura  nach  Cartagena  zu  zu  canalisiren,  ist  von  der 
Regierung  nicht  genehmigt  worden. 

Das  Wasser  in  Spanien  ist,  je  seltener,  desto  kostbarer.  Die 
klimatischen  Verhältnisse  des  Landes,  in  welchem  es  den  grosse- 
sten Theil  des  Jahres  hindurch  wenig  oder  nicht  regnet,  machen 
es  besonders  wünschenswerth  und  nothwendig,  die  vorhandenen 
Adern  zu  sammeln,  zu  hüten  und  zweckmässig  zu  benutzen. 
Grossartige,  aus  der  Römer-  und  Maurenzeit  stammende  Aqua* 
ducte,  fuhren  meilenweit  über  Berg  und  Thal  den  Städten  und 
Landgemeinden  das  erforderliche  Trinkwasser  zu.  Die  Werke 
von  Segovia  und  anderen  Städten  werden  noch  nach  Jahrhun- 
derten eben  so  gesegnet  bleiben,  wie  sie  es  mehr  als  1000  Jahre 
hindurch  waren.  Aber  auch  die  durstende  Erde  will  getränkt, 
die  lechzenden  Pflanzen  benetzt  sein,  um  den  Ueberfluss  der 
fruchtbaren  Natur  im  reichsten  Maasse   entfalten  zu  können. 


380 

Wer  die  Huerta  von  Valencia,  die  paradiesischen  Felder  von 
Murcia  bis  Orihuela,  wer  die  Pracht  des  Priorates  bei  Tarragona 
bewundert,  der  hat  begriffen,  welche  Erfolge  das  Wasser  dem 
Spanischen  Boden  und  Klima  sichert.  Wer  die  Wasseranlagen 
in  Aranjuez,  la  Grancha,  ValladoHd  und  Toledo  in  Augenschein 
genommen,  hat  sich  überzeugt,  welche  Vortheile  und  Annehm- 
lichkeiten das  Wasser  der  Industrie,  der  Kunst,  der  Gesundheit 
und  dem  Wohlbehagen  gewährt. 

Darum  sollte  man  in  Spanien  zunächst  nach  Wasser,  und 
dann  erst  nach  Gold  und  Silber  suchen.  Die  Wichtigkeit  guten 
und  ausreichenden  Trinkwassers  istr  in  ganz  Spanien  vollständig 
anerkannt.  Deshalb  hat  auch  die  Stadt  Madrid  unter  den  Anspi- 
elen Ihrer  Majestät  der  Königin  am  18  Jxuii  1851  einen  Canal 
aus  dem  Lozoya,  unter  dem  Namen  des  Canals  IsabeUa  II,  nach 
Madrid  zu  fuhren  beschlossen,  um  den  Zufluss  an  Trinkwasser 
daselbst  zu  vermehren ;  ein  Unternehmen,  für  dessen  Ausfuhrung 
die  Residenz  ein  Capital  von  16,000,000  Realen  bewilligt,  und  zu 
dessen  Förderung  eine  von  der  Königin  eröffnete  Subscription 
in  wenigen  Wochen  die  Summe  von  34,000,000  zur  Disposition 
gestellt  hat. 

Zur  Beschaffung  von  Wasser  sollten  keine  Kosten  von  der 
Regierung  gescheut  werden.  Man  sollte  sachverständige  Tech- 
niker aus  Deutschland  versclireiben,  um  Quellen  zu  suchen, 
durch  artesische  Brunnen  den  Schoss  der  Erde  zu  öfihen,  durch 
Pumpwerke  den  zu  tief  liegenden  das  Hinaufsteigen  an  die  Ober- 
fläche zu  erleichtem.  Mag  man  selbst  aus  dem  Thüringer  Walde 
die  Quellensucher  mit  den  sich  senkenden  Haselruthen  konunen 
lassen,  ohne  sich  darüber  zu  beunruhigen,  ob  eine  geheime  Kraft 
der  Natur,  oder  die  Klugheit  und  Erfahrung  des  Bergmannes, 
oder  der  glückhche  Zufall  die  Versuche  jener  Leute  mit  so  im- 
begreiflichen Erfolgen  krönt.  Gleichviel!  Man  suche  und  schaffe 
in  Spanien  vor  allen  Dingen  Wasser.  Ist  dies  kostbare  Element 
in  nachhaltiger  Menge  vorhanden,  so  würden  Wiesen  geschaffen 
und  frisch  erhalten,  mehr  Futterkräuter  gebaut  werden  können, 
und  Landwirthschafl  und  Viehzucht  einen  ganz  anderen  Cha- 


381 

rakter  erhalten;  mit  dem  Reichthum  an  Früchten  würde  der 
Wohlstand  der  Grimdbesitzer  und  ihre  LeistungsfUiigkeit  we- 
sentlich gefördert  werden. 

Das  von  Alhaken  Almonstansir  Biliar  gegründete  Tribunal 
zur  Entscheidung  der  Streitigkeiten  in  Berieselungs- Angelegen- 
heiten der  Huerta  von  Valencia  besteht  noch  heute  in  seiner  ur- 
sprünglichen Gestalt  tmd  Gewicht.  Zimi  Tribunal  de  los  ace- 
quieros  werden  sieben  Bichter  aus  der  Zahl  der  bei  den  Beriese- 
limgen  betheiligten  Landbesitzer  gewählt.  Sie  sitzen  imi  11  Uhr 
Donnerstags  unter  freiem  Himmel  an  der  AposteUdrchthür  der 
Cathedrale  zu  Gericht.  Sie  hören  die  Betheiligten  mit  ihren 
Klagen  und  Rechtfertigungen ,  sie  vernehmen  die  mit  zur  Stelle 
gebrachten  Zeugen,  und  geben,  ohne  dass  irgend  etwas  nieder- 
geschrieben würde,  ihre  Entscheidung  sogleich  mit  lauter  Stinune 
in  Limosinischem  Dialect  Mit  dieser  Entscheidung  ist  die  Sache 
erledigt;  ein  Appell  dagegen  ist  nicht  zulässig,  und  beide  Theile 
imterwerfen  sich  ihr  ohne  den  geringsten  Widerspruch. 

Häfen  und  Puertos.  Es  giebt  in  Spanien  verschiedene 
Klassen  von  Puertos. 

1.  Meerhäfen  (puertos  de  mar).  Ortschaften,  welche,  an 
der  Küste  gelegen,  einen  natürlichen  oder  künstlichen 
Schutz  imd  Aufnahme  von  Fahrzeugen  gewähren. 

2.  Trockene  Häfen  (puertos  secos).  Ortschaften,  welche 
von  der  Küste  entfernt  liegen,  mit  derselben  jedoch  in  un- 
mittelbarer Verbindung  stehen,  indem  sie  sich  mit  Fische- 
rei beschäftigen  und  den  Handel  mit  Fischen  nach  den  in- 
neren Provinzen  betreiben. 

3.  Gebirgspässe  (puertos  de  sierras  y  montanas).  Die- 
jenigen Punkte,  an  denen  man  die  Gebirgszüge  am  besten 
überschreiten  kann.  Es  müssen  diese  Puertos  hier  mit 
angeftlhrt  werden,  weil  ihre  Bauten  imd  Reparaturen  zum 
Ressort  des  besprochenen  Ministerii  gehören,  und  solche 
durch  die  Abtheilung  der  Ingenieure  fiir  Strassen-,  Canal- 
und  Hafenbauten  ausgefiihrt  werden. 


382 

Von  den  Gebirgspässen  sind  die  auf  der  Strasse  von  Gali- 
cien  und  Castilien  belegenen  die  wichtigsten:  die  von  Guadar- 
rama^  Manzanan,  Fuentabadan,  Piedralita  und  Santa  IsabeUa. 

in  Estremadura :  die  Pässe  von  Misavete ,  Santa  Cru?  und 
Arrebatacapos. 

In  Valencia  und  Cartagena :  die  von  Almansa  und  Suniacur- 
riel ;  die  von  Losilla^  Malamuger,  Gadena  und  Albera. 

In  Andalusien:  die  von  Lapiche  und  Rey  oder  Despena- 
perros. 

In  Aragon  und  Catalonien:  die  von  Frasno,  Fraga,  Bruch 
und  Orriols. 

Auf  der  Strasse  nach  Frankreich :  die  von  Somosierras,  Sa- 
lino  de  Leniz  und  Descai'ga. 

Auf  der  Strasse  von  Valencia  nach  Barcelona:  die  von  Ba- 
laguer  und  Ordal. 

Auf  dem  Wege  von  Leon  nach  Oviedo:  der  von  Pajares. 

Auf  der  Strasse  von  Avila  nach  Toledo :  der  von  Pico. 

Auf  dem  Wege  von  Soria  nach  Logrofio:  der  von  Pigueras. 

Auf  der  Strasse  von  Santander  nach  Riega:  der  von  Escudo. 

Auf  der  Strecke  von  Madrid  nach  la  Granja:  die  von  Nava- 
cerreda  und  Fuenfria. 

Auf  dem  Wege  von  Vitoria  nach  Bilbao :  der  von  Urquiola. 

Auf  der  Strasse  von  Murcia  nach  Granada:  der  de  Ver- 
tientes. 

Auf  dem  Wege  von  Ecija  nach  Malaga :  la  boca  de  asno. 

Zwischen  Sevilla  und  Badajoz :  der  von  Andavolo. 

In  Granada:  der  von  Escaleruela, 

In  Aragon:  die  von  Uset,  Daroca,  Valdevacas  und  Carinena. 

In  Catalonien  werden  einige  Theile  der  Pyrenäen  hierzu  ge- 
rechnet; so  der  Col  de  Balaguer,  Col  de  Gelada,  Col  de  Barriego, 
del  Plu,  de  Fulguera  und  de  Persus. 

Endlich  bezeichnet  man  mit  dem  Ausdruck  Puertos  auch 
diejenigen  Uebergänge,  auf  welchen  die  Schafherden  zum  Win- 
ter aus  den  nördlichen  Provinzen  in  die  südlichen  hinabgehen 
und  später  wieder  zurückkehren. 


383 

Mag  die  vollständige  Aufiuhnmg  der  genannten  Puertos, 
welche  sich  oft  bis  zu  3  und  4000  Fuss  über  dem  Meere  erhe- 
ben, einen  Beitrag  zur  Schwierigkeit  und  Kostbarkeit  der  Wege- 
bauten in  Spanien  liefern,  indem  sie  zugleich  den  Beweis  geben, 
dass  wenige  Landstrassen  vorhanden  sind,  welche  sich  auf  ebe- 
nem Terrain  ohne  Hindemisse  fortbewegen,  die  grosse  Mehr- 
zahl vielmehr  durch  Steigungen,  Senkungen  und  schwierige 
Flussübergänge  aufgehalten  werden. 

Es  muss  hier  noch  zum  Schluss  der  Vorbereitungs- Schule 
« Escuela  preparatoria  para  las  carreras  de  Ingenieros  de  Cami- 
nos  y  Minas»  gedacht  werden,  welche  mit  einem  zahlreichen 
Lehrerpersonale  ausgestattet  ist,  um  bei  dem  noch  bestehenden 
Bedürfnisse  von  ausreichenden,  tüchtig  ausgebildeten  Wegebau- 
meistem  eine  neue  Pflanzschule  für  solche  anzulegen,  um  durch 
gründliche  Vorstudien  die  spätere  Berufsthätigkeit  vorzuberei- 
ten. Ueber  dieser  Vorbereitungs  -  Schule  steht  die  Escuela  spe- 
cial de  Ingenieros ,  von  wo  aus  der  Uebertfitt  in  die  praktische 
Laufbahn  durch  Einverleibung  in  das  Cuerpo  de  Ingenieros  de 
caminos,  canales  y  puertos  erfolgt. 

Für  Beaufsichtigung  der  vorhandenen  oder  Einrichtung 
neuer  Leuchtthürme  besteht  in  Madrid  eine  besondere  Commis- 
sioii,  aus  sechs  MitgUedem  zusammengesetzt,  unter  dem  Vor- 
sitze des  General  -  Inspeetors  Hat  Wege-,  Canal-  und  Hafen- 
bauten. 

Auch  in  dieser  Hinsicht  hat  die  Spanische  Regienmg  im 
Jahre  1851  eine  grosse  Thätigkeit  entwickelt.  Fast  in  allen  Hä- 
fen der  Monarchie  sind  grossartige  Neubauten  und  Reparaturen 
im  Werke ;  neue  Leuchtfeuer  sind  entstanden  und  die  vorhan- 
denen zweckmässig  verbessert.  Zu  den  ersteren  gehört  nament- 
lich der  Thurm  auf  der  360  Fuss  hohen  Felsklippe  Dragonera 
vor  Mallorca,  drei  Meilen  oberhalb  Palma,  mit  Wechsellicht;  und 
das  neue  Leuchtfeuer  im  Hafen  von  Mahon.  Beide  laut  Decret 
vom  28  Januar  1852  vom  20  März  ab  in  Thätigkeit.  Zu  den  letz- 
teren das  Fanal  von  Vorsbruch  bei  Manila  und  die  Flamme  des 
Farol  am  Llobregat-Ausfluss. 


384 

Durch  Königliches  Decret  vom  17  December  1851  wurde 
das  lang  erwartete  Hafengesetz  (ley  de  puertos)  veröffentlicht, 
und  dadurch  die  Hafengelder  auf  zwei  Arten  von  Abgaben  redu- 
cirt:  auf  die  Ankerungsgelder  (fondeadero)  und  die  Ein-  und  Aus- 
ladungsabgaben (de  carga  y  descarga).  Die  letzteren  werden  vom 
1  Februar  1852  nur  einmal  in  dem  zuerst  berührten  Hafen,  die 
ersteren  nach  dem  Tonnengehalt  verschieden  entrichtet  Spa- 
nische Kauffahrer  zahlen  1  Real  für  jede  Tonnenladung  Raum 
und  ^  Real  von  jedem  geladenen  Quintal;  fremde  Kauffahrer  in 
gleichem  Falle  2  Realen  und  resp.  ^  Real.  Schiffe  von  20  —  60 
excL  Tonnenladungen  zahlen  volle  Ankerungs-,  die  Hälfte  der 
Ein-  imd  Auslade- Abgaben.  Die  noch  geringeren  Tonnengehalt 
habenden  Schiffe  zahlen  gar  keine  Ankerungsgelder.  Durch 
KönigUches  Decret  vom  3  Januar  1852  hat  obiges  Gesetz  eine 
Vervollständigung  in  so  fern  erhalten,  dass  die  dort  den  fremden 
Schiffen  auferlegten  Abgaben  vermieden  werden  können,  wenn 
die  betreffende  fremde  Nation  in  den  Häfen  ihres  Gebietes  den 
Spanischen  Schiffen  die  correspondirenden  Abgaben  zu  erlassen 
geneigt  ist. 

Die  Maasse  und  Gewichte  differiren  in  Spanien  in  den 
verschiedenen  Provinzen  auf  die  auffallendste  Weise.  Eine  Aus- 
gleichung hat  zum  Nachtheil  fiir  den  öffentlichen  Verkehr  so- 
wohl, wie  fiir  die  Produzenten  sich  bisher  nicht  herbeiführen  las- 
sen, bis  dass  das  Ministerium,  von  der  Noth wendigkeit  der  Her- 
stellung gleichartiger  Maasse  und  Gewichte  durchdrungen,  das 
Gesetz  vom  19  JuU  1849  herbeigefiihrt  hat,  durch  welches  das 
metrische  (Französische)  Maass-  und  Gewichts-System  eingefiihrt 
werden  soll.  Die  Ausfiihrung  dieser  Königlichen  Verordnung 
ist  jedoch  bis  dahin  ausgesetzt  worden,  dass  die  Feststellung 
sämmtlicher  Local-Maasse  und  Gewichte,  ihre  Zurückfiihrung 
auf  metrisches  Maass  und  Gewicht,  und  die  Anfertigung  der 
amtlichen  Probemaasse  und  Gewichte  nach  dem  neuen  Systeme 
erfolgt  sein  wird.  Die  vollständige  Durchführung  der  Maass- 
regel soll  in  ganz  Spanien  bis  zum  1  Januar  1859  beendet  sein. 


385 

Inzwischen  sind  aus  allen  Provinzen  die  dort  üblichen  Maasse 
för  Flüssigkeiten  nnd  trockene  Gegenstände,  so  wie  die  Gewichte 
eingefordert^  und  durch  eine  niedergesetzte  Commission  geprüft, 
berechnet,  verglichen,  auf  die  neu  einzuführenden  Maasse  und 
Gewichte  übertragen,  und  die  letzteren  probeweise  nach  den 
projectirten  Formen  und  Mustern  angefertigt  worden.  Aus  ver- 
schiedenen Ländern  hat  man  Vorbilder  erbeten,  in  der  Ausfuh- 
rung jedoch  die  Französischen  Modelle  beibehalten.  Die  aus  den 
Provinzen  eingegangenen  landesübhchen  Maasse  und  Gewichte 
sind  im  Ministerial- Gebäude  und  zwar  in  dem  Museum  für 
Kunst  imd  Gewerbe  aufgestellt.  Ich  habe  diese  reichhaltige 
Sammlung  mit  Interesse  in  Augenschein  genommen,  und  be- 
greife wohl,  dass  es  unmöglich  gewesen,  bei  der  bestehenden 
Verschiedenheit  imd  bei  der  nothwendigen  Ausgleichimg  den 
Producenten  Verluste  zu  ersparen.  Man  sieht  unter  den  Ge- 
fässen,  welche  zum  Messen  flüssiger  und  trockener  Gegenstände 
dienen,  die  abenteuerlichsten  Formen.  Da  sind  Krüge,  Kannen, 
Flaschen,  Büchsen,  Näpfe,  lang  und  kurz  gehalst,  schlank  und 
bauchig,  gross  und  klein;  Cantaros  imd  Garros,  antik  und  mo- 
dern. Die  Getreidemässe  sind  gewöhnlich  dicke  Kasten,  ent- 
weder wie  Würfel  oder  wie  Prahmen  gebaut,  und  mit  Eisen  be- 
schlagen. An  einigen  Orten  stehen  die  Maasse  durchaus  nicht 
fest,  und  man  verfahrt  dann  beim  Abmessen  nach  dem  Rathe 
sachverständiger  Landwirthe  oder  nach  ungefähren  Schätzungen, 
welche  man  Blindentagwerke  (peonadas  de  ciego)  nennt.  Die 
Hohbnaasse  für  Weizen  kommen  in  den  verschiedensten  Gestal- 
ten vor;  sie  weichen  nicht  allein  in  den  Städten  von  denen  auf 
dem  Lande  ab,  sondern  einige  Gemeinden  haben  selbst  zwei 
oder  drei  verschiedene  Weizenmaasse.  Manche  Familien  fuhren 
eigene  eigenthümliche  Maasse,  die  sich  im  freien  Kaufund  Ver- 
kauf sämmtlich  nebeneinander  halten. 

Die  jetzige  Reducüon  hat  die  nachstehenden  Verhältnisse 
herausgestellt: 

Y.Minutoli^  Spanien.  25 


386 


Flächen-  und  Ackermaasse. 

Fanegas.  Estadales.  OVaras. 
Im  Allgemeinen  in  bei-  /  Gesetzliche  Fa-  ) 

den  Castilien,  Anda-  \      nega  und  Fa-  [  570         9216 
lusien,  Estremadura,  <      negada  .  .  .  .  ) 

Galicien,NavaiTaund  j  Aranzada  ....  400        6400 

den  Basken (  Estadal 16 


Andere  Provinzial-  und  Localmaasse. 

1,085 


Andalusien 


Aragon 


Asturien 


Balearen 


Castilien . 


Almeria  . 
Cadiz  .  . 

Cordova. 

Granada 

Huelva  . 
Sevilla.  . 
Benavarre 


Zaragoza 


Fanega  .... 

TahuUa.  .  .  .  104,16 

Aranzada.  .  .  328,5 
Hubada.  .  .  .     34,22 

Fanega  ....  547,5 

SogaToledana  5,06 

Fanega  ....  420 

Marzal  ....  64 

Fanega  ....  330 

Estadal ....  0,19 
Fanega  ....      1063 

Yunta 27 

Porca 2,25 

Cahizada  .  •  .  512,5 

Jugada  ....  384,3 

Jomalia.  .  .  .  191,25 

Hanagada   .  .  64 

Pronada  .  .  .  50,7 

Almud 5,3 

ViadeBurgos  112,5 

Carro  de  tierra  16 
Cuarterada.  .      1,105 

Pabna l  Huerta  ....  39,7 

Destra  ....  1,588 

Fanega  ....  504 

Obrada 309 

Huebra  ....  200 
Fanega  de  pu- 

flodel.  .  .  250 

idem  de  n  .  .  312,5 

idemdein.  .  375 

Fanega  ....  187,5 

Carro  de  tierra  1 3,438 

200 
0,84 


Oviedo 


Almagro.  .  . 
Avila 


Cuenca  .  .  . 


Logrono    .  . 
Santander   . 


Soria Fanega  .  .  . 

Toledo  ....     Estadal .  .  . 


10,000 

1,666 

5,256 

315,360 

8,760 

81 

6722 

1024 

5240 

3,03 

9,801 

432 

36 

8200 

6149 

3060 

4024 

811 

85 

1800 

25Ö 

10,163 

635 

25 

8067 

4944 

3200 

'4000 
5000 
6000 
3000 
215 
3200 
13,44 


387 


Barcelona. 


Catalonien 


Lerida 


Tarragona  . 
Cuba  .  .  .  \  Isla  de  Cuba 


Galicia  .  .      Lugo    .... 
Guipuzcoa  j  S.  Sebastian 

Murcia  .  .  <  Murcia   .  .  . 

Nayarra  .  |  Pamplona.  . 


Valencia  . 


Alicante.  . 


Valencia   . 


Fanegas.  Estadales. 

Mujada 433 

Cuartera ....  216,3 

Jomal 409,5 

Porca 34,55 

Jomal 209 

CabaUeria  .  .  .  20,25 

Cor  del  cuadrado  35,22 

Ferrado  ....  39 

Fanegada   ...  i-      306,23 

Postura 5,06 

Fanega 4,04 

TahuUa 100 

Ochava 12,5 

Robada 280 

Almutada   .  .  .  23,3 

Jornal 320 

TahuUa 80 

Chavada 4,648 

Cahizada ....  446,23 

Hanigada.  ...  74 

Cuarton   ....  18,5 


□Varas. 

6928 
3464 
6552 

546 

3346 

186,624 

563,63 

625 

4900 

49 

9600 

1600 

200 
4480 
373,3 
5120 
1280 
42,840 
7140 
1190 

297 


Hohlmaasse  für  Getreide. 


Im  Allgemeinen  in  beiden  Ca- 
stilien,  Andalusien,  Estre- 
madura,  Galicien  und  den 

Basken 

Alcafiiz    .... 


Fanegas.  Celemines.  Cuartillos. 


Aragon  .  . 


Teruel 


Zaragoza  .  .  . 


Asturien  .  <  Oviedo  .... 


Balearen  .  <  Palma 


Gesetzliche  Fa- 
nega    1 

Celemin   .... 

Cahiz 3,85 

Cahiz 2,5 

Fanega 

Quartal 

Cahiz 3,33 

Fanega 

Almud 

Fanega 

Hemina 

Copia 

Cuartera  ...  *   1,3108 
Barcella  .... 

Almud 

25' 


12 
1 


9,25 
2,31 


6,66 
2 

2,621 


1,66 


1,747 


388 


Galicien    . 


Navarra   . 


Viscaya.  . 


Valencia  . 


Barcelona  . 


Catalonien  <  Gerona .  .  . 


Lerida  .  .  . 


Coruüa .  .  . 

Lugo  .... 
Pontevedra 


Guipuzcoa  <   S.Sebastian 


Pamplona 
Bilbao  .  . 
Alicante  . 
Castellon . 
Valencia  . 


Fanegas.  Celemines.  Cuartillos. 

Cuartera 1,28 

Cuartan 1,28 

Picotin 1,28 

Salma 5,12 

Carga 3,2 

Cuartera 1,28       3,82 

Cortan 

Carga 3,33 

Cuartera 1,33       1,33 

Cortal 

Fanega 4,19 

Ferrado 


idem  de  nedo .  . 
Ferrado  o  tega . 

Tego . 

Ferrado 

Conca 

Fanega 1,05 

Cuartal 

Celemin 

Carga 3,135 

Robo 

Cuartal 

Fanega 1,06 

Cahiz 4,5 

Barchilla 

Cuartillo 

Cahiz 3,73 

Cahiz 3,69 

Barchilla 

Celemin 


3,743 
4 
3 

3,43 


3,15 


6,25 
1,56 


4,5 


3,69 


3 


1,14 


3,15 


1,25 


3,69 


Vergleichung    der  Castilischen    oder  in    Spanien    ge- 
setzlichen Maasse  und  Gewichte   mit  dem  metrischen 

Decimal-System. 

a.      LängenmaasB-e. 

Vara  lineal 8,359    Decimeter. 

Pie  3  auf  die  Vara 2,7863 

Palmo       4     »      •        »,....  2,0897 

Pulgada  12     »      »    Pie 2,322    Centimeter. 

Linea       12     »      »    Pulgada    .  .  1,935    Millimeter. 


389 

b.     Wegemaasse. 
Legua,  20,000  Pies  Kneales 5570,66  Meter. 

c.     Flächen-  oder  Ackermaasse. 

Fanega      576  Estadales 64,395  Are. 

Aranzada  400  Estadales 44,719     » 

Estadal       16  Quadrat-Varas  .  11,179  Quadrat -Meter. 

Quadrat -Vara 69,72    Quadrat -Decimeter. 

d.    Hohlmaasse  für  trockene  Gegenstände. 

Cahiz  de  grano 6,67  Hectoliter. 

Fanega     12  auf  den  Cahiz 55,5337  Liter. 

Celemin    12  auf  die  Fanega 4,6319  » 

Cuartillo  12  auf  den  Celemin .  1,1579  » 

e.    Hohlmaasse  für  Flüssigkeiten. 

Moyo 2,5819  Hectoliter. 

Cantara    16  auf  den  Moyo 16,1368  Liter. 

Azumbre    8     »       »     Cantara 2,017        » 

Cuartillo    4     »       »    Azumbre 5,042    Deciliter. 

Copa  4     »      »    Cuartillo 1,2605        » 

f.     Körpermaasse. 

Cubische  Vara 584         cub.  Decimeter. 

Cubischer  Fuss,  27  auf  eine  cub.  Vara  .  .      21,632     »  » 

Cubischer  Zoll,   1,728  auf  einen  cub.  Fuss      12,518  cub.  Centimeter. 

g.    G  e  w  i  c  h  t  e. 

Tonelada  de  peso 921  Kilogramm. 

Quintal  20  auf  1  Tonelada 46,05 

Arroba     4     »    1  Quintal 11,5125 

Libra      25     »    1  Arroba 4,603  Hectogramm. 

Onza       16     »    1  Libra 28,76  Gbramme. 

Adarme    6*1  Onza 1,798  » 

Tomin      3     »    1  Adarme 5,99  Decigramm. 

Grano     12     »    1  Tomin 4,99  Centigramm. 

Vergleichung    des   metrischen  Decimal-Systems    mit 
den  gesetzlichen  Castilischen  Maassen  und 

Gewichten. 

a.    Längen-  und  Wegemaase. 

Myriameter  10,000  Meter 1,79446  Leguas. 

Küometer       1,000      »       1196,307      Varas, 


11 


390 

Hectometer  100        Meter 119,63      Varaa. 

Decameter      10  »  • 11,963 

M^*«^  1  •     j      3,589    Pies. 

Dedmeter        0,1  .     j      ^J^  pj,g,^. 

Centimeter       0,01         »      )       c\/.o    x- 

(      5,168    Lineas. 

IVliUimeter        0,001       »      0,516 

b.     Ackermaasse. 
Hectare    10,000  Quadrat^Meter js^Sf  E^^r 

Are         100        ünidad  superficial j  ^^^^  Quadrat-Varas. 

(      0,089  Estadales. 
Centiare     0,01   Deare  oder  Quadrat-Meter  <     1,431    Quadrat- Varas. 

(    12,8803  Quadrat-Fuss. 

c.    Hohlmaasse  für  trockene  Gregenstände. 

Kiloüter     1,000  Liter 17,9908  Fanegas. 

Hectoliter     100      » 1,799 

Decaliter        10      »      2,158    Celemines. 

j^  j      ^  I    0,8635  Cuartillos. 

.•  •  '  •  I    3,454    Ochavos. 

DeciUter    0,1  »      1,3817  Ochavillos. 

d.    Hohlmaasse  für  Flüssigkeiten. 

KUoliter     1,000  Liter 61,97    Cantaras. 

Hectoliter     100      »      6,197 

Decaliter         10      »      4,957  Azumbres. 

Liter  1      »      1,983  Cuartillos. 

Deciliter    0,1  »      0,793  Copas. 

e.     Körpermaasse. 

^  , .,       ,                 .  ^w.  T  i.  \    1,71209  Varas  cub. 

Cubikmeter  1,000  Liter j  ^52266    Pies  cub. 

Cubik-Decüneter    1  .       j  ^^^^    ^'^^  ^^^ 

Cubik- Centimeter  0,001      »       '.  .  .    137,95        Lineas  cub. 

f.     Gewichte. 

Tonne,  metrisch    1,000  Kilogramm 21,7347  Quintales. 

Centner  (Quintal)     100  »  2,1734 


)» 
1» 


391 

Kilogramm     1,000  Gramm 2,1734  Libras. 

Hectogramm     100        »      3,477    Onzas. 

Decagramm        10        »      5,564    Tomines. 

Gramm  1  idem  Centimeter  cub.  de  agua.  20,03      Granos. 

Decigramm     0,1      Gramm 2,003 

Centigramm   0,01  »      0,2003 

Das  Verhältniss  der  Spanischen  Legua  zur  Preussischen  Meile: 
20,000  Pies  lineales 
8666  Yaras  lineales 

5570,66  Meter =  2000  Rhein,  Ruthen. 

16,64      .        z=  14,77       1. 

In  den  Spanischen  Häfen,  ganz  besonders  aber  in  Barcelona, 
dem  Haupthafen  und  Handelsplatz  der  Pyrenäischen  Halbinsel,  fin- 
det nachstehende  Reduction  der  Räume,  Maasse,  Gewichte  und  Ge- 
fässe  statt,  wie  sie  bei  den  gegenseitigen  kaufmännischen  Abrech- 
nungen zum  Grunde  gelegt  werden. 

Maasse  des  Raumes  (medidas  de  capacidad.) 

100  Quarteros  von  Barcelona  sind  gleich: 
345^  Barcillas  de  Alicante. 
124|^  Fanegas  de  Bilbao. 
128^        »        de  Cadiz. 
127f^        *        d®  Cartagena. 
429^0  Ferrados  de  Coruäa. 
95^^  Fanegas  von  Gijon. 
93^  Cuarteros  von  Mahon. 

^^rk        •  ^^^  Mallorca. 

129^  Fanegas  von  Malaga. 
129^^        »         von  Santander. 
130,*ä        »        von  SeviUa. 
419^5  Barchillas  von  Valencia. 

44f^  Cargas  von  Marseille. 

60^^  Minas  von  Genua. 

98ioö  Saccos  von  Livomo. 

83^  Staras  von  Triest. 
81^*^5  Moyos  von  Lissabon. 

2^^  Cuarteros  Imperiales  j  ^^^  j,^j^^ 

Gewichte. 

100  Quintales  von  Catalonien  zu  104  Pfund  sind  gleich: 

91  Castilianische  Pfirnd. 

92  Eisenpfund  von  Bilbao. 


392 


96    Pfiind  Stockfisch. 
118^      »       von  12  Onzas 

70^      »         »     16       »       J  von  Valencia. 

42^      »         »     18       » 

42\  Kilogramm  von  Frankreich. 
102    Lib.  de  poso  de  table  von  Marseille. 

91    Pfiind  von  Lissabon. 

93^       »  »    London. 

88ij      »         »    Genua. 
122        »  »    Livomo. 

76^      »  »    Triest. 

86^       »  »    Holland. 

88i^      »         »    Hamburg. 

86        »  »    Dänemark. 

99^       »       Lebensmittel    ) 
125        »       Eisen  >  von  Schweden. 

120        »       Staatsgewicht  ) 

100  Quintales  Cataloniens  sind  gleich: 

83,99  Pfund  Englischer  Stockfisch. 

27^  Schiffspfund  Stockfisch  von  Dänemark. 

242  Stockfischbunde. 

Eine  Americanische  Bala  =  18  Arrobas. 

Eine  Brasilianische  Bala  =  9  Arrobas  von  Catalonien. 

Ein  Sack  Cacao       =        100  Pfund 

Ein  Sack  Mehl         =        200       *      )  von  Barcelona. 

Ein  Kasten  Zucker  =  16—18 

Längenmaasse. 

100  Canas  von  Catalonien  sind  gleich: 

204^  Varas  von  Alicante. 

227^  EUen  von  Amsterdam. 

185^  Varas  von  Bilbao. 

227?j  breite  Ellen  )  t,  ..      i 

231?  kurze  Ellen  \  ^^^  ^'^^^^' 

185^  Varas  von  Cadiz. 

250^  Ellen  von  Dänemark. 

215    Cancerias  von  Gent. 
61    Canas  von  10^  Palmos 
64        »         »10         »5  von  Genua. 
711^«         »9 

275^  Ellen  von  Hamburg. 

270^  Brazas  von  Livomo. 


393 

145    Varas  von  Lissabon. 

172^  Yards  von  London. 

133^  Ellen  oder  168^  Meter  von  Frankreich. 

185    Varas  von  Castilien. 

222|  Archines  von  Russland. 

266^  Ellen  von  Schweden. 

Maasse  für  Flüssigkeiten. 

Die  gewöhnliche  Pipe  Wein  oder  Branntwein  von  4  Cargas  zu 
64  Costanes  entspricht: 

48    Cantaros  zu  16  Cuartillos  von  AUcante. 

32  »  »     »  »  »     Bilbao. 

32  »  »     »  »  »     Cadiz. 

32  »  «     9  »  »     Castilien. 

896    Cuartillos  von  Galicien. 

39^  Litres  von  Frankreich. 

64    Veltes  desgl. 

62         »       von  HoUand. 

62    Viertel  von  Hamburg. 
125    alte  Englische  Gallonen. 
100    Englische  Lnperial- Gallonen. 
2^  Mezzaruole  von  Genua. 

10^  Barili  von  Livorno. 
6^  Orne  von  Triest. 
948    Wassergewicht  von  Amsterdam. 

40    Arrobas  von  Castilien. 

40    ffrössere  Arrobas  )  c«     -n 

jo    ?!  •  j-i.  }  ^on  Sevilla. 

43    klemere  dito  \ 

31^  Cantaros  von  Tortosa. 

Die  Pipe  Oel  von  4  Cargas  enthält  gewöhnlich  9118^ :  119  Co- 
stanes zu  9 — 94  Pfund  Catalanischen  Gewichtes. 

Landwirthschaft.  Man  ist  in  Deutschland  im  Allgemei- 
nen der  Ansicht,  dass  Ackerbau  und  Viehzucht  in  ganz  Spanien 
im  höchsten  Grade  vernachlässigt  würden;  dass  man  der  frucht- 
baren Muttererde  nicht  mehr  zumuthe ,  als  eben  hinreiche ,  um 
den  arbeitsunlustigen  Grundbesitzer  mit  den  Seinen  vor  dem 
Verhungern  zu  sichern;  dass  der  ganze  Ackerbau  sich  darauf 
beschränke,  mit  der  Pflugschaar  nothdürflig  den  Schooss  der 
ungedüngten  Erde  zu  öffiaen,    den  Saamen  einzustreuen  und 


394 

nun  im  trägen  Müssiggange  abzuwarten,  bis  die  Frucht  gereift 
ist,  um  sie  zu  schneiden  und  aufzubewahren.  Man  glaubt,  dass 
von  einer  verständigen  geregelten  Ackerwirthschaft,  von  fleissi- 
gen  mülisamen  Feldarbeiten  so  wenig  die  Rede  sei,  wie  von 
einer  wissenschaftlichen  Behandlung  der  Sache,  oder  von  einer 
Fürsorge  und  Beförderung,  von  einer  Aufmunterung  und  Unter- 
stützung Seitens  der  Regierung.  Man  findet  diese  Ansichten  in 
vielen  Schriften  ausgesprochen,  in  neueren  Lehrbüchern  der 
Geographie  und  in  Reisebeschreibungen,  besonders  in  solchen, 
deren  Verfasser  das  Anrecht  auf  ein  competentes,  auf  eigene  An- 
schauung gegründetes  Urtheil  zu  haben  glauben,  weil  sie  ihre 
Erfahrungen  auf  einer  14tägigen  Dampfschiffahrts-Tour  von 
Marseille  nach  Barcelona  und  unter  Berührung  mehrerer  Hafen- 
plätze um  die  Halbinsel  herum  bis  nach  Cadiz  gesammelt  hatten. 
Wie  sehr  das  UrÜieil  eines  flüchtig  Reisenden,  der  der  Landes- 
sprache nicht  mächtig,  für  die  Eindrücke  der  augenblicklichen 
Stimmung  und  Verstimmung,  und  für  die  äussere  Erscheinung 
empfanglich  ist,  wie  leicht  das  Urtheil  sich  zum  Vorurtheil  ge- 
staltet, weiss  ich  aus  früheren  Reisen  aus  eigener  Erfahrung. 
Um  so  gi'össer  ist  die  Verpflichtung,  bei  einer  Schilderung  der 
liiesigen  Verhältnisse  die  Zustände  unbefangen  zu  betrachten, 
sie  genauer  ins  Auge  zu  fassen,  und  durch  die  hingestellten 
Thatsachen  den  Leser  in  den  Stand  zu  setzen,  sich  ein  eigenes 
Urtheil  zu  bilden.  Ich  bescheide  mich  sehr  gern,  dass  ich  mit 
dieser  Besprechung  keinesweges  den  Gegenstand  erschöpft  habe, 
dass  ich  den  gründlichen  Forscher  dadurch  nicht  befriedige, 
dass  sich  auch  in  diesem  Versuche  manche  Irrthümer,  Ungenauig- 
keiten  und  Unrichtigkeiten  finden  werden ;  ich  nehme  aber  für 
meine  Darstellung  die  Thatsadie  in  Anspruch,  dass  sie  entstan- 
den ist  aus  der  persönlichen  Anschauung,  wo  Zeit  und  Gelegen- 
heit dies  gestatteten,  aus  der  Information  und  Besprechung  mit 
Landesbewohnern  imd  die  Verhaltinsse  kennenden  Personen, 
und  aus  amtlichen  Mittheilungen,  wo  ich  mir  dergleichen  zu  ver- 
schaffen im  Stande  war.  Dass  man  mit  den  letzteren  zurückhal- 
tender ist,  als  in  anderen  Ländern,  namentlich  in  Deutschland, 


395 

findet  seine  natürliche  Erklärung  in  dem  Umstände,  dass  viele 
Verwaltungszweige  in  der  Entwickelung  oder  Reorganisation 
begriffen  sind,  und  es  mitunter  unmöglich  ist,  Notizen  über  Re« 
sultate  zu  suppeditiren.  In  meiner  Schilderung  ist  es  mir  ledig- 
lich um  die  Sache  zu  thun;  es  ist  der  erste  Versuch,  die  inneren 
Zustande  eines  interessanten,  wenig  gekannten  imd  ims  doch  so 
nahe  liegenden  Landes  zu  besprechen;  mögen  es  Andere  nach 
mir  noch  besser  imd  gründlicher  thtm ;  ich  werde  mich  aufrich- 
tig darüber  freuen,  so  wie  ich  dankbar  jede  Berichtigung  meiner 
Angaben  entgegen  nehmen  werde. 

Ich  könnte  damit  beginnen,  vergleichende  Zahlen  wiederzu- 
geben, durch  welche  der  Fortschritt  in  Ackerbau  und  Viehzucht 
unzweifelhaft  nachgewiesen  wird;  ich  brauchte  dazu  nur  anzu- 
führen, dass  Spanien  im  Jahre  1805  nicht  so  viel  Getreide  baute, 
als  zimi  eigenen  Bedarf  erforderlich  war,  während  im  Jahre  1850 
l^  Million  Fanegas  Weizen  im  Werthe  von  70,000,000  r.  gewon- 
nen wurden;  femer,  dass  die  Zahl  der  Schafe  in  Spanien  im 
Jahre  1805  10  MüHonen,  im  Jahre  1830  aber  23  MilUonen  be- 
trug, und  wenn  solche  seitdem  nicht  in  gleichem  Verhältnisse 
fortgeschritten,  dies  notorisch  im  Interesse  der  Landescultur  un- 
terbUeben  ist.  Allein  ich  ziehe  es  vor,  das  Gebiet  der  Landwirth- 
schaft  durch  ihre  einzelnen  Zweige  zu  verfolgen. 

Es  ist  richtig,  dass  Clima  und  Boden  dem  Ackerbau  in  Spa^ 
nien  überaus  günstig  sind;  es  ist  wahr,  dass  Landwirthschaft 
und  Viehzucht  in  mancher  Beziehung  vernachlässigt  werden; 
dass  sie  nicht  leisten,  was  ohne  Beeinträchtigung  des  Bodens 
und  ohne  üeberanstrengung  seiner  Bewohner  geleistet  werden 
könnte;  es  wird  zugestanden,  dass  der  Standpunkt  der  Spani- 
schen Landwirthschaft  wesentlich  hinter  denyenigen  zurück- 
geblieben ist,  der  sich  in  dem  ganzen  nördlicheren  Europa  ent- 
wickelt hat.  Allein  es  würde  eine  schreiende  Ungerechtigkeit 
sein,  hierbei  die  Geschichte  der  letzten  50  Jahre  zu  übersehen; 
die  Verwüstungen,  welche  die  inneren  und  äusseren  Kriege  in 
ihrem  Gefolge  gehabt;  oder  die  Eigenthümlichkeiten  des  Landes 
nicht  zu  berücksichtigen;   die  schwache  Bevölkerung;   die  alle 


396 

• 

Arbeitskraft  lähmende  Hitze  des  Sommers ;  den  Mangel  an  Wasser 
u.  s.  w.  Seitdem  die  äussere  und  innere  Ruhe  hergestellt,  die 
Segnungen  des  Friedens  und  der  Ordnung  eingetreten  sind,  ent- 
wickelt sich  auch  in  der  Landwirthschaft  eine  neue  Thätigkeit, 
welclie  in  den  meisten  Provinzen  erfreuüche  Fortschritte  wahr- 
nehmen lässt.  Die  grosse  Zahl  der  landwirthschaftlichen  Ver- 
eine, die  von  ilmen  veröffentlichten  Aufsätze  und  Belehrungen, 
die  gekrönten  Pr eisscliriften ,  die  vertheilten  Belohnungen,  und 
die  Aufmerksamkeit,  welche  Seitens  der  höchsten  Beamten,  so 
beispielsweise  vom  General- Capitain  in  Catalonien,  auch  diesem 
Verwaltungszweige  gewidmet  wird,  tragen  wesenthch  zur  För- 
derung der  Sache  bei.  Bei  der  Verschiedenartigkeit  der  climati- 
schen  und  Bodenverhältnisse  in  den  einzelnen  Provinzen  des 
Landes,  werden  Theorie  und  Praxis  in  der  Landwirthschaft 
gleichfalls  von  verschiedenartigen  Vorbedingungen  ausgehen 
müssen,  um  überall  gleich  glücküche  Erfolge  erzielen  zu  können. 
In  der  Beschaffenheit  von  Futter,  Dünger  und  Ernten  liegt  das 
Wesen  der  Landwirthschaft;  viel,  gut,  billig  und  Nützliches  zu 
produciren,  ist  ihr  Zw^eck;  Capital,  Erfahrung  imd  Arbeit  ihre 
Mittel.  Der  Ackerbau  ist  eine  Industrie  und  Speculation;  dem 
Fleissigen  und  Geschicktesten  wii'd  der  grosseste  Gewinn  zu 
Theil.  Dies  weiss  man  in  Spanien  so  gut  wie  in  Deutschland, 
ohne  dass  ich  mich  hier  auf  Männer  wie  Caveda  oder  Olivan  zu 
beziehen  brauche.  Vorurtheile  gegen  Neuerungen,  Gewohnheit, 
Bequemlichkeit  und  Beibehaltung  der  von  den  Vorfahren  über- 
kommenen Observanzen  stellen  sich  hier  nicht  hartnäckiger  den 
rationellen  Bestrebimgen  entgegen,  als  sie  zu  ilirer  Zeit  in  Deutsch- 
land und  selbst  in  meinem  Vaterlande  bekämpft  werden  muss- 
ten,  und  als  sie  in  der  Provinz  Posen  noch  gegenwärtig  vorkom- 
men. Es  ist  aber  mindestens  zweifelhaft,  in  welchen  der  beiden 
Länder  mit  grösserer  Körperanstrengung,  mit  grösseren  Entbeh- 
rungen  und  geringeren  Annehmlichkeiten  des  Lebens  gearbeitet 
wird,  in  Spanien  oder  in  Deutschland?  In  Deutschland  glaubt 
man  freilich,  wie  ich  bereits  angefahrt  habe,  dass  der  Spanische 
Bauer  sein  Leben  meist  in  Trägheit  und  Unthätigkeit  hinbringt, 


397 

dass  er  arbeitsunhistig  sei,  weil  er  faul  sei.  In  Andalusien  wird 
auch  sehr  wenig  gearbeitet;  grosse  Strecken  fruchtbaren  Bodens 
liegen  unbewohnt  und  unbebaut,  und  in  den  Städten  und  Dör- 
fern sieht  man  zu  allen  Jahres-  und  Tageszeiten  Männer  zusam- 
mensitzen, mit  Rauchen,  Schwatzen,  Gesang  und  Spiel  oder  mit 
Nichts  beschäftigt.  Der  Andalusier  ist  allerdings  weniger  zur 
Arbeit  aufgelegt,  und  die  Ergiebigkeit  seines  Landes  und  die 
Massigkeit  in  seinen  Ansprüchen  kommen  ihm  dabei  wohl  zu 
statten;  aber. seine  Soime  erschwert  ihm  auch  die  Anstrengun- 
gen des  Körpers  imgemein.  Dagegen  sehe  man,  mit  welcher 
Ausdauer,  mit  welcher  Mühseligkeit,  mit  welchem  Aufwand  von 
Kräften  man  in  anderen  Provinzen  im  Freien  arbeitet!  Nicht 
allein  in  den  nördUchen  Provinzen,  wo  die  Temperatur  frischer 
und  belebender  ist ;  nicht  allein  in  Catalonien,  wo  der  Fleiss  und 
die  mühsame  Arbeit  zu  Hause  imd  sprüchwörtlich  geworden 
sind;  sondern  südlicher  hinab,  in  der  glühenden  Sonne  von  Va- 
lencia, in  der  sengenden  Hitze  von  Alicante  und  Murcia,  be- 
obachte man  die  Feldarbeiter,  den  ganzen  Tag  hindurch,  wie  sie 
sich  quälen  im  Schweisse  ihres  Angesichtes,  wie  sie  graben,  wie 
sie  pflügen,  wie  sie  düngen,  wie  sie  bessere  Erde  auf  den  schlech- 
ten Acker  tragen,  wie  sie  ernten,  und  wie  sie  den  Ertrag  zu 
Markte  schleppen,  imd  wie  sie  bei  der  Seltenheit  des  befruch- 
tenden Regens  nicht  immer  auf  gute  Erträge  rechnen  können, 
imd  kaiun  im  Stande  sind,  neben  den  Steuern  und  den  drücken- 
den Pachtbedingungen  ihr  dürftiges  Leben  zu  fristen.  Und  wenn 
dann  im  Herbst,  wie  in  Murcia  und  Cartagena,  der  Regen  aus- 
bleibt, die  trockene  Erde  berstet,  die  Frucht  verdorrt,  der  zu 
Stein  erhärtete  Boden  die  Pflugschaar  nicht  einlässt,  das  Saat- 
korn schutzlos  erstickt;  dann  ist  es  nicht  die  Trägheit,  die  den 
verzweifelnden  Landmann  mit  Weib  und  Kind  von  der  väter- 
lichen Scholle,  aus  dem  theueren  Vaterlande  hinaus,  über  das 
Meer  nach  Oran  treibt,  um  dort  einen  neuen  Kampf  mit  der  Na- 
tur um  das  jämmerUche  Dasein  zu  beginnen! 

Der  Spanische  Bauer  besitzt  je  nach  den  mehr  oder  we- 
niger bevölkerten  oder  fnichtbaren  Gegenden  30,  50,  100,  ja  bis 


398 

500  Fanegas  oder  Morgen  Acker;  und  erst  neuerdings  hat  ein 
Gesetz ,  um  die  zu  häufige  Theilung  des  Grundbesitzes  zu  ver- 
hindern, bestinunt^  dass  das  Gut  stets  geschlossen  dem  ältesten 
Sohne  vererbt  werden  soll. 

Die  Landwirthschaft  theilt  sich  in  Feld-,  Gemüse-  und 
Gartenbau,  Baum-  imd  Viehzucht  und  in  die  ländliche  Oeco- 
nomie. 

Das  Clima  erfordert  eine  ganz  besondere  Berücksichtigung. 
Man  imterscheidet  sieben  verschiedene  Culturregionen,  welche 
in  Spanien  vertreten  sind.  Die  Region  des  Zuckerrohres;  der 
Orange;  des  Oelbaumes;  des  Weinstockes;  der  Cerealien;  der 
Weide  und  der  Haide.  Im  Norden  Spaniens  ist  es  kalt;  im  Süden 
heiss;  das  feuchte  Galizien  erfordert  eine  durchaus  verschiedene 
Behandlung  von  der  des  trockenen  Estremadura;  Burgos  und 
Murcia  bilden  älmUche  Gegensätze,  wie  Pamplona  imd  Sevilla. 

Die  Bodenbeschaffenheit,  die  Verhältnisse  seiner  Bestand- 
theile  zu  einander,  der  Gehalt  an  Humus,  Thon,  Kalk,  Sand  sind 
eben  so  verschiedenartig  in  Spanien,  als  die  dadurch  bedingte 
Benutzung  und  je  nach  ihrer  natürUchen  oder  künstlichen  regel- 
mässigen Bewässenmg  ilu:  Ertrag.  Fast  in  allen  Provinzen  ge- 
wahrt man  deshalb  die  Bestrebungen,  die  Beschaffenheit  des  für 
die  Localbedürfhisse  ungünstigen  Bodens  zu  verbessern.  Auf 
Sand  wird  Lehm  und  Kalk,  und  lungekehrt,  getragen ;  die  über- 
schwemmten Ländereien  werden  durch  Abzugscanäle,  die  trocke- 
nen durch  Bewässerungscanäle  gebessert;  die  Salztheile  und 
Säuren  durch  Berieselungen  entfernt.  Die  Wärme  und  Kälte 
des  Bodens  wird  durch  Vermischungen  ausgegUchen.  Man  muss 
diese  Arbeiten  beobachtet  haben;  in  gebirgigen  Gegenden  die 
Mühsamkeit,  um  den  Felsboden  mit  Erde  zu  bedecken,  welche 
Lastthiere  oder  Menschen  in  Körben  herbei  schaffen ;  das  Auf- 
tragen der  besseren,  nnt  Dünger  befruchteten  Erde  auf  die  Oel- 
baumpflanzungen  oder  die  Weinberge,  Arbeiten,  die  mir  die  An- 
strengungen der  Weinbauer  in  unserem  Moselthale  vergegen- 
wärtigten. Man  muss  die  Sorgfalt  beobachtet  haben,  mit  welcher 
gegen  Sonnenuntergang  die  Schöpfräder  überall  in  Bewegung 


399 

gesetzt  werden,  um  aus  den  wohlverwahrten  Brunnen  und 
Cistemen  mit  weiser  Oeconomie  den  lechzenden  Pflanzen  der 
Gemüsegärten  ihre  Erquickung  zukommen  zu  lassen;  man  muss 
in  die  Vorhallen  der  Wohnungen  getreten  sein,  um  die  Frauen 
imd  Mädchen  am  Webstulü,  und  mit  Haspehi,  Spinnen,  Klöp- 
peln und  Nähen  beschäftigt  zu  sehen,  und  man  wird  Arbeit 
und  nutzenbringende  Thätigkeit  nicht  in  dem  Maasse  vermissen, 
um  die  der  Gesammtheit  gemachten  Vorwürfe  gerechtfertigt 
zu  sehen. 

Im  Allgemeinen  baut  man  Roggen  und  Hafer  auf  Hügehi, 
Weizen  in  baimilosen  Ebenen,  Gemüse  und  Gartenfrüchte  in 
feuchten  Vegas.  Der  Oelbaum  und  der  Weinstock  erhalten  den 
besten  Boden.  Umgerissenes  Waldland  gönnt  man  den  Patatas 
und  Garbanzos.  Die  Brache  ist  das  Viehfutter;  ausserdem  erhal- 
ten die  Hausthiere  Kömer,  Stroh  und  getrocknete  Kräuter.  Von 
Grünfutter  in  den  südlichen  Provinzen  kann  nicht  viel  die  Rede 
sein.  In  Andalusien  imd  Estremadura,  wo  der  Länderbesitz 
gross  und  das  wenig  bevölkerte  Land  sehr  fruchtbar  ist,  besteht 
eine  Dreifelderwirthschaft.  Man  lässt  dem  Boden  nach  der 
Ernte  zwei  Jahre  Ruhe,  und  gewährt  ihm  dann  vor  dem  Um- 
pflügen die  einzige  Düngung  durch  das  Abbrennen  der  Stop- 
peln, Gräser  und  Kräuter,  welche  inzwischen  im  üppigen  Wüchse 
das  Feld  überwuchert  haben.  Da  jedoch,  wo  der  Boden  weniger 
kräftig,  wo  der  Grundbesitz  in  bevölkerteren  Gegenden  be- 
schränkter ist,  und  wo  man  ihm  durch  Dünger  zu  Hülfe  kommen 
muss,  und  überall,  wo  die  Landwirthschaft  rationell  getrieben 
wird,  ist  die  Anwendung  des  animalischen,  vegetabilischen  oder 
mineralischen  Düngers  eingeführt  In  den  Dorf-  und  auf  den 
Landstrassen  sieht  man  aujQoierksame  Kinder  mit  Körben  die 
Gelegenheit  abwartend,  welche  die  passirenden  Pferde  oder  Esel 
geben  möchten,  ihre  Körbe  zu  füllen;  der  Kehricht  aus  den  Häu- 
sern, die  Abgänge  aus  den  Küchen,  die  Ablagerungen  der  Rinn- 
steine, der  Inhalt  der  Latrinen  werden  fleissig  in  Anspruch  ge- 
nommen, um  sogleich  aufs  Feld  gefahren  oder  zu  künstlicher 
Düngerbereitung  verwendet  zu  werden.     Da  die  Zugtbiere  in 


400 

den  Ställen  auf  Steinpflaster  stehen  und  kein  Streustroh  erhal- 
ten, indem  das  Stroh  als  Hecksei  verfuttert  wird,  Stallfatterung 
nicht  stattfindet,  eine  Milch wirthschaft  eigentlich  nur  in  den 
nördlichen  Provinzen  bekannt  ist,  so  begnügt  man  sich  damit, 
den  Stalldünger  mit  Kraut  und  Blättern  zu  vermischen.  Auch 
der  Mergel  wird  zur  Düngung  verwendet;  desgleichen  Knochen, 
Blut  und  Fleischabgänge,  Farren-  und  Haidekräuter,  Sumpf- 
pflanzen, Olivenreste  und  Weintrebem,  Asche,  Russ,  Kohle  und 
Torf.  Auch  Guano,  Kalk,  Gips  und  Salz  hat  man  angewandt^ 
wenn  es  darauf  ankam,  den  Boden  stark  zu  erwärmen.  Diese 
letzteren  Mittel  nennen  die  Spanier  estimulantes.  In  Aragon 
wird  der  Schlamm  mit  dem  günstigsten  Erfolge  angewandt^  und 
zwar  besonders  derjenige,  welcher  im  ganzen  Laufe  des  Jalon 
nach  dessen  regelmässigen  Ueberschwemmimgen  zurückbleibt, 
und  die  weiten  Uferflächen,  wie  der  Nil,  in  die  üppigsten  Ge- 
müse- und  Fruchtgärten  verwandelt.  In  denselben  Thälem 
wird  die  schlammige  Masse,  welche  sich  durch  die  Wasser  bil- 
det, die  von  den  Bergen  herabfliessen  \md  bei  dieser  Gelegenheit 
eine  Menge  von  Kalkth  eilen  herabschwemmen,  die  sich  dann  un- 
ten zu  einer  dicken  Masse  verdichten ,  ausgestochen  und  so  aufs 
Feld  gefuhrt.  Endlich  besteht  die  Befruchtung  der  Aecker  durch 
Berieselungen  nach  bestimmten  regelmässig  wiederkehrenden 
Wasserzuflüssen,  die  sich  in  Folge  genauer  Nivellirungen  hin- 
sichts  der  gleichmässigen  Vertheilung  aufs  genaueste  berechnen 
lassen.  Die  vorzüglichsten  Berieselungssysteme  sind  die  in  der 
Huerta  von  Valencia,  in  der  Huerta  von  Murcia  und  in  der 
Llobregat- Ebene  bei  Barcelona.  Die  zur  Aufsicht  gestellten 
Wächter  sind  vereidigt  und  angewiesen,  beim  Oeflftien  der 
Schleusen,  und  in  Betreff  der  Zeit  und  Dauer  der  Berieselung 
mit  der  grossesten  Gewissenhaftigkeit  ihrer  Instruction  entspre- 
chend zu  verfahren. 

Die  zum  Ackerbau  erforderlichen  Geräth Schäften  sind 
theils  durch  Thiere  in  Bewegung  gesetzt,  theils  von  Menschen- 
händen regiert.  Das  wichtigste  Instnmient  ist  der  Pflug  in  der 
ursprünglichen  einfachsten  Gestalt;  der  Haken,  bineta  o  gara^ 


401 

bato,  von  einem  Pferde  gezogen;  der  timonero,  mit  einer  Hand- 
habe und  bisweilen  mit  Messern  versehen;  so  wie  der  estirpator 
sind  die  in  Spanien  gebräuchlichsten.  Den  deutschen  Pflug 
(charua)  findet  man  in  Asturien  und  GaKcien.  Die  Egge  (grada 
oder  rastro)  ist  im  Gebrauche,  in  verschiedenen  Grössen,  mit 
ZShnen  von  Eisen  oder  Holz ,  von  einem  oder  zwei  Thieren  ge- 
zogen. In  der  Regel  sieht  man  kleine  Eggen,  mit  Holzzähnen 
versehen,  mit  einem  Maulthiere  bespannt.  Auf  der  Egge  steht 
der  Landmann,  und  dirigirt,  während  er  sich  am  Schwänze  des 
Esels  festhält,  den  Gang  des  letzteren.  Die  grosse  Steinwalze 
(rodillo)  ist  allgemein  eingeführt;  sie  ebnet  den  Boden,  befestigt 
das  Saatkorn  und  erdrückt  die  Insecten.  Die  Handgeräthe  für 
den  Feldbau  sind:  der  Spaten  (azada),  die  Hacke  (azadon), 
Grabscheit  (laya),  Schaufel  (pala)  und  der  Dreizack,  eine  Gabel 
von  3  starken  parallel  laufenden,  wenig  gekrümmten  Eisen- 
spitzen, 1^  bis  2  Fuss  lang,  mit  denen  der  schwere  Boden  auf- 
gebrochen wird.  In  den  nördlichen  Provinzen,  wo  das  bergige 
Erdreich  die  Arbeit  mit  der  Pflugschaar  erschwert,  treten  vier 
bis  sechs  Männer  oder  Frauen  (denn  diese  verrichten  dort  ne- 
ben den  häuslichen  alle  Feldarbeiten  mit)  zusammen,  brechen 
gemeinschaftlich  mit  diesen  Dreizacken  den  schweren  Boden 
auf,  imd  legen  4  —  8  Fuss  lange  Schollen  um.  In  den  Nordpro- 
vinzen besteht  auch  noch  der  alte  Römische  Ochsenwagen  mit 
grossen  Scheibenrädern  und  beweglicher  Achse.  Zur  Feldarbeit 
werden  Stiere,  Pferde,  Esel  und  Maulthiere  benutzt  In  Andalu- 
sien mitunter  Cameele. 

Zur  Saatzeit  wählt  man ,  da  das  Getreide  im  Allgemeinen 
inuner  als  Winterfrucht  bestellt  wird,  den  Frühherbst,  wenn  der 
erste  Regen  eingetreten  ist,  welcher  jederzeit  abgewartet  werden 
muss,  um  den  trockenen  Boden  zu  erweichen,  dadurch  die  Be- 
stellung zu  erleichtem,  und  dem  Saatkorn  die  erforderliche 
Feuchtigkeit  zum  Keimen  zu  gewähren.  Das  Ausjäten  des  Un- 
krautes, insbesondere  der  Distel  (escarda)  wird  durchweg  in 
Spanien  mit  der  grossesten  Sorgfalt  gehandhabt;  man  sieht  des- 
halb auch  überall  die  reinsten  Saaten,  welche  dadurch  zugleich 

▼.  MinntoU,  Spanien.  26 


402 

am  besten  geeignet  sind,  sich  kr&ftig  zu  entwickeln.  Gegen  den 
Winter  oder  im  Frühjahr,  wenn  die  Erde  sich  erhärtet,  werden 
Erdäpfel  (patatas),  Erdbimen  (batatas),  Bohnen  (judias),  Schmink- 
bohnen (habichuelas),  Feigen  (higueras),  der  Oelbaum,  Wein- 
stock, Maxdbeerbaum  (morera),  Krapp  (rubia)  entweder  mit  dem 
Spaten  behackt  oder  mit  dem  Pflug  behäufelt.  Die  Gremüse ,  die 
Wurzeln  und  Rüben  (raizes)  werden  mit  dem  Spaten  gestochen; 
die  CereaUen,  im  Süden  nwt  der  Sichel,  in  den  nördhchen  Pro- 
vinzen auch  mit  der  Sense  (hoz  oder  guadana)  geschnitten;  Hanf 
und  Flachs  mit  den  Händen  ausgerissen.  Die  Ernten  bringen  je 
nach  dem  Boden  und  sonstigen  mehr  oder  weniger  günstigen 
Jahres  Verhältnissen  das  7,  10,  20  bis  30te  Korn.  In  GraUcien  fin- 
den alljährlich  zwei  Ernten  statt  Roggen,  Gerste  imd  Hafer  wer- 
den im  Mai  geemtet;  dann  wird  Mais  gesäet,  und  dieser  im  Sep- 
tember, wo  er  vollständig  gereift  ist,  geschnitten. 

Die  Bewässerungen  und  Berieselungen  jßjiden  überall  je 
nach  den  vorhandenen  Fluss-,  Quell-  und  Cistemenwassem  statt 
Im  Frü}\jahr  häuflg,  aber  jedesmal  mit  wenigem  Wasser,  firOh 
Morgens;  im  Sommer  im  Ueberfluss  Nachmittags;  im  Herbst, 
wenn  es  nicht  an  Regen  fehlt,  selten;  im  Winter  nur  ab  und  zu 
in  der  Mittagsstunde.  Besonders  wichtig  ist  die  regelmässige 
Bewässeining  der  OUvenpflanzungen.  Sie  geschieht  mittelst  Rin- 
nen, welche  die  in  Parallel-Reihen  gesetzten  Bäume  untereinan- 
der verbinden ,  und  welche  sehr  genau  nivellirt  und  häufig  ge- 
pflastert sind,  um  den  freien  Lauf  des  zugelassenen  Wassers 
nicht  aufzuhalten. 

Die  in  Spanien  gebauten  Cerealien  sind:  der  Weizen,  Rog- 
gen, Hafer  (trigo,  centeno,  avena),  Gerste  (cebada),  Buchweizen 
(alforion),  Mais  (malz),  Hirse  (m\jo),  Fenchelhirse  (panizo),  Zah*> 
nia,  Kanariensaamen  (alpiste).  Reis  (aroz),  Rohr  mit  Knoten 
( cana  nudosa)  und  Espiga.  Die  behebteste  Getreideart  in  Spa- 
nien ist  der  Weizen.  Einige  Sorten  haben  helle  Farben,  weiche 
Kömer,  liefern  ein  weisses  Mehl;  andere  sind  hart,  spröde  und 
braun.  Es  giebt  in  Spanien  nicht  weniger  als  1300  Arten 
Weizen.   Sie  lassen  sich  in  sechs  Hauptgattungen  theilen. 


403 

1.  Escana  oder  escanda,  espelta,  trigo  vestido.  Die  Körner 
verlieren  die  Schaale  selbst  in  der  Mühle  nicht.  In  den 
kälteren  Provinzen  ist  die  Ernte  nur  massig;  das  Stroh  ist 
spröde,  kurz  und  schwach. 

2.  Trigos  chamorros ;  kurze  Halme,  kleine  Aehren,  glatt  und 
platt,  ohne  Bart.  Er  erfordert  ein  mildes  Glima,  wie  in  Ca- 
stilien.  Er  heisst  auch  mocho,  toseta,  piche,  tremesino  und 
blando,  weil  das  Mehl  vorzüglich  gut  und  weiss  ist 

3.  Trigos  candeales,  mit  breiten,  offenen  Hülsen,  langen  Bar- 
ten imd  besonders  weissen  Körnern.  Diese  Gattungen, 
welche  die  in  Spanien  allgemeinsten  sind,  kommen  auch 
mit  rothen,  blauen  und  gestreiften  Aehren  vor;  sie  heissen 
mitunter  marzal,  ceburra,  jeja,  quija,  barbilla,  mella, 
carricasa. 

4.  Trigos  redondillos;  haben  vierkantige,  eiförmige  oder 
dicke  (ventnidas)  Aehren  und  kurze  Kömer.  Die  Gattung 
verliert  zur  Ernte  nicht  den  Bart;  sie  ist  gesucht.  Die 
Aehren  sind  weiss,  röthlich  oder  blauschwarz;  die  Kömer 
goldig  röthlich,  niemals  weiss,  nicht  einmal  innerhalb. 
Die  Art  verträgt  keine  Kälte  aber  viel  Nässe.  Man  nennt 
sie  auch  nach  dem  Patron  des  Landbaues  trigo  de  San 
Isidro  oder  arisnegro  rodonell,  rubio,  Sietespiguin,  racimal, 
brancacho. 

5.  Trigos  fimfarones  o  morunos;  ausgezeichnet  durch  Stärke 
und  Körnergehalt.  Diese  Gattung  verlangt  guten  Boden, 
Wärme  und  Wasser;  sie  gedeiht  vorzugsweise  in  Andalu- 
sien, und  heisst  auch  Alaga,  trechel,  Morillo,  patiancho,  de 
Jerusalen,  Salmeron,  finana,  jijona,  fonteji. 

6.  Trigo  de  Polonia,  Polnischer  Weizen;  wird  eigentlich  nur 
auf  den  Balearen  gebaut;  hat  sehr  grosse  Aehren  und  Kör- 
ner, die  hart  und  fast  durchsichtig  sind.  Auf  dem  Fest- 
lande wird  er  nicht  mit  günstigem  Erfolge  gesäet. 

Der  RedondiUo  ist  in  Spanien  weniger  geschätzt,  als  der 
Candeal  oder  Chamorro.  Er  wird  im  Frühjahr  (jedoch  selten) 
oder  im  Herbst  gesäet,  und  heisst  dann  tremesino.  Im  AUgemei- 

26* 


404 

nen  gedeihen  die  Weizenarten  im  nördlicheren  Spanischen  Clima 
besser  als  im  südlichen.  Je  kräftiger  der  Boden ,  desto  grösser 
und  besser  das  Korn.  Ist  der  Boden  zu  heiss,  so  gewinnt  man 
an  Stroh  und  verliert  an  Kömern.  Der  Boden  darf  eine  Spanne 
unter  der  Oberfläche  höchstens  1 5  procent  Feuchtigkeit  enthal- 
ten, sonst  geräth  der  Weizen  nicht.  Man  baut  den  Weizen  nach 
rothem  (trebol)  oder  Spanischem  Klee  (alfalsa),  selbst  ohne  Dün- 
ger, jedoch  nicht  nach  Mais,  Hanf  oder  Rüben,  welche  dem  Bo- 
den zu  viel  Kraft  entziehen.  Nach  der  KartoflFelemte  kann  man 
Weizen  mit  der  Asche  des  Kartoflfelkrautes  einsäen.  Als  der 
beste  Weizendünger  gilt  der  von  Pferden ,  mit  Stroh  von  Cerea- 
lien  vermischt.  Solcher  wird  aber  nur  in  den  nördlichen  Pro- 
vinzen angewendet.  Die  Saat  muss  rein  erhalten ,  das  Unkraut 
entfernt  und  die  einzelnen  überragenden  Aehren  ausgerissen 
werden.  Auf  ebenem  Terrain  säet  man  einen  Scheffel  (fanega) 
auf  einen  Morgen  (fanega  superficial)  zu  576  Estadales;  auf 
gutem  Boden  mehr,  jedoch  wenn  das  Korn  mehrere  Aehren 
treibt,  weniger.  Man  rechnet  durchschnittlich  200  Aehren  auf 
jede  Quadrat- Vara.  Man  wechselt  in  der  Fruchtfolge  mit  Wei- 
zen und  Roggen.  Damit  der  Weizen  nicht  durch  Unkraut  über- 
wachse, so  wird  er  möghchst  früh  gesät.  Im  nördlichen  Spa- 
nien wird  er  mit  der  Sense,  in  Estremadura  und  Andalusien  mit 
der  Sichel  geschnitten.  Gedroschen  wird  er  im  Norden  mit  Fle- 
geln; im  übrigen  Theile  von  Spanien  wird  das  Getreide,  nach- 
dem es  in  Garben  gebimden  xmd  in  runden  oder  langen  Pyrami- 
den so  zusammengestellt  war,  dass  die  Luft  freien  Zutritt  hatte, 
auf  Feldtennen  von  festgestampftem  und  überwalztem  Lehm  ge- 
tragen, dort  2  bis  3  Fuss  hoch  aufgeschüttet,  und  zunächst  durch 
Esel  oder  Pferde  durchtreten  und  dann  mit  Holzschleifen ,  vor 
welche  ein  oder  zwei  Esel  gespannt  sind,  befahren.  Diese  Schlit- 
ten oder  Schleifen  sind  imten  mit  scharfen,  eingeklemmten  Kie- 
selsteinen, mit  Holzzinken  oder  eisernen  Stiften  oder  Schneiden 
versehen.  Sie  haben  entweder  kleine  Räder  oder  Walzen,  gleich- 
falls mit  Stacheln  besetzt.  Auf  der  Schleife  steht  oder  sitzt  auf 
einem  festgenagelten  Stuhle  der  Landmann  und  fahrt,  indem  et 


405 

sich  am  Schweif  des  Maulthiers  oder  Pferdes  festhält,  einige 
Stunden,  und  zwar  so  lange  im  Kreise  von  15 —  20  Fuss  Durch- 
messer herum,  bis  dass  die  Körner  ausgefallen  und  das  Stroh  zu 
ganz  kleinen  Stückchen  zermalmt  ist.  Der  Landmann  hat  neben 
sich  ein  Körbchen  stehen  oder  hält  dasselbe  in  der  rechten  Hand, 
aufmerksam  den  Bewegungen  des  Zugthieres  folgend,  um^  den 
geeigneten  Moment  nicht  zu  verpassen,  aus  erster  Hand  den 
Beitrag  zur  Düngung  fiir  die  neue  Saat  im  Empfang  zu  nehmen 
imd  zu  sichern.  Statt  der  Schleifen  werden  auch  grosse  Stein- 
walzen zum  Dreschen  angewendet.  Mit  der  Wurfschaufel  be- 
arbeitet, sondert  sich  das  Korn  von  der  Spreu,  welche  letztere 
zu  mächtigen  Haufen  aufgethürmt,  zuletzt  in  die  Scheuem  ge- 
fahren und  als  Hechsei  für  Pferde,  Maulthiere,  Rindvieh  und 
Schafe  verfiittert  wird.  Die  Körner  werden  auf  luftige  Böden 
aufgeschüttet  und  häuüg  umgeschaufelt.  Sollte  Ueberfluss  an 
Getreide  und  Mangel  an  Gelass  sein,  so  werden  die  Garben  m 
runden  oder  eckigen,  mit  Strohkappen  oder  Brettern  eingedeck- 
ten Miethen  in  der  Nähe  des  Gehöfles  aufgestellt.  Unter  den 
Krankheiten  des  Weizens  ist  am  häufigsten  der  Rost  (herrum- 
bre),  der  sich  in  weissHchen  Puncten  und  gelblichem  Staube  be- 
merklich macht;  der  Mehlthau  (niebla),  der  einen  ovalen,  dun- 
kelen  Schorf  bildet;  der  schwarze  Staub  (carboncillo),  welcher 
sich  aus  der  Aehre  entwickelt;  und  der  Brand  (tizon  oder  ca- 
ries),  das  gefahrlichste  Uebel,  da  es  ansteckend  ist  und  sich  un- 
glaublich schnell  über  das  ganze  Feld  verbreitet  Der  Brand 
erfasst  gewöhnhch  die  kräftigste  Saat,  xmd  zwar  bald  nach  der 
Blfithe,  indem  die  Aehren  dunkelgrün,  bläulich  und  dann  weiss- 
lich  werden,  worauf  sich  aus  ihnen  ein  dicker,  schwarzer  Staub 
mit  durchdringendem  Genich  entwickelt.  Man  vermuthet,  dass 
die  Krankheit  aus  der  Fäulniss  der  vor  der  Reife  abgefallenen 
Oliven  entsteht.  Das  dem  Weizen  nachtheihgste  Unkraut  ist  die 
Cicana  oder  der  Comenillo.  Im  Jahre  1850  wurden  80,399  Fa- 
negas  Weizen  nach  England  verschifft.  An  Weizenmehl  nach 
Cuba  2,256,070  Arrobas,  an  Nudeln  82,189  Arrobas  eben  dahin. 


406 

Im  Jahre  1851  wurden  allein  von  Sevilla  ausgeführt 
662,506|  Fanegas  Weizen  in  Körnern  und  29,681  Arrobas  Wei- 
zenmehl. 

Der  Roggen,  welcher  in  seiner  Behandlung  dem  Weizen 
nahe  steht,  wird  überall  gebaut,  wo  letzterer  mcht  besonders 
gut  gedeiht.  Es  ist  für  Spanien  eine  dankbare  Frucht;  sie  wider- 
steht und  überwindet  Hitze  imd  Kälte,  Nässe  imd  Trockenheit^ 
schlechten  Boden  und  Unkraut  Besser  gedeiht  der  Roggen 
nach  massiger  Düngung.  Im  Herbst  wird  der  gewöhnliche  Rog- 
gen, im  Frühjahr  der  tremesino,  zu  Johannis  der  multicaule,  die 
kräftigste  Gattimg,  gesäet.  Das  Roggenmehl  wird  geschätzt,  zu 
Brod  jedoch  nur  mit  Weizenmehl  vermischt  verbacken,  da  man 
behauptet,  dass  das  reine  Roggenbrod  feucht  und  für  Menschen 
ungesund  sei.  Man  backt  das  Roggenbrod  in  langen  Stollen  und 
lässt  sie  drei  bis  vier  Tage  hegen,  bevor  man  sie  ohne  NachtheU 
für  die  Gesundheit  essen  zu  können  glaubt  Das  Roggenstroh 
ist  das  beste ,  Heu  vertretende  Pferdefutter.  Vorsicht  ist  beim 
Abfiittern  nöthig,  da  man  das  Tränken  unmittelbar  nach  dem 
Fressen  für  gefahrUch  hält  Der  Roggen  wird  auch  zu  Bier  und 
Branntwein  verwendet;  letzteren  zieht  man  über  Wachholder- 
beeren  (enebro)  ab,  und  verkauft  ihn  als  gniebra  licor.  Im  Jahre 
1850  wurden  an  Branntwein  verschifft  232,901  Arrobas,  und  an 
Alcohol  37,917  Quintais.  Der  Roggen  leidet  an  denselben  Krank- 
heiten wie  der  Weizen.  Das  schlimmste  Uebel  für  ihn  ist  der 
Sporn  (espolon  oder  comezuela)  mit  einem  spomartigen  schwar- 
zen Auswüchse,  nach  deren  Genuss  sich  bei  Menschen  eine 
furchtbare,  tödtUche,  brandartige  Krankheit  einstellen  soll 

Die  Gerste  (cebada,  hordio)  widersteht  der  Temperatur, 
gedeiht  aber  in  den  kühleren  Regionen  besser,  als  in  den  heis- 
sen.  Die  Aehren  haben  entweder  sechs  oder  zwei  Reihen  Kör- 
ner. Unter  den  ersten  Gattungen  sind  la  cebada  comun.  oder 
cuadrada,  von  dunkler  Farbe;  la  ramosa,  die  ästige;  und  la  des- 
nuda  oder  Deutscher  Reis  (aroz  de  Alemania)  am  gesuchtesten. 
Die  Gerste  verlangt  eigentlich  leichten,  luftigen,  nicht  zu  feuch- 
ten Boden,  welcher  letztere  namentlich  för  das  Stroh  nachtheilig 


407 

ist.  Da  die  Gerste  starke  Wurzeln  treibt  und  in  mehreren  Aeh- 
ren  keimt,  so  darf  sie  nicht  zu  dick  gesät  werden.  Im  Frühjahr 
wird  die  gemeine  Gerste,  der  Cadillo  mid  abanico  (Fächer)  ge- 
säet, sie  verlangen  aber  keinen  frischen  Dünger.  Man  säet  gern 
Klee  unter  die  Gerste.  Die  Saat  muss  von  Unkraut  gereinigt 
werden,  und  leidet,  wenn  man  mit  der  Egge  darüber  hinf&hrt. 
Die  Sommerfirucht  fallt  leicht  aus  den  Aehren,  was  bei  der  Win- 
terfrucht  nicht  der  FaU  ist.  Das  Gerstenmehl  wird  mit  Weizen 
vermischt,  um  es  zu  Brod  zu  verbacken.  Hauptsächlich  wird  die 
Gerste  zu  Bier  verwendet  oder  zu  dem  sehr  beliebten  kühlenden 
Gerstenwasser  (Agua  cebada)  während  der  heissen  Jahreszeit. 
Das  Stroh  wird  verfüttert.  Der  Kohlenstaub  (carbonciUo)  ist  fiir 
die  Gerste  die  gefahrüchste  Krankheit.  1850  wurden  42,550  Fa- 
negas  Gerste  nach  England  verkauft. 

Der  Hafer  (avena)  verträgt  schlechten  Boden.  In  Spanien 
kennt  man  zwei  Gattungen;  den  gemeinen  Hafer  und  la  desnuda. 
Gewöhnlich  wird  er  im  Herbst  gesäet;  der  Pflug  öfl6xet  die  Erde 
dazu  nur  flach.  Wenn  die  zur  Saat  bestimmten  Kömer  verlesen 
sind,  und  der  wilde  Hafer  entfernt  ist>  gedeiht  er  gut.  Er  wird, 
nachdem  er  schnell  und  dicht  gewachsen,  grün  abgeschnitten, 
verfuttert  und  wächst  rasch  wieder  nach.  Das  Mehl  wird  nicht 
verbacken,  und  das  Korn  hauptsächlich  für  Federvieh,  seltener 
als  Pferdeftitter  verwendet.  Das  Stroh  wird  nur  im  Nothfall  zu 
Hechsei  zermalmt,  da  man  es  zu  diesem  Zweck  fiir  untaughch 
hält  Auch  för  den  Hafer  ist  der  CarbonciUo  die  gefahrüchste 
Krankheit. 

Der  Buchweizen,  unter  der  Bezeichnung  «schwarzer 
Weizen»  oder  Saracenieo  bekannt,  kommt  in  zwei  Gattungen 
vor;  der  gemeine  und  tartaria;  letzterer  widersteht  am  besten 
dem  Wechsel  der  Witterung  imd  bringt  reichere  Ernten ,  doch 
hält  man  ihn  för  geringer  der  Qualität  nach.  Die  kalten  Nächte 
und  zu  grosse  Nässe  sind  dem  Buchweizen  nachtheihg.  Er 
nimmt  mit  dem  schwächsten  Boden  vorlieb,  imd  bildet,  grün 
vergraben,  den  besten  Dünger.  Zur  Zeit  der  Reife  wird  er  ent- 
weder abgerissen  oder  mit  der  Sichel  oder  Sense  geschnitten, 


408 

und  dann  wie  das  Getreide  ausgetreten  oder  getrillt.  Man  backt 
das  Mehl,  mit  Weizen,  Gerste  und  Roggen  vermischt,  zu  Brod 
—  wenn  es  an  Besserem  fehlt.  Pferde,  Schweine  und  Federvieh 
erhalten  die  Kömer  als  Futter.  Die  Preise  der  Cerealien  standen 
am  1  Juli  1851  in  Spanien: 

Der  Weizen:  in  Sevilla        die  Fanega  ....  36  —  44  r. 


40  —  47  . 
44  r. 
27  » 

25  » 
38  » 
32  . 

26  » 


in  Murcia  » 

in  der  Mancha  » 

in  Valencia  » 

in  Rio  seco  » 

Der  Roggen  durchschnittlich         » 
Die  Gerste  »  » 

Der  Hafer  »  » 

Mais,  Hirse,  Panizo,  Zahnia  und  Alpiste,  sind  Gramineen, 
welche  einem  wärmeren  Chma  angehören  und  wenig  Kälte  ver- 
tragen können.  Sie  verlangen  einen  gut  bearbeiteten  Boden  und 
ausreichende  Feuchtigkeit.  Sie  folgen  am  besten  den  Frühlings- 
fiitterkräutem,  müssen  leicht  und  dünn  gesäet  sein,  und  die 
Disteln  sorgfältig  aus  der  Saat  entfernt  werden.  Die  Ernte  muss 
beginnen,  bevor  die  Kömer  auszufallen  an£mgen. 

Der  Mais,  in  den  Basken  trigo  de  Indias  genannt^  giebt  keine 
Ernte,  wenn  er  nicht  in  weiten  Zwischenräumen  gesäet  werden 
kann.  Es  giebt  Früh-  und  Spätmais.  Frühmais  sind:  der  de  ve- 
rano,  gelb  oder  roth,  in  12  —  14  Reihen,  je  30  —  35  Kömer  zäh- 
lend; el  enano,  gelb,  in  8  —  16  Reihen  24  —  28  Kömer  haltend, 
angebhch  in  40  Tagen  reifend;  de  pico,  wegen  der  Form  der 
Kömer,  hat  dieselbe  Kömerzahl,  wie  der  cuarenteno,  welcher, 
blassgelb,  in  8  — 10  Reihen  24  —  28  Kömer  zählt 

Spätmais  ist  der  gelbe  Pensylvanische,  in  sehr  starken  Kol- 
ben, 8  —  10  Reihen  zu  50  —  60  Kömer  haltend;  der  weisse  Vir- 
ginische, in  6  — 8  Reihen  45  —  50  Kömer  zählend;  der  weisse 
oder  gelbliche  Otono  mit  35  —  40  Körnern  in  10  — 12  Reihen. 

Im  Herbst  unter  der  Egge  gesäet,  wird  er  zu  Ende  des 
Winters  zum  zweiten  Male  behackt.  Im  Frühjahr  muss  der  Pflug 
der  Saat  voran  gehen;  die  Furchen  müssen  tief  sein;  Dünger 


409 

darf  nicht  fehlen;  als  solcher  sind  Kalk  und  Asche  sehr  er- 
spriesslich.  Die  Saatkörner  werden  häufig  eingeweicht  und  mit 
Gips  bestreut  Die  Erde  wird  in  Furchen  gezogen;  die  Kömer, 
je  zwei  zusammengelegt,  müssen  immer  eine  halbe  Vara  von  den 
nächsten  Pflanzen  entfernt  sein.  Wenn  die  ersten  Blätter  zum 
Vorschein  gekommen,  lässt  man  nur  einen  Stengel,  und  zwar 
den  kräftigsten,  stehen,  und  entfernt  die  übrigen.  Der  Mais 
blüht  im  Juli  und  August.  Auf  der  Spitze  befindet  sich  eine 
mit  männUchen  Blüthen  besetzte  Staude,  welche  die  tiefer  liegen- 
den weiblichen  Büschel  befruchtet.  Nach  der  Befruchtung  wird 
die  Staude  abgebrochen  und  als  ein  treffliches  Grünfiitter  ver- 
braucht Man  entfernt  später  die  einzelnen  Blätter  rings  um  die 
Fruchtkapsel.  Zur  Zeit  der  Reife  wird  die  Frucht  geschnitten, 
und  die  Kömer  durch  Klopfen ,  Kratzeisen  oder  Desgranadoren 
aus  der  Hülse  gebrochen.  Zwischen  den  Maisstauden  werden 
Bohnen  (judias),  Wassermelonen  (zandias)  und  Kürbisse  (cala- 
bezas)  gepflanzt.  Der  Mais  ist  eine  sehr  gute  Nahrung  for  Men- 
schen und  Vieh.  Unter  dem  Namen  Chicha  bereitet  man  daraus 
ein  wohlschmeckendes  Getränk.  Mit  Mais  gefuttert,  gedeiht  das 
Federvieh  zu  seltener  Grösse  und  Korpulenz;  die  trockenen 
Maisblätter  wirken  bei  den  Kühen  stark  auf  die  Milchvermeh- 
rung. Als  Pferdefiitter  müssen  die  Kömer  24  Stunden  lang  ein- 
geweicht werden ,  weil  sie  sonst  zu  hart  sind  und  den  Pferden 
die  Zähne  verderben.  Der  Carboncillo  und  der  Wurm  sind 
Ej-ankheiten,  welche  den  Mais  häufig  heimsuchen.  Im  Jahre 
1850  wurden  80,868  Fanegas  Mais  nach  England  verkauft. 

Die  Hirse,  panizo  und  alpista,  wird  in  Asturien,  Gralicien 
und  Aragon  am  häufigsten  gebaut.  Es  giebt  verschiedene  Arten; 
die  Ungarische,  die  Itahenische  und  die  moha  sind  die  gesuch- 
testen. Im  Frühjahr  gesäet,  werden  sie  als  Grünfutter  verwen- 
det, und  man  lässt  dann  Weizen  darauf  folgen. 

Der  Reisbau  ist  da,  wo  nicht  regelmässige  Regengüsse  ihn 
bewässern ,  sondern  wie  in  Spanien  stehendes  Wasser  über  die 
Felder  geleitet  wird,  dort  versumpft  imd  schädliche  Miasmata 
entwickelt,  eine  grosse  Plage,  da  die  Krankheiten  imter  den  An- 


410 

wohnem  niemals  aufhören.  Es  giebt  drei  Gattungen,  die  in  Spar 
nien  gebaut  werden,  el  grueso  oder  comun,  el  menudo  und  el 
lampiilo,  welcher  in  Wurzeln  und  Stroh  dem  Weizen  am  ähn- 
lichsten ist.  Der  Reis  erfordert  guten  Boden,  gut  bearbeitet,  ge- 
düngt und  feucht  erhalten.  Im  Frühjahr  gesäet,  wird  er,  sobald 
er  die  Höhe  einer  Spanne  erreicht,  mit  der  Hand,  ohne  Instru- 
mente, in  bedeutenden  Zwischenräumen  verpflanzt,  nachdem 
vorher  der  Pflug  dreimal  dazwischen  durchgegangen  und  die 
Disteln  sorgfaltig  ausgejätet  sind.  Zur  Zeit  der  Reife  werden 
kleine  Quadrate  von  Erdhäufchen  gebildet,  in  deren  Mitte  das 
Wasser  verdunstet.  Der  Reis  wird  geschnitten,  Kolben  \md  Bü- 
schel zusammengebunden,  getrocknet  und  später  durch  Pferde 
ausgetreten,  das  Stroh  wird  dem  Vieh  untergestreut.  Die  Hül- 
sen werden  in  der  Mühle  abgemahlen.  Die  Garbilladores  von 
Valencia  besitzen  die  Kunst,  einfach  und  schnell  die  Kömer  zu 
sichten,  indem  sie  solche  in  einer  bestimmten  Temperatur  durch 
ein  Ledersieb  durchlaufen  lassen,  worauf  sich  während  dieses 
Prozesses  in  sehr  kurzer  Zeit  in  vier  Haufen  die  ganzen,  die  ge- 
theilten,  die  ausgehülsten  Kömer  und  in  dem  letzten  die  Hülsen 
sondern.  Im  Jahre  1850  wurden  23,879  Arrobas  Reis  versclüfft. 
Das  Zuckerrohr,  cana  de  azucar,  caiia  miel,  kommt  in 
drei  Arten  vor:  Caiia  de  la  tierra,  la  algarabena  und  das  von 
Otaheiü.  Das  erste  ist  das  leichteste,  das  zweite  den  meisten 
Zuckergehalt  gebend,  und  das  dritte  das  stärkste,  welches  bis 
zur  Höhe  von  6  Varas  treibt.  Das  Zuckerrohr  bedarf  einen  guten 
Weizenboden,  Feuchtigkeit  sowohl  wie  Hitze.  Stücke  guten 
Rohres  werden  in  Furchen  eingesteckt,  bedeckt,  bewässert  imd 
von  Unkraut  rein  erhalten.  Das  Rohr  bedarf  12  — 18  Monate 
zur  vollständigen  Reife,  je  nach  Cüma  und  Witterung.  Das  Ota- 
heitische  Rohr  wächst  schneller.  Im  Frühjahr  gesteckt,  giebt  es 
1,  2  bis  3  Ernten,  Im  zweiten  Jahre  geschnitten,  heisst  es  Alisa. 
Man  pflanzt  gewöhnUch  Gemüse  zwischen  die  Stauden;  die  Knol- 
lengewächse (tuberculosos  oder  napiformas)  wählt  man  am  lieb- 
sten dazu,  weil  sie  die  meisten  Früchte  tragen.  Sobald  das  Rohr 
gereift,  wird  es  in  die  kleinen  Mühlen  (trapiche)  gebracht,  und 


411 

man  gewinnt  den  sogenannten  griinen  Zucker  (azucar  verde). 
Abgekühlt  in  Bocoyen  bildet  sich  der  Zuckersyrup  oder  Gummi 
(moscabado).  Gebleicht  in  conischen  Lehmvasen  (hormas)  ge« 
winnt  man  die  weissen  Zuckerbrode.  Der  Zuckersyrup  (batieio- 
nes  oder  melazas)  in  Wasser  aufgelöst,  fermentirt  und  giebt 
destillirt  den  Rum.  Der  Verbrauch  der  Caiia  de  la  tierra  en  el 
verdeo  ist  bedeutend;  das  Rohr  wird  in  Stückchen  zerschnitten 
und  ausgesogen. 

Die  vorzüglichsten  Plantagen  sind  in  Motril ,  FrigiUaira  und 
Velez  Malaga.  Es  sind  imgefahr  10,000  Marjales  zu  756  Qua- 
drat-Ellen mit  Zuckerrohr  bebaut  Die  Marjala  gab  12  —  15  Ar- 
robas,  doch  hat  es  die  neueste  sorgföltigere  Cultur  bereits  bis 
auf  30  Arrobas  gebracht  Die  Sociedad  Azucerera  hat  grosse 
Verdienste  um  die  Förderung  dieses  Industriezweiges.  Das  ver- 
gangene Jahr  hat  sehr  gute  Erträge  geliefert.  Man  schätzte  die 
Gesanmitemte  auf  320,000  Arrobas  Zuckerrohr,  im  Preise  von 
1^  —  2  r.  die  Arroba.   Es  wurden  gewonnen: 

von  der  Englischen  Gesellschaft  in  Motril    1,500  Arrob.  Zucker, 

von  der  Gesellschaft  in  Almunecar 12,000      »  » 

von  Privatbesitzern 27,000      »  » 

von  Enriquez  in  Velez  Malaga 37,000      »  » 

zusammen  .  .  .  77,500  Arrob.  Zucker. 

Die  Fabrik  von  Enriquez  ist  mit  trefflichen  Dampfmaschinen 
und  Apparaten  nach  den  besten  Methoden  ausgestattet 

Die  in  Spanien  vorzugsweise  gebauten  Gemüse  sind:  Boh- 
nen, imd  zwar:  die  gewöhnlichen  Brechbohnen  (judias),  Sau- 
bohnen (habas,  vezas),  Feigbohnen  (altramuces)  und  Erbsen: 
Zuckererbsen  (quisantes),  Kichererbsen  (garbanzos),  eckige  Erb- 
sen (qu\jas),  Arbejas,  Linsen  (lentejas)  und  Yerros.  Der  Ge- 
müsebau erfordert  gutes  Land  und  sorgfältige  Bearbeitung  des 
Bodens.  Der  Dünger  muss  gut  sein;  Kalk  imd  Gips  bewahren 
sich  am  besten.  Ein  Theil  der  Pflanzen  wird  zum  Unterpflügen 
als  Dünger  verwendet;  ein  Theil  zu  Viehfutter  bestimmt;  der 
Best  zur  Nahrung  der  Menschen.    Die  Gemüse  vertragen  eine 


412 

sehr  frische  Temperatur.  Bohnen  giebt  es  mehr  als  ein  Dutzend 
verschiedene  Arten;  sie  werden  im  Herbst  gesteckt.  Die  Grar- 
banzos  nehmen  auch  mit  schlechterem  Boden  vorlieb;  Gips  und 
Kalk  ist  ihnen  schädlich ;  Regen  zur  Blüthezeit  ist  sehr  nachthei- 
lig, und  die  Krankheit  rabia  gefahrlich.  Die  Kichererbse  gedeiht 
am  besten  in  Castilien  und  Estremadura,  wo  man  sie  auf  gutem 
Boden  baut  Von  dort  wurden  1850  nach  Cuba  25,781  Fanegas 
verkauft.  Knollengewächse  sind  Kartoffeln  (patatas),  Erdbir- 
nen (batatas),  dann  die  patacas,  remolachas  und  chufas.  Es  giebt 
unzählige  Arten  dieser  Knollengewächse ,  denen  man  gutes  und 
feuchtes  Land  gönnt;  in  der  mUden  Temperatur  gedeihen  sie 
am  besten.  Sie  werden  im  Mai  gesteckt;  die  Ernte  ist  nicht  so- 
gleich wieder  zur  Saat  zu  benutzen.  Unter  den  Wurzel- 
gewächsen sind  die  Rübenarten:  la  campestre,  came  blanca, 
rasada,  amarilla  larga  (gelbe  Rübe),  auch  amariUa  alemania 
(grosse  gelbe  Rübe),  blanca  de  Silesia  (weisse  Schlesische  Rübe) 
die  gesuchtesten.  Sie  werden  von  Menschen  gegessen  oder  als 
Viehfutter  verwerthet.  Kranklieiten  dieser  Wurzelgewächse  sind 
so  wenig  in  Spanien  bekannt,  als  die  Krankheit  der  Kartoffeln. 
An  Gemüsen  wurden  1850  verschifft  324,994  Arrobas. 

Die  Kohlgattungen  sind  sehr  mannigfaltig;  der  schwarze 
und  Blumenkohl  am  behebtesten.  Salat  von  Endivien,  Selleri, 
Kraut,  Raute,  Rapunzen,  Kresse,  Garden  etc.  gehört  zu  der  un- 
entbehrüchen  täglichen  Kost  aller  Stände.  Die  Besteuerung  der 
Gemüse  vom  1  Februar  1852  ab  hat  überall  Reclamationen,  an 
vielen  Orten  die  Verabredung  zur  Folge  gehabt,  gar  kein  Grün- 
zeug mehr  zu  Markt  zu  bringen. 

Die  Wiesen  sind  entweder  natürliche  (naturales  oder  per- 
manentes) oder  künstUche  (artificiales  oder  transitorios).  Man 
ist  in  Spanien  darüber  nicht  zweifelhaft,  dass  es  wünschenswerth 
ist,  den  Hausthieren  eine  Abwechselung  von  hartem  und  Grün- 
futter zu  gewähren;  man  kennt  die  Vorzüge  der  frischen  Wie- 
sen, der  saftigen  Gräser  und  Kräuter  sehr  wohl;  allein  ohne 
Wasser  und  Thau  unter  dem  Spanischen  Clima  Wiesen  anzu- 
legen und  zu  erhalten,  ist  eine  Unmöglichkeit.  In  den  nördlichen 


413 

Provinzen,  in  den  Gebirgsthälem,  auf  den  Bergabhängen,  in  der 
frischeren  Temperatur  und  neben  dem  Quellenreichthum,  der 
auch  die  Ebenen  hinreichend  mit  Wasser  versorgt,  giebt  es  herr- 
liche Matten,  die  man  auch  mit  günstigem  Erfolge  zur  Viehzucht 
überhaupt,  wie  insbesondere  zur  Milchwirthschaft  und  Käse- 
fabrication  benutzt  Wo  es  irgend  zulässig,  wird  der  Klee  ge- 
baut; der  purpurrothe  (trebol  purpurea)  zweijährige,  der  rosen- 
rothe  (trebol  rosada)  einjährige  imd  die  Esparsette  (Esparceta 
oder  pipirigallo). 

Die  Olivenpflanzungcn  bedecken  in  Spanien  einen  gros- 
sen Theil  der  in  Cultur  gesetzten  Bodenfläche.  Der  Kälte  wider- 
steht der  Oelbaum  nicht.  Wo  er  in  gemässigter  Zone  gepflanzt 
ist,  gestattet  er  in  seinen  Zwischenräumen  den  Anbau  von  Cerea- 
lien  und  Gemüsen  nicht;  in  den  heisseren  Provinzen  kann  man, 
unter  der  Voraussetzung  guten  Bodens  und  guter  Düngung,  das 
Zwischenland  der  Oelpflanzungen  zu  Getreide  und  Gartenfrüch- 
ten benutzen. 

Der  wilde  Oelbaum  (azebuche)  trägt,  wenn  das  Jahr  günstig 
ist,  reiche  Früchte,  welche  die  Mühe  und  Arbeit  seiner  Pflege 
wohl  belohnen.  Es  giebt  in  Spanien  viele  Gattungen  von  Oliven- 
bäumen; der  Silvestre  oder  Montemo,  acituna  tachuna,  picholin 
oder  lechin,  negra,  moradilla  oder  zorzalena,  azu&irada,  manza- 
nilla  oder  barrelenca,  gordakeal  oder  seviUana,  morcal,  den 
wohlriechenden  (de  olor)  und  picuda.  In  Aragon  ist  der  Empel- 
tre  xmd  in  Castilien  der  Comicabra  oder  cometa  der  beliebteste. 
Der  Boden  fiir  den  Oelbaum  muss  sorglESltig  gewählt,  bearbeitet 
und  gedüngt  werden;  sehr  wichtig  ist  die  Anlage  der  Wasser- 
rinnen zur  regelmässigen  und  gleichmässigen  Bewässerung.  Die 
Pflanzung  geschieht  auf  dreifache  Weise;  indem  man  entweder 
eine  Wurzel  vom  Hauptstamme  löst  und  einlegt;  oder  indem 
man  ein  Pflanzenreis  einsetzt,  entweder  einen  Ast  des  Baumes 
oder  ein  Stockreis  von  4  bis  10  Palmos;  oder  endlich  kleine 
Setzlinge  (estaquillas)  eine  halbe  Vara  lang.  Ein  Korbgeflecht 
in  der  Form  imserer  vaterländischen  Kiepen  umgiebt  die  junge 
Pflanze;  nicht  zu  dicht>  um  der  Luft  freien  Zutritt  und  Durchzug 


414 

zu  gewShren;  hoch  genug,  um  nicht  von  Thieren,  namentlich 
von  den  Ziegen,  erreicht  werden  zu  können,  welche  die  Pflanze 
tödten,  sobald  sie  die  Spitze  abgefressen  haben.  Erde  wird  rings 
herum  angehäufelt  und  fleissig  mit  Dünger  beschüttet,  so  wie 
regelmässig  besprengt,  wenn  die  Wärme  zu  trocken  ist.    Der 
Zwischenraum  zwischen  den  Bäumen,  deren  lange  Reihen  paral- 
lel fortlaufen,  braucht  in  Andalusien  nicht  so  weit  zu  sein,  wie 
in  den  milderen  oder  gemässigteren  Himmelsstrichen.   Aus  dem 
Erdreiche  muss  sorgsam  alles  Unkraut  entfernt  werden.  Früchte 
tragen  nur  die  bogenförmigen  Zweige  des  Baumes.    Die  jungen 
Pflanzen  blühen  zuerst  nach  zwei  Jahren.     Ohne  hinreichende 
Luft  und  Sonne  reifen  die  Früchte  nicht.    Trägt  der  Baum  viele 
Früchte,  so  ist  deren  Oelertrag  gering.    In  der  Regel  trägt  der 
Baum  nur  alle  zwei  bis  drei  Jahre.    Den  Ertrag  eines  gesunden 
Oclbaumes  berechnet  man  durchschnittlich  auf  5  Francs.    Die 
trockenen  Aeste  müssen  sorgsam  ausgelöst,  die  Blüthe  tragen- 
den gelichtet,  die  nach  aussen  stehenden  zu  einer  runden  Form 
gebogen  und  gewöhnt  werden.  Der  Pflug  muss  alljährlich  einige- 
male  das  Erdreich  um  den  Baum  öflhen;   er  darf  niemals  die 
Wurzel  berühren,  welche,  da  sie  sich  gern  aus  der  Erde  heraus- 
arbeitet, in  jedem  Frühjahr  mit  Erde  und  Dunger  frisch  bedeckt 
wird.    Die  zur  Speise  bestimmte  Olive  wird  grün  abgepflückt; 
zum  Oelpressen  muss   sie  vollständig  reif  sein.     Die  Oliven, 
welche  im  Reifen  die  Farbe  nicht  ändern ,  haben  doppelten  Oel- 
gehalt;  diejenigen,  welche  einen  schwärzlichen  Schimmer  zeigen, 
drei-  bis  vierfachen.     Das  Oel,  welches  unmittelbar  nach  der 
Ernte  gepresst  wird,  ist  feiner,  aber  bitterer.  Auch  das  Oel  muss 
fermentiren.  Das  Mahlen  oder  Pressen  geschieht  durch  laufende 
Räder  oder  hydrauUsche  Pressen;   das  Abklären  durch  Ruhe 
oder  durch  Filtration,  durch  Eiweis,  Ochsenblut,  Asche,  Sand 
und  Garbanzos.    Die  allergrösseste  Sauberkeit  bei  der  Zuberei- 
timg  ist  unumgänglich  nothwendig.    Es  scheint,  dass  lediglich 
die  Zubereitungsart  die  Schuld  trägt,  dass  das  Spanische  Oel 
nicht  als  das  vorzüglichste  in  Europa  gilt.    Jedenfalls  wird  sich 
der  Leser  aus  der  vorstehenden  Schilderung  überzeugt  hab^i. 


415 

dass  die  Oelbaumbesitzer  sich  nicht  dem  Müssiggange  überlas- 
sen, und  der  Natur  anheimstellen  dürfen,  för  die  Pflanzungen  zu 
sorgen ,  sondern  dass  damit  dauernde  Aufsicht  und  Arbeit  ver- 
btmden  ist  Der  alte  Oelbaum  wird,  wenn  die  jungen  Bäumchen 
herangewachsen  sind,  abgeschnitten  tmd  der  Stamm  von  den 
Kunsttischlern  gut  bezahlt. 

Olivenpflanzungen  nehmen  in  Spanien  einen  Flächenraum  von 
367,700,000  Quadratfuss  ein.  Es  werden  gewonnen  70,55 1,650  Fa- 
negas  oder  52,765,757  Arrobas  Oel,  im  Werthe  von  1,654,254,486  r. 

Die  Feinde  des  Oelbaumes  sind  theils  Insecten:  die  Tala- 
drilla  oder  Tranza,  die  Palomilla  oder  Olivenfliege  (Mosca) ,  und 
bestinunte  Krankheiten:  die  Cuscuta,  die  Yerba  tora  imd  vor  al- 
len der  Muerdago  oder  Marojo ;  sie  tödten  die  Frucht  und  scha- 
den dem  Baum. 

Ausser  einigen  ölhaltenden  Pflanzen,  la  colza  oder  berza  sil- 
vestra,  la  mostaza,  la  adormidera  xmd  la  madia,  sind  in  Spanien 
die  Mandeln  und  die  Haselnüsse  (avellana  americana),  welche 
60  procent  Oel  geben,  tmd  ajoi\joli,  alegria  oder  sesamo,  das 
Sesamkraut,  higuereta,  palma  cristi  und  Ricinus  besonders  ge- 
kannt und  benutzt 

Im  Jahre  1850  wurden  verschifft  Olivenöl  nach  Europäi- 
schen Häfen  48,859  Arrobas,  nach  America  289,794  Arrobas. 
Eben  dahm  Mandelöl  147,639  Arrobas  imd  Oel  aus  anderen 
Pflanzen  18,170  Arrobas.  Ln  Jahre  1851  wurden  allein  aus  Mar 
laga  465,665  Arrobas  klares,  21,526  Arrobas  trübes  Olivenöl  aus- 
geführt Die  Provinz  Asturien  hat  im  Hafen  6\jon  1851  im  Gran- 
zen  49  Englische  Schiffe  mit  Haselnüssen  beladen. 

Der  Weinstock  ist  in  Spanien  zu  Hause;  es  giebt  glatte, 
haarige  imd  knorrige  Reben;  weisse,  rothe,  schwarze,  grüne,  vio- 
lette und  jaspisartige  Trauben.  Davon  sind  einige  nur  zum  Es- 
sen, andere  vorzugsweise  zu  Rosinen,  der  Rest  für  die  Presse 
geeignet  Der  Wein  muss  vollständig  reifen ;  die  Wärme  süsst 
ihn;  Feuchtigkeit  darf  ihm  nicht  fehlen,  sonst  bleibt  er  krafüos. 
Auch  der  wilde  Wein  ist  in  Spanien  nicht  selten.  Die  Region 
des  Wanbaues  erstreckt  sieh,  da  der  Stock  weniger  ^npfindlich 


416 

ist,  über  die  Region  des  Oelbaumes  hinaus.  Die  Bodengüte  ist 
zum  Gedeihen  der  Frucht  wesentliche  Bedingung.  Der  Grund 
muss  die  Feuchtigkeit  festhalten ,  in  kälteren  Zonen  wSrmer ,  in 
heisseren  kühler  sein.  Die  Rebe  gedeiht  nicht  in  mit  übel- 
schmeckendem oder  bitterem  Wasser  durchzogenem  Erdreich. 

Mit  dem  Dünger  muss  sparsam  umgegangen  werden ,  weil 
er  leicht  auf  den  Geschmack  der  Traube  einwirkt. 

Das  Pflanzen  geschieht  durch  Setzlinge,  Oculation  oder  Ein- 
graben mit  der  WurzeL  In  Furchen  werden  die  Reben,  mit 
einem  Zwischenraum  von  1^  —  2\  Fuss,  etwa  2  Fuss  tief  einge- 
graben. Die  Setzlinge  werden  auch  in  der  Mitte  mit  Erde  be- 
deckt Man  wählt  zum  Pflanzen  das  Ende  des  Winters,  wenn 
es  am  frischesten  ist,  imd  am  liebsten  einen  bewölkten  Tag. 
Jährlich  muss  der  Weinstock  umgraben,  gedüngt  und  beschnit- 
ten werden.  Wird  der  Wein  zu  früh  geemtet^  so  ist  er  schwach 
und  hält  sich  nicht ;  schiebt  man  die  Ernte  zu  lange  auf,  so  wird 
und  bleibt  der  Wein  trübe.  Um  die  richtige  Zeit  zu  treffen, 
schneidet  man  einen  Kern  aus  einer  Weinbeere ;  ist  am  folgen- 
den Tage  das  Loch  so  gross  geblieben,  um  den  Kern  durch  das- 
selbe in  die  Beere  wieder  hineinstecken  zu  können,  so  ist  dies 
ein  Zeichen,  dass  der  Wein  vollständig  reif  ist. 

Die  Weinlese  geschieht  theils  mittelst  der  Hand,  theils  mit- 
telst weiter  Holzkämme.  Sind  die  Trauben  mit  der  Hand  ge- 
pflückt, so  hat  der  Wein  eine  grössere  Klarheit  und  ein  stärke- 
res Aroma.  Das  Pressen,  Kochen,  Fermentiren,  AufSRillen  und 
die  ganze  spätere  Behandlung  ist  in  Spanien  äusserst  verschie- 
den; es  richtet  sich  dieselbe  nach  dem  Gehalt,  dem  Zuckerstoff 
und  nach  der  Eigenthümlichkeit  der  Weinsorten.  Zu  den  vor- 
züglichsten Weinen  in  Spanien  gehört : 

Der  Malaga.  Die  besten  Sorten  desselben  sind  die  süssen 
Muscateller,  der  BergAvein,  las  lagrimas,  zu  welchen  die  Tropfen 
ungepresst  selbst  auslaufen.  Die  Bota  guten  Malagaweines  ko- 
stet 70  Thaler.  40  —  50,000  Botas  gehen  alljährlich  nach  Eng- 
land  und  America.  An  Trauben  und  Rosinen  werden  jährlich 
eine  Million  Schachteln  fiir  das  Ausland  verpackt.    Die  zuletzt 


417 

reif  gewordenen  Trauben,  in  den  Landhäusern  an  langen  Schnü- 
ren zur  Aufbewahrung  aufgehängt,  werden  Colgadores  genannt. 
Der  Xereswein  wird  nach  dem  Arabischen  Maasse  Botega, 
25  Pfund,  von  denen  30  auf  eine  Bota  gehen,  gerechnet  Im 
Jahre  1851  sind  41,698  und  danmter  10—12,000  Botas  feiner 
Qualität  in  Xeres  selbst  gekeltert.  Die  bessere  Sorte  «Seco» 
(nicht  mit  Sect  zu  übersetzen)  ist  stark,  theuer  und  besonders  in 
England  sehr  gesucht  Der  Wein  gewinnt  bedeutend  durch 
den  Transport  in  ein  kälteres  Clima  und  seine  Aufbewah- 
rung daselbst  Vino  fino,  oloroso  und  generoso  wird  die  BotÄ 
zehn-  bis  zwölQährigen  Weines  mit  80 — 100  Guineen  bezahlt, 
in  England  mit  100  — 130.  Eine  Bota  sind  108  —  112  Gallonen. 
Die  Weincultur  ist  in  Südspanien  hauptsächlich  durch  Franzosen 
und  Schotten  gefördert  Die  Capatazes,  Weinküfer,  sind  mei- 
stentheils  aus  Asturien  geburtig.  Sie  sind  sehr  zuverlässig  in 
der  Beaufsichtigung  und  geschickt  in  der  Behandlung  der  Weine. 
Die  Art  und  Weise,  wie  die  madre  vino  —  ein  Mutterfass  —  zu 
benutzen,  um  aus  einen  jungen  und  leichten,  starken  und  alten 
Wein  zu  bilden,  steht  der  Geschicklichkeit  nicht  nach,  welche  in 
meinem  Vaterlande ,  in  Oberschlesien  sowohl  wie  im  Grossher- 
zogthum  Posen,  die  Weinhändler  besitzen,  um  den  schlichten 
Landwein,  auf  ein  gutes  Mutterfass  gebracht,  zum  beliebigen 
süssen  oder  herben  alten  Ungar- Ausbruch  zu  verschneiden.  Man 
muss  erstaunen,  wenn  man  in  Xeres  durch  die  Botegas,  Wein- 
keller, wandert,  welche  sich  übrigens  nicht  in  unterirdischen  Ge- 
wölben befinden,  in  denen  sich  der  Wein  nicht  hält,  sondern  in 
verschiedenen  Stockwerken  über  der  Erde.  Es  liegen,  nach 
Jahrgängen  imd  Qualität  gesondert,  imgeheuere  Vorräthe  aufge- 
thürmt  Manche  von  diesen  Weinlagem  haben  einen  Bestand 
von  2,  3  bis  400,000  Duros  an  Werth.  Mit  der  blossen  Lage- 
rimg des  Xeres  Weines,  den  man  jung  kauft  und  hegen  lässt,  sollen 
8  procent  zu  verdienen  sein,  weil  er  von  Jahr  zu  Jahr  im  Werthe 
bedeutend  steigt  Bekanntlich  bedürfen  die  Spanischen  und 
Portugiesischen  Weine  der  Versetzung  mit  Sprit,  um  sie  zum 
Transport  und  zur  längeren  Auf  bewaluimg  geeignet  zu  machen. 

V.  Minutoli,  Spanien.  27 


418 

Es  ist  fiir  den  Xereswein  sehr  wichtig ,  den  Sprit  möglichst  rein 
und  stark  hergestellt  zu  erhalten.  Alle  bisherigen  diesf&lligen 
Versuche  sind  überboten  durch  die  vorzügliche  Fabrication  eines 
Landsmannes 9  des  Herrn  Schlesinger  aus  Berlin,  als  Consular- 
Beamter,  und  durch  sein  Etablissement  in  Puerto  Santa  Maria 
und  seine  sonstige  industrielle  Thätigkeit  im  Genuss  der  öffent- 
lichen Achtung. 

Nach  England  und  America  wurden  1850  verkauft  Xeres- 
wein 1,483,369  Arrobas,  Malaga  195,094  Arrobas,  andere  Spa- 
nische Weine  2,188,726  Arrobas,  grüne  Trauben  30,135  Arro- 
bas und  Rosinen  1,364,752  Arrobas. 

Auch  ganz  vortreffliche  Böttichereien  giebt  es  in  Xeres.  Zu 
den  höchst  sorgfaltig  gearbeiteten,  mit  Eisenbändem  versehenen 
Fässern  sind  mit  sehr  gutem  Erfolge  Deutsche  Eichendauben 
verwendet  worden. 

Sonstige  gute  Weinsorten  sind  der  Pedro  Ximenes,  der  Pa- 
jarete,  der  Val  de  penas  bei  Cordova,  der  Wein  von  Sifjes  in  Ca- 
talonien,  von  Beni- Carlo  bei  Valencia,  desgleichen  el  Ojo  de 
Gallo;  blanca  imperial.  In  Estremadura  in  der  Serena,  Norte 
rubia ,  Paradilejo  blanco.  In  Aragon  der  Tinto  aragones ,  der 
Wein  von  Guarina  und  Villa  Gonzalo.  In  Gralicien  die  Weine 
von  Valdeorras ,  Amandi ,  der  Pioseco  und  Gostado  bei  Orense, 
der  Peralto,  Azagra,  Cuscante  in  Navarra  und  viele  andere; 
denn  jede  Provinz  vermag  einige  vorzügliche  Gattungen  nachzu- 
weisen. 

Man  hat  neuerdings  auch  künstlichen  Champagner  in  Spa- 
nien producirt,  doch  hat  sich  derselbe  noch  keine  allgemeine 
Geltung  verschaffen  können. 

Zur  Landwirthschaft  gehört  femer  der  Bau  der  Faser- 
pflanzen: Flachs  (hno),  Hanf  (Canamo)  und  die  Baumwolle 
(Algodon).  Die  Behandlung  der  beiden  ersteren  unterscheidet 
sich  nicht  wesentlich  von  derjenigen  in  Deutschland.  Wie  in 
dem  Feldbau  überhaupt  die  GeräÜischaften  meistentheils  sehr 
einfach  und  ungeschickt,  so  sind  auch  die  Vorrichtungen  zum 
Brechen  des  Flachses  durchaus  nicht  zu  empfehlen.     Die  Art, 


419 

wie  dies  in  Belgien  geschieht,  habe  ich  in  Spanien  nirgends  an- 
getroffen. Baumwolle  wird  nur  in  Motril  und  auf  den  Balearen 
in  Iviza  gebaut. 

Von  den  Farbepflanzen  findet  man  in  Spanien  den  Krapp 
(rubia),  den  Wau  (Gualda)  —  Afiil  —  den  Waid  (pastel),  den  Su- 
mach  (Zumague),  Saffi*an  (Azafran),  Carthamus  coeruleus  alazor. 

Im  Jahre  1850  wurden  verschifft  149,603  Pfund  Saflfran, 
82,586  Pfund  Afiil,  44,925  Arrobas  Krapp  nach  England. 

Als  Einhäge-  imd  Zaunpflanzen  (plantas  de  setos  o  val- 
lados)  findet  man  die  Aloe  (pita  oder  Agave),  die  Indianische 
Feige  (nopal,  tuna,  higuera  de  pala),  das  wilde  Rohr  (cana  brava) 
und  den  Dorn  (cambronera).  Am  schnellsten  wächst  der  Cactus 
und  die  Agave,  deren  Blüthenstengel  einen  8  Fuss  hohen,  6  Zoll 
im  Durchmesser  haltenden  Stamm  treiben.  Sobald  die  Blume 
abgeblüht,  geht  die  Hauptpflanze  ein ;  aus  ihr  wuchern  aber  neue 
Pflänzlinge  schnell  wieder  in  die  Höhe. 

Der  Gartenbau  umfasst  den  Gemüsebau,  die  Ostbaum- 
zucht und  die  Unterfrüchte  zum  eigenen  Gebrauch  imd  zum 
Verkauf.  Die  Blumenzucht  ist  ein  Theil  der  Gartencultur,  welche 
im  Allgemeinen  den  Uebergang  zum  Feldbau  bildet. 

Die  Baumcultur  betreffend,  so  sind  die  Bäume  Wald- 
oder Obstbäume ;  die  ersten  bilden  Wald,  Busch  und  Haide ;  die 
anderen  Fruchtbäume  und  Bäume  zur  Gartenzierde.  An  Frucht- 
bäumen gedeihen  in  Spanien  in  der  Region  des  Zuckerrohrs  die 
Platanen  (plantanero),  die  Americanische  Birne  (Chirimoyo),  beide 
in  Andalusien  und  Valencia;  die  Dattelpalme  (palma- datiles),  be- 
sonders in  Elche,  zwischen  Alicante  und  Murcia  grosse  Planta- 
gen bildend;  die  Orange  (naranjo),  der  Johannisbrodbaum  (Al- 
garrobo),  die  Pistazie  (Alfonsigo  oder  pistachero),  die  Feige  (hi- 
guera), die  Brustbeere  (Azufaifa)  und  die  Granate.  In  der  Zone 
des  Weinstockes  und  der  Cerealien  finden  sich  der  Mandelbaum 
(Almendre),  der  Maulbeerbaum  (Morera),  la  Midticaula,  el  Ciro- 
lero,  der  Abrikosenbaum  (alberi-coquero),  der  Pfirsichbaum  (me- 
locotonero),  die  Gastanie  (castano),  der  Nussbaum  (nogal),  der 
Kirschbaum  (cerezo),  Apfel-  und  Birnbäume  (manzanas  y  pieras), 

27' 


420 

der  Sperberbaum  (serbal).  Aus  Aepfeln,  Bimen  und  Serbai  wird 
ein  jetzt  sehr  beliebter  Cider  gepresst 

Im  Jahre  1850  wurden  110,343  Arrobas  grüne  imd  138,053 
Arrobas  trockene  Baumfrüchte  verschifft;  desgleichen  80,558 
Arrobas  Mandeln,  129,587  Scheffel  Haselnüsse  und  54,737,590 
Orangen.  Unter  den  letzteren  sind  die  dünnschaaligen  die  be- 
sten; sie  zeichnen  sich  am  Baume  dadurch  aus,  dass  mit  der 
Reife  der  Frucht  die  Blätter  des  Astes ,  an  welchem  sie  hängen, 
gelb  werden,  während  die  Blätter  der  Aeste,  an  welchen  weniger 
gute  Früchte  hängen,  die  grüne  frische  Farbe  bewahren;  die  be- 
sten Orangenbäume  haben  bis  in  die  äussersten  Zweige  die  läng- 
sten, härtesten  und  spitzesten  Stacheln. 

Zu  den  Grartenfrüchten  gehört  die  Erdbeere ,  welche  in  Ca- 
talonien  imd  in  Castilien  in  Aranjuez  im  Grossen  feldbauartig 
betrieben  wird.  Die  Frucht  ist  sehr  beliebt  Im  Sommer  1851 
kamen  im  Monat  Juni  zu  einem  Markttage  nach  Barcelona  1500 
Körbchen  mit  Erdbeeren,  zu  10  Pfund  das  Körbchen,  also  15,000 
Pfund,  zum  Verkauf. 

Wer  Musterwirthschaften,  in  einer  ganzen  Provinz  beste- 
hend, kennen  lernen  will,  der  besuche  die  Balearen;  der  er- 
staune auf  Menorca  über  die  ausgesuchteste  Sauberkeit,  auf 
Mallorca  über  die  sorgfaltig  bestellten ,  ohne  Ausnahme  mit  gut 
unterhaltenen  Steinmauern  umgebenen  Felder  und  Gärten,  die 
Pracht  der  Wiesen,  die  Behandlung  der  Obstbäume,  die  Baum- 
schulen, Abzugsgräben,  den  Fleiss  und  die  Ordnimg,  die  überall 
herrschen,  und  den  wohlthätigsten  Eindruck  gewähren,  während 
die  grossai'tigen  vulcanischen  Gebirgsmassen  und  Formen,  die 
frischen  Wälder  und  die  imabsehbaren  Orangen-,  Mandel-  und 
Oelbaum- Pflanzungen  dieser  gesegneten  Insel  das  Auge  ent- 
zücken. 

Die  Waldcultur  lässt  noch  Manches  zu  wünschen  übrig. 
Es  fehlt  weder  an  dem  besten  Willen,  noch  an  unterrichteten 
Forstbeamten,  deren  mehrere  ihre  Studien  in  Deutschland  absol- 
virt  haben.  Allein  es  sind  auch  hier  die  örtlichen  Verhältnisse, 
welche  durchgreifende  Reformen  wesentlich  erschweren.     Dazu 


421 

gehören  die  Jagd-  und  Weiderechte  und  Uebergriffe ;  der  Man- 
gel an  freiem,  unbelastetem  Eigenthum,  und  die  im  Allgemeinen 
in  Spanien  wider  die  Cultur  der  Waldbäume  herrschenden  Vor- 
urtheile.  Vor  wenigen  Jahren  hatte  die  Regiening  einen  Preus- 
sischen  Forstmeister  zu  gewinnen  gewünscht,  um  durch  seine 
Anstellung  als  Oberforstmeister  die  Spanischen  Waldungen  be- 
sichtigen, vermessen  zu  lassen,  und  eine  forstwirthschaftliche 
Verwaltimg  einzuführen;  neue  Waldanpflanzungen  anzulegen, 
mid  eine  Schule  zur  Heranbildung  tüchtiger  Forstmänner  zu 
gründen.  So  ehrenvoll  auch  ein  solcher  Antrag  erschien,  und  so 
günstig  auch  die  Bedingungen  gestellt  waren,  so  kam  die  Sache 
nicht  zur  Ausfuhrung,  da  es  in  Preussen  an  disponiblen  höheren 
Forstbeamten  fehlte,  welche  auf  eine  Reihe  von  Jahren  eine 
solche  Mission  hätten  übernehmen  können. 

Der  jetzige  Chef  der  Forstverwaltung,  welcher  sehr  tüchtige 
Studien  ip.  Deutschland  gemacht,  hat  seine  Aufgabe  mit  Kraft 
und  Nachdruck  erfasst;  die  Vermessimgen  haben  begonnen,  mit 
Anpflanzungen  hat  man  den  Anfang  gemacht  und  die  durch  Kö- 
nigliches Decret  vom  18  November  1846  gestiftete  Schule  für 
Forstbeamte  erfreut  sich  eines  guten  Fortganges.  Das  Regle- 
ment vom  18  August  1847  setzte  die  spedellen  Instructionen 
fest,  wonach  die  Specialschule  von  Villaviciosa  y  Odon  de  inge- 
nieros  de  montes  y  plantios  aus  50  Alumnen ,  mit  den  nöthigen 
Lehrkräften  und  Subalternen  versehen,  bestehen  sollte. 

Desgleichen  hat  das  Könighche  Decret  vom  7  October  1851 
auf  die  Wichtigkeit  der  Waldanpflanzungen  hingewiesen,  und 
die  Wahl  der  Sämereien,  die  Herstellung  eines  entsprechenden 
Forstschutzes,  auch  bei  Gemeinde- Waldungen,  unter  die  Aufsicht 
der  Königlichen  Behörden  gestellt. 

Unter  Carl  III  wurden  500,000  Arrobas  Getreide  in  Spa- 
nien eingeführt;  1807  betrug  der  jährUche  Ertrag  der  CereaJien 
40,641,772  Fanegas;  1850  belief  sich  der  Werth  der  gewonne- 
nen Ernten  von  55,000,000  Fanegas  auf  128,000,000  Realen,  und 
es  wurden  180,000  Fanegas  Weizen  exportirt,  so  wie  2,356,070 
Arrobas  Mehl. 


422 

Indem  wir  uns  zur  Landwirthschaf)^  zurückwenden,  gehea 
wir  zur  Viehzucht  und  zunächst  zu  den  vierfussigen  Thie- 
ren  über. 

Zugthiere  können  schwere  Feldarbeit  nur  verrichten,  wenn 
sie  gesund  und  kräftig  sind.  Um  sie  in  diesen  Zustand  zu  ver- 
setzen und  sie  darin  zu  erhalten,  müssen  sie  gut  gewartet  und 
geföttert  werden.  Die  Nahrung  muss  sich  nach  der  Arbeit  rich- 
ten; der  Wertli  des  animalischen  Düngers  hängt  von  den  Be- 
standtheilen  des  Futters  ab. 

Das  Spanische  Ross  ist,  man  darf  es  nicht  verhehlen, 
durch  Vernachlässigung  der  Zucht  sehr  zurückgekommen.  Als 
das  Ideal  eines  schönen,  grossen,  kräftigen,  ausdauernden,  edlen 
Pferdes  mit  stolzen  und  elastisclien  Bewegungen  galt  sonst  das 
Andalusische  Ross.  In  welchem  Ritterroman  hätte  der  Held 
der  Geschichte  nicht  zum  Turniere  einen  Andalusischen  Hengst 
geritten  ?  Wunder  an  SchneUigkeit,  Sprungkraft  und  Ausdauer 
haben  stets  die  Andalusischen  Renner  vollbracht.  Kaiser  Carl  V 
war  nicht  das  einzige  gekrönte  Haupt,  das  in  allen  feierüchen 
Aufzügen  auf  Andalusiscliem  Schimmel  erschien  —  und  doch 
würde  es  heute  schwer  w^erden,  in  ganz  Andalusien  ein  Dutzend 
Pferde  zusammenzustellen,  welche  an  Schönheit,  Ebenmaass  der 
GUeder,  Kraft  und  Elasticität  jenem  früheren  Urtheile  zu  ent- 
sprechen im  Stande  wären.  Was  meine  subjective  Ansicht  an- 
betrifft, so  bemerke  ich  von  vom  herein,  dass  der  heutige  Ge- 
schmack der  Spanier  hinsichts  der  Figur,  Haltung  und  Bewe- 
gung des  Pferdes,  so  wie  hinsichts  des  Sitzes  und  der  Führmig 
des  Reiters,  sehr  verschieden  von  demjenigen  ist,  was  man  in 
Deutschland  schulgerecht,  sicher,  leicht  und  elegant  nennt. 
Welcher  Geschmack  der  bessere,  muss  allerdings  daliingestellt 
bleiben.  Zur  Rechtfertigung  unseres  Deutschen  Geschmackes 
erwähne  ich  nur,  dass  es  uns  darauf  ankommt,  den  Sitz  des  Rei- 
ters ungezwungen  und  fest  in  allen  Gangarten  des  Pferdes  zu 
wissen  und  in  der  Führung  mit  den  möghchst  geringen  Mitteln 
das  Pferd  zu  unterstützen  und  zu  nöthigen,  alle  Bewegungen 
nach  des  Lenkers  Willen  folgsam  auszufahren.    Das  Spanische 


423 

Reitpferd  ist  von  mittler  Grösse;  man  liebt  es  möglichst  rund 
gefüttert;  der  Hals  ist  dick  und  fleischig,  der  Kopf  nicht  beson- 
ders klein,  die  Ohren  desgleichen,  das  Auge  lebhaft,  die  Brust 
sehr  breit,  das  Kreuz  gerade;  die  überaus  reiche,  dichte  und 
lange  Mähne  fallt  zu  beiden  Seiten  herab  und  bedeckt  den  Hals 
vollständig;  der  volle  Schweif  reicht,  wenn  irgend  möglich,  bis 
zur  Erde.  Die  Bewegimgen  sind  fast  in  allen  Gangarten  schwer, 
und  man  vermisst  die  elastische  Biegsamkeit  und  Behendigkeit 
in  den  kurzen  Wendungen.  Man  bringt  dem  Reitpferde  künst- 
üch  einen  Passgang  bei,  indem  man  mit  linkem  Sporn  imd  Wade 
unausgesetzt  und  mögUchst  weit  zurück  auf  die  Hinterhand 
wirkt,  dadurch  das  Pferd  zu  einer  nicht  natürlichen  freien  Gang- 
art bringt  und  dasselbe  nöthigt,  den  Schweif  einzuklemmen. 
Den  frei  und  hoch  getragenen  Schweif  eines  Pferdes  findet  man 
geschmacklos.  So  sieht  man  auf  allen  Reiterstatuen  die  Rosse 
mit  fest  eingeklemmtem  Schweife.  Will  das  Pferd  sich  trotz 
der  dauernden  Thätigkeit  der  Sporen  dieser  Mode  dmrchaus 
nicht  fügen,  oder  ist  der  Schweif  nicht  lang  und  dicht,  so  zieht 
man  es  vor,  das  Haar  gegen  die  Stube  aufwärts  eng  mit  farbi- 
gem Bande  zu  umflechten,  so  dass  derselbe  möglichst  kurz  und 
bewegungslos  erscheint.  Auch  die  Mähnen  der  Reit-  und  Wagen- 
pferde sieht  man  oft  mit  farbigen  seidenen  Bändern  durchfloch- 
ten; man  liebt  es  überhaupt,  auffallend  bunte  Chabraquen,  bunt 
lederne  Kopfgestelle,  mit  Schleifen  und  Quasten  daran,  zu  pro- 
duciren.  Man  reitet  auf  Englischen,  doch  sieht  man  insbeson- 
dere in  den  südlichen  Provinzen  auch  viele  Deutsche  SätteL 
Die  Steigbügel  der  weniger  eleganten,  aber  mehr  bequemen,  na- 
menttich  der  Reisesättel,  sind  breit  und  bilden  einen  halben 
Schub,  der,  von  dickem  Leder  oder  Holz,  der  Sohle  einen  be- 
quemen Stützpunkt  gewährt,  und  den  Fuss  selbst,  indem  er  den 
ganzen  Spann  bedeckt,  beim  Anstreifen  oder  auch  gegen  den 
Biss  böser  Pferde  oder  Maulthiere  schützt.  Man  reitet  die  Pferde 
auf  Candare,  und  wählt  dazu  die  längeren  und  schwereren.  Statt 
der  Trense  werden  den  Reitpferden,  aber  auch  meistentheils  den 
Wagenpferden  in  Stelle  des  Nasenriemens,  MetaUbügel  auf  die 


424 

Nase  gelegt.  Dieselben  sind  am  Unterkiefer  sehr  fest  ange- 
schnallt, haben  zu  jeder  Seite  des  Nasenbeines  einen  Ring,  in 
welchen  der  Trensenzügel  eingenäht  ist ,  und  sind  an  der  unte- 
ren oder  inneren,  auf  der  Nase  aufliegenden  Fläche  wie  Zähne 
ausgefeilt,  so  dass  jedes  Anziehen  eines  oder  beider  Trensen- 
zügel schmerzhaft  auf  das  Nasenbein  drückt.  Die  mit  solchen 
Trensen  versehenen  Wagenpferde  haben  daneben  weder  Tren- 
sen- noch  Candarengebiss  im  Maule.  Die  Reitpferde  werden, 
trotz  der  schweren  Candaren,  auch  nebenbei  mit  den  beschriebe- 
nen Nasenbügeln  gefuhrt  und  gelenkt.  Von  einer  leichten  Füh- 
rung durch  eine  unbemerkbare,  schraubenförmige  Bewegimg 
der  linken  Faust  kami  dabei  natürlich  nicht  wohl  die  Rede  sein ; 
man  findet  auch  die  meisten  Nasen  der  Pferde  wund  oder  min- 
destens die  Spuren  früherer  wunden  Stellen  tragend.  Der  Sitz 
des  eleganten  Reiters  ist  nach  Deutscher  Anschauung  weder 
leicht  und  natürlich,  noch  den  Regeln  unserer  Reitkunst  ent- 
sprechend. Die  Beine  sind  gabelförmig  in  den  langgeschnallten 
Bügeln  vorgestreckt  und  der  Oberleib  zurückgebogen ,  statt  ihn 
auf  seinem  natürlichen  Schwerpimkte  ruhen  zu  lassen.  Auf  dem 
Prado  in  Madrid,  wo  die  eleganten  Herren  sich  und  ilire  Rosse 
doch  gewiss  von  der  vortheilhaf testen  Seite  zu  produciren  pfle- 
gen, habe  ich  unter  den  elegantesten  Reitern  und  Rossen  wenige 
bemerkt,  die  in  dieser  Beziehung  in  Deutschland  vortheilhaft  auf- 
fallen würden.  Dagegen  muss  ich  bemerken,  dass  mir  der  Site 
und  die  Haltung  der  Cavalleristen  in  den  Regimentern,  welche 
ich  zu  sehen  Gelegenheit  gehabt,  sehr  wohl  gefallen  hat;  doch 
davon  in  dem  betreffenden  Abschnitte.  Das  Arbeitspferd  in 
Spanien  erhält  täglich  nach  unserem  Maasse  1^  bis  2^  Metze 
Gerste,  und  Hechsei  nach  Beheben;  die  Arbeitsmaulthiere  25 
Pfimd.  Die  letzteren  werden  des  Nachts  abgefüttert  imd  erhal- 
ten im  Laufe  des  Tages  wenig. 

Das  Spanische  Pferd  ist  von  festen  Knochen  und  Muskeln 
und  ausserordentUch  dauerhaft;  es  arbeitet  willig  und  ange- 
strengt und  übernimmt  sich  leicht  im  Wetteifer  im  Laufen  wie 
im  Ziehen«    Das  durchschnittliche  Alter  der  Pferde  steigt  bis 


425 

18  zu  20  Jahren.  Im  Allgemeinen  sind  die  Spanischen  Pferde 
gutartig;  ihre  Klugheit,  ihr  Ortssinn,  ihre  Dreistigkeit  und  Sicher- 
heit machen  den  Spanischen  Reiseklepper  sehr  bequem  und  an- 
genehm. Fast  alle  Pferde  haben  Namen  und  werden  im  Gespann 
eben  so  häufig  durch  den  blossen  Zuruf,  als  durch  den  Zügel 
regiert. 

Die  Behandlung  der  Pferde  und  Maulthiere  in  Spanien  im 
Allgemeinen  ist  eine  rüde ;  ganz  besonders  aber  bei  den  Post- 
zügen. Man  prügelt  mit  unbarmherziger  Grausamkeit  auf  die 
Zugtliiere  los ,  nicht  allein  mit  der  Peitsche ,  sondern  mit  dicken 
Knitteln.  Man  fuhrt  damit  krachende  Hiebe  auf  den  Kopf,  die 
Weichen,  die  Beine  und  das  Kreuz  der  Thiere,  so  dass  man  nicht 
begreift,  wie  die  Thiere  nicht  zusammenbrechen,  und  die  Men- 
schen noch  nicht  das  Bedürfniss  zu  Bildung  von  Vereinen  gegen 
Thierquälerei  gefühlt  haben.  Der  Adelantero  oder  Vorreiter  ar- 
beitet dauernd  mit  seinem  einzigen  linken  Sporen  imd  dem  rech- 
ten Steigbügelkasten  in  die  Flanken  seines  Gaules;  seine  Peitsche 
ist  in  dauernder  Bewegung  und  so  geschickt  in  ihrer  Wirkung 
vertheilt,  dass  sich  keins  der  in  ihrem  Bereiche  befindlichen 
Thiere  beklagen  darf,  zu  kurz  gekommen  zu  sein.  Der  Zagal  oder 
Knecht^  der  eigentlich  seinen  Platz  mit  auf  dem  Bocke  hat,  zieht 
es  vor,  trotz  Sonnenbrand  und  Staub,  nebenher  zu  galoppiren, 
um  der  Reihe  nach  klassische  Kemhiebe  auszutheilen,  wenn  er 
nicht  der  Faust  einige  Ruhe  dazwischen  gönnt  und  «ich  bemüht, 
den  umgekehrten  Peitschenstock  den  Thieren  in  die  Weichen  zu 
stossen.  Der  Majoral  oder  Conducteur,  welcher  auf  der  ganzen 
Tour  die  Zügel  fuhrt  und  wie  in  England  für  das  Leben  der  Pas- 
sagiere verantwortlich  ist,  hat  zwei  Peitschen;  eine  grosse,  lange 
und  dicke,  imd  eine  noch  grössere,  noch  längere  und  noch  dickere. 
Da  sie  nicht  beide  zugleich  verwendet  werden  können,  so  kann 
dies  leider  nur  abwechselnd  geschehen.  Der  Zagal  hat  sich 
ausserdem  die  Taschen  voll  Steine  gesteckt  und  bombardirt  da- 
mit auf  diejenigen  Tliiere  los,  welche  seinen  Zuruf  zu  grösserer 
Thätigkeit  oder  Eile  überhört  zu  haben  scheinen  und  die  er  mit 
der  Peitsche  nicht  erreichen  kann.    Für  die  DorQugend  ist  es 


426 

immer  eine  wahre  Lust,  den  zehn-  bis  zwölfspännigen  DiUgencen 
eine  halbe*  Stunde  nachlaufen  zu  können  und  unablässig  auf  die 
Thiere  loszudreschen.  Stürzt  ein  Thier  vor  dem  Wagen,  was 
bei  dem  undurchdringlichen  Staube,  der  ein  Erkennen  der  Wege- 
bahn unmögUch  macht,  wohl  vorkommt,  so  wird  das  geschleifte 
Thier  zunächst  durcli  eine  entsprechende  Zahl  von  Streichen 
wieder  zur  Besinnung  gebracht  und  dann  durch  eine  neue  Zahl 
von  Hieben  freundüchst  zu  grösserer  Vorsicht  ermahnt.  Habe 
ich  nicht  unterlassen  können,  dieser  grausamen  Behandlung  der 
Zugthiere  Erwähnung  zu  thun,  so  habe  ich  andererseits  mit  vie- 
ler Genugthuung  bemerkt,  wie  sehr  die  Careteros  und  Muleteros 
ihr  Ross  oder  ihre  Mula  lieben;  wie  sie  sie  pflegen,  nicht  über- 
anstrengen und  sie ,  statt  mit  Schlägen,  nur  mit  schmeichelnden 
Namen  oder  ernsten  Worten  antreiben. 

Die  frülier  so  bewährten  Gestüte  Andalusiens  sind  in  ihren 
Leistungen  sehr  zurückgekommen.  Die  berühmte  Cartucha  un- 
weit Xeres,  wo  die  schönsten  Pferde  in  Spanien  vormals  gezogen 
wurden,  ist  nicht  mehr.  In  den  grossen  Andalusischen  Stute- 
reien, insbesondere  bei  Cordova  und  Andujar,  welche  sich  im  Be- 
sitz von  reichen  Edelleuten  befinden,  giebt  es  eine  grosse  Menge 
von  Pferden ;  man  findet  auch  Englische  imd  Arabische  Hengste 
zur  Zucht;  man  verkauft  die  dreijährigen  Pferde  zu  100  bis 
150  Rthlr.;  allein  ich  kann  nicht  sagen,  dass  mir  dort  oder  wei- 
ter lün  über  Ecya  hinaus,  wo  ich  grosse  Koppeln  von  theilweise 
hübschen  Pferden  gesehen,  ii'gend  Thiere  von  besonderer  Schön- 
heit aufgefallen  wären.  Die  Stationen,  wo  zur  Verbesserung  der 
Pferdezucht  Hengste  aufgestellt  werden,  sollen  häufig  an  Spe- 
culanten  verpachtet  werden,  denen  es  um  einen  mögUchst  gros- 
sen Gewinn  mehr  zu  thun  ist,  als  um  die  Erreichung  des  beab- 
sichtigten Zweckes.  Ein  Zwang  zur  Benutzung  solcher  Stations- 
hengste besteht  ohnehin  nicht,  es  ist  also  vielen  Pferdebesitzem 
gleichgültig  und  bequemer,  sich  statt  der  theueren  Genealogie 
irgend  eines  berühmten  Namens ,  nach  einem  bescheidenen  na- 
menlosen Gaul  in  seiner  Nachbarschaft  umzuthun.  Rechnet  man 
hierzu  die  während  der  inneren  Kriege  stattgefundene  Auflösung 


427 

der  Königlichen  Gestüte,  den  Verkauf  vieler  Pferde  nach  dem 
benachbarten  Portugal  und  die  wo  möglich  noch  zunehmende 
Benutzung  der  Maulthiere  \md  Esel,  so  kann  es  nicht  über- 
raschen ,  wenn  die  Pferdezucht  in  Spanien  keine  Fortschritte  ge- 
macht hat. 

Die  Zuchthengste  hat  die  Regierung  in  den  Provinzen  Avila, 
Badajoz,  Caceres,  Cadiz,  Cordova,  Coruna,  Granada,  Jaen, 
Leon,  Logrono,  Madrid,  Malga,  Orense,  Oviedo,  Reinosa,  San- 
tander,  Sevilla,  Toledo,  ValladoUd,  Zamora  und  Zaragoza  auf- 
stellen lassen.  Es  sind  deren  77  inländische  und  23  ausländische 
Hengste.  Von  2500  bedeckten  Stuten  sind  477  Fohlen  gefallen. 
Zur  Privatzucht  befinden  sich  in  Spanien  2467  Hengste  und 
105,477  Stuten.  Während  sich  in  den  Provinzen  Coruna,  Leon 
und  Valencia  kein  eiuziger,  in  Zamora  und  Murcia  nur  ein  zur 
Zucht  geeigneter  Hengst  befindet,  sind  deren  in  der  Provinz  Se- 
villa 602,  in  Cadiz  470  vorhanden. 

Die  Spanischen  Maulthiere  sind  die  besten,  die  ich  kenne, 
und  beweisen,  dass  ilirer  Zucht  eine  besondere  Aufmerksamkeit 
gewidmet  wird.  Sie  sind  fast  ohne  Ausnahme  schön  gebaut, 
kräftig  imd  ausdauernd.  Die  Stärke,  Ausdauer  und  Geschick- 
lichkeit der  Thiere  muss  man  insbesondere  in  den  steilen  Ge- 
birgswegen be wundem,  wo  sie  an  den  schwierigsten  Passagen, 
je  nach  der  Last,  die  sie  tragen,  verschiedene  Gangarten  und 
Wendungen  beim  Hinauf-  und  Hinabsteigen  wählen.  Geht,  bei- 
spielsweise, das  Thier  leer  oder  sehr  leicht  bepackt,  und  soll 
eine  anderthalb  oder  zAvei  Fuss  tiefe  Stufe  hinabsteigen,  so  tritt 
es  mit  einem  Fuss  zuerst  hinunter  imd  hält  sich  oben  mit  dem 
zweiten;  ist  es  schwer  bepackt,  so  springt  es  mit  beiden  gleichen 
Füssen  hinab,  um  nicht  das  Gleichgewicht  zu  verlieren,  wenn  es 
nur  einen  Fuss  aufsetzen  würde.  Sie  werden  gewöhnlich  zur 
Hälfte  geschoren,  das  heisst  Hals,  Brust,  Rücken  und  der  Leib 
bis  dahin,  wo  das  Geschirr  und  die  Stränge  aufliegen,  damit 
Staub  und  Schmutz,  sich  nicht  in  das  Haar  setzen,  das  Putzen 
besser  von  Statten  geht  und  die  Thiere  weniger  von  der  Wärme 
leiden.    Knochen  und  Muskeln  der  Maulthiere  sind  fest  und 


428 

dauerhaft.  Man  bemerkt  selten  struppierte ,  in  den  Knien  hän- 
gende Beine.  Die  Hufe  sind  sehr  klein  und  gut  Die  Maulthiere 
werden  hinten  und  vom  beschlagen;  die  Eisen  sind,  eben  so  wie 
bei  den  Pferden,  dünn  und  ohne  Stollen.  Man  macht  mit  der 
Auswahl  derselben  wenige  Umstände.  Aus  dem  Vorrathe  fer- 
tiger Eisen  nimmt  man  das  passendste ;  von  sorgfaltiger  Richtung 
ist  nicht  eben  die  Rede.  Die  meisten  Maulthiere  sind  schwarz- 
braun; man  sieht  aber  auch  hellbraune,  Füchse,  Rappen  und 
Schimmel,  und  zwar  Apfel-,  Muscat-,  FHegen-,  Zimmet-,  Sta- 
chel- und  Chocoladenschimmel,  Falben  und  Schecken.  Die  dun- 
kelbraunen und  schwarzen  hält  man  fiir  die  besten.  Beim  Kauf 
sieht  man  besonders  auf  den  guten  Schritt  des  Thiers,  und  es 
wird  genau  nachgemessen,  ob  das  Thier  auch  wenigstens  eine 
Palme  über  den  Hufschlag  tritt  Da  die  Thiere  in  der  Regel  in 
der  Bewegung  des  Schrittes  bleiben,  so  kann  man  an  einem  Tage 
mit  einem  guten  Maultliiere,  sei  es  unter  dem  Sattel  oder  in  der 
Tartane,  12  —  14  Stunden,  und  in  dieser  Zeit  10 —  12  Leguas 
zurücklegen,  und  mehrere  Tage  liinter  einander  dem  Thiere 
gleiche  Strecken  zumutlien.  Die  Thiere  der  Muleteros  und  Ca- 
reteros  werden  gut  gepflegt  und  behandelt.  Man  zieht  im  All- 
gemeinen die  Mula  oder  Stute  dem  Macho  oder  Hengst  vor. 
Jedes  Thier  hat  seinen  Namen;  je  fleissiger  dasselbe  ist,  desto 
mehr  wird  auf  bunte  Troddeln,  Schleifen,  Federbüsche,  Quasten 
und  Schellen  zu  seinem  Putz  verwendet  Man  lässt  als  besonde- 
ren Zierrath  beim  Scheeren  öfters  zierliche  Arabesken  vom  Haar 
stehen,  und  beschneidet  den  Schweif  in  Absätzen  wie  Puscheln 
und  Pinsel.  Für  ein  schönes  dreijähriges  Maulthier  zahlt  man  3, 
4  bis  5000  r.  Man  berechnet,  dass  man  das  Thier  nach  acht 
Jahren  fiir  den  halben  Preis  verkaufen  kann,  und  dass  die  Dienst- 
zeit desselben  sich  auf  12  bis  16  auch  20  Jahre  belauft.  Die 
Maulthiere,  deren  Väter  Pferde  (caballo  padre)  sind,  hält  man 
für  schöner;  diejenigen,  die  einen  Esel  zum  Vater  haben,  gelten 
fiir  dauerhafter.  Ein  zur  Maulthierzucht  verwendeter  EseUiengst 
(macho)  wird,  wenn  er  gross,  stark  und  gut  gebaut  ist,  mit  4  bis 
5000  r.  bezahlt  Die  Maulthiere  sind  zur  Fortpiäanzung  nicht  ge- 


I 


429 

eignet;  ein  einziges  Beispiel  soll  vorgekommen  sein^  dass  ein 
Maulthier  in  beiden  Eltern  seine  eigene  Abart  verehrt  hat  Die 
Zucht  der  Maulthiere  beschränkt  sich  nicht  auf  die  nördlicheren 
Provinzen,  doch  hält  man  diese  fiir  die  besseren.  Die  Berg- 
Artillerie  zieht  ihren  Bedarf  aus  Catalonien.  Sind  die  Fohlen 
1  —  2jährig,  so  werden  sie  auch  wohl  in  die  südlicheren  Provin- 
zen gefuhrt,  und  dort  in  grossen  Koppeln  bis  zum  dritten  Jahre 
gehalten  und  dann  zum  Verkauf  gestellt.  Die  Natur  der  Maul- 
thiere ist  nicht  so  gutartig,  wie  die  der  Pferde;  sie  sind  grossen- 
theils  bös,  tückisch  und  schlagen  und  beissen.  In  der  Klugheit 
geben  sie  den  Pferden  nichts  nach.  Das  beste  und  verständigste 
Thier  wird  an  die  Spitze  gespannt  und  fuhrt  den  Zug.  Vor  den 
Tartanen  ziehen  1,  2,  3  —  6  Maulthiere,  eins  hinter  das  andere 
gespannt;  vor  den  Galeeren  mit  4  Rädern  werden  die  Maulthiere 
zu  zweien;  vor  den  Courierwagen  6  zu  dreien  breit  gespannt; 
vor  den  Diligencen  10  — 14  zu  zweien,  doch  sind  in  den  mitt- 
leren Gespannen  auch  je  drei  zu  finden.  Die  beiden  stärksten 
Thiere  werden  zu  Stangenpferden  genommen,  und  mit  Stricken, 
Riemen  und  Ketten  so  befestigt,  dass  sie  sich  aus  der  ihnen  an- 
gegebenen Stellung  zur  Deichsel,  von  der  sie  bei  unebenen 
Wegen  die  heftigsten  Schläge  erhalten ,  nicht  entfernen  können. 
Unter  der  Deichsel  hängt  eine  Kette,  an  dieser  eine  breite  Waage. 
Die  Bespannung  ist  sehr  einfach.  Jedes  MaulÜüer  trägt  ein  ge- 
polstertes gelbes  Kissen,  vorn  beschlagen,  um  den  Hals.  Die 
beiden  Stränge  sind  an  einer  hölzernen ,  mit  Eisen  beschlagenen 
Gabel  befestigt,  welche  von  oben  in  das  Halskissen  gestochen 
wird.  Die  Stränge  der  vorderen  Thiere  sind  an  denen  der  ihnen 
folgenden  befestigt;  eben  so  die  Köpfe  der  letzteren  fest  an  die 
Stränge  der  vor  ihnen  angespannten  Thiere  gebunden.  Sind  die 
Stangenpferde  oder  Esel  eingeschnallt  und  geschnürt^  so  werden 
die  vier  oder  fünf  hintereinander  gespannten  Thiere,  die  links 
gehen  sollen,  dort  eingehängt;  dasselbe  geschieht  mit  dem  zwei- 
ten Zuge,  welcher  zur  rechten  Seite  eingehängt  wird,  worauf 
man  wiederum  die  rechts  und  links  gehenden  Thiere  unterein- 
ander befestigt.  Man  wird  es  sehr  natürlich  finden,  dass  so  viele 


430 

Knüpferei  nicht  allein  auf  den  Stationen  einen  grossen  Aufent- 
halt verursacht,  sondern  auch  unterweges  sehr  häufig  Veranlas- 
sung wird ,  anzuhalten  und  in  dem  Arrangement  nachzuhelfen, 
auszugleichen  und  zusammenzubinden,  was  zerrissen  ist.  Von 
vorzüglicher  BeschafFenlieit  sind  die  für  die  fahrende,  wie  für  die 
Berg -Artillerie  verwendeten  Maulthiere,  von  welchen  im  folgen- 
den Abschnitte  gesj^rochen  werden  wird.  Vortreffliche  Maul- 
thiere werden  auch  auf  den  Balearen  gezogen;  sie  sind  kleiner 
als  diejenigen  auf  dem  Festlande;  durchgehends  schwarz  und 
sehr  kurzhaarig,  so  dass  sie  auch  nur  ausnahmsweise  geschoren 
werden.  Sie  sind  sehr  zierlich  gebaut^  haben  sehr  feine  Knochen, 
sind  lang  gefesselt  und  mit  auffallend  kleinen  Hufen  versehen. 
Ihr  Schweif  zeichnet  sich  vor  den  Schweifen  der  übrigen  Spani- 
schen Maulthiere  dadurch  aus,  dass  er  vollständig  mit  langen 
Haaren  versehen  und  kaum  von  einem  Pferdeschweif  zu  unter- 
scheiden ist. 

Um  die  Pferdezucht  nicht  unter  der  immer  mehr  überhand 
nehmenden  Benutzung  der  MaulÜiiere  zu  sehr  leiden  zu  lassen, 
hat  die  Regienmg  bestimmt,  dass  von  Luxus -Maulthieren  an 
Chaussee-  und  Brückengeld  der  doppelte  Satz  von  demjenigen 
erhoben  werden  solle,  was  fiir  Pferde  gezahlt  wird. 

Die  Stelle  der  Abbatoirs  in  Frankreich  und  der  Abdeckereien 
in  Deutschland  ersetzen  in  Spanien  gewisseimaassen  die  Stier- 
kämpfe. Die  alt  und  imbrauchbar  gewordenen  Pferde  werden 
nicht,  wie  in  Frankreich  und  Deutschland,  erstochen,  sondern 
sie  haben  ihr  Lebensende  im  Amphitheater  unter  dem  Beifall 
eines  jubelnden  Publicums,  unter  Trompetenschall  und  Pauken- 
schlag von  den  Hörnern  des  zur  äussersten  Wutli  gereizten  Stie- 
res zu  erwarten.  Sollte  dieser  Sitte  vielleicht  der  Gedanke  zum 
Grunde  liegen,  einem  so  edlen  Thiere,  nach  so  vielen  treuen  tmd 
nützhchen  Dienstjahren  einen  ritterlichen  Tod  auf  dem  Kampf- 
platze zu  gönnen?  Allein  in  diesem  Falle  würde  man  doch  von 
vom  herein  die  Ungleichheit  der  Kräfte  ermessen  haben.  Dem 
kräftigsten  und  Avildesten  Stiere  seiner  Heerde,  den  man  durch 
Himger  und  alle  Mittel  der  grausamen  Neckerei  betäubt  und 


431 

wüthend  gemacht,  ein  altersgraues,  lebensmüdes  Pferd,  mit  ver- 
bundenen Augen,  gegenüber  zu  stellen,  damit  dasselbe  dem 
Stosse  weder  ausweichen,  noch  sich  vertheidigen  kann,  das  ist 
eine  Sache,  welche  das  Gefühl  des  Deutschen  Zuschauers  ver- 
letzt Wenn  aber  das  Thier  getroffen,  gehoben,  gestürzt  ist,  und 
aus  der  klaffenden  Wunde  das  Blut  strömt,  und  der  Reiter  es 
wieder  erhebt  und  wieder  besteigt,  und  ^vieder  den  Stier  auf 
dem  geblendeten  zitternden  Pferde  erwartet,  da  begreift  der 
Ausländer  nicht  den  hiesigen  Landesgebrauch.  Jedoch  das  Spiel 
dauert  fort.  Dem  wiederholt  getroffenen  Pferde  hängen  in  mäch- 
tigen Klumpen  Eingeweide,  Lunge  und  Leber  aus  dem  aufgeris- 
senen Bauche;  die  Därme  schleifen  nach;  das  Pferd  tritt  hinein 
und  verwickelt  sich  mit  den  Füssen  darin;  die  Knechte  traben 
hinterher;  sie  reissen  die  Eingeweide  ab  und  aus  dem  Leibe;  sie 
treiben  mit  krachenden  Knittel-  und  Peitschenhieben  das  schon 
betäubte,  taumelnde,  von  seinem  Reiter  aufs  heftigste  gespornte 
Thier  noch  einmal  gegen  den  Stier;  es  möchte  so  gern  sinken 
und  fallen,  aber  wie  vermag  es  das  vor  seinen  Peinigem.  Gott- 
lob ,  dass  der  Stier  es  endlich  zu  Boden  gerannt  und  nun  das 
Wiederaufstehen  unmöglich  gemacht  hat.  Wird  dann  aber  das 
in  seinen  letzten  Athemzügen  keuchende  Ross  noch  von  dem  in 
rasender  Wuth  herbeistürzenden  Stiere  getreten ;  oder  lässt  die- 
ser, da  er  seine  Quäler  nicht  erreichen  kann,  seine  Wuth  aus  ge- 
gen die  sich  im  Todesschmerze  windende  blutige  Masse,  unter 
dem  unendlichen  Jauchzen  der  Zuschauer,  so  scheint  gerade  in 
dem  stummen  Ende  des  sterbenden  Thieres  die  bitterste  Anklage 
gegen  die  Menschheit  zu  liegen.  Aber  die  Menge  ruft  nach  neuen 
Pferden,  und  wieder  und  wieder  erneuert  sich  das  Schauspiel, 
und  nach  der  Zahl  der  geföllten  Pferde  ermisst  man  den  Grad 
des  Genusses. 

Wiewohl  solch  Schauspiel  mich  entsetzt  und  innerlich  em- 
pört hat;  wiewohl  ich  davon  durchdrungen  bin,  dass  in  meinem 
Vaterlande,  selbst  wenn  es  gestattet  werden  sollte,  das  Publicum 
nach  solchen  Vorgängen  die  Fortsetzung  verhindern  würde,  so 
darf  man  nichts  desto  weniger  nicht  ohne  Weiteres  über  Natio- 


432 

nalvergnügungen  absprechend  urtheilen ,  welche  sich  bisher  als 
solche  erhalten  haben ,  an  welchen  alle  Stande,  Männer  und 
Frauen,  Jünglinge  und  Jungfrauen,  Knaben  und  Mädchen,  bis 
zu  den  kleinsten  IQndem  hinab  mit  Entzücken  Theil  nehmen; 
Nationalvergnugen,  welche  bereits  aufgehoben  waren,  welche 
wiedereinzuführen  die  Regierung  för  angemessen  erachtet  hat; 
Nationalvergnugen,  welche  der  Spanier  jeder  anderen  Erholung 
vorzieht,  und  in  denen  er  sich  in  seinem  Beifall,  wie  in  seinem 
Missvergnügen  auf  eine  Weise  hinreissen  lässt,  dass  bei  derarti- 
gen Vorstellungen  ausser  den  zahlreichen  Polizeimannschaften, 
Soldaten  nicht  allein  im  Innern  des  Zuschauerraums  vertheilt, 
sondern  auch  in  entsprechender  Stärke  ausserhalb  des  Circus 
bis  nach  vollständig  beendetem  Schauspiel  aufgestellt  sind.  In 
einigen  Corridas  habe  ich  20 — 30Pferde  fallen  sehen.  Die  für  dies 
Schauspiel  aufgekauften  Pferde  werden  mit  6,  10  bis  12  Thalern 
bezaldt.  Das  einmal  in  den  Circus  geführte  und  bestiegene  Pferd 
wird  nur  ausnahmsweise  lebend  wieder  hinausgeföhrt;  es  bleibt 
so  lange  auf  dem  Platz,  bis  es  durch  die  Erfüllung  seines  Zweckes 
den  Kaufpreis  bezalilt  gemacht  hat.  Man  versicherte  mich ,  dass 
durchschnittlich  im  Laufe  des  Jalires  3-  bis  4000  Pferde  in  Spa- 
nien in  den  Corridas  de  toros  umkämen.  Zum  Schluss  kann  ich 
nicht  umhin,  zuzugestehen,  dass  ich  an  mir  selbst  die  Erfahrung 
gemacht  habe,  wie  man  sich,  ohne  dass  das  Gefühl  und  der  Ein- 
druck, welche  ich  oben  geschildert,  abgestumpft  wären,  oder 
einer  Gleichgültigkeit  Platz  gemacht  hätten,  an  solche  Vorstel- 
lungen mehr  gewöhnen,  ihnen  sogar  ein  Interesse  abgewinnen 
kann.  Sei  es,  dass  die  Geschicklichkeit  und  Gewandtheit  der 
Kämpfer,  Banderilleros  oder  Bajazzos,  sei  es,  dass  die  Natur  und 
Kraft  des  Stieres,  die  kalte  Ruhe  der  Picadores  oder  Theilnahme 
fiir  bestimmte  Kämpfer,  Thiere  oder  deren  Besitzer,  oder  end- 
lich die  Gesammtheit  des  Eindruckes,  der  Glanz  der  Toiletten, 
die  Spannung  des  Publicums ,  der  Ausbruch  seiner  Aeusserun- 
gen,  die  Förmlichkeiten,  die  Grandezza,  die  bunten  Trachten,  die 
eigcBi^ümlichen  Frisuren  der  Espadas  das  Interesse  erhöhen. 
Ich  habe  diese  Bemerkung  hiermit  aussprechen  wollen,  um,  da 


433 

sich  auch  andere  Ausländer  mit  mir  in  gleichem  Falle  befunden, 
daran  zu  zeigen,  dass  die  Theilnahme  der  Spanier  an  diesen  von 
Jugend  auf  besuchten  Vorstellungen  wohl  zu  einer  Gewohnheit 
und  zu  einem  Nationalvergnügen  gesteigert  werden  koimte. 

Man  halt  allgemein  die  Natur  der  Stiere  fiir  eine  böse,  an- 
greifende und  kampflustige.  Ich  kann  dies  nicht  bestreiten,  wie- 
wohl ich  diesen  Eindruck  weder  von  einzehien  Stieren,  die  ich 
auf  Strassen  und  in  Dörfern  sich  frei  bewegen  gesehen,  noch 
von  grossen  Heerden,  die  ich  angetroffen,  erhalten  habe.  Selbst 
auf  dem  Kampfplatze  erscheint  der  Stier  mehr  in  dem  Zustande 
•  der  Nothwehr,  nachdem  er  durch  Hunger  und  Durst  ungeduldig 
gemacht,  ihm  ein  Eisen  mit  der  Banddevise  fest  in  den  Rücken 
getrieben  und  er  aus  dem  dunkelen  Stall  plötzlich  in  den  hellen 
Circus  gejagt  ist;  empfangen  von  Musik  und  dem  Zuruf  Tausen- 
der, gehetzt,  geneckt  von  Menschen  und  seidenen  Tüchern,  Ban- 
derillas und  Feuerwerk ,  als  von  selbst  angreifend;  er  verfolgt 
auch  selten  das  sich  abwendende  oder  sich  zurückziehende  Pferd. 
Man  lässt  es  aber  auf  dem  Lande  nicht  an  Mitteln  fehlen,  zum 
Vergnügen  der  DoriQugend  schon  die  Kälber  und  das  Jimgvieh 
zu  necken  und  zur  Vertheidigung  zu  zwingen.  Sonntags  sieht 
man  in  den  kleineren  Pueblos  häufig  ein  Stück  Jungvieh,  an 
einen  Pfahl  gebunden ,  an  den  Hörnern  Kugeln  von  Leder  be- 
festigt oder  dieselben  mit  Tüchern  umwunden,  und  Weiber  und 
Kinder  beschäftigt,  ihn  durch  Werfen,  Schlagen,  Stechen  und 
mit  bunten  Tuchen  zu  necken  und  zu  reizen.  Werden  dann  ein- 
zelne umgerannt,  reissen  diese  einen  Theil  d6r  Uebrigen  mit  zu 
Boden,  so  ist  der  Jubel  allgemein.  Auch  an  manchen  Volksfesten 
führt  man,  in  Ermangelimg  einer  Corrida,  einen  Stier  mit  ge- 
sicherten Hörnern  durch  die  Stadt,  und  lässt  demselben  mitunter 
so  viel  Luft,  um  die  vor  ihm  herlaufenden,  ihn  unausgesetzt 
neckenden  Knaben  erreichen  und  umreimen  zu  können.  Auch 
2U  den  Corridas  nimmt  man  häufig,  wenn  man  keine  starken,  er- 
wachsenen Stiere  bezahlen  oder  keine  Kämpfer  auf  Leben  und 
Tod  finden  kann,  Jungvieh,  bei  dem  die  Gefahr  geringer  ist,  und 
dem  gegenüber  auch  schüchterne  Dilettanten  in  die  Schranken 

V.  Minutoli,  Spanien.  28 


434 

treten.  Ich  habe  eine  dergleichen  in  Puerto  Santa  Maria  gesehen, 
die  von  den  jungen  Leuten  der  Stadt  arrangirt  war,  um  aus  dem 
Ertrage  das  Kirchenfest  der  Schutzpatronin  der  Stadt  mit  mög- 
lichst grossem  Pompe  begehen  zu  können.  Sechs  junge  Stiere, 
fast  noch  Kälber,  wurden  von  Dilettanten  zu  Tode  gebracht  Es 
kostete  viele  Mühe,  die  armen  gutmüthigen  Thierchen  dahin  zu 
bringen ,  Widerstand  zu  leisten ,  und  die  Heldenkämpfer  hatten, 
wie  es  mir  schien,  ihre  Lorbeeren  sehr  biUig  verdient  Dass 
ihnen  solche  überreich  gespendet  wurden,  lag  in  dem  Umstände, 
dass  die  Betheiligten,  als  paisanos  und  Kinder  der  Stadt,  die 
Theilnahme  des  Publicums  gleichergestalt  in  Anspruch  nahmen, 
als  das  Jungvieh  eigener  Zucht  Die  Stiere  sind  übrigens  luigleich 
in  der  Art  des  Kampfes.  Sie  greifen  zwar  alle  nur  mit  dem  lin- 
ken Hom  an;  sie  rennen  aber  nicht  immer  gegen  das  Pferd,  son- 
dern suchen  sich  häufig  den  Schenkel  des  Reiters,  wenn  es  die- 
sem nicht  gelingt,  durch  den  gut  geführten  Stoss  mit  der  Lanze 
das  Thier  abzuheben  oder  zu  wenden.  Auch  in  der  Verfolgung 
der  Bayazzos  machen  die  Stiere  mitunter  Scheinbewegungen, 
um  irgend  einen,  der  sich  dessen  am  wenigsten  versieht,  zu  fas- 
sen und  in  die  Höhe  zu  schleudern.  Sehr  häufig  habe  ich  ge- 
sehen, dass  der  Stier  in  der  Verfolgimg  der  Banderilleros  oder  auf 
dem  Rückzuge  begriffen  über  die  sechs  Fuss  hohe  Bretter-Bar- 
riere gesprungen  ist,  welche  den  Zuschauerraum  von  der  Arena 
trennt,  und  aus  welcher  das  Thier  dann  oft  nur  mit  Mühe  wie- 
der auf  den  Kampfplatz  zurückgetrieben  werden  konnte.  Die 
grosseste  Wuth  zÄigt  der  Stier,  wenn  er  sich  mit  den  Vorder- 
fiissen  vorstammt,  scharrt,  stampft  und  den  Staub  in  die  Höhe 
wirft-  Ist  er  furchtsam,  feig  und  kehrt  er  um,  und  reizen  ihn 
auch  die  Feuerköfper  nicht,  die  auf  ihm,  an  Pfeilen  hängend,  ab- 
gebrannt werden,  so  ruft  man  nach  Hunden  (perros).  Es  sind 
dies  doppehiasige  Bulldogs,  bekannt  aus  den  Americanischen 
Kriegen;  ausserordentUch  stark  und  kampflustig.  In  Madrid 
hat  im  Jahre  1850  ein  Stier  die  ganze  Meute  der  Hunde,  acht- 
zehn an  der  Zahl,  successive  getödtet,  so  dass  dort  zur  Zeit  keine 
Hunde  zum  Stierkampf  vorhanden  sind,  sondern  erst  gezogen 


435 

werden.  Ein  anderes  Mittel  gegen  feige  Stiere  sind  die  Mond- 
sicheln, sobald  das  Publicum  sie  verlangt.  Dieselben  sind  an  Stan- 
gen befestigt,  und  mit  ihnen  durchschneidet  man  die  Beine  des  un- 
glücklichen Thieres,  das  dann  noch  kurze  Zeit  sich  auf  den  bluti- 
gen Stümpfen  fortbewegt,  bis  man  ihm  den  Gnadenstoss  giebt 

In  Madrid  hat  man  im  Sommer  1851  mehrmals  Stiere  mit 
Löwen  oder  Tigern  kämpfen  lassen,  allein  der  Erfolg  hat  den 
Erwartungen  nicht  entsprochen.  Zunächst  war  der  zum  Kampf 
bestimmte  Raum  nicht  geeignet,  um  den  Thieren  die  Vortheile 
zu  gewähren,  welche  ihnen  die  Natur  in  der  freien  Entwickelung 
und  Benutzung  ihrer  Kräfte  bietet.  Es  wird  nämlich  fiir  solche 
Fälle  von  hohen  eisernen  Stangen  in  Mitten  des  Circus  eine  Um- 
wehrung  käfigartig  errichtet,  und  in  diese  die  durch  Hunger  ge- 
reizten Thiere  eingelassen.  Löwen  und  Tiger  bedürfen  aber  in 
ihrer  katzengleichen  Weise  des  Angriffs,  indem  sie  sich  plötzlich 
mit  grosser  Gewalt  im  Sprunge  auf  ihren  Gegner  stürzen,  eines 
bedeutenden  Zwischenraumes,  um  sich  fortschleichend  zu  nähern 
oder  zurückzuziehen,  zu  legen  und  in  die  Höhe  zu  schnellen. 
Ausserdem  hat  man  die  Erfahrung  gemacht,  dass  die  Raubthiere, 
im  Käfig  geboren ,  nicht  mit  so  scharfen  Krallen  versehen  sind, 
als  die  im  Freien  lebenden ;  sei  es,  dass  dieselben  sich  überhaupt 
weniger  ausbilden,  oder  dass  der  Mangel  an  Benutzung  den  Ge- 
brauch erschwert  oder  verhindert.  In  dem  Kampfe  zwischen 
einem  Löwen  und  Stier,  dem  ich  beiwohnte,  vermochte  der  er- 
stere,  nachdem  er  auf  seinen  Gegner  zugesprungen  und  dessen 
Hals  umfasst  hatte ,  seine  Krallen  nicht  einzuschlagen  und  sich 
festzuhalten.  Er  glitt  ab  und  gab  sich  dadurch  den  Stössen  des 
Stieres  Preis,  dem  er  im  ersten  Gange  den  Schwanz  abbiss.  Der 
hierauf  zur  höchsten  Wuth  gereizte  Stier  erfasste  seinen  Gegner 
und  warf  ihn  neunzehn  mal  in  kurzer  Zeit  hintereinander  in  die 
Luft.  Hierauf  trat  eine  Pause  ein;  der  Löwe  erklärte  sich  für 
besiegt,  indem  er  sich  bis  an  die  XJmwehrung  keuchend  zurück- 
zog und  sich,  unfähig  den  Kampf  zu  erneuern,  mit  ausgestreck- 
ten Füssen  niederlegte.  Dass  er  den  Kampf  nicht  zu  erneuern 
wünschte,  sondern  sich  Preis  gab,  schien  aus  dem  Umstände  her- 

28' 


436 

vorzugehen,  dass  er  den  Stier  nicht  im  Auge  behielt,  sondern 
den  Kopf  ab  wandte,  gleichsam  bittend,  ihm  einen  Ausgang  zu 
gewähren.  Der  Stier  hatte  sich  auch  zurückgezogen;  er  fixirte 
seinen  Feind,  war  aber  zu  einem  neuen  Angriffe  nicht  zu  be- 
wegen. Die  Zuschauer  waren  mit  dem  Ausgange  des  Schau- 
spiels nicht  zufrieden;  sie  wollten  wenigstens  eins  der  Thiere 
getödtet  sehen,  imd  verlangten,  da  ihnen  der  Löwe  der  am 
wenigsten  tapfere  oder  streitlustige  erschien,  dass  demselben 
Feuerwerkskörper  angehängt  werden  sollten.  Eine  im  Circus 
anwesende  höchste  Person  ertheilte  die  Erlaubniss  dazu  nicht; 
allein  nachdem  dieselbe  den  Schauplatz  verlassen,  drangen  die 
unzufriedenen  Zuschauer  von  den  Sitzbänken,  welche  man  theil- 
w^eise  zertrümmerte,  in  den  inneren  Rg,um;  dem  Löwen  wurde 
der  Schwanz  abgeschnitten,  und  er  selbst  mit  zahllosen  Dolch- 
stichen getödtet. 

Das  Rindvieh  ist  in  Spanien  nicht  besonders  gross,  aber 
stark  und  wohlgebaut.  In  den  Nordprovinzen,  wo  die  Milcb- 
und  Käsefabrication  in  grossem  Umfange  betrieben  wird,  ist  es 
vortrefflich  beschaffen  imd  wird  von  Galicien,  namentlich  Vigo 
aus  in  grossen  Massen  nach  England  verschifft. 

Milchwirthschaft,  Butter-  und  Käsefabrication  wird,  wie 
schon  bemerkt,  hauptsächlich  in  den  Nordprovinzen  des  Reiches 
getrieben.  Die  Provinz  Asturien  hat  im  Hafen  Gijon  1851  eine 
Million  Pfund  Butter  und  700,000  Pfund  Käse  ausgeföhrt  In 
den  warmen  und  heissen  Himmelsstrichen  des  Landes  stellt  sich 
der  Mangel  an  Grünfutter  eben  so  hindernd  entgegen,  als  der 
Geschmack  oder  die  Gewohnheit,  den  mit  Oel  zubereiteten  Spei- 
sen den  Vorzug  vor  der  Butterverwendung  zu  geben,  und  die 
Schwierigkeit  der  Aufbewahrung.  Wenn  sich  in  Preussen  die 
jährliche  Milchproduction  auf  40,000,000  Thaler,  der  Fleischver- 
brauch auf  9,000,000  Thaler  stellt,  wenn  man  berechnet^  dass  in 
der  Rheinprovinz  100  Kühe  auf  je  520  Menschen,  in  der  Provinz 
Brandenburg  eben  so  viel  auf  600  Menschen  kommen,  so  sind 
dies  Zahlenverhältnisse,  welche  auf  die  Pyrenäische  Halbinsel 
durchaus  nicht,  ja  nicht  einmal  annähernd  zu  übertragen  sind. 


437 

In  den  grösseren  Städten  Spaniens  findet  man  seit  einigen  Jah- 
ren casas  de  vacas,  in  denen  MUchvieh  aufgestellt  und  die  Milch 
zum  Genuss  auf  der  Stelle  und  ausser  dem  Hause  fiir  sehr  hohe 
Preise,  im  Vergleich  mit  den  unsrigen,  verkauft  wird.  Auch  der 
Verbrauch  an  Rindfleisch  ist  in  Spanien,  im  Vergleich  zu  Deutsch- 
land, gering;  da  man  Fleisch  überhaupt  nur  m  massigen  Portio- 
nen nimmt,  und  zu  dem  Spanischen  Hauptgericht,  dem  Puchero, 
gleichzeitig  Rindfleisch,  Geflügel,  Wurst  und  Speck  verwen- 
det wird. 

Die  Schaafzucht  bildet  einen  wichtigen  Zweig  der  Spani- 
schen Landwirthschaft,  Eine  eigenthümüche  Einrichtung  ist  das 
sogenannte  Mesta^ystem  der  « transhumantes »  oder  Wander- 
schaafe  genannten  Merinos.  Einige  leiten  das  Wort  von  Marino 
her,  weil  diese  Race  imter  Heinrich  11  aus  England  herüber  ge- 
kommen sei,  allein  schon  in  der  alten  Geschichte  war  die  Baeti- 
sehe  Wolle  berühmt,  und  wurde  das  Ram  nach  Strabo  III.  312 
mit  einem  Talente  bezahlt  Ohne  Haus  und  Hof,  Grenze  oder 
Hinderniss  ziehen  die  Merinos  wie  die  nomadisirenden  Beduinen 
durch  das  Land.  Als  im  dreizehnten  Jahrhundert  die  Spanier 
die  industriellen  Mauren  aus  dem  Südwesten  der  Pyrenäischen 
Halbinsel  vertrieben,  wurden  viele  Städte  verwüstet  und  viele 
bestellte  Aecker  und  Wiesen  dem  Verfalle  Preis  gegeben.  Weite 
angebaute  Strecken  verödeten,  und  der  fruchtbare  Boden,  die 
sorgsam  gepflegten  Felder  überwucherten  bald  in  üppiger  Fülle 
mit  Ejräutem  und  Buschwerk.  Diese  vernachlässigten  und  un- 
bewohnten Weideplätze  zogen  später  die  Aufmerksamkeit  der 
hochländischen  Heerdenbesitzer  von  Leon  imd  Castilien  auf  sich, 
welche  ihre  Heerden  dort  hinab  in  ein  mildes  Winterquartier 
trieben.  So  bildete  sich  nach  und  nach  ein  Veqährungsrecht 
wider  die  belasteten  Gemeinden,  tmd  endlich  wurden  die  Districte 
retirados  oder  besonders  fiir  diese  Weideplätze  ausgesetzt.  Die 
armen  Landleute  vermochten  ihre  Rechte  den  einflussreichen 
Heerdenbesitzem  und  Klöstern  gegenüber,  welche  dabei  bethei- 
ligt waren,  nicht  zu  schützen,  und  so  sehr  auch  die  Spanischen 
Oeconomen  dies  System  einerseits  beklagt  haben,  so  muss  es 


438 

doch  andererseits  immer  dahin  gestellt  bleiben,  ob  bei  der  plötz- 
lichen Aufhebimg  desselben,  wenn  man  jenes  Land  dem  Ge- 
treidebau übergeben  wollte,  die  Verluste  der  Heerdenbesitzer  in 
den  ersten  10  —  20  Jahren  im  Interesse  der  Landescultur  auf- 
gewogen werden  würden,  da  zur  allgemeineren  und  sorgfältigeren 
Bestellung  jener  imgeheuren  Flächen  der  äusserst  sparsam  be- 
völkerten Provinzen  zunächst  durch  innere  Colonisation  auf  eine 
dichtere  Bevölkerimg  Bedacht  genommen  werden  müsste. 

Da  zwischen  den  wandernden  Schäfern  und  den  angesesse- 
nen Landwirthen  zahllose  Zwistigkeiten  entstanden,  so  wurde 
endlich  1556  ein  Compromiss  entworfen,  wodurch  einzelne  mäch- 
tige Heerdenbesitzer  ihre  Privilegien  über  einige  der  fruchtbar- 
sten Theile  des  Landes  gesichert  haben.  Durch  die  Cortes  von 
Cadiz  wurde  die  Mesta  zwar  aufgehoben,  durch  König  Ferdi- 
nand Vn  1814  jedoch  wieder  hergestellt.  Die  Wanderheerden 
sind  in  der  Regel  in  Cabanas  zu  10,000  Stück  getheilt  Sie  ver- 
lassen ihre  Sommerplätze  (Apostaderos)  im  October  und  ziehen 
dann  in  die  wärmeren  Winterweiden  (Inveradores)  hinunter. 
Jede  Gabana  wird  durch  einen  Majoral  geführt^  welchen  50  Schä- 
fer und  50  Hunde  begleiten.  Auf  einer  40  tägigen  Reise  werden 
tägUch  2  —  4  Leguas  zurückgelegt  Die  Schäfer  tragen  eigen- 
thünüiche  Mäntel  von  Reisstroh.  Nach  den  Mesta-  Gesetzen  ist 
eine  Ganada  de  Paso  oder  freie  Schaaftrifb  90  Schritt  zu  beiden 
Seiten  der  Strasse  breit  Die  Thiere  lernen  den  Weg,  so  wie 
das  ihnen  angewiesene  Terrain  selbst  sehr  genau  kennen,  weil 
sie  Jahr  für  Jahr  nach  denselben  Plätzen  wiederkehren.  Im  Mo- 
nat April  treibt  sie  der  Instinct  auf  die  benachbarten  Höhen. 
Bei  ihrer  Ankunft  ist  für  je  100  Schaafe  eine  Fanega  Salz,  das 
sie  sehr  heben,  bereit  gehalten.  Die  Schaafe  werden  im  Monat 
Mai  geschoren  (trasquilados).  Die  Schur  giebt  Veranlassung  zu 
eigenthümlichen  Festen ,  die  ihren  morgenländischen  Ursprung 
nicht  verleugnen.  Die  ungeheuren  Heerden  der  ehemaligen 
Mönche  des  Escurials  imd  anderer  reichen  Schäfereibesitzer 
werden  im  Monat  Mai  in  weite  Esquileos  getrieben,  in  denen 


439 

Factoren  die  Aufsicht  föhren.  Die  Schaafe  kommen  zunächst  in 
den  Sudadero,  eine  Schwitzkammer;  dann  werden  sie  mit  ge- 
bundenen Füssen  den  Legadores  übergeben,  und  von  diesen  den 
Scheerem,  welche  8  — 10  Stück  täglich  zu  scheeren  vermögen. 
Die  Thiere  gehen  hierauf  durch  die  Hände  des  Empegadero,  um 
taxirt  und  gebrannt  zu  werden.  Dann  werden  sie  durch  Gapata- 
zes  überzahlt  und  bestimmt,  welche  als  zu  alt  den  Schlächtern 
zu  überliefern  smd,  während  der  Rest,  in  Hürden  gegen  die 
Kälte  geschützt,  zurückbleibt.  Redbidores  sortiren  die  WoUe. 
Der  Ausschuss,  las  Cardas,  wird  besonders  gesammelt;  die  pila,  * 
der  Ertrag,  wird  gewogen  und  verkauft  oder  dem  Lavadero  zur 
Wäsche  übersandt.  Drei  verschiedene  Gattungen  Wolle  werden 
vom  Apartador  gesondert.  Die  Calvitas  werden  am  höchsten  be- 
zahlt. Diese  Wollsortirer  bilden  in  Segovia  eine  besondere  Gilde. 
Im  Jahre  1850  wurden  478,843  Arrobas  Wolle  nach  Frankreich 
und  England  verkauft,  und  77,614  Varas  Wollen- Gewebe  nach 
America  verschifft. 

Die  Spanische,  früher  so  berühmte  Wolle  fiel  nach  imd  nach 
im  Werthe  von  8:3;  durch  die  Südamericanische  wurde  sie 
ernstlich  bedroht,  jedoch  hat  sich  neuerdings  die  Wolle  gebes- 
sert Nichts  desto  weniger  beziehen  die  Spanischen  Tuchmanu- 
facturen  ihren  Wollbedarf  für  feinere  Tücher  schon  aus  Preus- 
sen  und  Sachsen. 

Man  berechnet  die  Zahl  der  Schaafe  in  Spanien  auf  1 9,000,000, 
von  denen  12,000,000  der  ordinairsten  Bace  angehören.  Den 
durchschnittiücben  Wollertrag  nimmt  man  zu  44  Pftmd  fUr  das 
Stück  an,  so  dass  der  GesammtwoUertrag  sich  auf  85,000,000 
Pfund  belaufen  würde.  Die  feinste  Wolle ,  aus  der  Heerde  der 
Königin,  wird  mit  85  r,  die  Arroba  (25  Pfimd),  die  gewöhnliche 
mit  60  r.  die  Arroba  bezahlt  Die  berühmtesten  Heerden,  welche 
ihre  Namen  nach  den  Besitzern  erhalten,  sind: 

in  Leon  und  Estremadura  —  19  Cabanas,  darunter  die  der 
Königin,  des  Marquis  Perales,  des  Grafen  Oliva,  der  Mar* 
quise  Santa  Marta ; 


440 

unter  den  Sorianem  —  16; 

unter  den  Segovianem  —  10,  mit  der  ausgezeichneten  Sächsi- 
schen Heerde  der  Königin  im  Escurial; 

imter  denen  von  Cuenca  imd  Molina  —  10,  namentlich  die  Ga- 
banas des  Herzogs  von  Veragua  und  Salvador  Perez. 
Die  Mestaschaafe  haben  die  feinste  Wolle.  Das  Fliess  der 
daheim  bleibenden  Heerden  ist  von  geringerer  Gattung  (laua 
basta).  Im  Herbst  werden  die  Thiere  mit  roiher  Erde  von  Al- 
marazon  eingerieben,  wodurch  man  die  Wolle  verfeinem  zu  kön- 
nen glaubt. 

Das  Fleisch  der  Wanderschaafe  wird  nicht  sehr  gesucht 
Man  behauptet,  dass  der  Genuss  des  Thymians,  der  den  Haupt- 
bestandtheil  der  Weide  bildet,  nachtheilig  auf  den  Geschmack 
einwirke.  Die  Matratzen  in  Spanien  werden  in  der  Regel  mit 
Wolle,  die  besseren  mit  Baumwolle  gestopft.  Sie  sind  dadurch 
elastisch,  und  wie  man  behauptet,  während  der  Sommerzeit  küh- 
ler, als  Pferdehaar-Matratzen. 

Die  Schweinezucht  wird  in  Spanien  in  bedeutendem  Um- 
fange getrieben.  Die  in  Estremadura  heimische  Race  gilt  fiir  die 
vorzüglichste.  Die  Thiere  sind  klein,  kurz,  rund,  schwarz  oder 
violettbraun.  Die  Eichen  und  Buchen  auf  den  Höhen  geben  eine 
vortreffliche  Mast.  Auch  auf  den  Balearen  werden  viele  und 
gute  Schweine  gezogen,  welche  in  ihrer  Bildung  der  in  Schott- 
land befindlichen  Race  sehr  nahe  kommen;  die  Köpfe  sind  klein 
und  das  Maul  so  dünn  und  spitz,  die  Füsse  kurz  und  fein,  dass 
die  Thiere  fast  die  Gestalt  von  Maulwürfen  haben.  1850  wurden 
14,000  Arrobas  Schinken  und  294,290  Embuchados,  so  wie 
24,744  Arrobas  ungefärbter  und  169,914  Pfimd  gefärbter  Bor- 
sten verschifft.  Die  Heerden  von  Trujillo  und  Merida  sind  be- 
rühmt; sie  liefern  die  besten  Schinken.  Die  Schlachtzeit  (ma- 
tanza)  beginnt  den  1 0  November.  Die  Schinken  werden  mit  Sal- 
peter eingerieben,  schwach  geräuchert  und  dann  mit  einem  Gips- 
überzug versehen  versandt  oder  aufbewahrt  Die  Haut  der 
Schweine,  sorgföltig  abgezogen  und  an  den  schadhaften  Stellen 
zusammengenäht;  wird  mit  Pech  ausgegossen  und  bildet  die 


441 

Schläuche  für  den  Wein,  wo  solcher  nicht  in  grossen  Fässern 
aufbewahrt  oder  transportirt  werden  kann. 

Ziegen  werden  in  Heerden  nur  in  den  gebirgigeren  Thei- 
len  des  Landes  gehalten;  sie  verwildem  leicht  und  sind  dann 
Gegenstand  der  Aufmerksamkeit  der  Jäger.  Sie  sind  die  geßlhr- 
lichsten  Feinde  fiir  Anpflanzungen,  die  man  kaum  vor  ihnen  zu 
schützen  vermag. 

Unter  dem  Geflügel  stehen  die  Hühner  obenan.  Man  liebt 
in  Spanien  die  Eier  und  verzehrt  ausserordentlich  viele  pollos 
mit  Reis;  Hühnchen,  noch  nicht  ausgewachsen  imd  meistentheils 
von  jämmerlicher  Magerkeit^  Obgleich  man  überall  viel  Feder- 
vieh antrifft,  so  bildet  dasselbe  doch  einen  starken  Einfuhrartikel 
aus  Süd-Frankreich,  und  man  findet  auf  den  Strassen  von  Irun 
und  Junquiera  täglich  Züge  von  Frachtwagen,  welche  bis  zur  Höhe 
von  1 5  Fuss  mit  Hühnerkäfigen  beladen  sind.  Die  Truthühner 
aus  Andalusien  und  Estremadura  sind  sehr  beliebt;  man  trifflt 
sie  dort  in  ausserordentlich  zahlreichen  Heerden;  aber  auch  in 
Castilien  und  Catalonien  werden  sie  viel  gezogen. 

Tauben  gehören  zu  den  Lieblingsthieren  der  Spanier.  Wo 
sich  Taubenschläge,  gewöhnlich  von  Rohrstäben  zusammen- 
gesetzt, auf  Söllern,  Dächern  und  Thürmen  der  Häuser  anbrin- 
gen lassen,  findet  man  deren.  Die  Holztaube  kommt  auch  zalü- 
reich  vor  und  wird  'wn  den  Waldschützen  häufig  zu  Markt  ge- 
bracht. Pfauen  werden  nur  zum  Vergnügen  gehalten;  Gänse 
und  Enten  nur,  wo  Ueberfluss  an  Wasser  ist 

Von  nützlichen  Insecten  gehören  endUch  hierher:  die  Biene 
(abeja);  die  Seidenraupe  (gusano  de  Seda)  und  die  Cochenille. 

Honig  giebt  es  überall.  In  den  grossen  Haiden  (montes) 
auf  den  Waldblumen  und  würzigen  Kräutern  finden  die  Bienen 
reiche  Nahrung.  Der  Spanische  Honig  hat  ein  sehr  feines  Aroma, 
und  wird  zu  feinen  Kuchen  und  marzipanartigen  Gebacken,  be- 
sonders an  Haselnuss-Confitüren,  verwendet.  Unter  den  in  Spa- 
nien heimischen  Bienenarten  werden  die  flamenguillas,  hollän- 
dische Bienen,  am  meisten  gesucht.  Sie  sind  klein,  aber  ausser- 
ordentlich fleissig  und  dabei  sehr  massig  in  der  eigenen  Nahrung. 


U2 

Einige  Bienengattungen  sind  und  bleiben  wild  und  lassen  sich 
durchaus  nicht  zähmen ;  andere  sind  sehr  böse  und  unstat  Die 
Bienenstocke  sind  entweder  von  Holz  oder  von  Strohgeflechten 
oder  von  Kork.  Im  IVIai  und  October  werden  die  Stöcke  jedes- 
mal zur  Hälfle  ausgeschnitten«  Im  Winter  werden  die  Bienen 
geföttert^  indem  man  ihnen  in  Näpfen  Honig  oder  Syrup  hinstellt 
und  Stroh  darüber  legt,  damit  sie  sich  darauf  setzen  können. 

Unter  den  Seidenraupen  gelten  die  Italienischen  (gusanos 
trevaltinos)  for  die  besten.  Sie  geben  drei  Ernten  jährUch.  Man 
futtert  sie  gern  mit  der  Morera  mulücaule,  allein  sie  nehmen 
auch  die  Blätter  des  gewöhnlichen  Maulbeerbaumes ,  wie  in  Ya- 
lencia,  wo  man  ihnen  nur  die  letzteren  giebt. 

Die  Cochenille  wird  meistentheils  auf  den  breiten  Blättern 
des  Cactus  (Nopal,  Indische  Feige)  gezogen.  Man  benutzt  dazu 
auch,  jedoch  mit  melu*  Mühe,  die  Blätter  der  Grüneiche  (Garasca). 
In  der  Regel  entwickeln  sich  die  Thierchen  nur  unvollständig, 
so  dass  sie  kaum  zum  Fliegen  kommen.  801,915  Pfund  wurden 
1850  nach  England  verkauft. 

Zu  den  Plagen  des  Feldes  gehören  aber  ausser  den  Krank- 
heiten, die  oben  erwähnt  sind,  unter  den  Insecten  ganz  besonders 
die  Heuschrecken.  Diese  waren  früher  viel  häufiger.  So  findet 
man  in  dem  alten  Codex  des  Fuero  Juzgo  von  Leovigild  beson- 
dere Gerichtsferien  fiir  den  District  von  Cartagena  angesetzt^ 
imd  zwar  vom  15  Juni  bis  zum  15  Juli  jeden  Sommers,  um  in 
dieser  Zeit  den  Landbewohnern  Gelegenheit  zu  geben,  sich  aus- 
schliesslich der  Heuschreckenjagd  widmen  zu  können. 

Es  scheint  am  Orte  zu  sein,  diesen  Abschnitt  mit  einem  Gi- 
täte  aus  dem  Claudian  zu  schliessen,  welcher  Spanien,  sein  Vater- 
land, mit  den  Worten  bezeichnete : 

«Dives  equis,  frugum  facilis,  preciosa  metaUis.» 

£s  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  Spanien  unter  den 
41  Preis -Medaillen  der  Industrie -Ausstellung  in  London  18  für 
Producte  der  Landwirthschaft,  imd  zwar  für  Reis,  Zuckerrohr, 
Weizen,  Leinen,  Hanf,  Wolle,  Seide,  Kork  und  Färbepfianzen 
erhalten  hat 


443 

Wenn  es  meinen  Landsleuten  von  Interesse  sein  wird,  Man- 
ches ihnen  unbekannt  gewesene  über  die  Spanische  Landwirth- 
Schaft  zu  vernehmen,  so  mögen  sie  auch  das  Urtheil  eines  Spa- 
nischen Professors  der  Landwirthschaft,  des  Herrn  Jaime  Llanso, 
einer  Autorität  in  seinem  Fache,  über  die  Preussische  Landwirth- 
schaft  hören.  Er  sagt  (Sol  N.  814.  1852):  «Wiewohl  der  Boden 
in  Preussen  fruchtbar  ist,  so  finden  sich  doch  bei  der  mangelhaf- 
ten Regierung  selten  Landbauer,  welche  die  grossen  unbestell- 
ten Ländereien  bebauen,  es  sei  denn  in  der  Nähe  grosser  Städte, 
oder  auf  den  Kron-Domainen.  Die  ländüche  Bevölkerung  be- 
steht nur  aus  Tagelöhnern,  sie  lebt  in  schlechten,  schmutzigen 
Hütten.  Ein  Topf  und  Wasserkrug  bilden  den  ganzen  Hausrath ; 
Kartoffeln,  Hirse,  ein  wenig  Roggen  die  Nalirimg.  Und  in  den 
öden  Flächen ,  welche  eine  gute  Regierung  zu  fruchtbaren  Fel- 
dern verwandeln  könnte,  herrscht  Elend,  Entsittlichung  und 
Faulheit  Seit  einigen  Jahren  hat  der  König  die  Absicht  aus- 
gesprochen, die  Feudallasten  zu  vermindern  und  den  VoUcsklas- 
sen  zu  erlauben,  Eigenthum  zu  erwerben ! ! ! »  So  sagt  Herr  Pro- 
fessor Tanüe  Llauso.  Was  würde  der  gute  Mann  zu  imseren 
Märkischen,  Westphälischen,  Schlesischen  Bauern  sagen  ? 

Die  Jagd  in  Spanien  ist  frei.  Wer  die  Erlaubniss  hat,  ein 
Jagdgewehr  zu  führen,  was  nur  in  denjenigen  Provinzen  er- 
.  Schwert  ist,  welche  sich  im  Belagerungszustand  befinden ,  kann 
jagen,  wo  er  Lust  hat  Eingeschlossene  Räume  und  Gärten  und 
geschlossene  Waldungen  darf  er  nicht  betreten,  weil  deren  Be- 
nutzung zur  Jagd  dem  Eigenthümer  vorbehalten  ist  Auch  der 
Fiscus  hat  in  dieser  Beziehung  keine  anderen  Vorrechte,  da  sein 
Grundbesitz  imd  seine  Waldungen  unter  dem  Druck  ähnlicher 
Servituten  leiden,  wie  alle  übrigen  im  Lande.  Die  Jagd  theilt 
sich  in  hohe  Jagd  (caza  mayor)  und  niedere  Jagd  (caza  menor). 
Zur  ersteren  gehören  Rothwild,  Eber  (javali),  Gemsen,  Stein- 
böcke und  Luchse,  welche  in  Asturien  vorkommen,  und  die  Ca- 
bra  montanesa,  die  wilde  Ziege,  in  der  Sierra  morena.  Die  letz- 
tere ist  sehr  selten  geworden,  allein  sie  ist  nicht,  wie  man  wohl 


444 

angenommen  hat,  ausgestorben.     Im  Herbst   1851   sind  zw^ei 
Exemplare  dieser  wilden  Ziege  nach  Sevilla  gesandt  worden. 

Wölfe  sind  in  den  nördlicheren  Provinzen  häufig.  Der  Kö- 
nighche  Thiergarten  in  Pardo,  2^  Leguas  von  Madrid,  ist  meh- 
rere Meilen  lunfassend,  mit  einer  massiven  Mauer  umgeben,  und 
enthält  vortreffliche  Bestände  an  Hochwild.  Die  Caza  menor 
begnügt  sich  mit  Hasen,  Füchsen,  Kaninchen,  Rebhühnern,  Roth- 
hühnern ,  Feld  -  und  Waldtauben.  Für  Wasservögel  bieten  die 
Ufer  des  Sees  von  Albufera  bei  Valencia,  für  Wintervögel  Gibral- 
tar und  Sevilla  die  beste  Jagd.  Die  Affen  auf  dem  Felsen  von 
Gibraltar  sind  dort  heimisch.  Die  Mährchen,  dass  sie  bei  eintre- 
tender Kälte  durch  die  Höhlen  und  Gänge  des  porösen  Felsens 
unter  der  Meerenge  fortzögen  mid  an  der  Africanischen  Küste 
wieder  auftauchten ,  finden  keinen  Glauben.  Ich  habe  hochbe- 
tagte Bewohner  von  Gibraltar  gesprochen,  welche  von  ihrer  firü- 
hesten  Kindheit  an  jene  Affen  stets,  imd  zwar  zu  allen  Jahres- 
zeiten, auf  den  Felsen  beobachtet  haben.  Wenn  die  Luftströ- 
mungen heftig  und  von  der  Ostseite  die  Felswand  bestreichen, 
so  sind  sie  dort  verschwunden,  weil  sie  sich  inzwischen  auf  der 
Westseite  des  Felsens  aufhalten,  und  eben  soJ)emerkt  man  sie 
auf  letzterer  nicht,  sondern  nur  an  der  Ostseite  der  Wand,  wenn 
der  Wind  von  Westen  stürmt.  Die  Affen-FamiHen  waren  früher 
viel  zahlreicher,  indem  man  deren  im  Anfange  dieses  Jahrhun- 
derts in  grossen  Haufen  sich  tummeln  und  spielen  sah,  während 
man  jetzt  im  glücklichen  Falle  ein  Dutzend  beisanunen  trifft 
Wiewohl  es  untersagt  ist,  die  Thiere  zu  fangen  oder  zu  tödten, 
so  geschieht  dies  dennoch  sehr  häufig.  Die  Affen  besuchen  die 
zunächst  belegenen  Gärten  imd  begnügen  sich  selten  damit,  die- 
jenigen Früchte  zu  rauben,  die  sie  verzehren  oder  mitnehmen, 
sondern  sie  reissen  viele  imreife  Früchte  ab,  die  sie  liegen  las- 
sen, so  dass  die  Gartenbesitzer  ohne  Umstände  Jagd  auf  sie 
machen. 

Die  Fischerei  ist  eben  so  frei,  wie  die  Jagd.  Ausser  dem 
Reichthimi  an  Seefischen  bietet  der  Landsee  von  Albufera  die 


445 

grosseste  Mannigfaltigkeit  an  Süsswasser  -  Fischen.  An  Fluss- 
fischen sind  Asturien,  die  Basken,  Placencia,  Avus,  und  Cuenca 
am  reichsten.  Eine  grosse  Menge  von  Sahnen  werden  in  der 
Bay  von  Viscaya  gefangen. 

An  Fischen  wurden  1851   206,001  Arrobas  nach  America 
verschifft. 


Mit  der  Belebung  des  Ackerbaues  und  der  Industrie  hängt 
wesentlich  die  Sorge  für  Colonisation  in  den  wenig  bevölker- 
ten Provinzen  zusammen ;  denn  um  grosse,  unbebaute,  wüst  he- 
gende Landstrecken  in  Cultur  zu  setzen ,  bedarf  es  vieler  und 
fleissiger  HSnde.  Da  der  Flächeninhalt  des  noch  unbenutzten 
und  unbestellten  Landes  in  Spanien  sehr  bedeutend  und  das- 
selbe grösstentheils  sehr  fruchtbar  und  die  bestellbare  Boden- 
fläche Spaniens  überhaupt  im  Stande  ist,  noch  Millionen  über 
die  jetzige  Bevölkerung  hinaus  zu  nähren,  und  dadurch  die 
Kraft  und  den  Wohlstand  des  Landes ,  Industrie  und  Handel  zu 
heben,  so  scheint  es  auch  an  der  Zeit,  das  wachsame  Auge  der 
Regierung  auf  diesen  Punkt  zu  richten  und  in  Erwägung  zu 
nehmen ,  auf  welchem  Wege  am  erspriessUchsten  för  die  Regie« 
rung,  wie  fiir  die  neuen  Ansiedler,  derartige  Projecte  zur  Aus- 
fahrung  zu  bringen  sein  werden ;  fiir  die  Regienmg,  um  fleissige, 
wohlhabende,  prästationsföhige  imd  dankbare  Unterthanen  zu 
gewinnen;  und  für  die  Ansiedler,  um  die  Früchte  einer  mühsa- 
men Arbeit  zu  gemessen  und  in  dankbarer  Anerkennung  fiir  die 
empfangenen  Wohlthaten  sich  derselben  durch  Fleiss,  Ordnung 
und  Treue  würdig  zu  zeigen. 

Einer  dichteren  Bevölkerung  bedürftig  und  för  neue  Ansie- 
delungen vorzugsweise  geeignet  sind  Andalusien  und  Estrema- 
dura,  und  die  Colonisationspläne,  welche  vor  zwei  Jahren  von 
der  Regierung  in  Angriff  genommen  wurden,  tmi  in  der  Sierra 
morena  und  weiter  hinauf  in  Estremadura,  nach  Badajoz  zu, 
neue  Dörfer  zu  errichten,  so  vne  die  Ansiedelungs- Projecte, 
welche  im  Sommer  1851  theils  von  Sevilla  ausgingen,  um  eine 
grosse  Zahl  von  irischen  Colonisten  an  drei  verschiedenen  Punk- 


446 

ten  in  der  Umgegend  von  Cordova  anzusiedeln ,  theils  von  Ma- 
drid aus ,  wo  Herr  Alexander  Triesenhausen  grossartige  Ansie- 
delungen von  Deutschen  in  der  Sierra  morena  auf  einem  8  Qua- 
dratmeilen umfassenden  Terrain  zur  Ausfuhrung  zu  bringen  ver- 
suchte —  diese  Pläne  lassen  es  nicht  zu  voreilig  erscheinen,  dar- 
über hier  eine  Ansicht  auszusprechen. 

Es  konunt  bei  Colonisations-Projecten  zunächst  auf  den 
eigentlichen  Zweck  an,  welchen  die  Regierung  dabei  im  Auge 
hat,  und  auf  die  zur  Erreichung  desselben  vorhandenen  Mittel. 
Soll  das  Land  nur  bewohnt  und  nothdOrftig  bevölkert  werden, 
oder  beabsichtigt  man  in  der  Anlage  neuer  Colonieen  in  unbe- 
wohnten und  wenig  bevölkerten  Landstrichen  Musterwirthschaf- 
ten  anzulegen ;  d.  h.  durch  fleissige,  erfahrene  Landbauer  in  mög- 
lichst kurzer  Zeit  die  Resultate  zweckmässiger  und  angestrengter 
Arbeiten  gefördert  zu  sehen ,  um  dadurch  die  übrige  Landesbe- 
völkerung zu  gleicher  Thätigkeit,  zu  einer  gleichartigen  besseren 
Bewirthschaftung  anzuspornen,  und  also  aiif  die  Gesammtheit 
der  Provinzial- Bevölkerimg  wohlthätig  einzuwirken?  Soweit 
Beides  sich  vereinigen  liesse ,  wäre  dies  vortrefflich ;  leider  ge- 
hen aber  beide  Pläne,  in  ihren  Vorbedingungen  sowohl,  wie  in 
den  zur  Ausfuhrung  erforderlichen  Mitteln  sehr  entschieden  aus- 
einander. 

In  den  Provinzen  Alicante,  Cartagena  und  Murcia  ist  der 
Boden  felsig  und  trocken,  und  in  Ermangelung  von  Regen  nicht 
geeignet,  volle  Ernten  zu  gewähren.  Die  Dürre  der  letzten  Jahre 
hat  viele  Familien  zur  Auswanderung  bestimmt  Ausser  Stande 
gesetzt,  ihr  Leben  durch  den  Landbau  zu  sichern,  haben  sie  sieh 
mit  ihrer  ganzen  Habe  eingeschifft  und  eine  neue  Heimath  in  Al- 
gerien gesucht.  Die  Provinz  Oran  ist  vorzugsweise  die  Zufluchts- 
stätte der  ausgewanderten  Spanier,  welche  nach  neueren  amt- 
lichen Zählungen  gegen  20,000  Köpfe  betragen  sollen.  Sie  bil- 
den einen  stillen,  fleissigen  und  ordentlichen  Theil  der  Bevölke- 
rung der  Französisch -Africanischen  Besitzungen.  Man  könnte 
die  Frage  aufstellen,  in  wie  weit  die  Regierung  es  nicht  vorzie- 
hen möchte,  jene  Auswanderer  im  Lande  zu  behalten,  ihnen  einen 


447 

vorüieilhaften  Tauseh  der  Grundstücke  anzubieten ,  und  sie  im 
Interesse  der  Landescultur  und  zur  eigenen  Wohlfahrt  durch 
diesen  Wechsel  an  das  Vaterland  zu  fesseln?  Es  wäre  dies  ge- 
wiss eben  so  human ,  als  der  Königlichen  Regierung  würdig. 
Allein  praktisch  dürfte  sich  die  Sache  in  ihren  Resultaten  an- 
ders gestalten. 

Zu  einer  neuen  Ansiedelung,  welche  aus  dem  vernachlässig- 
ten und  verwilderten  Boden,  oder  aus  Urland,  fruchtbare  Felder, 
üppige  Gärten  und  Weiden  schaffen  soll,  gehören  nicht  nur  phy- 
sische Kräfte,  es  gehört  auch  eine  moralische  Kraft,  Vertrauen 
imd  Zuversicht  zu  sich  und  zur  Zukunft  dazu.  Diejenigen, 
welche  die  Noth  zur  Verzweiflung  oder  ihre  trostlose  Lage  zu 
dem  Entschluss  getrieben ,  ihr  Heil  in  der  fernen  Fremde  zu 
suchen,  sie  haben  das  erste  Glied  der  Kette,  die  sie  mit  unsicht- 
baren Banden  an  das  Land  ihrer  Väter  fesselte,  gelöst;  sie  haben 
schon  einen  Grad  der  Gleichgültigkeit  überwunden,  welcher 
schlimmer  ist,  als  die  vorübergehende  Erbitterung.  Den  Besse- 
ren ist  über  jenen  Entschluss  das  Herz  gebrochen  oder  das  Ver- 
trauen zur  eigenen  Kraft  gelähmt,  und  sie  sind  um  deshalb  nicht 
geeignet,  mit  Festigkeit  und  Energie  den  neuen  Boden  zu  betre- 
ten ;  die  übrigen  werden  darin  nur  das  Mittel  zur  Bereicherung 
erblicken;  sie  werden  es  ergreifen  und  benutzen,  lediglich  in 
selbstsüchtiger  Absicht,  je  bequemer  desto  besser;  also  eben  so 
wenig  geeignet  zu  Musterwirthschaften,  weder  durch  Charakter 
noch  durch  Fähigkeit  oder  den  Willen,  anders  zu  wirthschaften, 
als  sie  es  bisher  gewohnt  gewesen  waren. 

Es  fragt  sich  endlich,  ob  auch  die  auswanderungslustigen 
Bewohner  von  Murcia  und  Alicante  ein  solches  Anerbieten  über- 
haupt anzunehmen  geneigt  sein  möchten?  Die  Auswandemngs- 
lust  ist  eine  Krankheit  der  Zeit,  deren  eigentlichen  Sitz  oder  Na- 
tur man  so  wenig  kennt,  als  den  Grund  der  Kartoffelkrankheit, 
welche  auf  besorgliche  Weise  um  sich  greift,  obwohl  es  doch 
der  Frucht  in  dem  wohlbestellten  Europäischen  Boden  wohl  ge- 
nug sein  könnte.  Das  Auswanderungsfieber  hat  in  ganz  Europa, 
besonders  aber  in  dem  gesegneten  Deutschen  Vaterlande,  die 


448 

arbeitenden  und  selbst  besitzenden  Klassen  ergriffen.  Unbe- 
wusst  weshalb,  rathlos  wohin,  willenlos  und  blind  drängt  der 
Strom  nach  Westen,  an  das  Meer,  darüber  fort,  nach  neuen 
Kästen,  unbekannten  Strömen  und  fernen  Gebirgen.  Wie  die 
Wanderratte,  wenn  auch  Tausende  auf  dem  Zuge  übers  Meer 
von  den  Wogen  verschlungen  w^erden,  den  Weg,  den  das  Natur- 
gesetz ihr  vorgeschrieben ,  verfolgt,  so  die  Auswanderung;  ein 
Moment  des  Jahrhunderts,  das  seine  Zeit  erfiillt,  bis  das  Uhrw^erk 
abgelaufen  ist.  Wie  einerseits  die  Civiliiation  und  das  Deutsche 
Element  unaufhaltsam  nach  Osten  vorwärts  drängen,  so  ziehen 
andererseits  Tausende  nach  Westen  hinaus;  sie  lösen  sich  und 
ihre  Generation  von  dem  Herzen  des  Vaterlandes  fiir  immer,  da- 
mit sie,  wenn  die  Wogen  sie  glücklich  hinübergetragen,  mit  ihren 
Thränen  und  Leibeni  den  Boden  düngen  zum  Nutzen  för  kom- 
mende Geschlechter,  denen  es  dereinst  beschieden  sein  mag,  mit 
dem  Deutschen  Charakter,  wenn  sie  ihn  bewahren,  mit  Deutscher 
Sitte,  Sprache  und  Cultur  in  fremden  Welttheilen  in  weiteren 
Kreisen  das  Deutsche  Element  zur  Geltung  und  Anerkennung 
zu  bringen.  Auch  in  Alicante,  Murcia  und  auf  den  Balearen  hat 
ohne  Zweifel  die  Auswanderungslust  den  grösseren  Antheil  an 
dem  Entschlüsse;  der  Reiz  des  Neuen,  die  Hoffiiung  auf  den 
Reichthum  des  unbekannten  Landes,  vielleicht  auch  die  unbe- 
wusste  Sympatliie  oder  der  geschichtUche  Drang  nach  denjeni- 
gen Küsten  zurück,  von  wo  aus  die  Colonisation  des  Spanischen 
Vaterlandes  ausgegangen  —  sie  lassen  den  Entschluss  reifen  und 
zur  That  werden.   Mögen  sie  ziehen ! 

Ist  also  die  Colonisation  in  dem  an  und  für  sich  schon 
schwach  bevölkerten  Lande  nicht  durch  Spanier  selbst  zu  be- 
wirken, wünscht  man  schon  in  der  Colonie  von  vorn  herein  einen 
Zuwachs  zur  Bevölkerung  zu  gewinnen,  glaubt  man  in  dem 
frischen  Blute,  in  der  geübten  Arbeitskraft,  in  der  fortgeschritte- 
nen Landescultur,  in  dem  sittlichen  Gehalte  einer  fremden  Nar 
tion  die  entsprechenden  Elemente  zur  Erreichung  des  Regie- 
rungszweckes zu  finden,  so  halte  auch  ich  den  Deutschen  Aus- 


449 

Wanderer  für  ganz  besonders  geeignet,  unter  der  Voraussetzung, 
da^ss  die  ihm  gebotenen  Aussichten  seinen  Eigenthümlichkeiten 
und  seiner  Natur  zusagen,  den  gehegten  Erwartungen  zu  ent- 
sprechen. 

In  wie  weit  sich  ein  solches  Unternehmen  in  Spanien  be- 
währen würde,  wird  man  leichter  beurtheilen  können,  wenn  man 
auf  die  früheren  Versuche  einer  Deutschen  Colonisation  in  der 
Pyrenäischen  Halbinsel  und  auf  die  Gründe  des  damaligen  Miss- 
lingens  zurückgeblickt  haben  wird.  Es  ist  schon  oben  darauf 
hingedeutet,  dass  der  Deutsche  Charakter  in  vielen  Beziehungen 
Aehnlichkeit  mit  dem  Spanischen  hat.  Die  Culturgesohichte 
Spaniens  hat  das  Deutsche  Element  vielfach  in  sich  aufgenom- 
men. In  Catalonien  hatte  sich  nach  der  Zerstörung  der  Römer- 
herrschaft  das  Deutsche  Wesen  am  längsten  erhalten.  Nachdem 
durch  das  Westgothenreich  die  Sueven  auf  Galicien  beschränkt 
und  von  Leovigild  585  völlig  unterworfen  waren,  hatte  dasselbe 
den  Gipfel  seiner  Macht  erstiegen.  Dies  Reich  hatte  zwar  durch 
eine  verbesserte  Gesetzgebung,  durch  Belebung  der  Gewerbe- 
thätigkeit  und  des  Handels  vorwärts  gestrebt,  allein  es  war  als 
ein  Opfer  des  mangelnden  Gemeinsinnes,  des  unersättlichen  Ehr-^ 
geizes  der  Grossen  untergegangen,  denen  es  näher  gelegen,  zur 
Erreichung  ihrer  Bestrebungen  fremde  feindliche  Hülfe  herbei- 
zurufen, als  dem  Könige  treue  Dienste  und  Gehorsam  zu  leisten. 
Mit  seinem  Sturze  schwand  auch  der  Germanische  Charakter 
des  Volkes.  Einige  Jahrhunderte  später  fand  wiederum  eine 
Colonisation  Deutscher  in  Spanien  statt  Nachdem  Ludwigs 
Sohn,  Pipin,  Aquitanien  übernommen,  aber  Septimanien  davon 
getrennt  und  zu  einem  eigenen  Herzogthum  mit  der  Hauptstadt 
Barcelona  erhoben  war,  siedelten  sich  in  der  Spanischen  Mark 
unter  Fränkischen  Markgrafen  Deutsche  an.  Ihnen  wurde  Land 
zu  freiem  Eigenthum  überwiesen,  und  ihnen  die  Beibehaltung 
ihrer  Sitten  und  Gesetze,  und  die  Gerichtsbarkeit  des  Fränki- 
schen Rechts ,  vorbehaltlich  der  Unterordnung  unter  den  Heer- 
bann, zugesichert. 

V.  MiDUtoli,  Spanien.  29 


450 

Ob  auch  die  Maragotos  in  Asturien  als  Ueberreste  Germa- 
nischer Bevölkerung  zu  betrachten  sind,  muss  Geschichtsfor- 
schern zu  untersuchen  überlassen  bleiben. 

Aber  wie  seit  Carls  V  Zeiten  Deutsche  Sitten,  Gesetze  und 
Sprache  sich  wieder  nach  Spanien  verpflanzten,  wie  aus  der  Dy- 
nastie der  HohenzoUern  Markgraf  Johann  von  Brandenburg  als 
Vicekönig  und  General  -  Capitain  von  Valencia  ein  Vorbild  Deut- 
scher fürstlicher  Ritterlichkeit,  Frömmigkeit  und  Trefflichkeit 
geworden,  so  haben  Künste  inid  Wissenschaften  auch  ihre 
Deutschen  Vertreter  in  Spanien  gefunden,  und  wie  die  Buch- 
drucker aus  Deutschland  zuerst  ihre  Kunst  hier  geübt,  so  waren 
es  spater  die  Uhrmacher,  die  Glaswaarenhändler,  die  Brauer, 
welche  bis  in  die  neuere  Zeit  ausschliesslich  aus  Deutschen  be- 
standen, während  zu  verschiedenen  Zeiten  in  der  Spanischen 
Armee  Deutsche  Officiere  die  Achtung  vor  ihrer  NationaUtät  so 
fest  begründet  haben,  dass  noch  heute  die  Bezeichnung  «  Aleman  » 
hinreicht,  um  das  misstrauische  Vonirtheil  zu  beseitigen,  welches 
der  Spanier  so  lange  gegen  jeden  Fremden  hegt,  bis  er  sich 
überzeugt,  dass  der  letztere  nicht  einer  weniger  beliebten  Ka- 
ution angehört. 

Es  korinte  sonach  nicht  überraschen,  wenn  man,  um  die 
entvölkerten  Theile  Spaniens  mit  neuen  Ansiedlem  zu  besetzen, 
unter  der  Regierung  Carls  III,  und  zwar  unter  dem  reformatori- 
schen Ministerio  Aranda,  die  Aufmerksamkeit  zunächst  auf 
Deutsche  Colonisten  richtete.  Oberst  Thürnagel,  ein  geborener 
Bayer,  welcher  im  siebenjährigen  Kriege  Führer  einer  Freisehaar 
gewesen,  erbot  sich,  gegen  entsprechende  Belohnung  7 — 10,000 
Familien  nach  Spanien  zu  dirigiren.  Er  reiste  in  verschiedenen 
Deutschen  Staaten  umher,  verbreitete  die  glänzendsten  Beschrei- 
bungen über  die  Schönheit  und  Fruchtbarkeit  des  Landes,  die 
Annehmlichkeit  des  Climas  und  die  den  Colonisten  gebotenen 
Vortlieile.  Er  verhiess  denselben  den  freien  imentgeltlichen 
Grundbesitz,  eingerichtete  Wohnhäuser,  Inventarium,  Getreide- 
imd  Geldvorschüsse,  Steuerbefreiung  und  sicherte  endlich  so- 
gar, gegen  den  ausdrücklichen  Inhalt  seiner  Instruction,  wonach 


451 

ausschliesslich  katholische  Auswanderer  zugelassen  werden  soll- 
ten, vollständige  Glaubensfreiheit  zu.  Da  Thümagel  in  Deutsch- 
land für  seine  Pläne  nicht  die  erwartete  Sympathie  fand,  in  Bayern 
sogar  alle  diejenigen,  welche  die  Unterthanen  zur  Auswanderung 
verfuhren  würden,  mit  dem  Galgen  bedroht  wurden,  so  wandte  er 
sich  auch  nach  der  Schweiz,  nachSavoyen  und  einigen  oberitalieni- 
schen Staaten,  und  dirigirte  in  verschiedenen  Abtheilungen  etwa 
8000  Auswanderer  nach  Spanien,  welche  nach  einer  mühseligen 
Reise,  von  Allem  entblösst,  missvergnügt  und  muthlos,  im  Jahre 
1766  in  der  Gegend  von  Andujar  in  Andalusien  eintrafen.  Don 
Pablo  Olavides,  ein  Peruaner  von  Geburt,  hatte  in  Spanien  die 
Ausführung  des  Colonisations-Projectes  übernommen;  allein  er 
war  darin  auf  vielfache  Schwierigkeiten  gestossen.  Es  fehlte  an 
Geld,  an  Baumaterial  imd  an  Bauhandwerkem,  um  die  Gebäude 
aufzurichten,  und  so  geschah  es  denn,  dass  die  neuen  Ansiedler 
bei  ihrer  Ankimft  nichts  von  den  erwarteten  Herrlichkeiten  vor- 
fanden. Um  sie  nur  einstweilen  unter  Dach  zu  bringen,  wurden 
sie  in  den  Höfen  eines  Klosters  unter  Schuppen  gelagert,  wo  sie 
den  engen  Raum  mit  einem  Regimente  Soldaten  theilen  muss- 
ten,  was  dorthin  stationirt  war,  um  die  Ankömmlinge,  denen 
man  nicht  viel  Gutes  zuzutrauen  schien,  in  Zucht  zu  halten. 

Es  wurden  nun  zwar  in  Carlota,  Luisiana  und  Carolina  för 
jede  Colonistenfamilie  ein  Gebiet  von  24,000  Fuss  Länge  und  9000 
Fuss  Breite  als  Grundeigenthum  angewiesen,  und  890  solcher  Ge- 
markungen zu  Carolina,  527  zu  Carlota  geschlagen.  Man  baute 
auch  nach  und  nach  ein-  und  zweistöckige  Wohn-  und  Hofgebäude 
far  je  zwei  Familien  auf;  man  errichtete  Filialkirchen;  man  be- 
pflanzte zur  Bestreitung  der  Gemeindebedürfiüsse  das  zu  diesem 
Zwecke  angewiesene  Terrain  mit  25,000  Oelbäumen  und  80,000 
Weinstöcken ;  man  dehnte  die  ursprünglich  auf  sechs  Jahre  ver- 
heissene  Befreiung  der  Personensteuer  auf  zehn  Jahre  aus  imd 
abstrahirte  während  vier  Jahre  von  der  Besteuerung  der  urbar 
gemachten  Landstrecken.  Es  wurden  Wege  gebaut,  mit  Obst- 
und  Waldbäumen  besetzt  und  Gärten  angelegt;  es  entstanden 
Hut-,  Strumpf-,  Tuch-  und  Steingut -Fabriken;  2000  Webe- 

29' 


452 

Stühle  wurden  in  Tliätigkeit  gesetzt,'  Seidenraupen  gezogen  und 
die  Gewerbethätigkeit  begann,  ihre  Producte  im  weiteren  Um- 
kreise zu  verwerthen.  Die  Gemeinde  Carolina  hatte  bald  das 
Ansehen  eines  belebten  Deutschen  Städtchens  erhalten.  Für 
das  kirchliche  Bedürfniss  waren  vier  Pfarrer  angestellt,  zwei 
Spanische,  ein  Deutscher  und  ein  Französischer,  welche  in  vier 
Haupt-  und  zehn  Filialkirchen  Gottesdienst  hielten,  da  die  Colo- 
nisten,  deren  Zahl  sich  inzwischen  noch  vermehrt  hatte,  sich 
über  Espiel,  Fuente  Evesana,  Alavis,  Penela  und  Aldeguela  zu 
verbreiten  begannen. 

Man  hätt  glauben  sollen,  dass  die  Colonien  der  glücklich- 
sten Zukunft  entgegengingen,  und  deimoch  war  im  Jahre  1778 
von  den  ursprüngUchen  Einwanderern  nicht  mehr  der  dritte 
Theil,  im  Jahre  1788  nicht  mehr  der  fünfte  Theil  und  im  Jahre 
1800  nicht  mehr  der  zehnte  Theil  vorhanden. 

Man  hat  zunächst  Unrecht,  jene  Colonisation  als  eine  aus- 
schUesslich  Deutsche  zu  bezeichnen,  denn  die  Deutschen  Ein- 
wanderer bildeten  nur  die  Hälfte  der  neuen  Ansiedler,  aber 
allerdings  den  besseren  Kern  unter  denselben;  denn  von  ihnen 
ging  die  fleissige  Ackerbestellung,  die  Industrie  und  die  Ord- 
nung und  Sitte  in  der  Colonie  aus,  während  die  übrigen  grossen- 
theils  arbeitsimlustig ,  unwissend,  lüderlich  und  unverträglich 
waren  imd  der  Colonie  wenig  zur  Ehre  gereichten.  Es  befanden 
sich  unter  den  Einwanderern  viele  Protestanten,  welche  sich  im 
Vertrauen  auf  die  vom  Oberst  Thürnagel  zugesicherte  Religions- 
freiheit der  Expedition  angeschlossen  hatten;  sie  überzeugten 
sich  aber  bald,  dass  es  den  Nichtkatholiken  weder  gestattet 
ward,  Seelsorger  zu  berufen,  noch  sich  zu  kirchhchem  Gebete 
zu  vereinigen.  Dies  gab  die  erste  Veranlassung  zu  nachdrück- 
lichen Beschwerden  bei  der  Regierung;  die  langsame  Förderung 
der  Erbauung  der  Wohnhäuser  die  nächstfolgende. 

Die  Erklärung  der  Regierung,  dass  es  ihr  vorzugsweise 
darauf  ankomme,  jene  Gegenden  schnell  und  zahlreich  zu  be- 
völkern, und  ihre  Anweisung  an  die  Zuchtliaus-Directionen  zu 
Jaen,  Cordova  und  Bailen,  die  entlassenen  Züchtlinge  zur  Ansie- 


453 

« 

delung  nach  jenen  Colonien  zu  senden,  hatte  die  ersten  Scenen 
offener  WidersetzUchkeit  zur  Folge.  Die  Sträflinge  wurden  im 
Wege  der  Execution  als  Colonisten  und  Gemeindeglieder  einge- 
führt, und  von  diesem  Augenblick  an  verliess  ein  Theil  der  An- 
siedler die  Colonien  und  das  Land.  Allein  die  Hitze  des  Som- 
mers, die  kalten  Winternächte,  die  anfanglichen  Entbehrungen, 
der  Mangel  guten  Wassers,  die  ungewohnte  Lebensweise,  wirk- 
ten sehr  nachtheilig  auf  den  Gesundheitszustand  der  Ausländer. 
Eine  grosse  Sterblichkeit  trat  ein;  sie  raffte  viele  Menschen  fort, 
und  dadurch  entwickelte  sich  eine  Muthlosigkeit,  deren  mora- 
üsche  Wirkung  eben  so  bedenklich  erschien,  als  sie  zu  den  wun- 
derUchsten  Gegenmitteln  Veranlassung  gab.  Von  Amtswegen 
wurden  Sonntags  Musik  und  Tanzfeste  zur  Erheiterung  der  Ge- 
mütlier  angesetzt  und  ausgefiihrt,  und  Olavides,  der  sich  übri- 
gens mit  grosser  Hingebung  seiner  Aufgabe  imterzog,  untersagte 
bei  Sterbeßllen  das  Todtengeläute ,  da  bei  der  grossen  Sterb- 
lichkeit die  Todtenglocken  in  steter  Bewegung  blieben.  Hier- 
durch wurde  der  erste  ConÜict  mit  der  Geistlichkeit  herbeige- 
führt, welche  es  ihm  nicht  vergessen  hatte,  dass  auf  seine  Veran- 
lassung in  die  mit  der  Regierung  festgesetzten  Stipiüationen  die 
Zusicherung  mit  aufgenommen  worden  war,  dass  kein  Kloster 
innerhalb  der  Colonien  errichtet  werden  dürfe.  Als  nun  Olavi- 
des die  überhand  nehmenden  Vermächtnisse  an  die  Kirche  im 
Interesse  der  Colonie  imtersagte,  ergriff  man  diese  Veranlassung," 
um  ihn  fÖrmUch  in  Anklagestand  zu  versetzen.  Ein  Kapuziner, 
Namens  Romuald,  verklagte  um  bei  der  Inquisition.  Olavides 
wurde  1776  eingezogen,  sein  EigenÜium  confiscirt  und  er  dem- 
nächst in  ein  Kloster  in  der  Mancha  gesteckt  und  zu  harter 
Busse  verurtheilt.  Das  Erkenntniss  lautete  auf  achtjährige  Clau- 
sur,  Auswendiglernen  des  Catechismus,  Wasser  und  Brod  als 
Freitagskost.  Es  ward  ihm  verboten,  jemals  wieder  neue  IQei- 
der  zu  tragen,  sich  den  Colonien  auf  20  Meilen  zu  nähern  und 
ihm  auferlegt,  sein  ganzes  Leben  hindurch  zu  Fuss  zu  gehen 
und  fleissig  des  Bruders  Ludwig  von  Granada  Werke  zu  lesen. 


454 

Olavides  entfloh  im  Jahre  1780  nach  Frankreich,  kehrte  1796 
nach  Spanien  zurück  und  starb  daselbst  1803. 

Von  seinen  Werken  ehren  noch  viele  sein  Andenken.  Ca- 
roUna  zählt  heute  7000  Einwohner;  die  gleichgebauten,  weissen, 
sauberen  Häuser,  die  breiten  geraden  Strassen,  der  grosse  runde 
Marktplatz,  ringsherum  mit  einer  Colonade  unter  den  Hausem 
umgeben,  die  sehr  hübsche,  eine  halbe  Legua  zahlende  Alameda 
mit  vier  Reihen  prächtiger  Bäume,  mit  geschmackvollen  An- 
lagen, Steinbänken  imd  einer  schönen  Fontaine  versehen,  ge- 
währen einen  för  Spanien  eigenthümhchen  Eindruck.  Das  Stein- 
kreuz am  äussersten  Ende  des  Baumganges,  auf  einer  Erhöhung, 
vom  dunkelen  Gebüsch  fast  umschlossen,  mag  zugleich  aufsin- 
nige Weise  andeuten',  dass  das  Deutsche  Element,  welches  das 
Alles  aus  der  früheren  Einöde  geschalBfen,  längst  gestorben  und 
begraben  ist,  und  dass  selbst  die  Erinnerung  an  dasselbe  ver- 
schwunden sein  würde,  wenn  es  nicht  denen  so  überaus  wohl 
bekäme,  welche  die  Früchte  der  Arbeit  der  ersten  Urbarmachung 
gegenwärtig  gemessen,  auf  die  Vergangenheit  im  Vergleich  mit 
der  Gegenwart  ab  und  zu  einen  Blick  zu  werfen. 

Noch  heute  bestehen  die  früheren  Gemeindeverbände  und 
die  frülieren  Eintlieilungen  der  ländUchen  Districte  zu  8 — 10 
Ackerwirthschaften.  Es  gehören  dazu  Aldeaquemada,  Arguillos, 
Garbonuevas,  Femandina,  Guaraman,  San  Elena,  Miranda,  los 
Rios  und  Rumblar.  Zu  Carlota  gehören  16  Departements  zu 
8 —  12  Familien  in  isolirten  Gehöften.  Die  Wege  sind^ut,  die 
Häuser  nett  imd  ordenthch,  die  Felder,  Olivenpflanzimgen  und 
Weinberge  im  trefflichsten  Stande,  und  überall  tritt  dem  Frem- 
den in  den  vielen  Kindern  die  Deutsche  Gesichts-  imd  Eopfbil- 
dung,  das  Deutsche  blaue  Auge,  das  Deutsche  blonde  Haar  entr 
gegen,  wie  sie  in  die  ganze  Umgebung  vortrefflich  passen.  Es 
herrscht  in  den  Gehöften  eine  solche  Ordnung  und  ReinUchkeit^ 
auf  den  Feldern  und  Tennen  eine  solche  Thätigkeit,  unter  den 
Menschen  FröhUchkeit  imd  Offenheit,  in  den  Ackerwagen,  Ar- 
beitsgeräthschaften,  in  der  Einrichtung  der  Wohnzimmer  so  Vie- 
les, was  in  Spanien  an  Deutschland  erinnert^  dass  ich  mit  grossem 


455 

Interesse  durch  eiue  Anzahl  von  Etablissements  gewandert  bin. 
Die  Spanische  Regierung  hat  freiüch  wohl  nicht  daran  denken 
können,  eine  Colonie  von  Ausländern  als  solche  zu  erhalten,  son- 
dern vielmehr  daran,  sie  so  bald  als  mögUch  zu  nationalisiren; 
allein  dem  Deutschen  ist  es  ein  schmerzUches  Gefiihl,  nachdem 
er  von  Haus  zu  Haus  gegangen,  nachdem  er  an  jede  Thür  ge- 
klopft, in  jedes  Zimmer  mit  dem  Deutschen  Gruss  getreten  ist, 
in  der  Hoffiiung,  dass  doch  irgend  Jemand  ihn  verstehen,  dass 
ein  heimischer  Laut  sein  Ohr  berühren  und  ihn  erinnern  möchte, 
dass  die  Urenkel  der  Deutschen  Auswanderer  irgend  etwas  von 
der  Sprache  ihres  Vaterlandes  bewahrt  hätten!  Ach,  es  w^ar 
alle  Hoffnung  vergebens!  Die  Deutschen  Auswanderer  mit 
ilu*em  Deutschen  Herzen  und  ilirer  Deutschen  Sprache,  sie  wa^ 
ren  längst  begraben,  und  ihre  Grabhügel  sind  längst  zusammen- 
gestürzt, und  ihre  Kinder  und  Enkelkinder,  imter  einem  an- 
deren Himmel  geboren,  sind  Spanier  geworden,  mit  Spanischer 
Sprache,  Sitten  und  Charakter  —  und  hat  letzterer  auch  viele 
Anklänge  in  dem  Deutschen  Charakter,  so  habe  ich  doch  in  je- 
nen ursprünglich  Deutschen  Colonien  ausser  den  Werken,  welche 
an  ihre  Begründer  erinnerten,  nichts  Deutsches  gefunden,  imd 
eben  so  wenig  erfahren,  dass  dergleichen  daselbst  überhaupt 
noch  anzutreffen  wäre. 

Wenn  es  sich  gegenwärtig  wiederum  um  Cultivirung  und 
Bevölkerung  unbebauter  imd  unbewohnter  Landstrecken  han- 
delt, so  scheint  dazu  ausser  Andalusien  vorzugsweise  Estrema- 
dura  geeignet  zu  sein.  Estremadura  (Estrema  ora),  die  letzte 
Eroberung  Alonsos  IX  im  Jahre  1228,  ist  190  Leguas  lang, 
90  breit,  vom  Tajo  und  dem  Guadiana  durchströmt^  in  Estrema- 
dura alta  und  baja  getheilt,  und  galt  stets  fflr  eine  der  frucht- 
barsten Rönoischen  und  Maurischen  Provinzen.  Zur  Maurenzeit 
hatte  sie  den  Namen  Chin  del  Mauro,  «Land  des  Korns»,  erhal- 
ten. Zwischen  den  Landstrassen,  welche  von  Sevilla  und  von 
Cordova  aus  nach  Badajoz  führen,  unfern  der  Minen  von  Alma- 
den de  la  Plata,  zwischen  la  RonquiUa,  Poderosa  und  Constan- 
tine,  in  dem  Thalbette  des  Flusses  Fiar,  liegt  dasjenige  Terrain, 


/ 


456 

welches,  als  Eigenthum  des  Fiscus  in  Anspruch  genommen, 
augenblicklich  unbestellt,  von  den  benachbarten  Gemeinden  als 
Weideland  benutzt  ist,  und  unter  annehmbaren  Bedingungen 
zur  Colonisation  vermessen  und  mit  fleissigen  Deutschen  Aus- 
wanderern besetzt  werden  soll.  Es  ist  die  Idee  des  Unterneh- 
mers, jene  menschenleere  Gegend  zu  beleben,  den  unbenutzten 
fruchtbaren  Boden  zu  bebauen,  die  öden  Haiden  mit  Oel-  und 
Maulbeerbäumen  zu  besetzen,  und  neben  einer  Musteracker- 
wu'thschaft  nicht  allein  landwu'thschafÜiche  Gewerbe,  sondern 
die  Industrie  in  weiterer  Ausdehnung  betreiben  zu  lassen.  Es 
soll  deshalb  nicht  allein  Seide  gewonnen  und  gesponnen,  son- 
dern auch  Flachs  auf  imgeheueren  Flächen  gebaut,  in  gross- 
artigen Fabrikgebäuden  durch  Dampfkraft  zu  Garn  gesponnen, 
demnächst  gewebt,  auch  Baumwolle  gepflanzt  und  zu  Kattun 
verarbeitet  imd  bedruckt  werden.  Man  will  der  unthätigen  Be- 
völkerung der  Umgegend  ein  Beispiel  Deutschen  Fleisses  und 
Deutscher  Ausdauer  und  Geschicklichkeit  geben,  und  den  Be- 
weis, wie  man  dadurch  in  kürzester  Zeit  zum  Wohlstand  zu  ge- 
langen vermag.  Der  Unternehmer  der  Colonisation  hat  die  Ab- 
sicht, «ein  Europäisches  Paradies  »  herzustellen,  imd  auf  einen 
Flächenraum  von  10  Quadrat-Leguas  oder  70,000  Spanischen 
Morgen  (fanegas)  ziu*  Aufnahme  von  1000  Colonisten- Familien 
entsprechende  Wohnungen  für  je  zwei  Haushaltungen  errichten, 
mit  dem  erforderÜchen  Mobiliare  und  Wirthschafts-Inventarium 
versehen  zu  lassen,  je  50  Etablissements  zu  einem  Gemeinde- 
verbande zu  vereinigen  und  für  kirchhche  und  Schulbedürfiüsse 
zu  sorgen. 

Um  den  Colonisten  den  ersten  Eintritt  in  die  neue  Heimath 
möglichst  angenehm  zu  machen,  sollen  die  Aecker  zur  Ernte 
vorbereitet,  durch  einige  Hundert  fleissiger  Bewohner  von  Gali- 
cien  die  Steine  abgesucht,  die  Erde  (ungedüngt)  gepflügt  und 
besät  werden.  Jede  Familie  wird  50  Morgen  Ackerland,  auch 
etwa  erforderliche  Vorschüsse  an  Geld  und  zwei  Maulthiere  er- 
halten. Sachverständige,  mit  den  Verhältnissen  des  Landes  ver- 
traute Männer  belehren  die  Ankömmlinge  über  die  Natur  des 


457 

Bodens,  die  elimatischen  Einflüsse  und  den  Bau  der  ihnen  un* 
bekannten  Früchte.  Abgaben-  und  Militairfreiheit  wird  den  Co- 
lonisten  zugesichert;  die  erstere  auf  20  Jahre,  die  letztere  für 
die  Familienväter  und  die  mit  ihnen  nach  Spanien  gekommenen 
erwachsenen  Söhne.  Die  Colonisten  treten  als  Pächter  auf,  in- 
dem sie  im  ersten  und  zweiten  Jahre  nichts ,  dagegen  vom  diit- 
ten  Jahre  ab  den  dritten  Theil  ihrer  Ernten  an  die  Unternehmer 
in  Körnern  oder  in  Geld  zalilen.  Unter  Voraussetzung  guter 
Führung  wird  ihnen  die  bestellte  Wirthschaft  eigenthümlich 
übertragen,  sobald  die  Actiengesellschaft  nach  Abrechnung  ihrer 
Kosten  eine  reine  Einnahme  von  100,000,000  r.  bezogen  haben 
wird.  Es  erhalten  dadurch  die  Colonisten  die  freie  Dispositions- 
Befugniss  über  die  Ackerwirtlischaften ,  um  sie  nach  Belieben 
veräussem  und  vererben  zu  können.  Den  Ansiedlern  bleibt  es 
aber  auch  überlassen,  falls  sie  über  ein  Capital  verfugen  können, 
unter  billigen  Bedingungen  Grundstücke  von  dem  Unternehmer 
oder  der  Actiengesellschaft  (Empresa),  welche  der  Unternehmer, 
nachdem  er  von  der  Regierung  das  bezeichnete  Terrain  erhalten, 
bilden  wird,  käuflich  zu  erstehen  und  dadurch  die  ungehinderte 
Dispositions-Befugniss  von  vorn  herein  zu  sichern  und  sich  von 
weiteren  Verpflichtungen  frei  zu  erhalten.  Dies  sind  die  wesent- 
lichen, den  Deutschen  Colonisten  in  Aussicht  gestellten  Bedin- 
gungen; die  Garantien,  welche  denselben  dagegen  über  ihre  Zu- 
kunft gewährt  werden,  hegen,  was  die  Befreiung  von  Abgaben 
und  Verpflichtungen  gegen  die  Regierung  und  das  neue  Vater- 
land anbetrifft,  in  den  Königüchen  Bestimmungen  über  die  Or- 
ganisation der  Ansiedelungen,  so  wie  die  Landesgerichte  ent- 
stehende Rechtsstreitigkeiten  zur  Entscheidung  vor  ihr  Forum 
zu  ziehen  haben.  Im  Uebrigen  beabsichtigt  der  Unternehmer, 
sich  selbst,  ohne  irgend  eine  amtliche  Einmischung,  die  Ausfiih- 
nmg  des  Colonisationsprojectes  allein  vorzubehalten,  also  auch 
hinsichts  der  inneren  Organisation  und  der  administrativen  An- 
gelegenheiten sich  die  Entscheidung  nach  eigenem  oder  nach 
dem  Ermessen  der  zu  bildenden  Gesellschaft  zu  sichern. 


458 

Da  die  vorstehenden  Angaben  auf  den  mir  mitgetheilten 
schriftlichen  Expositionen  beruhen ,  so  mögen,  was  die  Leitung 
der  Colonisaüon  und  die  Berechnung  der  Nutzungen  und  Ein- 
nahmen der  Colonisten  und  der  Actiengesellschaft  anbetrifft,  die 
eigenen  Worte  des  Unternehmers  hier  eingeschaltet  werden. 

«  Alexander  Friesenhausen  behält  sich  die  General-Dircction 
der  Colonie  mit  dem  Titel  eines  Präsidenten  vor.  Ihm  zur  Seite 
ist  eine  Junta  consultativa  bestellt;  aus  den  Vertretern  der 
Actionaire,  den  Ingenieuren,  Beamten  und  Alcalden  der  Ge- 
meinden bestehend. 

Die  Fonds  werden  durch  den  General- Inspector,  den  ver- 
antwortlichen Rendanten,  Secretair  und  Cassirer  verwaltet 
Die  Kostenberechnung  für  die  Anlagen  lauten : 

500  Häuser  fiir  1000  Famihen,  ä  1500  r 7,500,000  r. 

Kirchen,  Privat-  und  Gasthäuser 500,000  » 

1100  Maulthiere,  ä  1200  r 1,210,000  . 

Arbeits-  und  Hausgeräth 400,000  ■ 

Werkstätten,     Bureaus,     Reisekosten    nach 

Deutschland 400,000  . 

Vorschüsse,  Unterstützung  der  Colonisten  •.  .  .   2,000,000  » 

Summa  12,000,000  r. 

Zur  Deckung  dieser  Kosten  werden  1800  Actien  zu 
10,000  r.  ausgefertigt,  welche  ein  Capital  von  18,000,000  r. 
bilden.  Davon  werden  1200  in  Cours  gesetzt,  und  2  procent 
bei  der  Subscription,  der  Rest  1 5  Tage  nach  Veröffentlichung 
des  Königlichen  Decretes  eingezahlt.  Den  dritten  Theil  der 
Actien  erhält  Herr  Friesenhausen  gratis,  als  acciones  de  me- 
rito.  Sie  bilden  die  Nummern  12 — 1800.  Derselbe  empfangt 
fiir  seine  bisherigen  Auslagen  40,000  r.,  und  hat  die  Verpflich- 
tung, mit  100  Actien  als  ständiger  Präsident  in  dem  Unterneh- 
men beüieiligt  zu  bleiben. 

Die  Ertragsfahigkeit  berechnet  der  Unternehmer  auf  die 
einfachste  Weise  an  Weizen  und  Gerste  wie  folgt: 


459 

In  Summa  70,000  Morgen.  Unland,  Wald,  Busch  20,000 
Morgan,  Ackerland  50,000  Morgen;  davon  bleiben  10,000 
Morgen  Brache. 

20,000  M.  Weizen;  20  Scheflfel  ä  30  r.  (2  Rthlr.)  pro  Morgen 

12,000,000  r. 

20,000  M.  Gerste;  20  Scheffel  ä  15  r.  (1  Rthlr.) 
pro  Morgen 6,000,000  » 

Summa  . . .  18,000,000  r. 
Davon  Bestellimgskosten  abgezogen  mit ....    1,000,000  » 

bleibt  Ueberschuss  .  . .  17,000,000  r. 

Der  dritte  Theil  für  die  Gesellschaft  mit 5,666,666  r. 

AUein  der  Ertrag  muss  sich  höher  herausstellen ;  denn  er 
pflanzt  auf 

20,000  M.  OÜvenbäimie;  40  Stämme  auf  den  Morgen  geben 
jährUch  25  Arrobas  Oel,  ä  40  r.  =  1000  r.  pr.  Morgen; 
nach  Abzug  von  100  r.  Bestellungskosten  bleiben  pro 

Morgen 900  r. 

also  für  20,000  Morgen 18,000,000  » 

10,000  M.  bleiben  aber  zwischen  den  Bäumen 
noch  übrig,  xun  mit  Gerste  ä  12  Scheffel  zu 
15  r.  bestellt  werden  zu  können;  das  be- 
trägt      1,800,000  . 

Von  den  übrigen  30,000  Morgen  Acker  bleibt 
der  fünfte  Theil  unbestellt;  die  24,000  M. 

12,000  mit  Weizen,  wie  oben 7,200,000  . 

12,000  mit  Gerste 3,600,000  r. 

In  Summa  . . .  30,600,000  r. 
Bestellungskosten  abgezogen  mit 600,000  r. 

bheben  Reinertrag 30,000,000  r. 

und  der  dritte  Theil  der  Gesellschaft  mit  ...  10,000,000  r. 
Die  20,000  Morgen  Wald-  und  Unland  sollen  die  Kosten 
für  Ingenieure,  Beamte  u.  s.  w.  decken,  zu  deren  Besoldung 
auch  der  Miethsertrag  für  die  Privathäuser  verwendet  wird. » 


460 

Der  Absatz  soll  durch  spätere  Eisenbahnzweige  erleichtert 
werden.  Es  ist  nun  freilich  nicht  gesagt,  wo  Flachs,  Baumwolle 
und  Maulbeerbäume  zur  Linnen-,  Baumwollen-  und  Seiden- 
Industrie  gebaut  und  gepflanzt  werden  sollen,  und  mag  es  der 
Prüfung  der  Leser  anheimgestellt  bleiben,  in  wie  weit  die  auf- 
gestellten günstigen  Berechnmigen  mit  Wahrscheinüchkeit  zu 
erzielen  sein  möchten.  Man  wird  auch  abwarten  müssen,  ob  die 
Regierung  das  Land  zu  Eigentimm  oder  nur  gegen  Zins  und 
Sicherheit  überlässt,  und  in  letzterem  Falle  die  den  Colonisten 
gewährten  Aussichten  in  Frage  stellt.  Der  Unternehmer  wenig- 
stens hat  die  besten  Hoffnungen,  und  seiner  Erklärung  nach 
nicht  allein  in  Deutsclüand  die  nöthigen  Capitaüen  zur  Disposi- 
tion ,  sondern  auch  schon  viele  Colonisten  in  petto ,  welche  sich 
auf  die  erste  Auffordermig  einfinden  würden. 

Es  scheint  nach  dem  oben  Angeführten,  dass  den  Deutschen 
Colonisten  recht  viele  Annehmlichkeiten  geboten  würden,  und 
dass  man  danach  annehmen  dürfte,  dass  sich  deren  recht  Viele 
finden  möchten,  um  in  dem  gesegneten  Spanien  ein  neues  Vater- 
land zu  suchen;  und  dennoch  bezweifle  ich  dies,  nach  meiner 
imvorgreiflichen  Ansicht. 

In  Spanien  ist  nur  den  Katholiken  die  freie  Ausübung  ihrer 
ReUgion  gestattet.  Unter  den  Auswanderern  aus  Nord-  imd 
Süddeutschland  finden  sich  jedoch  verhältnissmässig  äusserst 
wenige  Katholiken;  die  meisten  gehören  der  protestantischen 
Kirche  an,  jedoch  ist  auch  die  Zahl  der  auswandernden  Juden 
beträchthch.  Würden  Protestanten  und  Juden  sich  den  Einwan- 
derern anschüessen,  man  würde  sie  wohl  nicht  nach  ihrem  Glau- 
ben fragen;  da  aber  gesetzlich  andere  als  römisch-katholische 
Tempel  zu  erbauen  nicht  erlaubt  ist,  so  würden  die  nicht  katho- 
hschen  Einwanderer  als  Indifferentisten  in  die  kathohsche  oder 
in  gar  kerne  Kirche  gehen,  oder  sie  würden  heimhch  unerlaubte 
kirchUche  Versammlungen  abhalten,  und  dadurch  von  Hause  aus 
in  Conflict  mit  ihrem  Gewissen  und  mit  der  Regierung  gerathen. 
Der  Auswanderer  aber,  der  seinem  Vaterlande  den  Rücken  wen- 
det und  eine  neue  Heimath  in  der  unbekannten  Feme  suchte 


461 

sich  in  dem  neuen  Acker  die  neue  Nahrnngsquelle  fördert,  und 
in  dem  nicht  gekaimten  Lande  eine  sichere  Zukunft  zu  finden 
hofft  fiir  sein  Liebstes  auf  Erden,  fiir  Weib  und  Kinder,  die  er 
mit  sich  herausgerissen  aus  den  Banden  der  Familie  und  der 
Deutsclien  Sitten  und  Gewohnheiten,  der  Auswanderer  ist  vor 
allen  Anderen  darauf  angewiesen,  seinen  Gott  im  Herzen  zu  tra- 
gen und  ihn  offen  und  laut  zu  bekennen.  Er  erblickt  Gottes 
Allmacht  und  Gnade  in  der  Natur  rings  um  sich  her;  er  erblickt 
sie  in  dem  keimenden  Saatkorn ,  in  dem  befruchtenden  Regen ; 
er  bedarf  der  göttlichen  Gnade  und  Barmherzigkeit  in  ernsten 
Tagen  der  Sorge  und  Noth ,  die  ja  auch  Niemandem  erspart 
wird;  er  bedarf  des  göttlichen  Trostes  in  den  Stunden  der  Reue 
über  sein  Unternehmen  und  der  Sehnsucht  nach  dem  theueren 
Vaterlande,  und  Beides  bleibt  nicht  aus ;  er  würde  kein  Vertrauen 
zu  sich  selbst,  keine  Hoffiiung  zur  Zukunft  fassen  können,  wenn 
er  nicht  wüsste,  dass  Gott  ihm  nahe  ist;  darum  muss  der  Colo- 
nist  auch  seinen  Gott  anbeten  dürfen,  offen  und  ohne  Scheu, 
allein  und  in  Gemeinschaft  mit  seinen  Glaubensgenossen,  in  der 
stillen  Kammer  daheim,  wie  draussen  im  Tempel,  der  ihm  nicht 
fehlen  darf;  aber  nicht  heimlich  und  verstohlen,  im  fremden 
Gotteshause.  Deshalb  bin  ich  der  Meinung,  dass  es  nicht  aus- 
reicht, den  Auswanderungslustigen  zu  eröffiien,  dass  nur  die 
öffentliche  Ausübung  der  katholischen  Religion  in  Spanien  ge- 
duldet sei,  sondern  dass  jeder  Nicht- Katholik  von  der  Aufnahme 
in  die  Colonie  ausgeschlossen  bleibe. 

Sind  aber  die  den  Deutschen  Auswanderern  gemachten 
Vortheile  wirklich  so  gross  oder  ausreichend,  um  einen  günsti- 
gen Erfolg  erwarten  zu  lassen?  was  für  Garantien  werden  ihm 
denn  für  die  Zukimft  ausser  den  augenblicklichen  Annehmlich- 
keiten geboten?  Danach  ist  Jeder  zu  fragen  berechtigt  imd  ver- 
pflichtet, der  nicht  eine  Reise  oder  eine  Speculation  unterneh- 
men, sondern  sein  und  der  Seinen  Leben  und  Zukunft  gewisser- 
maassen  mit  de9i  Wechsel  Preis  giebt  Die  Garantien  liegen  hier 
zur  Zeit  im  Wesentlichen  in  der  PersönUchkeit,  in  der  Umsicht, 
Rechtlichkeit,  Menschlichkeit,  Erfahrung,  Sachkenntnisse  kurz 


462 

in  dem  Charakter,  in  dem  Talente  und  in  den  positiven  Mitteln 
des  Unternehmers  und  der  Gesellschaft  (Empresa),  welche  der- 
selbe zu  besteUen  für  gut  befinden  wird. 

Ich  habe  kein  Recht,  etwas  Anderes  als  das  Beste  von  jedem 
Dritten  zu  glauben ;  ich  habe  die  persönliche  Bekanntschaft  des 
Unternehmers  gemacht,  und  kann  mithin  bezeugen,  dass  der> 
selbe  seine  Zeit  der  Ausfiihrung  dieses  Planes  widmet;  dass  er 
die  Gelegenheit,  sich  über  die  Ausfiihrung  von  Colonisationen 
zu  belehren,  nicht  vorüber  gehen  lässt;  dass  er  in  der  That  die 
wohlwollendsten  Absichten  fiir  eine  erspriessliche  Zukunft  der 
Einwanderer  hegt;  dass  er  nicht  zweifelt,  die  zu  dem  Unterneh- 
men erforderlichen  Capitalien  zu  erhalten ,  und  dass  er  sich  der 
Hoffnung  hingiebt,  durch  diese  Colonisation  die  Ansiedler  glQck* 
lieh  zu  machen,  sich  dadurch  grosse  Verdienste  um  das  Land  zu 
erwerben,  und  seine  eigenen  Opfer  an  Zeit  und  Mühe  belohnt  zu 
sehen.  Aber  um  deshalb  will  er  auch,  nachdem  die  Re^erung 
ihm ,  wie  er  hofft,  das  Land  zur  Disposition  gestellt  haben  wird, 
die  Ausfiihrung  sich  allein  vorbehalten  und  die  erforderUehen 
Garantien  persönlich  übernehmen. 

Und  hieran,  glaube  ich,  wird  die  Sache  scheitern.  Es  kann 
keine  Kränkung  involviren,  wenn  ich  meine  Ansicht  dahin  aus- 
spreche, dass  der  Unternehmer  der  persönlichen  Ausfiihrung 
solchen  Planes  nicht  gewachsen  ist,  dass  es  ihm  dazu  an  Vor- 
kenntnissen und  Erfahrung  durchaus  fehlt.  Er  ist  Kaufinann, 
und  fiir  sein  Fach,  wie  man  rühmt,  gewandt  und  unterrichtet; 
er  hat  sich  dilettantisch  mit  Mechanik  beschäftigt;  ein  Patent  ge- 
löst, um  Schiffe  gegen  den  Wind  segeln  zu  lassen;  es  ist  aber 
nicht  bis  zur  Ausfiihrung  gekommen.  In  den  letzten  Monaten 
beschäftigte  er  sich  mit  Versuchen,  das  Seewasser  zu  filtriren, 
um  nicht  allein  die  Provinz  Murcia  vom  Meere  aus  zu  bewis« 
Sern,  sondern  auf  dieselbe  Weise  die  Sierra  morena  in  ihren 
wasserarmen  Gegenden  mit  dem  erforderlichen  Wasser  zu  reget 
massigen  Berieselungen  zu  versehen.  Die  Mög^chkeit  des  Ge- 
lingens dieses  letzteren  Versuches  würde  allein  ausreichen,  den 
Namen  des  Unternehmers  berühmt  zu  machen  und  der  Nach- 


i 


463 

weit  aufzubewahren,  doch  muss  man  vorläuflg  abwarten,  in  wie 
weit  die  öffentlichen  Blätter,  welche  diese  Erfindung  besprochen, 
ims  das  Gelingen  derselben  melden.  Inzwischen  bleibt  es  immer 
achtungs werih ,  sich  neben  der  Berufsthätigkeit  mit  gemein- 
nützigen Gegenständen  zu  beschäftigen.  Allein  die  Versuche 
zur  Benutzung  des  Windes,  in  seiner  Einwirkimg  auf  Segel- 
schiffe, oder  der  Filtrirung  des  salzigen  Wassers  in  bis  dahin 
nicht  geahndeter  Ausdehnung,  wenn  sie  fehlschlagen,  schaden 
Niemandem  als  dem  Unternehmer,  der  daraus  Veranlassung  neh- 
men Avird,  sein  Talent  anderen  Versuchen  zuzuwenden.  Anders 
gestaltet  sich  die  Sache  bei  Colonisations- Versuchen.  Der  Mensch 
ist  keine  Sache;  mit  dem  Wohle  und  dem  Schicksale  von  Tau- 
senden spielt  man  nicht;  eine  Speculation  mit  einer  grossartigen 
Colonisation  und  der  damit  übernommenen  imgeheueren  Verant- 
wortlichkeit würde  bei  ihrem,  selbst  ohne  die  Schuld  des  Unter- 
nehmers stattgefimdenen  Misslingen,  weil  sie  die  Zukunft  von 
so  vielen  Menschen  in  Frage  stellt,  einem  Frevel  ähnlich  erschei- 
nen, der  wie  ein  Fluch  auf  ihrem  Urheber  lasten  würde. 

Ich  bin  von  vom  herein  entschieden  gegen  die  Begünstigung 
von  Auswanderungen,  weil  ich  wenigstens  meinem  Vaterlande 
seine  Kinder  erhalten  wissen  möchte,  die  ja  bei  einem  Tausche 
niemals  gewinnen  werden.  Aber  diejenigen,  die  nun  einmal  nicht 
zu  halten  sind,  möchte  ich  nicht  gern  ganz  aus  der  Verbindung 
mit  der  Heimath  scheiden  lassen;  bei  solchen  Deutschen  Ansie- 
delungen im  Auslande  wünsche  ich  wenigstens  das  Deutsche 
Element  bewahrt  und  vererbt  zu  sehen.  Dies  würde  Beides  aber 
bei  einer  Ansiedelung  Deutscher  in  Spanien  kaum  zu  erwarten 
sein,  auch  von  der  Spanischen  Regierung  weder  unterstützt,  noch 
gewünscht  werden  können.  Die  Deutschen  Regierungen  werden 
aber  gewiss  eben  so  aufmerksam ,  als  die  Deutschen  Auswande- 
rungslustigen die  Bürgschaften  festzustellen  suchen ,  welche  bei 
Colonisations -Projecten  gewährt  werden,  in  denen  es  darauf  an- 
kommt, ein  Deutsches  Eichenreis  auf  einen  glühenden  Orangen- 
baum zu  pfropfen. 


464 

Ich  befinde  mich  nicht  in  der  Lage,  der  Regierung  Vor- 
schläge zu  machen,  allein  ich  kann  nicht  umhin,  eine  Bemerkung 
mit  Bezug  auf  die  im  Werke  befindlichen  Ansiedelungen  in  Estre- 
madura  auszusprechen.  Ich  halte  bei  den  dortigen  Boden-  und 
Bevölkerungs-Verhältnissen  Ansiedelungen  für  sehr  wünschens- 
werth;  ich  halte  die  Deutschen  fiir  vorzugsweise  geeignet  zu 
Ansiedelungen  überhaupt;  ich  zweifle  nicht,  dass  Deutsche  Co- 
lonisten,  trotz  des  dortigen  heissen  Climas,  unter  Voraussetzung 
entsprechenden  Schutzes,  in  der  möglichst  kurzen  Zeit  die  er- 
freulichsten Resultate  erstreben,  dass  sie  in  den  meisten  Be- 
ziehungen den  gehegten  günstigen  Erwartungen  entsprechen, 
und  dass  sie  ordentliche  und  zuverlässige  UnterÜianen  einer 
milden  imd  gerechten  Regierung  werden  würden.  Allein  zu 
jenen  Voraussetzungen  gehört  zunächst,  dass  die  Regierung  die 
Colonisationen ,  von  denen  sie  fiir  die  Cultur  und  für  die  Bevöl- 
kerung des  Landes  Nutzen  erwartet,  selbst  in  die  Hand  nehme, 
und  die  Ausfuhrung  weder  der  Speculation  überhaupt^  noch  dem 
zweifelhaften  Talente  von  Privatpersonen  überlasse.  Sie  erwäge, 
dass  die  Auswanderer  aus  Deutscliland  kommen,  wo  sie  sich 
einer  humanen  und  gerechten  Regierung  zu  erfreuen  gehabt, 
und  dass  sie  hier  im  fremden  Lande  wie  die  eigenen  Kinder  von 
der  liebevollen  Mutter  gepflegt,  und  nicht  wie  die  expositos  der 
Caridad  einer  Privatgesellschaft  überlassen  sein  möchten.  Die 
wohlwollende  Spanische  Regienmg  würde  durcti  sachverstän- 
dige Aufsicht  die  Motive  etwaiger  Beschwerden  im  Entstehen 
ergründen  und  beseitigen;  sie  würde  fiir  alle  Eventualitäten  im 
Stande  sein  zu  rathen  und  zu  schützen,  und  könnte  dies  Alles, 
ohne  den  Unternehmer,  der  jedenfalls  das  Verdienst  fiir  sich  in 
Anspruch  ninunt,  die  Sache  in  Anregung  gebracht  und  zur  Aus- 
fiLlirung  vorbereitet  zu  haben,  von  der  thätigen  Mitwirkung  und 
von  den  erwarteten  und  mit  Bezug  auf  seine  Mühe  biUigen  Vor- 
theilen  auszuschliessen. 

Zu  Ansiedelungen  in  Spanien  würde  sich  auch  eine  unter 
dem  fruchtbarsten  Himmelsstrich  belegene  bedeutende  Land- 
strecke, zwischen  Puerto  Santa  Maria  und  Xeres  gelegen,  vor- 


465 

trefflich  eignen.  Das  Land  ist  vom  Guadalete  durchströmt  und 
der  häufigen  Ueberschwemmungen  wegen  ganz  unbewohnt,  und 
wird  gegenwärtig  nur  stellenweis  als  Weideland  benutzt.  Die 
Gemeinden  dürfen  Grundeigenthum  nicht  verkaufen,  allein  sie 
haben  das  Recht,  dasselbe  gegen  einen  dauernden,  hypotheka- 
risch sicher  zu  stellenden  Zinsbetrag  von  2^  —  3  procent  zu  ver- 
äussern. Die  Acquirenten  würden  allerdings  mit  einem  ansehn- 
lichen Kostenaufwande  einen  drei  Stunden  langen,  etwa  zehn 
Fuss  hohen  Damm  aufschütten  müssen,  um  sich  gegen  die  Ueber- 
schwemmungen des  Guadalete  zu  schützen ;  sie  würden  aber  die 
diesfalligen  Kosten  durch  überreiche  Ernten  und  die  Leichtig- 
keit der  Verschiffung  derselben  nach  Sevilla  und  Cadiz  in  den 
ersten  Jahren  zu  decken  im  Stande  sein,  imd  bei  solcher  Specu- 
lation  bald  ihre  Rechnung  finden. 

Industrie. 

Es  liegt  nicht  in  der  Absicht  des  Verfassers,  eine  Geschichte 
der  Spanischen  Industrie  zu  schreiben.  Er  hat  es  sich  zur  Auf- 
gabe gestellt,  den  gegenwärtigen  Zustand  und  wie  dieser  sich 
in  der  jüngsten  Vergangenheit  entwickelt,  zu  schildern,  um  da- 
durch den  Fortschritt  zu  beweisen,  und  den  Standpunct,  wel- 
chen auch  in  dieser  Beziehung  Spanien  dem  übrigen  Europa  ge- 
genüber eiimimmt.  Es  wird  ein  Jeder,  welcher  Notizen  über  die 
Industrie  eines  fremden  Landes  sammelt,  die  Schwierigkeiten 
selbst  erfahren  haben,  die  zu  überwinden  sind,  um  genaue  In- 
formationen einzuziehen^  um  Alles  selbst  in  Augenschein  zu  neh- 
men und  zuverlässige  Angaben  über  den  Umfang,  die  Kosten 
imd  die  Resultate  der  Fabrikuntemehmungen  zu  erhalten.  Man 
wird  diese  Bemerkungen  in  verschiedenen  Ländern  auf  ver- 
schiedene Weise  gemacht  haben,  wie  könnten  dieselben  in  einem 
Lande  wie  Spanien  ausbleiben,  welches  sich  inmitten  eines  Ent- 
wickelungs-Prozesses  befindet,  welches  zur  Errichtung  seiner  in- 
dustriellen Etablissements  sich  der  Unterstützungfremdländischer 
Talente  bedienen  muss,  welches  den  Neid  und  die  Eifersucht  der 
nicht  fabricirenden  Provinzen,  so  wie  die  gefahrliche  Concurrenz 

T.  Minutoli,  SpuüeD.  30 


466 

von  ausserhalb,  wenn  auch  durch  das  jetzige  Zollsystem  ge- 
schützt, so  doch  immerhin  noch  im  Geschmack  und  der  Erfin- 
dung neuer  Muster  zu  überwinden  hat.  Ich  glaube  mithin  auch 
von  vorn  herein  auf  das  nachsichtige  Urtheil  der  Leser  rechnen 
zu  dürfen,  wenn  ich  über  die  Industrie  verschiedener  Spanischen 
Provinzen  dasjenige  ziemlich  lose  aneinander  gereiht  wiedergebe, 
was  ich  selbst  gesammelt  oder  was  mir  von  Männern  suppeditirt 
ist^  welche  in  der  Lage  waren,  das  Richtige  zu  wissen  imd  welche 
es  übernommen  hatten,  mir  die  erbetene  Auskunft  der  Wahrheit 
entsprechend  zu  schaffen.  Wenn  ich  mich  mithin  darauf  be- 
schränke, dasjenige,  was  ich  erfahren,  wiederzugeben,  ohne  in 
die  Besprechung  über  das  herrschende  System,  die  Industrie  zu 
fördern  und  zu  beschützen,  und  die  Eventualitäten  einer  über 
kurz  oder  lang  eintretenden  Veränderung  desselben  einzugehen, 
so  wird  man  darin  die  Rücksichten  erkennen,  welche  ich  meiner 
amtlichen  Stellung  schuldig  bin. 

Spanien  hat  durch  den  Seekrieg  von  1804  ungeheuer  gelit- 
ten; nicht  minder  durch  den  Unabhängigkeitskrieg,  während 
welcher  die  Halbinsel  von  Feinden  und  Bundesgenossen  ver- 
wüstet, durch  Belagerungen  und  Schlachten  verheert,  und  durch 
alle  Opfer  des  Krieges,  durch  Hunger  und  Pest  verödet  wurde. 
Dazu  gesellte  sich  der  Verlust  jener  ausgedehnten  Colonien,  der 
Grundlage  des  Spanischen  Handels,  der  inneren  Production  und 
des  Gesammtreichtlmms  der  Monarchie.  Trotz  dieser  Kette  von 
bekla^enswerthen  Ereignissen  vermochte  es  dennoch  die  Spani- 
sehe  Industrie,  und  zunächst  und  vor  Allem  die  Industrie  Cata- 
loniens,  einen  Aufschwung  zu  nehmen,  welcher  dem  Festlande 
das  günstigste  Prognosticon  zu  stellen  geeignet  ist  Dieser  Auf- 
schwung der  Catalanischen  Industrie  datirt  hauptsächlich  aus 
dem  Jahre  1832,  wo  imter  dem  speciellen  Schutze  des  Gouver- 
nements die  früher  üblich  gewesenen  Einfuhr -Concessionen  auf- 
gehoben, eine  Musterfabrik  errichtet,  die  im  Jahre  1804  durch 
Cabarrus  eingeführten,  inzwischen  veralteten  Maschinen  besei- 
tigt, neu  erfundene  eingeführt,  und  ein  industrieller  Unterricht 
begonnen  wurde.    Es  ward  eine  Baumwollen -Industrie  geschaf- 


467 

fen ,  eine  Industrie,  welche  die  Grundlage  aller  Industrien  in  der 
gegenwärtigen  industriellen  Organisation  Europas  bildet,  und 
man  gelangte  dahin,  dass  schon  im  Jahre  1834  nach  Catalonien 
7400  Centner  (Quintal)  unverarbeiteter  Baumwolle  eingeführt 
wurden.  Die  eben  erwähnte  Musterfabrik  ward  im  Jahre  1835 
durch  einen  aufirührerischen  Haufen  in  Brand  gesteckt;  zugleich 
war  der  slebeigährige  Bürgerkrieg  entflammt^  welcher  Hunderte 
von  Ortschaften,  durch  Ackerbau  und  Industrie  reich  geworden, 
in  Schutthaufen  verwandelte.  Nichts  desto  weniger  wurden  in 
den  Jahren  von  1836 — 1840  in  Catalonien  eingeführt:  33  Dampf- 
maschinen mit  201  Pferdekraft;  desgleichen  Kratz-  und  Webe- 
maschinen, so  wie  Jacquardstühle  im  Werthe  von  A^  Millionen 
Realen.  Die  Einfuhr  roher  Baumwolle  im  Jahre  1 840  belief  sich 
in  Catalonien  schon  auf  184,000  Quintales.  Es  wurden  ausserdem 
während  jenes  Zeitraumes  in  Catalonien  eingeführt  511,000  Ar- 
robas  (zu  25  Pfund)  Farbestoffe  und  658,000  Arrobas  metallischer 
Producte,  welche  zum  grössten  Theile  aus  den  übrigen  Provin- 
zen Spaniens  bezogen  wurden.  Im  Jahre  1841  repräsentirte  die 
Catalanische  Baumwollen -Industrie,  einschliesslich  ihrer  Neben- 
industrie, ein  Capital  von  424  Millionen  Realen,  beschäftigte 
102,000  Arbeiter,  Aufseher  u.  s.  w.,  erheischte  ein  Capital  von 
jährlich  190,000  Realen  fiir  Gehalt,  imd  lieferte  Producte  zum 
Werth  von  522  Millionen  Realen  mit  ihren  verschiedenen  Ver- 
zweigungen und  Neben -Industrien,  Gespinnsten  und  Garnen, 
Geweben  von  unvermischter  Baumwolle,  desgleichen  mit  an- 
deren Stoffen  vermischter  Gewebe,  bedruckten  Cattunen,  Bän- 
dern, Strümpfen,  Franzen  und  anderen  ähnlichen  Stoffen.  Diese 
letzteren  Fabricationszweige,  welche  durch  den  Verlust  der  Co- 
lonien  besonders  gelitten,  repräsentirten  dennoch  ein  Capital  von 
36,000,000  r.,  beschäftigten  8000  Arbeiter  und  lieferten  Producte 
im  Gesammtwerthe  von  69  Hillionen  Realen. 

Die  drei  Haupt-Industriezweige,  Spinnerei,  Weberei  und 
Druckerei,  lieferten  folgende  Resultate:  8290  Bergadanas,  2441 
Mu]\jems,  301  Continuas  mit  1,200,000  Spindeln  (husos),  92,000 
Rädern  (rodetos),  mit  2092  Pferdekrafti^  einschliesslich  301  Dampf- 

30' 


468 

kraft;  mit  31,200  Werkleuten,  deren  Jahresgehalt  einen  Werth 
von  34  Millionen  hatte;  mit  einem  Betriebs -Capital  von  138  Mil- 
lionen, inclusive  47  Millionen  an  Maschinen  >  vermittelst  deren 
producirt  wurden  19,000  Pfund  Gewebe,  grossentheils  von  Num- 
mer 10  —  45,  und  fiir  4|  Millionen  Garn;  28,000  Webestühle, 
einschliesslich  231  mechanischer,  mit  44,000  Arbeitern,  deren 
Jahresgehalt  76  Millionen  Realen  repräsentirte ;  mit  144  Millio- 
nen Betriebs -Capital,  einschliesslich  17  Millionen  fiir  Maschinen, 
welche  lieferten  78  Millionen  Varas  verschiedener  Stoffe;  940,000 
Dutzend  Tücher  und  31,000  Deckenstoffe;  1000  Werktische,  12 
Druckmaschinen,  300  Färbebottiche  etc.  mit  einem  Capital  von 
34  Millionen,  einschliesslich  7\  MiUionen  fiir  Maschinen  mit  5300 
Arbeitern,  deren  Jahresgehalt  12  Millionen  Realen  betrug,  und 
welche  producirten  19  Millionen  Varas  gedruckter  Waaren  (Ma- 
schinen- und  Handdruck),  18,000  Varas  Decken  und  9  Millionen 
Pfund  gefärbte  Stoffe. 

Die  Bleichanstalten  beschaftiigten  700  Arbeiter,  welche  2  Mil- 
lionen Pfund  bleichten  und  22  Millionen  Varas.  Diese  erhielten 
an  Gehalt  jährlich  1^  Millionen  Realen.  Das  Betriebs -Capital 
behef  sich  auf  4^  MUüonen,  einschliesslich  700,000  fiir  Ma- 
schinen. 

Die  verschiedenen  chemischen  Fabriken  gewährten  ein  Be- 
triebs-Capital  von  6  Millionen,  und  ein  Capital  von  4^  Millionen 
fiir  Gehälter. 

Giessereien  und  Maschinen -Werkstätten  beanspruchten  ein 
Capital  von  16  Millionen,  um  1067  Arbeiter  zu  beschäftigen. 

Wollkämmereien  mit  181  Maschinen  und  3^  Millionen  Be^ 
triebs- Capital,  und  andere  verwandte  kleinere  Industriezweige 
erforderten  ein  Capital  von  25^  Millionen. 

Die  Seiden-Industrie  in  Catalonien  wuchs  auf  2400  Webe- 
stühle, ausschliesslich  derer,  welche  mit  Seide  vermischte  Waaj- 
ren  verarbeiteten. 

Die  Woll-Industrie  beschäftigte  mehr  als  2000;  die  Leinen- 
Industrie  mehr  als  12,000  Webestühle;  die  Spitzen-  und  Blon- 
den-Industrie 30,000  Klöppelkissen  (Mudillos). 


469 

Ausserdem  waren  Glasfabriken,  Korkstöpsel-,  Papier-,  Leim- 
fabriken, Gerbereien  und  Nagelschmieden  entstanden,  wenn  auch 
einige  dieser  Etablissements,  welche  nicht  durch  besonderen 
Schutz  begünstigt  wurden,  wieder  eingingen. 

Der  Ueberblick  über  den  Zustand  der  Catalanischen  Industrie 
im  Jahre  1842  gewährt  nachstehende  Zusammenstellung: 

Bewegende  Kraft:    Durch  Dampf Pferdekraft    338 

Durch  Wasser »  568 

Durch  Pferde »  1577 

Gespinnst:   Maschinen 1,132 

Spindeln 1,206,378 

Rollen  und  Maschinen 1,154 

Räder  zur  Stärke 92,013 

Gewebe:  Webstühle 32,521 

Wickehi 97,346 

Arbeitslohn 151,524,580 

Capital:   Gebäude 13,991,499 

Maschinen ; 72,170,569 

Betriebs -Capital 134,827,710 

Gesammt- Capital 414,083,109 

Etablissements 4,583 

Hierzu  kommt  die  Zahl  der  Arbeiter 102,213 

das  Capital  des  Arbeitslohnes  mit 190,460,480 

das  Capital  in  Maschinen  mit 82,170,569 

und  die  Gesammt- Capitalsumme 414,083,109 

Der  Werth  der  in  den  Verkauf  gekommenen  Gewebe  und  Ma- 
nufacturwaaren  betrug: 

Reine  Baumwolle. 

Varas  Castelanas.   Preis.  Werth. 

Weisse  Gewebe,  ungebleicht .  .  .  47,640,768  ä  3^  r.  =  148,877,400 

dito  farbige 25,001,976  a  3^  »  =    90,632,163 

Musseline 48,408  a  7     »  =        317,856 

TüUe 224,400  a  7^  ^  =      1,683,000 

72,912,552  241,810,419 

Baumwolle  und  Seide. 

Glatte  Gewebe  (tela  Hsa) 609,972  a  12    r.  =  7,319,664 

Plüschartige  (tela  afelpada).  .  .  .  85,272  ä  24     »  =  2,046,528 

Sarsche  (asargada,  mostrada)  .  .  274,092  a  19     »  =  5,207,748 

Damascirte  (adamascada) 534,568  a  22^  »  =  11,891,913 

240  Shawls  zu  3  Varas 720  ä  23    »  =  16,560 


470 

Baumwolle  mit  Wolle. 

Varas  CasteUnas.  Preis. 

Glattes  Gewebe 1,081,920  a    5    r. 

Plüschartig 155,232  a  26^  . 

Sarsche 796,368  a    7^  » 

Damascirte 77,784  ä    9*^  » 

Baumwolle  und  Leinen, 
Baumwolle  und  Hanf. 

Drille  und  Zwillich  (cutis)   ....         532,968  a    3^  » 
Leinen  und  andere  Gewebe  .  .  .      1,480^764  ä    6    > 

Baumwolle  und  andere 
Stoffe. 

Gewebe  aller  Arten   .  . 77,220  i  36    » 

78,619,032 

Reine  Baumwolle. 

Dutzend. 

Tücher  von  3-12  Palmos ....         571,800  ä  73^  r. 

Mischung   von  Seide   oder 

Wolle. 

Tücher  von  2— 9  Pahnos   ....         346,299  ä  314^  . 

Mischung  von  Leinen  oder 

Hanf. 

Taschentücher 17,400  ä  70     » 

Mischung  von  verschiede- 
nen Fäden. 

Taschentücher^  gewöhnhche  .  .  . 4,752  a  180  » 

Summa  Tücher        940,248 

Reine  Baumwolle. 

Dutzebd. 

Zahl  der  Decken,  9-16  Pabnen  30,036  a  46-^ r. 

Mischung  mit  Wolle. 

Zahl  der  Decken,  9—16  Palmen 792  a  60     » 

Summa  30,828 

Andere  Gewebe  und  Manu- 
facturen. 

Strümpfe,  Tressen,  Franzen,  Ban- 
der, Binden,  Schuhband 68,840,709 


Wcrth. 

5,409,600 

4,113,648 

6,171351 

745,738 


1,865,388 

8,884,584 


=      2,779,920 


297,963,607 


=    42,198,840 


=  109,048,611 


=      1,218,000 


=        855360 


153,320,811 


=      1383,658 


=         47,520 


1,431,718 


471 
Zusammenstellung. 

KlaBseil.  Gesammtzahl.    Theilwertli.    Gesammtwerth. 

Ellenzahl  der  breiten  Gewebe  .  78,619,032  297,963,607 

Dutzend  Tücher 940,248  153,320,811  .         crfton« 

Zahl  der  Decken 30,828  1,431,178  (  ^'^A'^^^»^"*' 

Manufacte 68,840,709 

Das  Jalir  1843  mit  seinen  Kämpfen,  Bombai'dements  und 
mit  seinen  Protestationen  wider  die  Fortdauer  des  bestehenden 
Tarifes  verhinderte  nicht,  dass  die  Baumwollen -Industrie  sich 
in  den  folgenden  Jahren  in  einer  weit  blühenderen  Lage  befand, 
als  bis  dahin.  Die  Einfuhr  roher  Baumwolle  stieg  im  Jahre  1845 
auf  376,000  Quintales,  und  der  jährüche  Bedarf  erheischte  bereits 
28  MiUionen  Libras. 

An  Stahl  in  Banken  wurden  consumirt  über  eine  MilUon 
Pfund;  an  Indigo  413,000  Pfund. 

Im  Jahre  1846  wurden  Maschinen  im  Werthe  von  1^  Mil- 
Honen  Realen  eingeführt;  53,900  Quintales  Eisen  in  Platten  imd 
85,000  Quintales  in  Stangen. 

Die  Spinnereien  hatten  in  so  fern  einen  erheblichen  Fort- 
schritt gemacht,  dass  sie  in  Stelle  der  älteren  einfachen  Maschi- 
nen (Bergadanas)  fast  überall  neue  einführten;  dass  sie  die  Ma- 
schinen Mu\jenis,  Continuas  und  Selfactings  vermehrten,  welche 
letzteren  jetzt  schon  mit  einer  Million  Spindeln  jährUch  25  Mil- 
lionen Pfimd  oder  27  MilUonen  Pfund  roher  Bamnwolle  weben. 
Hierbei  werden  die  Spindeln  der  modernen  Systeme  und  die 
Nummer  30  als  Einheit  angenommen;  nach  Maassgabe  von  einer 
Unze  taglich  auf  eine  Spindel.  2^  Million  Pfund  gesponnener 
Baumwolle,  die  zur  Fabrication  von  Gürteln,  Bändern,  Franzen 
und  Posamentierwaaren  verwendet  wurden,  zeigten  den  Fort- 
schritt auch  in  dieser  Fabrication,  Die  Weberei  und  Druckerei 
Heferte  noch  günstigere  Resultate  wegen  der  in  diesem  Industrie- 
zweige herrschenden  grossen  Mannigfaltigkeit.  Die  Preise  die- 
ser Waaren  konnten  schon  bedeutend  massiger  gestellt  werden. 
Es  betrugen  dieselben  für  Indiennes  (las  Indianas)  in  den  Jahren 
1835  bis  1846  für  die  catalanische  Elle: 


472 


Klassen 


1835 


1836 


1837 


1838 


1839 


18401841 


1842 


1843 


1844 


1845 


1846 


Traucrzeiig 

Laminal 

Julianos 

Campo  blanco 

Maschinendruck 

Mit  blauem  Grund  .... 

Listanas 

Atchaconadas 

Maquina  und  Moldes   .  . 
Mehrfarbige  (moldes)  .  . 


5  10 

6  20 
6  20 
5  6 
6 


205 


5  10 

6  2 
6 
5    6 
5    2 


5    2 
31 
6 
5    6 

4  26 

5  17 


4  26 

5  20 
5  20 
5    2 

4  26 

5  10 


4  26 

5  10 
5  20 
5    2 

4  26 

5  8 


4  17 

5  10 
5  10 
5    2 

4  26 

5  6 
5  2 
5  15 

4  26 

5  10 


4 
5 
5 
4 
5 

D 

5 
5 
4 
5 


6 
6 


3 
4 


6    6 

4  30 

5  2 
304  303 

3  20 

4  17 
4  17 
4  17 
4  6 
4  26 


25 
21 
21 


2 
2 
2 
2 
17 
2 


3 
4 
4 
4 
4 
4 


3  5 
320 

4  21 
2ü|3  20 
1013 

4  6 
3  30 
3  30 
3  5 
320 


6 
17 
12 

6 
26 


3 
3 
4 
3 
3 
4 
3 
3 
3 
3 


15 
21 


2  14 

2  26 
4 

30|2  14 

30(2  14 

213  8 

I0I2  18 

3  18 
2  14 
2  17 


26 
2U 
20 


Es  war  das  Product  gestiegen  bei  den  einzelnen  Stoffen  um 
Procente 

bei  gegen  1835  um     gegen  1840  mehr 

Trauerzeug 

Laminas 

Julianos 

Campo  blanco 

Maschinendruck 

Mit  blauem  Grund  .... 

Listanas 

Atchaconadas 

Maquina  y  moldes  .... 
Mehrfarbige  Moldes  .  .  . 

Man  fand  in  diesen  Arbeiten  ein  Capital  von  800  Millionen 
Realen  angelegt;  eine  Production  von  460  Millionen  Realen,  wo- 
bei nur  die  erwähnten  billigen  Preise  zum  Maasstab  genommen 
sind;  120,000  Arbeiter  und  600,000  Personen,  deren  Existenz 
mehr  oder  weniger  durch  diese  Fabrication  bedingt  ist;  eine 
grosse  Anzahl  grossartiger  Etablissements  und  eine  Industrie, 
welche  sich  bereits  über  die  ganze  Halbinsel  zu  verbreiten  be- 
giimt 

Catalonien  producirte  an  Leinen-  und  Hanfgeweben  im 
Jahre  1845  3  Millionen  Varas  zum  Werthe  von  20  Millionen 


119 

92 

138 

92 

66 

63 

115 

110 

148 

98 

60 

100 

54 

98 

39 

473 

Realen 9  mit  einer  ausserordentlich  grossen  Zahl  von  Hand-  und 
anderen  Webstühlen,  einigen  Maschinen-Spinnereien  und  Webe- 
reien und  300  Jacquardstählen,  welche  jährlich  300,000  Ellen  da- 
mascirtes  und  geblümtes  Serviettenzeug  producirten.  Es  wur- 
den bereits  über  eine  MilUon  Pfund  Garn  (weiss  und  ungebleicht), 
zumWerthe  von  7  Millionen  Realen,  gearbeitet  und  abgesetzt,  und 
dadurch  ein  Capital  von  14  Millionen  in  Umlauf  gebracht  und 
4000  Arbeitern  Brod  verschaflft,  ausschUessUch  derjenigen  Ar- 
beiter, welche  bei  der  Bleiche  und  Färberei  beschäftigt  waren 
oder  in  ihren  Wohnungen  die  einfachsten  Handgewebe  anfer- 
tigten. 

Die  Papier- Industrie  von  Gatalonien  hat  seit  1841  ein  Capi- 
tal von  56  MilUonen  in  Umlauf  gesetzt;  1000  Personen  sind  be- 
schäftigt, Lumpen  zu  sammeln;  3360  mit  der  Fabrication  selbst; 
800  in  Nebenbranchen;  so  dass  im  Ganzen  6000  Individuen  ihre 
Existenz  dadurch  gesichert  sehen.  Es  werden  jährlich  114,000 
Quintales  alter  Lumpen,  10,200  Quintales  animalischer  Substanz 
zum  Leimen  des  Papiers  consumirt;  die  Fabrication  Uefert  ein 
jährliches  Resultat  von  700,000  Catalanischen  Riessen,  von  denen 
der  gi^össere  Theil  zur  Ausfuhr  in  die  überseeischen  Provinzen 
gelangt.  Unter  den  Spanischen  Papier- Fabriken  sind  die  von 
Alcai  imd  Tolosa  die  bedeutendsten  imd  ihre  Fabricate  die  ge- 
suchtesten. Die  Fabrik  von  Tolosa  liefert  jährlich  70,000  Riess 
Schreibpapier  (das  Riess  zu  11  — 12  Pfimd)  oder  37,000  Riess 
Druckpapier  (zu  20  Pfund  das  Riess).  Auch  die  Papier- Fabriken 
von  Gerona  (La  Gerondense  und  la  Aurora)  sind  renommirt;  die 
erstere  liefert  tägUch  1 8  Quintales  Papier  und  disponirt  über  ein 
Capital  von  3,100,000  Realen;  die  zweite  liefert  täglich  gegen 
12  Quintales  Papier  und  verfugt  über  ein  Capital  von  2  MilUonen; 
Das  Maschinen-Papier  %vird  mehr  gesucht,  als  das  Büttenpapier. 
Das  Schreibpapier  wird  in  der  Regel  zu  stark  geleimt;  es  wird 
dadurch  zu  glatt  und  zu  spröde. 

Die  erste  Giesserei  in  Spanien  wurde  im  Jahre  1832  ge- 
gründet, und  im  Jahre  1847  wies  Catalonien  deren  eine  grosse 
Zahl  in  den  Städten  Barcelona^  Mataro,  Vieh,  Igualada,  Reus, 


474 

Manresa,  Figuera«  nach^  wie  sich  denn  dergleichen  jetzt  in  allen 
Provinzen  des  Festlandes  finden. 

Die  glücklichen  Resultate  der  Catalanischen  Industrie  lassen 
sich  nicht  besser  als  durch  die  Maschinen-,  Baumwollen-  und 
Kohleneinfuhr  nachweisen.  Es  wurden  an  Maschinen  im  Jahre 
1846  der  dreifache  Werth  von  denjenigen  eingeführt,  welche  in 
der  zweiten  Halfle  des  dritten  Decenniums  dieses  Jahrhunderts 
aus  dem  Auslande  bezogen  wurden.  Die  Einfuhr  der  Baum- 
wolle war  in  den  Jahren  1834  bis  1846,  nach  Triennien  gerech- 
net, in  den  Progressionen  7  :  9  :  15  :  29  gestiegen,  indem  in  den 
Jaliren  1834,  1835,  1836  21  Millionen  libras;  in  den  Jahren 
1837,  1838,  1839  28  MiUionen;  in  den  Jahren  1840,  1841,  1842 
47  Milhonen;  in  dem  verhängnissvollen  Jahre  1843  nur  6  Millio- 
nen, und  in  den  Jahren  1844,  1845,  1846  69  MiUionen  libras 
eingeführt  wurden. 

Wenn  man  sich  darauf  beschränkt.,  die  in  dem  ersten  Trien- 
nio  eingeführte  Quantität  mit  der  im  letzten  Triennio  eingeführ- 
ten zu  vergleichen,  so  gewahrt  man,  dass  in  etwa  1 2  Jahren  eine 
Zunahme  im  Verhältniss  von  21 :  69  oder  von  1 :  3^  statt  gefun- 
den hat.  Vergleicht  man  den  fünQährigen  Zeitraimi  von  1834 
bis  1838  mit  dem  entsprechenden  von  1842 — 1846,  so  gestaltet 
sich  das  zunehmende  Verhältniss  wie  41 :  83. 

Wenn  nun  die  übrigen  Industriezweige  Cataloniens  in  den 
letztverflossenen  Jahren  dieser  steigenden  Progression  nicht  ge- 
folgt sind;  wenn  beispielsweise  Barcelona  von  seinen  61  Seiden- 
fabriken im  Jahre  1841  acht  Jalire  später  nur  noch  6  nachzuwei- 
sen im  Stande  war;  wenn  in  demselben  Zeitraum  die  Catalani- 
sche  Tuchfabricaüon  in  sichtbaren  Verfall  gerieth,  indem  1841 
im  Ganzen  24,000  Stück  Tuch  gefertigt  wurden,  1847  nur  10,000 
und  1848  nur  9300,  so  werden  doch  diese  Erscheinungen  durch 
den  eingetretenen  Aufschwung  der  Fabrication  der  Patennes  und 
wollenen  Tücher  aufgewogen.  Es  ist  nicht  recht  erklärlich,  wes- 
halb die  Seiden -Industrie  in  Spanien  überhaupt  während  des 
gedachten  Zeitraumes  in  ihrem  Umfange  abgenommen  hat;  die 
Ursache  in  den  Tarif- Reformen  des  Jahres  1841  oder  in  dem 


475 

damals  lebhafter  gewordenen  Schleichhandel  zu  suchen,  er- 
scheint wohl  gewagt;  jedenfalls  ist  es  aber  eine  Thatsache,  dass 
sich  die  Etablissements  und  die  Zahl  der  Arbeiter  bedeutend 
verringert  haben.  Im  Jahre  1841  besass  Malaga  26  Seidenfabri- 
ken mit  280  Webstühlen;  im  Jahre  1848  waren  nur  noch  85' 
Webstühle  in  Thätigkeit.  Reus,  Manresa  und  Barcelona  beschäf- 
tigten 1841  in  der  Seidenfabrication  4000  Webstühle,  4000  Man- 
ner, 3000  Weiber  und  2000  Kinder;  es  wurden  tägüch  2000 
Pfund  Seide  verbraucht,  und  das  Jahres -Arbeitslohn  betrug  16 
Millionen  Realen;  dagegen  reducirten  sich  diese  Zahlen  im  Jahre 
1848  auf  784  Webstühle,  784  Männer,  588  Weiber,  392  Pfund 
Seide  täglich,  imd  3  Millionen  Realen  Jahres -Arbeitslohn. 

Mit  der  Entwickelung  der  Catalanischen  Industrie  hängt  der 
grössere  Schiflfeverkehr  zusammen,  da  die  Zahl  der  Fahrzeuge 
zunehmen  musste,  um  die  Herbeiführung  der  zunehmenden  Be- 
dürfhisse an  Rohmaterial,  Maschinen,  Brennmaterial  und  Lebens- 
mitteln aus  den  übrigen  Provinzen  der  Monarchie  zu  bestreiten. 
Die  Provinz  Barcelona,  die  Districte  von  Badalone  und  Sitjes  in 
sich  fassend,  weist  seit  1840  eine  stets  im  Zunehmen  begriffene 
Zahl  immatriculirter  Schiffe,  Mannschaften  und  Tonnengehalte 
nach;  sie  betrugen 

im  Jahre  Lootsen.  Capitaine.   Seeleute.  Schiffe.   Tonnengehalt. 
1840  403  16  1309         221  185,849 

1848  517  21  1743         259  342,865 

mehr  114  5  424  38  157,016 

Die  Einfuhr  und  Ausfuhr  im  Hafen  von  Barcelona  betrug 
ihrem  Werthe  nach  im  Jalire  1848: 

Artikel.  Import.  Export.         Digr^z«  G«n«^er 

Liquida 37,337,234  29,775,681  7,602,082 

Fleisch 9,143,494  465,768  8,677,726 

Drogoen 28,808,349  19,783,947  9,024,104 

Specereien 1,294,332  1,763,367                            469,035 

Früchte 4,769,609  1,999,794  2,729,285 

Cerealien 75,165,808  10,587,185  64,578,622 

Fette 1,016,345  15,314  9,001,035 

Hölzer 17,622,408  34,367  16,688,041 


476 

A  *•!   1  T.««^..*  r^rs^^        Diflferenz  zu  Gunsten  der 

Artikel.  Import.  Export.  ^.^^^^^^  Ausfiilu-. 

Metalle 59,136,717  17,934,111  42,102,606 

Fische 25,187,025  9,710,915  15,476,110 

Pelzwerk 7,632,257  8,497,988  865,680 

Baumwollenwaaren .  .  598,282  119,410,961  118,812,679 

Leinenwaaren 15,157,424  14,250,794  906,629 

Seidenwaaren 9,366,238  5,388,689  4,177,349    10,954,965 

Verschiedene  Artikel  3,800,951  14,752,520  73,354,492 

Summa  .  .  .  417,031,144  301,811,499  246,319,109  131,098,965 

Differenz  zu  Gunsten 
der  Einfuhr 115,220,144  115,220,144 

Wiewohl  das  Quantum  derjenigen  Artikel,  welche  aus  den 
inneren  Provinzen  Spaniens  nach  Barcelona  geführt  wurden,  oder 
welche  dorthin  von  Barcelona  aus  gesandt  sind,  nicht  genau  an- 
gegeben werden  kann,  da  eine  freie  Circulation  statt  findet,  und 
eine  sogenannte  Guia  (Begleitschein)  nicht  überall  nothwendig  ist, 
so  wird  dennoch  der  Werth  der  nach  Barcelona  aus  dem  Innern 
des  Landes  eingeführten  Gegenstände  auf  etwa  46,816,908  r.  und 
der  Werth  der  dahin  versandten  Artikel  auf  51,230,326  r.  ap- 
proximativ berechnet.  Im  Jalire  1850  liefen  in  Barcelona  339 
Schiflfe  mit  62,959  Tonnenladung,  im  Jahre  1851  317  Schiffe  mit 
66,227  Tonnenladung  ein,  darunter  1850  eilf  Preussische  mit 
2561  und  1851  acht  mit  2164  Tonnenladung.  Noch  vor  wenigen 
Jahren  betrug  die  Spanische  Kauffahrtei-Marine  nur  9300  brauch- 
bare Schiffe,  welche  einen  Gehalt  von  150,000  Spanischen  Ton- 
nen hatten.  Die  Zahl  der  brauchbaren  Seeleute  betrug  höchstens 
35,000,  indem  die  Gesammtzahl  der  matriculirten  Individuen, 
einschhessüch  der  Maestranza  (die  mit  den  Schiffsbauten  imd 
Reparaturen  beschäftigten  Handwerker,  inclusive  der  Kalfaterer) 
sich  auf  60,206  belief.  Im  Jahre  1848  betrug  die  Anzalil  der  im- 
matricuHrten  Individuen  (Lootsen,  Schiffspatrone  imd  Seeleute) 
66,000,  und  wenn  man  die  Maestranza  und  die  Veteranen  hinzu- 
fügt, 76,000  Mann.  Dazu  ist  jedoch  die  Zahl  der  seedienstpflich- 
tigen Mannschaft  in  den  Baskischen  Provinzen  nicht  gerechnet^ 

« 

eben  so  wenig  die  von  der  Insel  Cuba  zu  gestellende  Mannschaft 
für  den  Marinedienst,  im  Betrage  von  3800  Köpfen.    Der  Ton- 


477 

nengehalt  der  Spanischen  Kauffahrteischiffe  hat  sich  inzwischen 
fast  verdoppdt.  Aus  der  Vorstellung,  welche  die  Handelsjunta 
von  Barcelona  im  Jahre  1840  an  die  Regierung  richtete,  ersieht 
man,  dass  damals  fast  gar  keine  Schiffe  von  500  Balas  in  der 
Matrikel  dieser  Stadt  zu  finden  waren.  Im  Jahre  1847  waren 
über  200  dergleichen  vorhanden.  In  acht  Jahren  waren  in  Cata- 
lonien  200  Schiffe  von  3  —  600  Balas  vom  Stapel  gelassen. 

Obgleich  im  Jahre  1847  die  Discussionen  über  den  Zolltarif 
die  Ermässigung  desselben  zur  Folge  hatten,  und  bittere  Klagen 
der  Provinz  Catalonien  erweckten,  so  hat  sich  nichts  desto  weni- 
ger die  Zweckmässigkeit  jener  Regierungs- Maassregel  bewährt, 
denn  es  liefen  im  Jahre  1849  in  den  Hafen  von  Barcelona  6555 
beladene  Schiffe  ein,  nüt  einem  Tonnengehalt  von  338,750,  und 
235  Schiffe  mit  19,727  Tonnengehalt  im  Ballast.  Es  liefen  in 
demselben  Jahre  aus:  2734  Schiffe  mit  172,344  Tonnengehalt 
und  4323  mit  189,631  Tonnengehalt  im  Ballast. 

Der  Werth  der  in  den  Hafen  von  Barcelona  während  des- 
selben Jahres  statt  gehabten  Ein-  und  Ausfuhr  betrug  fiir  Flüs- 
sigkeiten, Fleisch,  Droguen,  Specereien,  Früchte,  Ce>realien, 
Mehl,  Fettwaaren,  Holz,  Metalle,  Fische,  Pelzwerk,  Baumwolle, 
Wolle,  Leinen,  Seidenwaaren  und  andere  Artikel: 

Import 583,600,293  r. 

Export 358,477,846  » 

Die  Differenz  zu  Gunsten  des  Imports  betrug  328,659,919  r. 
»  »         »         »  »    Exports       »      153,337,473  », 

so  dass  sich  zu  Gunsten  des  Imports  1849  die  Differenz  auf 
175,122,446  r.  herausstellte. 

Die  Einfuhr  aus  den  inneren  Provinzen  auf  48  Millionen,  die 
Ausfuhr  dorthin  auf  51  Millionen  Realen. 

Die  Schiffsmatrikeln  aus  dem  Gesammt-District  von  Barce- 
lona  wiesen  pro  1849  nach: 

531  Lootsen,  21  Schiffs -Officiale,  52  Schiffe- Capitaine,  61  Kal- 
faterer, 222  Schiffspatrone,  1819  Seeleute,  288  Schiffe 
von  20  bis  400  Tonnengehalt,  mit  einem  Gesammtgehalt 
von  47,205  Tonnenladungen. 


478 

Was  Maschinen -Werkstätte  anbetrifit^  so  bestanden  deren 
in  Spanien  im  Jahre  1849:  8  Maschinenbau -Anstalten  mit  Eisen- 
giessereien  verbunden^  25  ohne  Eisengiessereien  und  24  Eisen- 
giessereien,  in  welchen  keine  Maschinen  gebaut  wurden. 

Um  nun  eine  Uebersicht  der  Resultate  der  Catalanischen 

Baum wollenwaaren -Industrie  des  Jahres  1850  im  Vergleich  zu 

den  Ergebnissen  der  früheren  Jahre  zu  geben,  lasse  ich  hierbei 

diejenigen  Daten  folgen,  welche  die  Junta  de  fabricas  im  Jahre 

1851  zusammengestellt  hat. 

• 
Catalanische  Gewebe. 

Einfache 27,993 

,.    ,      ,       -.TT  ,   , .,, ,         )  Zusammenffesetzte  . . .  5,537 

vorhandene  Webstuhle  . .  < ,  ,     , ,  ,  ,. «« 

Jacquardstühle 1,503 

Mechanische  Stühle  .  .  4,987 

Männer 23,621 

Zahl  der  Arbeiter {  Weiber 16,915 

Kinder 5,180 

(In  Maschinen  fixirt . . .  44,986,562 

P      j  Umlaufendes 123,368,165 

Es  wurden  gefertigt Varas  119,638,410 

Es  konnten  produdrt  werden,  wenn  alle  Stühle  ar- 
beiteten   Varas  151,870,410 

Jährliches  Arbeitslohn Reales  77,368,786 

Werth  der  Gebäude 56,628,040 

Einfache 6,823 

Unbeschäfligte  Stühle  ...{  Z^«^;"»«««*^^  •  •  •  530 

Jacquards 70 

Mechanische 560 

Wiewohl  es  kaum  zweifelhaft  ist,  dass  die  Spanische  In- 
dustrie in  ihrem  jetzigen  Umfange  noch  nicht  im  Stande  ist,  das 
Gesammtbedürfniss  des  Landes  zu  decken,  so  wird  dennoch  in 
Catalonien  noch  nicht  so  viel  fabricirt,  als  fabricirt  werden  könnte, 
wenn  alle  Maschinen  und  Arbeitskräfte  in  Bewegung  gesetzt 
würden. 


479 

Gespinnste  und  Garne  Cataloniens. 

Dampfmaschinen  ....  76 

■a  j    rr    Ä  )  Dampfkraft 1896 

Beweflrende  Kraft <         ^ 

'                                   ^Wasserkraft 1847 

Zahl  der  Pferde 238 

Bergadanas 180,058 

Muyenis 376,810 

Maschinen (  Continuas 51,040 

Selfactings 93,328 

Spindeln 93,873 

Männer 2964 

Arbeiter l  Weiber , 4934 

Kinder 4008 

Arbeitslohn 28,607,874 

,,    .,  ,         ,    ,.                 .Gebäuden 72,501,780 

Capital  angelegt  m (Maschinen 121,423,702 

Umlaufendes 104,561,520 

,      .  ( Hilados 27,760,882 

Jahresproducüon j  ^^^^.^^^ ^  ^^^  332 

Es  könnte  producirt  wer-  (  Hilados 38,845,628 

den (  Torcidos 4,602,295 

,       (  BaumwoUe  in  Pfunden  29,148,822 

Consumtion  an  Material  . .  j  gteinkohlen,  Quintales  291,200 

Die  Zahl  der  stillstehenden  Spindeln  betrug  241,305.  Wür- 
den diese  in  Bewegung  gesetzt  werden,  so  wurde  die  Zahl  der 
Arbeiter  von  11,906  auf  16,867  steigen. 

Es  wird  von  No.  10  bis  80,  bisweilen  noch  darüber,  ge- 
sponnen. 

In  der  Stadt  Barcelona  ward  1850  gearbeitet  in 

Catalanischem  Farbendruck  (bunte  Kattune,  Estampados ). 

Dampfinaschinen  ....  17 

T,  1    TT    A  )  Dampfkraft 258 

Bewe/arende  Kraft <  ^^    f 

*  ^  Pferde 46 

Wasserkraft — 


480 


Perotinen 


Cylinder  -Maschinen 


Mit  drei  Farben 36 

»    vier  und  mehr  ...  7 

Maschinen  a  la  plancha  plata 1 

Druckertische 889 

Mit  einer  Farbe 14 

»    zwei  Farben   ....  7 

»    drei  »        ....  12 

»    vier  »        ....  8 

r  Männer 1401 

Arbeiter |  Weiber 101 

( Kinder 866 

Arbeitslohn 7,899,700 

i  Gebäuden 17,565,400 
Maschinen 14,956,660 
Umlaufendes 36,671,800 

Jahrliche  Production,  in  Varas 29,678,720 

Maximum  der  möglichen  Production,  in  Varas  ....  49,781,660 
Im  Arbeitslohn  sind  die  Besoldungen  für  die  Directoren, 
Coloristen  etc.  mit  enthalten ;  und  das  Maximum  der  Production 
ist  angenommen,  ohne  dass  dieserhalb  eine  Vermehrung  der 
Maschinen  und  Utensilien  nothwendig  einzutreten  brauchte. 

Die  oben  erwähnten  Fabriken  verbrauchen  jährlich  an  Stein- 
kohlen 450,000  Quintales. 

Wiewohl  in  Catalonien  an  Baumwolle  eingeführt  wurden 


1834  ... 

74,000  Quintales. 

1840  .  . . 

184,000 

1845  .  . . 

376,000 

1850  . . . 

372,000 

1851  .., 

374,964 

und  verbraucht  wurden 

1843  ... 

.  28,000,000  Libras. 

1850  ... 

.  29,148,822 

1851   ... 

.  30,826.999 

so  wurden  nach  Ausweis  der  Zolleinnahmen  pro  1849  nichts 
desto  weniger  vom  Auslande  eingeführt: 


481 

Baum  wollen  waaren  für 23,000,000  r. 

Seidenwaaren  für 12,000,000  » 

Gemischte  für 4,000,000  . 

Es  wurden  dagegen  ausgeführt: 

3,500,000  Arrobas  Wein  im  Werthe  von 102,500,000  r. 

wovon  1,500,000  allein  auf  Xereswein  kamen; 
am  1.  Juli  1851  waren  in  den  6  Monaten  des 
Jahres  288,350  Arrobas  Xeres  von  Puerto 
Santa  Maria  verschifft  worden. 

1,500,000  Arrobas  Oel  für 45,000,000  » 

300,000  Arrobas  Branntwein  für 9,500,000  » 

Fast  2  MiUionen  Arrobas  Mehl  für 28,000,000  . 

620,000  Fanegen  Weizen  für 21,500,000  . 

140,000  Arrobas  Reis  für 3,000,000  . 

1,600,000  Arrobas  Rosinen  für 31,000,000  . 

Ha.selnüsse,  Safiran,  Gemüse,  Apfelsinen,  Citro- 
nen,  Mandeln,  Pottasche,  Hafer,  Mais,  Kork 

in  Tafehi,  Gerste,  Weintrauben  für 30,000,000  » 

2,500,000  Fanegas  Salz  für 7,500,000  . 

Rindvieh  für 2,500,000  . 

48,000  Arrobas  Fisch  für 1,000,000  » 

Rauchfleisch,  Maulthiere  ftir 4,500,000  . 

964,000  Unzen  Silber  in  Barren. 

Blei  m  Barren  für 37,000,000  . 

15,000  QuintaJes  Quecksilber  für 25,000,000  . 

17,000,000  Realen  Münzen  baar. 

174,000  Arrobas  Eisen  für 2,000,000  » 

Korkstöpsel  für 16,000,000  . 

231,000  Arrobas  verarbeiteter  WoUe  für 29,500,000  . 

78,000  Arrobas  ungewaschene  WoUe  für 4,000,000  « 

288,000  Varas  wollene  Gewebe  für 4,500,000  . 

75,000  Pfund  rohe  Seide,  Nähseide  etc.  für 6,700,000  . 

Seidengewebe,  Schuhwerk,  gegerbte  Felle  für  . .  4,000,000  » 

T.  MinntoU,  Spanien.  3 1 


482 

Seidene  Bänder  fiir 1,600,000  r. 

107,000  Atrobas  Espartowaaren  fiir 2,500,000  . 

44,500  Riess  weisses  Papier 1,500,000  » 

Der  Werth  der  Importation  1850  betrug 

aus  Europa 392,371,907  r. 

.    America 269,017,323  . 

.    Asien 10,604,410  . 

Summa  671,993,640  r. 

Der  Export  pro  1850 

nach  Europa 315,638,864  r. 

.     America 168,081,310  » 

»     Asien 4,946,508  » 

Summa  488,666,682  r. 
mehr  als  1849     10,503,860  . 

Rohe  Baumwolle  aus  America  war  in  Barcelona  eingeführt 

1841 16,268  Balas  zu  19  Arrobas 

1842 20,163 

1843 24,107 

1844 70,899 

1845 35,151 

1846 34,046 

1847 51,158 

1848 65,751 

1849 71,822 

1850 90,796 

1851 92,491 

Balas  oder  35,559,098  castiüanische  Pfunde,  auf  216  Schiffen 
Ton  38,927  Tonnenladungen. 

Die  Gesammt-Baumwollen-Fabricate,  welche  im  Jahre  1850 
vom  Aaslande  nach  Spanien  durch  die  Stenerämter  eingeführt 
wurden,  waren: 

1 .  Baumwollengam  No.  6  und  weiter 6,637  Libras. 

2.  »  zu   2   und   3  Fäden  von 

No.  60  und  weiter 67,772 


483 

3.  Rohe  und  weisse  Gewebe,  26  Fäden  etc. .  .     82,609  Libras. 

4.  Mit  gleichen  Fäden 21,943 

5.  Zubereitet  zum  Nähen  oder  Drucken  ....     30,285        » 

6.  Weisse  Tücher,  gemalt,  gedruckt,  40  Fä- 
den und  mehr 26,030 

7.  Dieselben  gestickt 1,793        » 

8.  Holländische  Mousseline,  Schottische  Ba- 
tiste von  15  Fäden  und  mehr 114,111        » 

9.  Durchbrochen,  mit  Spitzen,  zum  Nähen..  123,589        » 

0.  Mit  Handstickerei 23,230 

1.  Glatte,  klare  Gewebe  von  18 Fäden  und  mehr  61,163        » 

2.  Dieselben  gestickt 1,105        » 

3.  Stepparbeit,  Pique  ohne  Stickerei 51,506        » 

4.  Mit  Stickerei 713 

5.  Glatter  Baumwollen- Sammet 223,254        » 

6.  Velpel 52,972 

7.  Glatte  Gazen 366 

8.  Bedruckte,  gestickte  Tülle 17,020 

9.  Mit  Handstickerei 2,540        » 

20.  Mit  Kanten  und  Spitzen 15,663        » 

21.  Percalm  mit  Blumen,  20  Fäden  und  mehr  1,747 

22.  Besetzt  mit  Metall 3,212 

23.  Nouveautes 3,688        » 

Die  Total-Zdtteinnahme  hierfür  belief  sich  auf  12,413,868  r., 
und  waren  von  dieser  Summe  eingegangen: 

in  Cadiz 2,380,750  r. 

in  Barcelona 2,216,337  » 

in  Malaga 1,851,696  » 

in  Santander 1,796,414  » 

im  Grao  (Valencia)  . ,  1,433,028  . 
Aus  diesen  Zahlen  kann  auf  die  Bedeutsamkeit  der  genami'* 
ten  Eingangspunkte  für  den  Verkehr  überhaupt,  wie  auf  den 
Verbrauch  der  an  jene  Häfen  zunäch;st  grenzenden  Provinzen 
zurfickgeschlossen  werden. 

31' 


484 

Wenn  von  der  Spanischen  Industrie  überhaupt  die  Rede, 
so  ist  dabei  mit  Recht  hauptsächlich  Catalonien  gemeint,  wo, 
ausser  den  schon  erwähnten  Industrie-Erzeugnissen,  die  Kork- 
schneiderei, insbesondere  in  Palamos,  San  Fehn  de  Guixall,  Pola- 
fnigel,  Figueras,  überhaupt  in  dem  mit  Korkeichen  besetzten  Ost- 
küstenstriche, selir  lebhaft  getrieben  wird.  Die  Korkeichen  Ca- 
taloniens  liefern  in  Spanien  den  besten  Kork  zu  Stöpseln.  Je 
nach  der  Kraft  des  Bodens  und  nach  dem  Alter  der  Eiche  bildet 
sich  in  dem  Zeitraum  von  8  —  12  Jahren,  ja  auf  nacktem  Felsen 
die  Korkrinde  erst  nach  1 4  Jahren,  in  ihrer  durch  Boden  und  clima- 
tische  Verhältnisse  bedingten  natürlichen  Form  und  Reife  aus.  Im 
Monat  JuU  und  August  berstet  die  Rinde  bis  zur  Höhe  von  20  auch 
25  Fuss,  den  Stamm  hinauf,  von  der  Wurzel  ab  gerechnet  Die 
Ablösung  des  Korkes  darf  nicht  übereilt  werden ,  um  die  darun- 
ter befindUche  feine  Haut,  welche  den  Stamm  umgiebt  und  die 
neue  Rinde  bildet,  nicht  zu  verletzen,  was  dem  Wachsthum  des 
Baumes  Schaden  Üiut  und  letzteren  leicht  eingehen  lässt. 
Der  Stamm  des  seiner  Rinde  beraubten  Eichbaums  erscheint 
glänzend  rotli  in  der  Farbe  des  gebrannten  Ockers.  Damit  die 
Pfropfen -Fabrication  dem  Lande  zu  Gute  komme,  darf  der  un- 
verarbeitete Kork  nicht  ausgeführt,  und  müssen  eingeführte  ge- 
schnittene Pfropfen  versteuert  Averden.  Die  Ausfuhr  des  verar- 
beiteten Korkes  unterliegt  keinerlei  Besteuerung. 

Nach  England  und  Frankreich  wurden  1850  verkauft  Kork 
in  Platten  12,858  Centner  aus  Andalusien,  und  an  Pifropfen  aus 
Catalonien  365,561  Tausend.  Mau  pflastert  auch  Wohnzimmer 
mit  Korkplatten,  um  den  Fussboden  im  Winter  wann,  im  Som- 
mer kühl  zu  erhalten ;  oder,  wie  in  Lesezimmern,  kein  Geräusch 
durch  das  Gehen  und  Kommen  der  Besucher  zu  verursachen. 

Auch  die  Leinenweberei  hat  bedeutend  zugenommen  und 
deckt  den  Bedarf  der  Provinz.  Man  verarbeitet  in  Spanien 
grossentheils  Maschinengam  zu  Leinwand  und  liefert  bereits 
sehr  gute  Waare.  Leider  ist  der  Spanische  Markt  dem  Preussi- 
schen  Fabrikate  gegenwärtig  fast  ganz  verschlossen,  und  liegt 
der  Grund  in  der  That  nicht  in  der  mehrjährigen  Unterbrechung 


485 

der  diplomatischen  Verbindung  beider  Staaten,  sondern  einmal 
in  der  überhand  genommenen  Landesproduction,  und  demnächst 
in  der  Trefflichkeit  der  Englischen  und  Belgischen  Waaren,  mit 
welchen  eine  Concurrenz  nicht  zu  bestehen  war.  Bei  diesem 
Stande  der  Dinge  sind  auch  leider  alle  bisherigen  Bemühungen, 
die  früheren  lebhaften  diesfalligen  Handelsbeziehungen  wieder- 
anzuknüpfen, bis  jetzt  vergeblich  gewesen. 

In  Catalonien  werden  in  den  Giessereien  und  Maschinenbau- 
Werkstätten  vortreffhche  Arbeiten  geHefert;  die  neuesten,  com- 
pUcirten  Maschinenwebstühle,  Dampfmaschinen,  Chocoladen- 
mühlen,  Appretir-,  Druck-  und  Spinnmaschinen,  Ornamente, 
Broncegusswaaren  in  den  geschmackvollsten  Zeichnungen  gefer- 
tigt; eben  so  Stearinkerzen,  Seifen,  Handschuhe  vorzügUcher 
Qualität,  goldene  Tressen,  Schuhe,  Marmorarbeiten,  lackirte 
Leder,  vorzügliche  Hüte  etc.,  Conditorwaaren,  namentlich 
Marzipan  (Turon)  von  allen  Gattungen.  In  Barcelona  befinden 
sich  7  grössere  und  5  kleinere  Giessereien,  in  welchen  von 
Dampfcylindem  fiir  Schiffsmaschinen  zu  fiinf  Tonnen  Gewicht 
herab  bis  zu  Gittern  und  zierUchem  Hausrath  mit  Solidität  und 
Geschmack  gearbeitet  wird.  Diese  Etablissements  verbrau- 
chen wöchentüch  2000  Centner  Eisen;  ihre  Dampfinaschinen  ha- 
ben je  16  bis  30  Pferdekrafl;  sie  beschäftigen  je  50  bis  300  Ar- 
beiter; das  Arbeitslohn  beträgt  je  nach  den  Leistungen  6  —  40  r. 
täglich.  Es  waren  1851  ausserdem  in  Barcelona  362  EtabHsse- 
ments,  die  in  Baumwolle,  11  in  Wolle,  31  in  Leinen  imd  Hanf, 
82  in  Seide,  17  in  Blonden  arbeiteten,  58  Färbereien,  43  Drucke- 
reien. Aus  den  Besteuerungslisten  geht  hervor,  dass  in  den  acht 
Klassen  der  industriellen  Thätigkeit  9385  selbstständige  Ge werb- 
treibende oder  Etablissements  mit  jahrhch  5,983,417  Realen  zur 
Gewerbsteuer  herangezogen  wurden. 

Mit  dem  Fischfang  hatten  sich  1851  3320  Fischer  mit  800 
Fischerboten  befasst;  sie  hatten  178,250  Arrobas  Fische,  im 
Werthe  von  2,248,321  r.,  gefangen,  welche  gekocht  verzehrt, 
und  48,270  Arrobas,  im  Werth  von  876,294  r.,  welche  gesalzen 
verkauft^  wozu  2880  Fanegas  Salz  verbraucht  worden. 


\ 


486 

Es  herrscht  aber  auch  in  anderen  Provinzen  Spaniens,  je 
nach  ihrer  Lage  und  Naturerzeugnissen»  eine  geringere  oder 
grössere  industrielle  Thatigkeit,  und  hat  die  Regierung  durch 
die  in  ICadrid  statt  gehabte  Industrie  -  Ausstellung  wesentlich 
dazu  beigetragen,  die  inländischen  Fabrikate  zur  Geltung  zu 
bringen,  das  Interesse  der  Capitalisten  für  Faforikuntemehmungen 
zu  beleben  und  das  Nationalgefuhl  und  die  vorhandenen  Talente 
zum  Wetteifer  mit  den  auswärtigen  Fabriken  anzufeuern.  Die 
auf  der  Londoner  Industrie-Ausstellung  gewälirten  Prämien  wer- 
den hierauf  gleichMls  vortheilhaft  einwirken,  und  man  zweifelt 
nicht,  dass  die  im  Sommer  1852  in  Madrid  stattfind^ide  zweite 
Industrie -Ausstellung  überraschende  Resultate  liefern  wird. 

Nächst  Catalonien  ist  in  den  Nordwest-Provinzen  das 
regste  industrielle  Leben.  Die  bedeutenden  Milchwirthsdiaften 
Asturiens  haben  ein^i  jährlichen  Absatz  von  800,000  Spanischen 
Pfunden  allein  nach  Andalusien  gesichert;  die  dortigen  Stahl- 
fabriken und  Giessereien  sind  selbst  in  London  prämürt  worden. 
Die  Eanonengiesserei  zu  Trubia  liefert  ausgezeichnete  Geschütze 
fiir  die  Spanische  Flotte;  die  Gigarrenfetbrik  in  Gijon  beschäftigt 
1500  Arbeiter;  Seifen-,  StearinUcht-,  Ghocoladen-  und  6Ia^ 
&Jbriken,  Dampfmahlnuihlen  und  Stirkemelil£ibriken  findet  man 
dort  in  lebhaftem  Betriebe;  die  bedeutende  Tuchfabrik  von  Ren- 
nedo  bei  Santander  hat  ISO  Arbeiter;  und  die  bei  G^on  befind- 
liclien  ungeheueren  Steinkohlenlager  werden  nach  Beendigung 
der  Eisenbahnverbindung  einen  nicht  geahnten  Verkehr  in  den 
dortigen  Häfen  nach  Frankreich  und  England  entwidceln. 

Besonders  thätig  sind  jene  Provinzen  in  der  Leinwand- 
Fabrication,  wie  in  Goruna  und  Ferrol;  man  hefert  gute  Waare 
und  vermag  in  der  bei  Ferrol  belegenen  neuen  Fabrik ,  obgleich 
mehr  als  600  Arbeiter  darin  beschäftigt  sind,  die  vielen  einge- 
henden Bestellungen  nicht  sämmtlich  auszufahren. 

In  den  Südprovinzen  sind  es  Malaga,  Sevilla  und  Gadiz, 
wo  Bld werke,  Maschinenbau  und  Giessereien,  Tabacks-,  Hand- 
schuh-, Leinwand-,  Leder-,  Seifen-,  Farbewaaren-,  Papierfaliriken, 
Wollenspinnereien,  Bergwerke  für  Blei,  Kupfer,  Queckialber  etc. 


487 

eine  Menge  von  Händen  in  Bewegung  setzen.  Vorzüglich  sind 
die  grossartigen  Larius'schen  Baum  wollen  waar^i-  und  Lei- 
nenwaaren- Etablissements  zu  erwähnen;  in  Malaga  besteht  die 
berühmte  Eisengiesserei  von  Heredia  und  vorzügliche  L^nen- 
und  Baumwollen  waaren-9  Chemiealien  und  Stearinkerzen  -  Fabri- 
ken. Weder  die  Fruchtbarkeit  des  Bodens ,  noch  die  Arbeits- 
kraft der  dortigen  Bevölkerung  wird  hinteiehend  in  Anspruch 
genommen,  und  die  Resultate  für  Industrie  und  Kunst  bleiben 
weit  hinter  den  Erwartungen  zurück.  Die  sehr  bedeutende  Por- 
zellan- und  Steingut -y  so  wie  die  Gewehr-  und  Pistonfabrik  in 
Sevilla,  leisten  Vortreffliches. 

Es  betrug  der  Ertrag  der  Minen  der  Sierra  Almagrera  1850 
192,000  Mark  Süber,  189,300  Centner  Blei,  1972  Centner  Litar- 
girio,  12510  Centner  Alaun.  38  grosse  Eisengiessereien  be- 
stehen.  Der  Ertrag  von  Almaden  an  Quecksilber  war  21,315 
Centner  im  Wcrth  von  35,069,525  r.  Es  waren  dort  4000  Ar- 
beiter beschäftigt  Der  Gesammtertrag  der  Minen,  wdche  25,000 
Personen  Beschäftigung  gaben,  342  Falniken  und  40,500  Last- 
thiere  in  Thäügkeit  setzten,  belief  sich  auf  99,403  Mark  SUber, 
341,424  Centner  Sdimiedeeisen,  313,704  C&a.taet  Gusseisen, 
618,228  Centner  Blei,  13,485  C^tner  Kupfer,  5499  Centner 
Zink,  3775  Centner  SulfisU»,  402  Centn»  Alaun,  1350  Centner 
Messing  etc.  Zur  Förderung  dieser  Metalle  waren  nothw^idig 
an  Mineral  607,959  Centner  Steinkohlen,  2355  Centner  Holzkoh- 
len, 890,460  Centner  Eisen,  990,000  Centner  Blei,  333,957  Cent- 
ner Kupfer,  52,800  Centner  Sulfato,  18,675  Centner  Alaun, 
405,522  Centner  silberhaltiges  Blei,  519,279  Centner  Queck- 
silber. 

An  Steinkohlen  wurden  ausgeführt  aus  Gyon,  Aviles,  Villa 
viciosa:  1828 80,614  Centner 

1830 122,386 

1840 286,131       » 

1850 600,659       » 

t 

Die  bedeutendsten  Giessereien  in  Eisen  von  Trubia,  SOre^ 
Lina,  Malaga,  Gurriezo  haben  theils  die  Freiburger,  theils  die 


488 

Pattingsonsche  oder  die  Augustiiische  Methode  angenommen. 
Nicht  allein  die  Production  von  Giiss-,  Schmiede-,  Streckr  und 
Bandeisen,  Stahl  etc.,  sondern  auch  die  Verarbeitung  desselben 
zu  Werkzeugen,  Feilen,  Schlössern,  Meubles,  Kamm-  und 
Kardenmaschinen,  selbst  Dampfimaschinen ,  früher  fast  aus- 
schliessUch  aus  Frankreich  und  England  bezogen,  geht  mit  ra- 
schen Schritten  vorwärts. 

Es  sind  an  Oefen  in  Thätigkeit: 

Für  Blei,  Süber,  Gold,  Kupfer 1021 

»    Quecksilber,  Schmälte,  Antimon  .     436 
»    Eisen  imd  Stahl 684 

Es  verbrauchen  die  Fabrik  -  Etablissements  von  Heredia 
jahrUch  300,000  Centner  Mineral,  280,000  Centner  Kohlen, 
250,000  Centner  Steinkohlen,  10,000  Centner  Coaks.  Die  Palen- 
tine-Leonesa  braucht  jälu-Uch  600,000  Centner  Steinkohlen;  sie 
schmilzt  in  ihrem  Englischen  Ofen  täglich  160  Centner  Eisen. 

Der  Stahl  wird  verkauft  zu  34  r.  die  Arroba  Legaspia, 
37  —  47  r,  Trieste,  38  r.  Ancona,  der  feine  zu  52  r. 

Unter  den  Glasfabriken  steht  diejenige  von  Gijon  obenan. 
Sie  producirte  im  dritten  Jahre  ilires  Bestehens  schon  für 
992,778  r.  in  flachen  Scheiben,  für  291,696  r.  Hohlglas,  für 
177,192  r.  in  Bouteillen.  Dann  folgt  die  Fabrik  in  Coruna, 
welche  1,300,000  Stück  jährlich  fertigt. 

Auch  fiir  die  Seidenweberei  geschieht  Manches,  doch  blei- 
ben auch  diese  Leistungen  hinter  der  Fabrication  in  Valencia 
zurück,  wo  insbesondere  för  Möbelstoffe  die  in  Spanien  gesuch- 
testen Sammet-  und  Seidenwaaren  gefertigt  werden. 

Die  Provinzen  Valencia,  Murcia  und  Granada  zeichneten 
sich  schon  zur  Zeit  der  Maurenherrschaft  durch  die  vorzügliche 
Seidenzucht,  Seidenspinnereien  und  Webereien  aus.  Nach  der 
Vertreibtmg  der  Mauren  und  Juden  und  nach  den  religiösen 
Spaltungen  und  Verfolgungen  verfiel  mit  dem  Emistfleiss  und 
Handel  überhaupt  auch  dieser  Industriezweig  schnell  und  fast 
vollständig. 


489 

Noch  zu  Anfang  des  16ten  Jahrhunderts  beschäftigte  Toledo 
200,000  Menschen  mit  Seidenzucht  und  Weberei  und  verbrauchte 
jährlich  400,000  Pfund  gesponnene  Seide;  bis  zum^Fahre  1640 
gingen  7000  Webstühle  ein.  Es  bestanden  1685  nur  noch  600 
und  1692  nur  64. 

Sevilla  hatte  zur  Zeit  der  Blüthe  dieser  Industrie  130,000  Ar- 
beiter und  16,000  Stühle  mit  Seidenarbeiten;  im  Jahre  1700 
bestanden  nur  noch  16. 

Granada  zog  jährlich  1,000,000  Pfund  Seide.  Als  die  Re- 
gierung dieselbe  mit  15  r.  12  mar.  pro  Pfund  besteuerte,  erntete 
man  1643  nur  250,000  Pfund,  und  nach  Verlauf  weniger  Jahre 
nur  noch  80,000  Pfimd. 

Ferdinand  VI  hatte  das  Verdienst,  mit  Kraft  und  Nachdruck 
auf  die  Wiederaufnahme  der  Seidenweberei  hinzuwirken.  Tala- 
vera  und  Toledo  eröffneten  wiederum  ihre  weltberühmten  Ar- 
beitssSle,  und  nach  vielfachen,  in  den  politischen  Zerwürftiissen 
liegenden  Störungen  war  es  der  jetzigen  Regierung  vorbehalten, 
durch  Sorge  für  neue  Maulbeei*pflanzungen,  Einfuhrung  der  Vau- 
canson'schen  Spinnmethode,  durch  Empfehlung  der  Jacquard- 
stähle und  Verbesserungen  jeder  Art  auf  Beseitigung  der  einge- 
wurzelten Vorurtheile  für  die  früher  üblich  gewesene  mangel- 
hafle  Behandlungsart  und  auf  eine  neue  kräftige  Entwickelung 
dieser  Industrie  hinzuwirken.  Die  Seidenemte,  welche  im  Jahre 
1808  nur  606,887  Kilogramm  betragen  hatte,  ergab  im  Jalire 
1849  schon  1,004,000  Kilogramm.  Die  Seidenzucht  hatte  sich 
über  Murcia,  Valencia,  Andalusien  hinaus  nach  GastiUen  und  Gra- 
licien,  so  wie  über  Aragon,  verbreitet. 

Eine  eigenthümUche  Erscheinung  ist  die  geringere  Frucht- 
barkeit der  Spanischen  Seidenraupe,  als  die  der  benachbarten 
südlichen  Länder.  Es  producirt  eine  Unze  Semilla  (Eier)  an 
Pfunden  zu  12  Unzen  gerechnet: 

in  Italien 16^ 

in  Frankreich 16 

im  Seine  -  Departement . .  18 


490 

in  Valencia 9 

in  Alicante 6^. 

Die  bsste  Semilla  ist  der  Ray-ko,  verbunden  mit  dem  Mas, 
aus  China;  dieser  ist  auf  Kosten  der  Regierung  dea  Seidenzuch- 
tem  zugestellt  Der  Sina  und  die  Trevoltina  bewähren  sich  vor- 
zugUchy  selbst  in  dem  kälteren  und  feuchten  Clima  von  Galicien. 
An  Maidfoeerarten  haben  sich  vorzugsweise  bewahrt:  die  Bosa, 
die  Hibrida,  die  weisse  Cevennenart  und  die  Multicaule. 

Valencia  ist  gleichzeitig  durch  die  vorzüglichste  Facher- 
Fabrication,  zu  welt^her  jedoch  die  einzelnen  Bestandtheile  an 
Papier  9  Malerei  und  verarbeitetem  Metall  aus  dem  Auslande  be- 
zogen werden,  berühmt. 

In  derselben  Provinz  ist  die  Leinwandweberei  und  Töpferei 
sehr  vorgeschritten,  und  werden  dort  die  besten  gebrannten 
Thonfliessen  (Azulejos)  gefertigt  Die  Töpferei  ist  Iq  Spanien 
sehr  weit  vorgeschritten;  es  werden  Thonhafen  von  5  Fuss  Hölie 
und  3  Fuss  Durchmesser,  flache  Scheiben  von  4  Fuss  im  Durch- 
messer gebrannt,  Trinkkrüge,  Wassergefilsse,  Ornamente  etc.  in 
den  zierlichsten  antiken  Formen. 

Die  Espartostrohflechtereien  beschäftigen  viele  Menschen; 
1850  wurden  138,508  Centner  solcher  Geflechte  aus  Spanien 
verschUBEL 

Madrid,  die  Residenz  in  der  ganzen  Bedeutung  dieses  Wor- 
tes, zählt  unter  Anderem  68  Goldschmiede,  67  Druckereien, 
7  lithographische  Anstalten,  68  Modehandlungen,  92  Schneider- 
meister, 147  Schuhmacher,  137  Möbeltischler,  12  Hutfistbriken, 
40  Sattler  Werkstätten,  20  Wagenbauer,  29  Handschuhfabriken, 
99  Maurermeister.  Teppiche,,  Spiegel,  Broncen,  Stecknadeln, 
Parfumerien,  Wachsleinwand,  Spielkarten,  welche  man  früher 
fast  ausschliesslich  aus  dem  Auslande  bezog,  werden  in  Madrid 
in  Fabriken  gefertigt.  Die  Madrider  Handschuhe,  die  Luxus- 
möbel, die  musikalischen  Instrumente,  wenigstens  die  Harfen, 
Guitarren  imd  Blechinstrumente,  so  wie  die  Hüte  von  Madrid, 
sind  von  so  vorzüglicher  Beschaffenheit^  dass  sie  mit  den  besten 
derartigen  Arbeiten  des  Auslandes  concurriren  können.  Dagegen 


in 

werden  die  feineren  Broncen,  die  QuincaiUewaaren,  Spiel waaren, 
die  feinen  bunten,  gepressten  Papiere  in  Spanien  in  so  unvoll- 
kommener Art  gefertigt,  dass  der  diesföllige  Bedarf  fast  au^»- 
schliesslidi  vom  Auslande  bezogen  wird. 

Es  ist  bereits  oben  erwähnt,  dass  in  Spanien  Gewerbe- 
freiheit  bestellt  Der  freien  Coneurrenz  und  dem  öffentiichea 
Urtheil  über  die  Güte  und  Preiswürdigkeit  der  gefertigten  Waa- 
ren  überlässt  man  Alles,  ohne  die  Meisterschaft  von  dem  sachver- 
ständigen Urtheile  der  Gewerks- Genossen  abhängig  zu  machen, 
oder  dem  Beginne  eines  selbststandigen  Etablissements,  wenn 
nicht  wissenschafUiche  Vorbildung  gesetzliches  Erforderniss  ist, 
eine  Lehr-,  Wanderzeit  oder  Prüfung  vorangehen  zu  lassen.  Das 
Wandern  der  Gesellen  gehört  nicht  zur  Regel;  es  bedarf  dessen 
nicht,  sondern  gereicht  nur  zur  besseren  Empfehlung.  Die  Ver- 
einigung der  Gewerbetreibenden  oder  Handwerks- Genossen 
bestimmter  Grattung  zu  einem  Gremium  bezieht  sieh  lediglich 
auf  das  Steuer -Interesse,  weil  einige  Gewerbe  die  Gewerbe- 
steuer nach  dem  Gegenstande  oder  dem  Umfange  des  Gewerbe- 
Betriebes  durch  den  Gewerbetreibenden  unmittelbar,  sei  es 
mit  festen  oder  schwankenden  Sätzen,  zahlen,  während  andere 
Gewerke  imd  Gewerbetreibende,  zu  einer  Genossensdiafb  oder 
Klasse  vereinigt,  die  auf  ihre  Gesammtheit  repartirte  Steuer- 
summe den  einzelnen  Quoten  nach  unter  sich  vertheilen  und 
aufbringen.  Die  Prüfung  der  persönlichen  Verhältnisse  und  die 
ertheilte  formelle  Erlaubniss  muss  der  Eröffiiung  eines  selbst- 
standigen Grewerbe- Betriebes  vorangehen,  wobei  niemals  die  Be- 
dürfiiissfirage  in  Erwägung  gezogen  wird. 

Einige  Gewerbe  werden  in  grosser  Vollkommenheit  getrie^ 
ben;  dazu  gehören,  ausser  den  besprochenen  Fabricationen ,  die 
Baukunst  Die  Kühnheit  und  Sicherheit  in  den  Wölbungen, 
Treppen- Constructionen  und  in  den  durdi  die  Strassen  beding- 
ten spitzen  und  stumpfen  Winkeln  der  Häuser  ist  schon  oben 
besprochen.  Die  in  der  Mitte  des  Hausraumes  oder  in  den  mit 
Glaskuppeln  gedeckten  Patios  befindlichen  Treppenhäuser  zei- 
gen in  vielen  Tausend  Beispielen  in  Spanien  die  Zweckmässig- 


492 

keit,  Wohnlichkeit  und  Raiunersparniss  solcher  Gebäude,  wie 
sie  in  Berlin  durch  den  Architecten  Tietz  zuerst  eingeführt  sind. 
Die  Tischlerei  und  Drechslerei  arbeitet  zwar  sauber,  aber  theuer, 
und  behilft  sich  noch  mit  den  einfacheren  Handwerks -Geräthen. 
Bei  der  Pracht  und  Mannigfaltigkeit  der  Spanischen  Uniformen 
ist  die  Goldstickerei  sehr  vorgeschritten,  und  man  sieht  bei  öffent- 
lichen Aufzügen,  Kirchen-  und  Nationalfesten,  wie  insbesondere 
in  der  Residenz,  einen  solchen  Reichthum  und  Glanz  von  mehr 
oder  weniger  geschmackvollen  glänzenden  und  überladenen 
Gold-  und  Silberstickereien  an  Kleidungen  der  Heiligen,  Balda- 
chinen, Fahnen,  Priester- Gewändern  und  Militair-  und  Civil- 
Uniformen,  wie  vielleicht  in  wenigen  anderen  Ländern. 

Eine  ei^enthümliche  Erscheinung  in  Spanien  ist  die  freiwil- 
hge  Theilung  gewisser  Fabrikate  unter  verschiedenen  Fabrikan- 
ten. Der  Möbel-Tischler,  welcher  Sopha's  imd  Stühle  anfertigt^ 
macht  weder  Bettstellen,  noch  Komoden;  diese  werden  von 
Handwerkern  gearbeitet,  welche  sich  mit  der  Fertigung  von 
Tischen  nicht  befassen.  Einzelne  Schuhmacher  arbeiten  nur  för 
Männer,  andere  nur  für  Frauen;  einige  nur  in  gewöhnlichem, 
andere  in  dem  sehr  beliebten  lackirten  Leder;  andere  nur  in 
Seide  oder  Baumwolle.  In  Eisenhandlungen  dürfen  Nägel  und 
Drathstifte  nur  bis  zu  einer  gewissen  Länge  verkauft  werden; 
grössere  Nägel  sind  dem  Verkauf  der  Nagelschmiede  vor- 
behalten. 

Für  neue  Erfindungen  werden  bei  ihrer  Anmeldung  Patente 
ertlieilt,  um  denselben  den  erbetenen  Schutz  gegen  Nachahmung 
zu  sichern.  Binnen  drei  Monaten  muss  die  angemeldete  Erfin- 
dung durch  Vorlegung  und  Prüfung  Seitens  einer  niedergesetz- 
ten Gommission  beglaubigt  werden,  widrigenfalls  das  Patent  er- 
lischt. Nach  §.12  des  KönigUchen  Decrets  vom  20  November 
1849  wird  sodann  eine  öffentUche  Aufforderung  durch  die  Ga- 
zeta de  Madrid  erlassen,  um  etwaige  Reclamationen  gegen  die 
Patenürung  binnen  dreissig  Tagen  vor  dem  Conservatorio  de 
Artes  anzubringen,  oder  es  wird  amtlich  bekannt  gemacht^  welche 


493 

Patente  als  nicht  zur  Ausfuhrung  gekommen  oder  durch  Ablauf 
der  zu  ihrem  Schutz  bewilligten  Frist  erloschen  sind. 

Wiewohl  durch  kein  Patent  bevorzugt,  aber  dennoch  seit 
Jahrhunderten  ohne  alle  Concurrenz,  einzig  dastehend,  ist  die 
Waffenschmiede  in  Toledo,  welche  für  den  Klingenbedarf  der 
Spanischen  Armee  und  Flotte  sorgt.  Es  können  500  Arbeiter 
beschäftigt  werden;  es  sind  jedoch  zur  Zeit  nur  120  in  Thätig- 
keit.  Der  Stahl  wird  aus  Asturien  bezogen,  doch  haben  schon 
früher  und  noch  neuerdings  Preussische  Handlungshäuser  Lie- 
ferungen übernommen.  Die  Eisenwerke  von  Sommorastro  und 
Mondragon  an  der  Deva,  unfern  von  Guipuzcoa,  lieferten  früher 
den  berühmtesten  Stahl.  Schon  Plinius  N.  H.  XXXIV.  14  ge- 
denkt des  vorzüglichen  Metalles  aus  dem  Berge  Campanzar,  wel- 
chem später  die  Gruben  von  Udala  und  la  Mina  de  hierro  helado 
den  Rang  streitig  machten.  Die  seltene  Elasticität  der  Klingen 
soll  dadurch  entstehen,  dass  der  Stahl  erhitzt,  an  der  Luft  ge- 
kühlt-, mit  dem  weissen  feinen  Tajo-Fluss-Sand  abgerieben,  dann 
nochmals  bis  zur  Kirschgluth  (cerezado)  erhitzt,  durch  Fett  ge- 
zogen und  dann  im  Tajo- Wasser  gelöscht  wird,  indem  man 
gerade  der  Eigenschafl  des  Wassers  dieses  Stromes  bei  Toledo 
einen  besonderen  Einfluss  zuschreibt.  Von  der  Trefflichkeit  die- 
ser Klingen  war  man  schon  im  Alterthum  durchdrungen.  Gra- 
tius  Faliscus,  Zeitgenosse  Ovids,  sagt  im  341sten  Verse  de  ve- 

natione : 

Ima  toletano  praecingant  ilia  cultro. 

Die  Könige  von  Castilien  gewahrten  den  Waffenschmieden 
von  Toledo  besondere  Freiheiten.  98  dieser  Waffenfabrikanten 
sind  als  die  berühmtesten  seit  dem  1 3ten  Jahrhunderte  bekannt, 
und  ihre  Zeichen,  Symbole  und  Wappen  notirt,  um  die  besseren 
von  den  weniger  berühmten  Klingen  unterscheiden  zu  können. 
Ich  bin  nach  den  angestellten  Proben  der  Meinung,  dass  die  To- 
ledaner  Klingen  von  unseren  Solinger  Klingen  bei  weitem  über- 
troffen werden. 

Bei  der  vollen  und  gerechten  Anerkennung,  welche  der  sich 
immer  kräftiger  entwickelnden  Spanischen  Industrie  gebührt,  ist 


494 

es  dennoch  eine  Thatsache,  dass  dieselbe  noch  vielfacheir  An- 
strengungen und  Unterstützungen  bedarf,  wenn  sie  selbststSndig^ 
bestehen,  wenn  sie  den  Bedarf  des  eigenen  Vaterlandes  decken, 
wenn  sie  die  Concurrenz  mit  dem  Auslande,  im  Falle  det  doch 
über  kurz  oder  lang  eintretenden,  im  eigenen  Interesse  sogar 
nothwendigen  Steuer-Ermässigung  au&ehmen  und  siegreich  be- 
stehen will.  Es  ist  eine  Thatsache,  dass  Spanien  in  vielen  Ar- 
tikeln noch  för  jetzt  und  auf  eine  Reihe  von  Jahren  lediglich  auf 
die  Industrie  des  Auslandes  angewiesen  ist;  eine  Thatsache, 
dass  Deutschland,  namentlich  die  Zollvereins -Staaten  und  mein 
Preussisches  Vaterland,  noch  geraume  Zeit  hindurch  mit  Erfolg 
die  Erzeugnisse  ihrer  Industrie  in  Spanien  absetzen  werden,  eine 
Thatsache  endlich,  dass  diese  gegenseitigen  Beziehungen,  bei 
der  Achtung,  welche  die  Deutschen  sich  in  Spanien  gesichert 
haben,  und  bei  der  hoffentlich  zweifellosen  Solidität  der  wechsel- 
seitigen Geschäfte,  eine  erfreuliche  Zukunft  verheissen.  Preus- 
sens  Rheinlande  und  Westphalen  und  die  Residenz  von  Berlin 
unterhalten  eben  so  interessante  unmittelbare  Geschäfts-Verbin- 
dungen, als  die  Ostsee-Häfen  Preussens  Gelegenheit  zu  lebhaft 
terem  Schiffsverkehr  bieten;  Sachsens  Industrie,  Bayern,  vor- 
zugsweise Fürth  und  Nürnberg,  Württemberg  und  Meiningen 
mit  seiner  in  allen  grösseren  Städten  Spaniens  gesuchten  Spiel- 
Waaren-Fabrication  sehen  ihre  Verbindungen  mit  Spanien  ge- 
sichert, tmd  es  gehört  zu  der  dankbarsten  Genugthuung  der  Be- 
rufsüiätigkeit,  der  Sache  und  den  dabei  betheiligten  Personen  in 
der  Förderung  ihrer  Interessen  behülflich  sein  zu  können,  wo- 
gegen es  schwer  und  unmöglich  ist,  alle  Wünsche  zu  befriedigen 
und  vom  Augenbhck  zu  erwarten,  was  nur  Zeit  und  glückliche 
Benutzung  der  Umstände  gewähren  kann. 

Ich  unterlasse  es  absichtlich,  hier  derjenigen  Gegenstände 
und  deqenigen  Fabrikanten  Erwähnimg  zu  thun,  welche  aus  dem 
Zollverbande  und  insbesondere  aus  Preussen  in  Spanien  vertre- 
ten sind,  weil  die  meisten  der  Fabrikbesitzer  darin  eine  ihnen 
nachtheilige  Indiscretion  erblicken.  Die  neben  der  jüngsten  Tarif- 
Ermässigxmg  vom  19  December  1851  eingetretene  Erhöhung  auf 


49ä 

Messing  ist  fiir  die  Prenssische  Provinz  Westphalen  und  Rhein- 
land, wie  für  Nürnberg  nnd  Fürth  eine  schmerzliehe  Begeben- 
heit^ doch  wird  sich  hoffentlich  die  Sache  praktisch  nicht  wesent- 
lich nachtheilig  gestalten. 

Der  Handel  Spaniens  hat  allerdings  von  seiner  firOheren 
Bedeutung  verloren.  Die  Emancipation  America's ,  die  äusseren 
und  inneren  Kriege  mussten  natürlich  die  Kräfte  der  Monarchie 
lähmen,  ihre  Mittel  erschöpfen,  die  Betriebs -Capitalien  zurück- 
ziehen lassen,  den  Speculationsgeist  unterdrücken.  Noch  zu  An- 
fang dieses  J.ahrhunderts  betrug  der  Werth  des  jährlichen  Im- 
portes 220  Millionen,  der  Werth  des  Exportes  210  Millionen 
Realen,  und  trotz  aller  Calamitäten,  die  dazwischen  Hegen, 
haben  wir  gesehen,  wie  im  Jahre  1850  der  Import  sich  auf 
671,993,640  r.  und  der  Export  sich  auf  488,666,682  r.  belief, 
welche  letztere  Summe  für  Wein,  Früchte,  Wolle,  Quecksilber, 
Oel  imd  Fabrikate  gelöst  worden  ist. 

Handels- Tribunale  und  Junten  sind  in  AÜcante,  Barcelona, 
Burgos,  Cadiz,  Coruna,  Xeres  de  la  Frontera,  Madrid,  Malaga, 
Murcia,  Pamplona,  San  Lucar  de  Barrameda,  San  Sebastian, 
Santander,  Sevilla,  Tarragona,  Valencia,  Vigo,  Zaragoza,  Santa 
Cruz  de  Tenerifa  und  Palma  eingesetzt.  Diese  Tribunale  prüfen 
und  entscheiden  in  Handels -Streitigkeiten  in  der  Machtvollkom- 
menheit als  Gerichts -Behörden  rechtskräftig,  mit  Ausschluss 
weiterer  Berufung.  Der  Handels -Codex  verläugnet  sein  Vorbild, 
den  Code  de  Commerce  von  Frankreich  nicht. 

Mit  den  Handels -Kammern  sind  in  den  aufgeföhrten  Städ- 
ten Handels- Schulen  vereinigt,  in  denen  durch  vorsichtige  Aus- 
wahl tüchtiger  Lehrer  und  zweckmässiger  Stadienpläne  sehr  Er- 
freuliches geleistet  wird. 

So  weit  es  in  den  Mitteln  der  Regierung  liegt,  sucht  die- 
selbe im  Landes-Interesse  den  Handel  zu  beleben.  In  den  frü- 
heren Depositos  durften  nur  solche  Waaren  gelagert  werden, 
deren  Einfuhr  der  Spanische  Tarif  gestattete.  Zur  Lagerung 
derjenigen  Waaren,  deren  Einfuhr  nicht  erlaubt  war,  wurde  Gi- 
braltar benutzt,  und  von  dort  aus  ein  bedeutender  Schmuggel* 


496 

handel  unterhalten.  Durch  Verordnung  vom  5  October  1849 
und  Reglement  vom  22  Mai  1850  wurden  Entrepots  in  Coruiia, 
Cadiz  und  Malion  errichtet,  unter  Leitung  und  Verantwortlich- 
keit von  Comites  der  General -Niederlagen  gestellt,  und  dadurch 
dem  Handelsstande  grosse  Erleichtenmg  gewährt. 

Es  wurde  Seitens  der  Regierung  Alles  mögliche  aufgeboten, 
um  dem  Schmuggelhandel  an  den  Küsten  imd  an  den  Landes- 
grenzen zu  steuern;  es  wurden  die  Zollbeamten  besser  dotirt, 
um  Bestechungen  und  Unterschlagungen  vorzubeugen,  und  es 
wurde  durch  Bestrafung  selbst  höher  stehender  Beamten  das 
Beispiel  strenger  und  unparteiischer  gesetzlicher  Ahndung  ge- 
geben. 

Von  den  in  Spanien  errichteten  Banken  ist  bereits  gespro- 
chen ;  nicht  minder  von  den  Gesellschaften  zur  Beförderung  und 
zur  Sicherheit  des  Handels,  der  Assecuranzen  etc. 

Es  giebt  für  die  Spanische  Monarchie  gegenwärtig  vier  Ta- 
rife ;  den  ersten  für  die  Halbinsel  und  die  Balearen,  den  zweiten 
für  die  Canarien,  den  dritten  für  Cuba  und  Puerto-Rico,  den 
vierten  für  die  Phihppinen. 

Preussen  ist  durch  einen  General -Consul  und  14  Consuln 
in  Spanien  vertreten,  Oesterreich  durch  einen  General -Consul 
und  16  Consuln,  Sachsen  durch  einen  Consul,  Oldenburg  durch 
einen  General -Consul  imd  zwei  Consuln,  Mecklenburg  durch 
zwei  Consuln,  Hamburg  durch  4,  Lübeck  durch  1,  Bremen  durch 
6  und  Frankfurt  am  Main  durch  1  Consul. 

Der  Handel  mid  die  Schiffahrt  zwischen  Spanien  und  den 
Colonien  einerseits  und  den  Ostseehäfen  andererseits  betrug: 

Einfuhr.  Ausfuhr.  Total -Umsatz. 

1845  .  .  .     7,768,577  r.       29,264,239  r.       37,032,816  r. 

1846  .  .  .  9,175,512  »  56,527,843  .  65,703,355  » 

1847  .  . .  12,007,875  .  66,652,255  .  78,660,130  « 

1848  .  .  .  9,763,875  •  79,469,178  »  89,232,212  » 

1849  .  . .  9,571,685  »  113,006,341  »  122,578,026  • 

Es  muss  hierbei  bemerkt  werden,  dass  in  den  Jahren  1848 
und  1849  die  nach  Hamburg  und  Bremen  bestimmten  Schiffe 


497 

wegen  der  Blokade  der  Elbe  und  Weser  nach  England  und  Ant- 
werpen gehen  mussten  und  dort  zu  löschen  genöthigt  waren. 

Die  Einfuhr  im  Jahre  1849,  welche  29  verschiedene  Ar- 
tikel umfasste,  geschah  auf  150  Schiffen,  und  zwar  waren  dies: 
1    Spanisches,    1    Lübecker,    1   Oldenburger,    18  Dänische, 
2  Mecklenburger,  2  Preussische,  3  Englische,  17  Nor- 
wegische, 65  Russische,  40  Schwedische. 
Von  diesen  Schiflfen  waren  ausgelaufen  aus  dem  Hafen  von 
Danzig  3  und  hatten  gebracht: 

400  Fichtenbretter,  5070  Fichtenbohlen,  321  Fichtenstämme, 
300  Eichenbohlen,  768  Eichenstämme, 
im  Werthe  von  12,000  r.  imd  resp.  120,960  r. 

Steinkohlen  wurden  1850  in  Spanien  eingeführt  2,794,879 
Quintal;  Holzkohlen  159,270  Quintal.  Im  Jahre  1851  dagegen 
3,444,389  Qumtal  Stein-  und  188,221  Quintal  Holzkohlen.  Unter 
den  Schiffen,  welche  diese  Kohlen  gebracht,  befanden  sich  1850 
35  und  1851  41  Preussische;  durch  Schönheit  und  Solidität  der 
Bauart  fielen  darunter  die  Schiffe  des  Herrn  Linck  aus  Danzig 
auf.  Die  Zahl  der  Preussischen  Schiffe,  welche  im  Jahre  1851 
Spanische  Häfen  berührten,  belief  sich  auf  129.  In  Ferrol  sind 
in  den  drei  letzten  Jahren  100  Preussische  Schiffe  mit  Holz  für 
die  Spanische  Marine  eingelaufen,  und  über  70,000  codos,  je 
8  Fuss  lang,  breit  und  hoch,  enthaltend. 

Die  Ausfuhr  1849  begriff  33  Artikel  und  geschah  auf  287 
Schiffen  fremder  Nationen,  und  zwar : 

Amerikaner  30,  Französische  3,  Hannoveraner  2,  Engländer 
51,  Dänische  23,  Preussen  16,  Russen  67,  Lübecker  1, 
Hamburger  1,  Holländer  5,  Mecklenburger  6,  Norweger 
13,  Oldenburger  3,  Schweden  58. 
Diese  Schiffe  enthielten  73,124  Schiffslasten. 
Es  wurden  von  diesen  Schiffen  gefuhrt : 
In  den  Hafen  von  Colberg:  Oel,  200  ganze,  75  halbe  Viertel 
Pipen;  Orangen  und  Citronen  im  Werthe  von  15,120  T.; 
Blei  149,680  Pfund. 
Nach  Königsberg:  Salz  34,944  Fanegen. 

V.  Minatoli,  Spanien.  32 


498 

Nach  Memel:  Zucker  518,544  Pfund,  Salz  50,004  Fanegen. 
Nach  Stettin:  Mandeln  1300  Pfund,  Oel  117^  Pipen,  Orangen 
510  Kasten,  Rosinen  7213  Pfund,  Blei  108,260  Pfund, 
Wein  43^  Pipen,  Varia  für  11,592  r. 

Im  Jahre  1849  hatte  besonders  die  Zucker-Exportation  sehr 
zugenommen.  Dieselbe  hatte  1845  aus  den  Spanischen  HSfen 
nach  den  Ostseehäfen  in  15,865,184  Pfimd  bestanden,  und  stieg 
1849  auf  55,262,159  Pfund. 

Unter  den  südlichen  Häfen  Spaniens  ist  Malaga  wegen  sei- 
ner Ausfuhr  an  Trauben,  Mandeln,  Citronen,  Feigen  und  Weinen 
sehr  bedeutend.  Der  Werth  der  Ausfuhr  an  diesen  Artikeln  im 
Laufe  des  Jahres  1851  betrug  51,888,735  r.  In  demselben  Jahre 
wurden  in  Malaga  eingeführt  Leder,  Caffee,  Cacao,  Kühe  und 
Butter  im  Werthe  von  27,279,828  r. 

Die  überseeischen  Colonien  stehen  unter  den  Indischen  Ge- 
setzen; sie  bUden  eine  Militair- Regierung,  welcher  die  Selbst- 
ständigkeit einer  Statthalterschaft  eingeräumt  ist 

Cuba,  die  mächtigste  und  reichste,  ist  in  zwei  Provinzen 
getheilt:  Santiago  de  Cuba  und  Habana.  Es  bestehen  dort  drei 
Militair-Departements.  Zwei  Königliche  AppellhOfe  sind  in  Ha- 
bana und  Puerto  del  Principe.  Präsident  der  Regierung  ist  der 
General -Capitain.  Die  Stellvertreter  desselben  verwalten  in  den 
Districten  die  magistratualischen  Geschäfte.  Wo  keine  Militair- 
Commandanten,  sind  Tribunale  der  Alcalden  eingesetzt  Der 
Gouverneur  ernennt  auf  dem  Lande  die  jueces  pedaneos.  Han- 
dels-Tribunale  befinden  sich  in  Habana,  Matanzas  und  Santiago. 
Die  Finanz -Verwaltung  zerfallt  in  drei  Intendanzen,  die  Admini- 
stracion  maritima  in  fünf  Provinzen,  welche  in  Habana,  Trini- 
dad, Santiago  de  Cuba,  San  Juan  de  los  remedios  und  Nuevilas 
residiren«  Der  Erzbischof  lebt  in  Santiago,  sein  Suffiragan  in 
Habana. 

Die  Bevölkerung  wächst  bedeutend.  Unter  1,006,000  See- 
\m  befinden  sich  474,985  Farbige,  von  diesen  sind  149^26  Freie 
und  323,759  Sclaven;  40,000  Seelen  betragen  die  nicht  Einhei- 
mischen, 4700  durchschnittlich  die  jährlich  Einwandernden.  Von 


499 

dem  Fiachen-Inhalt  von  3497  {J  leguas  sind  nur  65,947  Cabal- 
lerias  (la  Caballeria  60  Fanegen  von  60  ares),  etwa  der  eilfte 
Theil,  in  Acker-Culüir,  117,016  Gab.  natürliche  oder  künstliche 
Wiesen,  409,826  Wald,  und  der  übrig  bleibende  fünfte  Theil 
der  Bodenfläche  ganz  ausser  Cultur.  Auf  Cuba  giebt  es  25,292 
Bauerhöfe,  9102  Tabacks -Pflanzungen,  1670  Caffee- Plantagen, 
1442  Zucker- Pflanzungen  und  eben  so  viele  Zucker-Mühlen. 
51  Minen  gewähren  ungeheure  Ausbeute.  Der  Kupfer- Gewinn 
allein  beträgt  dutchschnitüich  jährlieh  946,236  Centner. 
Cuba  producirt  jetzt  jährlieh  zur  Verschiffung: 
18,832,421  Arrobas  Zucker  für  17,885,356  Piaster. 

1,470,750       »        Caffee  »     2,206,131 

168,404  Last       Tabaeks-Blätter    »      5^042,820 
896,008  Pfund  »  verarbeitet 

Ausserdem  viel  Mais,  Zucker-Symp,  Kohlen,  Bauholz. 

Der  jährliche  Ertrag  der  Landwirthschaft,  inclusive  des 
Schlacht-  und  Zugviehes,  wird  zu  59,821,402  Piast  oder  88  Mil- 
lionen Thaler  Preussisch  berechnet  Die  Caffee-Pflanzungen  und 
der  Caffee-Export  nehmen  ab,  während  der  des  Zuckers  seit 
sieben  Jahren  um  50  procent  gestiegen  ist.  Aus  den  Häfen  Ha- 
bana, Matanzas  und  Cardenas  wurden  verschiJBft: 

1816—1820  .  . .  18,058,206  Arrobas. 
1821— 1825...  24,526,581 
1826—1830  . . .  32,540,689 
1831—1835  . . .  39,467,878 
1836—1840  . . .  50,742,777 
1841— 1845...  64,338,492 
1846—1850  . . .  93,452,300        » 
Mithin  im  letzten  Quinquennio  durchschnittlich  jährlich  1 8,832,42 1, 
in  den  ersten  sieben  Monaten  1851  allein  15,775,104  Arrobas. 

Das  Jahr  1848  war  auch  auf  Cuba  nicht  ohne  Einfluss  geblie- 
ben; der  Export  betrug  151,194,000  r.,  der  Import  174,910,000  r. 
Namentlich  Getrrfde  für  8  Millionen  Thaler,  Getränke  für  3  MU- 
Itonen,  Baumwolle  für  fast  eben  so  viel,  Seide  fiir  3,200,000  Tha- 
ler. Frankreich  hatte  Wein,  Parfumerien,  Juwelen,  Seide;  England 

32' 


500 

und  Deutschland  Baumwollen-  und  Leinenwaaren  gesandt.  Von 
der  Summe  von  80,000,000  Thaler  des  Exports  und  Imports 
kamen  auf  Spanien  etwa  1 4  Millionen. 

Im  Jahre  1849  betrug  der  Import  nur  35,532,500, 

der  Export    »    27,539,520. 

Guba  hat  an  Zucker  im  Jahre  1850  1,036,936  Eisten, 

1851   1,221,780       . 
und  an  Zucker-Syrup  (Melasa)  1850  ausgeführt  188,329  bariles, 

ä  16  Quart,  1851  aber 221,964  bariles. 

Branntwein.    1850  .  .  .  12,560  Pipen. 

1851  . . .  13,900      . 

Honig  jährlich  240,155  bocoyen. 

Wachs  jährlich  48,141  Arrobas. 

Von  1843  ab  ist  die  Tonnenlast  der  Spanischen  Schiffe  auf 
53  procent  gestiegen.  Mit  und  seit  dem  Jahre  1848  haben  die 
fremden  249  Schiffe  mit  25,521  Tonnenlast  verloren,  und  Spa- 
nien für  seine  Flagge  gewonnen  88  Schiffe  nüt  64,040  Tonnen- 
last Im  Jahre  1850  waren  6014  Schiffe  in  den  dortigen  Häfen. 

Hinsichts  der  Industrie  hat  sich  Cuba  vom  ausländischen 
Einflüsse  nicht  unabhängig  machen  können.  Jedoch  sind  im  letz- 
ten Jahre  nicht  allein  Patente  auf  Verbesserung  der  Taback-  und 
Zuckerbereitung,  auf  Nagelschmieden ,  Papiermühlen  und  Stea- 
rinkerzen erbeten,  sondern  auch  194  Handwerks-  und  92  Mei- 
sterscheine gelöst. 

Seit  1834  sind  in  Cuba  300  leguas  Eisenbahnen  constniirt» 
80  sind  noch  in  Arbeit.  Die  vorzüglichsten  sind:  die  von  Ha- 
bana nach  Union  88,  von  Matanzas  nach  Isabel  44,  von  Nue\älas 
nach  Puerto  principe  30,  nach  Cardenas  20  leguas. 

Puerto-Rico  wies  1850  einen  Import  von  15,699,000  Piaster 
nach,  und  war  von  2299  Schiffen  besucht. 

Die  Philippinen  zählen  bei  einer  Bevölkerung  von  über 
3,000,000  Einwohnern,  grossentheils  Malaien  und  Chinesen  (Pa- 
puas genannt),  nur  5000  Seelen  Europäischer  Abkunft.  Der  Flä- 
chen-Inhalt der  Inseln  beläuft  sich  auf  4300  □  leguas;  sie  sind 
in  30  Provinzen  und  8  Verwaltungs- Departements  getheilt   Die 


501 

ersteren  heissen:  Garaga,  Samar,  Hailo,  Antigue,  Gapis,  Albay, 
Camarines-Sur,  Tayabas,  Gapiz,  Zamboanga,  Misamis,  Min- 
daro,  Nueva-Ecija,  Negros,  Gamarmes-Norte,  Gayajan,  Tondo- 
Zambaves,  Bulacan,  Pamplona,  Bataan,  Paugasinam ,  Ilocos- 
Sur,  Üocos-Norte^  Batanes,  Laguna,  Batangas,  Gebu,  Leite  und 
Gamamanes. 

Auch  hier  ist  der  General- Gapitain  zugleich  Givil-Gouver- 
neur,  Präsident  des  Gerichts -Tribunals,  Ghef  der  Finanz-  und 
Postverwaltung.  Die  einzelnen  Verwaltungen  sind  mit  Militairs 
besetzt,  welchen  gleiche  Rechte  gebühren.  Die  Gemeinde-  und 
Districts -Verwaltung  geschieht  durch  freie  Wahl  der  Gemeinde- 
glieder. Man  lässt  Eingeborene  zu  diesen  Aemtern  zu,  wenn  sie 
die  überwiegende  Mehrzahl  der  Bevölkerung  bilden,  und  besetzt 
mit  ihnen  sogar  einige  Justizstellen.  Solche  Verwaltung  bezeich- 
net man  mit  dem  Ausdruck  «  gobemadodUo  ».  In  jeder  Gememde 
ist  ausserdem  ein  Magistratual,  Gabeza  de  Barangay  genannt 
Jedes  Barangay  besteht  aus  40  —  50  Familien.  Der  Gabeza,  wel- 
cher gewählt  wird  und  sein  Amt  vererbt,  ist  Friedensrichter ;  er 
veranlagt  und  erhebt  die  Steuern  und  verwaltet  die  Polizei.  Der 
Gouverneur  hat  durch  Verordnung  vom  5  October  1847  die 
Wahl  der  gobemadodllos  regulirt,  eben  so  wie  die  der  Justiz- 
und  sonstigen  Wahlbeamten.  Dreizehn  Wähler  werden  tmter 
den  Notabein  des  Wahlbezirks  ausgesucht,  und  diese  wählen 
unter  sich  den  Gandidaten.  Zu  Anfang  des  Jahres  1852  ward 
die  Universität  zu  Manila  und  die  dortige  Handels- Junta  plötz- 
lich aufgehoben.  Für  die  Philippinen  besteht  ein  eigener  Mihtair- 
Etat;  die  Eingeborenen  bilden  den  Hauptbestandtheil  der  Regi- 
menter. 3  Dampfschiffe,  in  England  angekauft,  11  Kanonier- 
Schaluppen,  23  Felucken  mit  1071  Mann  besetzt,  bilden  die 
Kriegsmarine  dieser  Besitzung. 

Durch  die  förmliche  Besitznahme  der  Insel  Besitan  hat  Spa- 
nien die  beabsichtigte  Nachbarschaft  Frankreichs  aus  jenem  Ar- 
chipelagus  entfernt  gehalten;  durch  die  Besiegung  der  Seeräu- 
ber von  Golo  und  die  freiwillige  Unterwerfimg  des  Sultans  von 
Balanguingi  die  Englischen  Klagen  über  die  Unsicherheit  jener 


502 

Gewässer   und    die    darauf  vielleicht  gegründeten  Pläne   be- 
seitigt 

Die  Expedition  des  Generals  Claveria  nach  Balanguingi  1848 
endete  schon  damals  mit  der  Erstürmung  der  Festung,  Nieder- 
metzelung  der  Besatzung,  welche  vorher  ihre  eigenen  Weiber 
imd  Eander  getödtet  hatte. 

Der  Handel  in  den  Philippinen  hebt  sich,  die  EaufFahrtei- 
Marine  vermehrt  sich,  und  die  Ausfuhr  nach  Califomien  ist 
von  grosser  Bedeutung.  Der  Import  von  Manila  betrug  1848 
4,200,000  ßthlr,  Preussisch.  China,  Singapur,  Enghmd,  Frank* 
reich  und  die  Niederlande  sind  bei  dem  dortigen  Handel  haupt«- 
sächlich  vertreten;  Baumwollen-,  Seidenwaaren,  Quincalle,  Weiii, 
musicalische  Instrumente  finden  guten  Absatz.  Der  Export  be- 
trug in  demselben  Jahre  4,000,000  Rthlr.;  er  bestand  aus  Zucker, 
Caffee  und  Taback,  und  ging  nach  America,  China,  Batavia  und 
England. 

Manila  sah  1848  297  Schiffe  mit  97,670  Tonnenlast  in  sei- 
nem Hafen;  von  ihnen  liefen  143  Schiffe  mit  47,000  Tonnenlast 
ein,  und  154  mit  50,000  Tonnenlast  aus.  Darunter  68  Englische 
und  70  Americanische  KaufEahrer. 

Die  zu  den  Adjacentes  gehörenden  Inselgruppen  der  Ba- 
learen  und  Canarien  sind  im  Jahre  1851  durch  Erdbeben  und 
Cholera  heimgesucht  worden.  In  Palma  auf  Mallorca  sind  die 
Thüren  der  Cathedrale  von  St  Peter,  das  alte  Königliche  Schloss 
und  verschiedene  Theile  der  Befestigungen  eingestürzt  oder 
stark  beschädigt,  und  auf  Tenerifa  hat  die  Seuche  eilten  grossen 
Theil  der  Bevölkerung  fortgerafft  Nicht  allein  viele  Familien, 
ja  ganze  ländhche  Ortschaften  sind  völlig  ausgestorben;  es  fehlte 
an  Händen,  um  die  Leichen  zu  bestatten,  und  grosse  Trauer  und 
Niedergeschlagenheit  hatte  sich  über  das  ganze  Eiland  verbrei- 
tet Die  Cochenille  bildet  den  Hauptexport  und  findet  ihren  be- 
deutendsten Absatz  nach  Frankreich. 

Die  Canarischen  Inseln  haben  durch  KöijugUches  Decret 
vom  17  März  1852  eine  veränderte  Verwaltungsart  erfahren. 
Sie  sind  in  zwei  Administrations-Bezirke  getheilt    D^n  ersten 


503 

bilden  die  Inseln  Tenerifa,  la  Gomera,  Palma  und  Hierro;  den 
zweiten  die  Inseln  Gran  Canaiia,  Fuerteventura  und  Lanzarota. 
Jeder  Bezirk  steht  unter  einem  Subgobemador  mit  den  Attribu- 
ten eines  Provinzial-Civilgouvemeurs  und  dem  erforderlichen 
Geschäfts-Personal.  Im  Falle  eines  Gonflictes  ist  der  General- 
Capitain  ermächtigt»  beide  Theile  mit  den  betreiSenden  Junten 
in  seiner  Residenz  zu  vereinigen  und  nach  gehörter  Sache  zu 
entscheiden.  Jedes  Gouvernement  hat  seine  besondere  Admini- 
stracion  de  todas  rentas,  die  Verwaltung  der  directen  und  in- 
directen  Abgaben  betreffend ,  eine  Finanz -Gasse,  contaduria  de 
hacienda»  ein  Depositorium  und  eine  Sanitäts-Behörde. 


Das  Kriegs -Ministerium. 

Secretaria  de  estado  y  del  despacho  universal  de  la  guerra, 

lu  amifl  omniA  siU. 
SaUusi  b«IL  Jag.  61. 

Ex  onuuboji  praemiis  ▼iztutii»  »i  ett  habend»  ttXio 
praemioruia,  amplisaimum  est  praenuun  gloria. 
Cioeto  pio  MUofie.  35.  97. 

Die  Spanische  Armee  befindet  sich ,  was  den  Geist  und  die 
Disciplin,  die  Haltung,  Ausbildung  und  Tüchtigkeit  der  Truppen 
und  des  Materials  anbetrifit,  in  einem  vorzüglichen  Zustande. 
Die  poÜtische  Lage  der  Dinge  in  ganz  Europa,  die  Stellungen 
der  Regierungen  allzumal,  lassen  begreifen,  von  wie  grosser  Be- 
deutung es  ist,  einen  Stützpunkt  in  der  treuen  und  zuverlässigen 
Armee  zu  finden;  einen  Stützpunkt,  um  die  Ruhe  und  Ordnung 
aufrecht  zu  erhalten,  dem  Gesetze  Gehorsam  zu  sichern,  und  in 
den  Segnungen  des  Friedens  die  geistige  und  materielle  Ent- 
wickelung  der  Völker  anzubahnen. 

Hae  tibi  erunt  artes^  pacisque  imponere  morem, 
Parcere  subjectis  et  debellare  superbos. 


504 

Es  gereicht  mir  zur  besonderen  Genugthuung,  das  aus* 
gesprochene  gunstige  Urtheil  an  die  Spitze  dieses  Abschnittes 
stellen  zu  können,  dessen  Behandlung  ich  bei  dem  beschränkten 
mir  gestatteten  Raum  nicht  diejenige  AusfiihrUchkeit  widmen 
kann,  welche  ich  ihm  sonst  wohl  gewünscht  hatte.  Dies  Urtheil 
glaube  ich  aussprechen  zu  dürfen ,  nicht  allein  weil  ich  dadurch 
gewissermaassen  einen  Vergleich  der  Spanischen  mit  der  Preus- 
sischen  Armee  unternehme,  mit  derjenigen  Armee,  die  ich  ohne 
Bedenken  für  die  durch  Treue,  Ehrenhaftigkeit,  Disdplin  und 
Tüchtigkeit  ausgezeichneteste  in  Europa  halte,  und  der  ich  seit 
24  Jahren  als  OfiScier  anzugehören  die  Ehre  habe,  in  welcher 
Zeit  ich  bei  der  Infanterie  und  bei  der  Cavallerie,  in  der  Linie 
wie  in  der  Landwehr  mehr  Uebimgen  beigewohnt^  als  irgend  ein 
Königlicher  Beamte  memer  Categorie,  sondern  auch,  weil  mir 
hier  in  Spanien  die  erwünschte  Gelegenheit  geboten  ist,  die  ver- 
schiedenen Waffengattungen  der  hiesigen  Truppen  naher  ken- 
nen zu  lernen.  Wenn  ein  anderes  Urtheil  als  das  meinige  eine 
bessere  Begründung  finden  sollte,  so  muss  ich  dies  abwarten; 
allein  eine  Widerlegung  finde  ich  weder  in  den  vereinzelt  da- 
stehenden Auftritten  in  Madrid  vom  7  Januar  d.  J.,  deren  Ur- 
heber die  Untersuchung  herausgestellt  haben  wird ,  noch  in  den 
vormaligen  Militair-Revolutionen,  deren  Verantwortüchkeit  man, 
ohne  ungerecht  zu  sein ,  nicht  auf  den  in  der  Gesammtheit  der 
Armee  herrschenden  Geist  wälzen  darf.  Es  mag  vielleicht  gegen 
die  Discretion  Verstössen,  hier  diejenigen  Personen  zu  bezeich- 
nen, welchen  ich  öffentlich  meinen  Dank  wiederholen  möchte 
fiir  die  seltene  Zuvorkommenheit,  mit  der  sie  mich  in  die  Lage 
setzten,  auf  dem  Exercierplatz  wie  in  den  Kasernen  die  Evolu- 
tionen, den  Waffengebrauch ,  den  äusseren  und  inneren  Dienst 
und  das  Material  durch  den  Augenschein  kennen  zu  lernen;  allein 
ich  kann  nicht  umhin,  mit  grosser  Verehrung  und  Dankbarkeit 
den  Namen  des  General-Lieutenants  D.  Antonio  Remon  Zarco 
del  Valle,  General-Inspector  des  Genie- Corps,  der  Festungen 
und  Präsident  der  Academie  der  Wissenschaften  zu  wiederholen, 
durch  dessen  Empfehlungen  ich  nicht  allein  in  verschiedenen 


505 

Provinzen  die  höheren  Officiere  des  in  jeder  Beziehung  aus- 
gezeichneten Ingenieur- Corps,  sondern  auch  mehrere  der  Her- 
ren General- Capitaine  und  anderer  angesehenen  interessanten 
Persönlichkeiten  kennen  zu  lernen  das  Vergnügen  gehabt  habe. 

Es  erscheint  angemessen,  dies  Capitel  in  derjenigen  Reihen- 
folge zu  besprechen,  Wie  die  Verwaltungszweige,  welche  zum 
Ressort  des  Kriegs -Ministerii  gehören,  in  dem  letzteren  dienst- 
lich geordnet  sind. 

Zum  Ressort  des  Kriegs -Ministeriums  gehört  Alles,  was 
sich  auf  die  Formation,  den  Ersatz,  die  Ordnung  und  Verwaltung 
der  Armee  bezieht;  die  Disciplin,  die  Dislocationen,  die  Opera- 
tionen, der  Sold,  die  Anstellungen,  die  Beförderungen  und  Ent- 
lassungen; das  höchste  Militair-Tribunal,  die  Sorge  far  die  Ge- 
sundheit des  Heeres,  die  Stellvertretung  fiir  den  Dienst,  die  Mi- 
litairstrafen.  Die  Inspectionen  der  Armee  gehören  dazu,  so  wie 
die  General- Capitanate,  die  Auditoriate,  der  Generalstab,  das 
Gasemement,  Transport-,  Bagage wesen,  die  Remonten  der  Ca- 
vallerie,  die  Militair-Strafanstalten,  die  Militair- Administration, 
die  Pensionirungen,  Invaliden-  und  Militair- Hospitaler.  Alles 
dies  lässt  sich  auf  die  wesentlichen  Momente  zurückführen ,  auf 
die  Militair-Institutionen,  das  Personal  der  Armee  und  die  Ver- 
waltungs  -Angelegenheiten. 

Neben  dem  Minister  sind  zur  Bearbeitung  der  allgemeinen 
Gegenstande  ein  Unter- Staatssecretair,  15  Officiale  der  drei  er- 
sten Klassen,  einige  Supemumerarien  und  die  ftir  das  General- 
Archiv  erforderlichen  Ober-  und  Unter-Beamten  angestellt.  13 
Cessanten  und  23  Jubilados  der  Secretaire,  aus  OfBcialen  ver- 
schiedener Rangstufen  bestehend,  werden  etatsmässig  mit  fort- 
geführt 

Zun&chst  steht  unter  dem  Kriegs -Ministerio  das  höchste 
Kriegs-  imd  Marine -Tribunal  (Tribunal  supremo  de  Guerra  y 
Marina),  die  höchste  militairische  Instanz  und  zugleich  diejenige 
Behörde,  welche  über  die  Declaration  imd  Anwendung  der  un- 
ter dem  Namen  der  Ordonnanzen  bekannten  Königlichen  Ver- 
ordnungen bei  eingetretenen  Zweifeln  zu  entscheiden  hat 


506 

Unter  einem  Präsidenten  besteht  das  Tribunal  aus  verschie- 
denen Abtheilungen,  je  nach  dem  Gegenstande  des  gerichtlichen 
Verfahrens,  nach  der  Eigenschaft  der  bei  dem  Verfahren  bethei- 
ligten Persönlichkeiten  und  nach  den  verschiedenen  Instanzen 
gesondert,  welchem  das  Verfahren  selbst  gesetzUch  unterwor- 
fen ist.  • 

a)  Die  Sala  de  Senores  Generales,  besteht  aus  dreizehn  Mit- 
gliedern (Ministros),  von  denen  eins  die  Functionen  als 
Fiscal  und  eins  diejenigen  des  Secretairs  übernimmt 

b)  Die  Sala  de  Senores  Ministros  togados,  zählt  acht  Mitglie- 
der, inclusive  eines  fiscal  togado. 

Als  EhrenmitgUeder  werden  2,  ausserdem  9  Gesantes,  8  Ju- 
bilados und  10  Honorarios  des  aufgelösten  höchsten  Kriegsraths 
aufgefohrt. 

Das  Secretariat  des  Tribunals  besteht  aus  einem  Brigadier, 

9  Majors  und  10  Subalternen,  mit  den  Functionen  der  FLscale, 
Justitiare,  Referenten,  Protocollführer  und  Rechtsanwälte  betraut 

Im  General -Archive  sind  3  Beamte  etatsmässig  angestellt. 

Die  Geschichte  des  Ober- Tribunals  ist  sehr  alt;  man  fuhrt 
dasselbe  bis  auf  das  Jahr  737  zurück,  wo  der  König  Pelayo  die- 
sen Gerichtshof  unter  der  Bezeichnung  «  Consejo  del  Rey  •  ein- 
gesetzt haben  soll.  Unter  Phiüpp  II  durch  Verordnung  vom 
21  Mai  1594  ward  er  neu  organisirt;  am  11  September  und 
23  October  1714  mit  den  oficiales  togados  versehen;  am 
27  August  1715  mit  4  Generälen  der  Armee  und  2  der  Marine 
besetzt;  am  20  Januar  1717,   7  Mai  1724,  27  August   1743, 

10  Juü  1761,  unter  Carl  III,   1773,  und  unter  Phiüpp  m  am 

11  September  1798  reformirt,  und  endÜch  durch  die  Gesetze 
vom  15  Jimi  1814  imd  die  Decrete  aus  den  Jahren  1834  und 
1835  in  seiner  jetzigen  Form  aus  Generälen  der  Armee,  Marine 
und  5  togados  als  Secretairen  zusammengesetzt. 

Die  Spanische  Literatur  über  den  militairischen  Gerichts- 
stand, das  Militairrecht  und  Strafirecht,  so  wie  die  Mihtair-Ver- 
waltung  ist  sehr  reich,  aber  for  einen  Fremden  halt  es  ausser- 
ordentlich schwer,  sich  in  den  zerstreuten  Codices,  Gesetzsamm- 


507 

lungen,  Reglements  u.  s.  w.  zurecht  zu  finden.  Die  Werke  von 
Larriategui:  Juzgados  militares;  Bacardis:  Nuevo  colon  del  de- 
recho  militar;  VeUecillo's  Ordenanzas  und  die  Revista  militar 
enthalten  ein  höchst  interessantes  Material.  Bei  Gelegenheit  der 
Besprechung  der  Spanischen  Justiz -Verfassung  ist  auch  des  Mi- 
litair- Gerichtsstandes  mit  seinen  Exemtionen  gedacht  worden, 
weshalb  dorthin  verwiesen  und  hier  nur  zum  besseren  Ver- 
ständniss  noch  Nachstehendes  angeführt  wird. 

Der  Gerichtsstand  (fuero  militar)  ist  entweder  ein  ordcnt- 
hcher  (ordinario)  oder  ausserordentlicher  (especial-privilegiado); 
der  letztere  zerfallt  in  verschiedene  Klassen: 
Fuero  militar  =:  ecclesiastico,  de  haciendai  de  comercio,  de 

mineria; 
special  =:  de  ArtiUeria,  de  Ingenieros,  castrense,  ha- 

cienda  militar. 
Des  fuero  militar  erfreuen  sich: 
das  active  MiUtair; 

die  Frauen,  Kinder  und  Diener  desselben; 
die  Wittwen  des  Militairs; 
die  Pensionaire,  wenn  sie  nicht  im  Civil  eine  Anstellung  an^ 

genommen  haben; 
die  Oficiales,  £mpleados,  Administradores  der  Militair-Ver- 

waltung)  sammt  ihren  Frauen,  Wittwen  und  Kindern; 
die  MitgUeder  des  Kriegsgerichts  und  der  Sanidad  militar; 
die  Secretaire  der  General- Gapitaine  und  der  General- Com« 

mandantschaften ; 
die  Musici,  Bereiter,  Sattler  und  Curschmiede  der  Armee 

(Decret  15  Juni  1845); 
die  Carabineros  (Decret  11  November  1842); 
die  Guardias  civiles  (Decret  26  Mai  1844); 
die  Mqzos  de  la  Escuadra  und  Fusileros  de  Valencia; 
(die  Ritterschaft  [Maestranza]  hat  das  Vorrecht  verloren  [De- 
cret 24  Mai  1844]); 
die  Estrangeros  (§§  5,  6  Tit  1 1  üb.  VI  nov.  recop.  Gesetz  vom 
15  März  1821,  3  Februar  1845). 


508 

Es  wird  nach  den  allegirten  gesetzlichen  Bestimmungen  bei 
den  Fremden  unterschieden,  ob  sie  sich  vorübergehend  in  Spa- 
nien aufhalten  (transeuntes),  §  13  Tit.  18  lib.  6  nov.  recop.,  Be- 
eret vom  11  August  1837;  oder  ob  sie  ihren  Wohnsitz  im  ge- 
setzlichen Sinne  des  Wortes  in  Spanien  genommen  haben  (ave- 
cindados).   Als  solche  werden  betrachtet: 

diejenigen,  welcljp  daselbst  Gemeinderechte  erworben; 

»  welche  in  Spanien  geboren  sind; 

»  welche  vecindad  (Bürgerrecht)  erhalten; 

»  welche  zur  kathoUschen  Kirche  convertirt  sind; 

»  welche  eine  Spanierin  geheirathet  haben; 

»  Fremden,  welche  einen  Spanier  heirathen  und  im 

Lande  bleiben; 

»  welche  in  Spanien  Grundstücke  kaufen; 

»  welche  EtabUssements  zum  Verkauf  oder  Werk- 

statten anlegen; 

»  welche  seit  10  Jahren  in  Spanien  wohnen. 

Diese  Bestimmungen  datiren  aus  der  Zeit  Philipps  V  und 
sind  durch  die  Verordnungen  vom  8  März  1716,  10  März  1762 
und.  11  August  1837  erneuert,  und  stets  bestimmt  worden,  dass 
die  Avecindados  von  dem  Militair- Gerichtsstand  ausgeschlossen 
bleiben  und  dass  Matrikeln  angelegt  werden  sollten,  um  das  Ver- 
hältniss  der  Fremden  im  Lande  hiemach  festzustellen.  (Gesetz 
vom  8  Juni  1764,  20  JuU  1791,  §  8  Tit  11  Lib.  6  nov.  recop.) 
Danach  wurden  die  Transeuntes  in  ihrem  Aufenthalt  in  Madrid 
sehr  beschränkt;  sie  durften  weder  mechanische  Gewerbe,  noch 
wissenschafthche  Beschäftigungen  treiben,  noch  Spanische  Dienst- 
boten halten.  Die  Aufstellung  der  Matrikeln  ward  späterhin  durch 
Decret  vom  11  August  1837  in  Erinnerung  gebracht,  und  darin 
die  Rubriken  derselben  bestimmt,  welche  enthalten  soUten:  Va- 
terland, Stand,  Vaterland  der  Frau  des  Fremden,  die  Namen 
seiner  Kinder,  Religion,  Ort  und  Dauer  seines  Aufenthaltes  in 
Spanien. 

Ein  Versuch  der  Aufhebung  des  Gerichtsstandes  der  Frem- 
den ist  nicht  zur  Ausfuhrung  gekommen,  jedoch  im  Jahre  1851 


509 

die  Aufstellung  der  fraglichen  Matrikeln  wiederum  in  Anregung 
gebracht 

Zu  den  Rechten  des  fuero  militar  gehört  das  Rechte  WaflFen 
selbst  im  Consejo  bei  Ableistung  eines  Eides  zu  tragen;  in  Uni- 
form selbst  in  der  Eigenschaft  als  Anwalt  vor  Gericht  zu  er- 
scheinen; das  Recht  zu  fischen  und  zu  jagen. 

Das  fuero  militar  kommt  aber  Militairs  bei  Contraventionen 
in  Betreff  des  Jagens  und  Fischens,  bei  Nichterfüllung  privat- 
rechtUcher  Verpflichtungen  nicht  zu  statten.  Dagegen  werden 
Nicht-Militairs  nach  militairischen  Gesetzen  behandelt  bei  Feuers- 
brfinsten,  Beleidigungen  der  Schildwachen  und  Militair-Beamten, 
Theilnahme  an  Raubereien  in  Banden ,  wiegen  unerlaubten  Waf- 
fentragens in  Seehäfen,  wegen  Hülfsleistung  bei  Desertionen« 

Von  dem  privilegirten  Gerichtsstande  der  Artillerie,  Inge- 
nieure, der  Marine,  von  dem  fuero  castrense  ist  oben  im  Ab- 
schnitte vom  Justiz -Ministerium  gesprochen. 

Die  Justiz -Verwaltung  fiir  Militair -Verbrechen  oder  Verbre- 
chen von  Militairs  verübt,  ist  den  Kriegsgerichten  (Consejos  de 
Guerra)  in  Form  der  Geschworenen- Gerichte,  aus  Militairs  zu- 
sammengesetzt, übertragen.  Früher,  besonders  unter  Philipp  11 
(Gesetz  vom  9  Mai  1587)  wurde  die  MiHtair-,  Civil-  und  Crimi- 
nal-Justiz  durch  den  General- Capitain  einem  Auditor  übertra- 
gen; unter  Philipp  V  (Gesetz  vom  28  December  1701)  wurden 
Oficiales  zur  Begründung  eines  Consejo  de  Guerra  allen  Tnip- 
pentheilen  überwiesen,  und  diese  Einrichtung  besteht  noch. 

Das  Instructions-  und  Untersuchungs -Verfahren  ist  peinlich 
und  gründlich;  die  Feststellung  des  objectiven  und  subjectiven 
Thatbestandes,  die  Vemehmimg  des  Angeschuldigten,  das  Asyl- 
recht in  den  Kirchen,  das  summarische  Verfahren,  die  Stellung 
des  Staatsanwalts  und  des  Vertheidigers,  der  Indicien-  und  Zeu- 
genbeweis bieten  besonders  Bemerkenswerthes  nicht  dar;  For- 
mulare für  alle  mögliche  Fälle,  Acte,  Anklagen,  Erklärungen  sind 
gedruckt  vorhanden. 

Bei  der  Abfassung  des  Erkenntnisses  giebt  das  letzte  Mit- 
glied des  Consejo  zuerst  seine  Stimme  ab;  es  wird  nach  links 


510 

mit  dem  Votiren  fortgefahren;  des  Vorsitzenden  Stimme  zahlt 
fttr  zwei,  wenn  es  sich  um  Gefangniss,  för  eine,  wenn  es  sich  nm 
die  Todesstrafe  handelt.  Wer  seine  Stimme  abgiebt,  erhebt  sich, 
nimmt  den  Hut  ab  und  setzt,  wenn  er  gesprochen,  seine  ErUi- 
rung  schriftlich  auf;  haben  alle  MitgKeder  gestimmt,  so  werden 
die  Vota  gezählt  Stimmenmehrheit  entscheidet;  bei  Stimmen- 
gleichheit wird  die  mildere  Entscheidung  gewählt.  Als  Strafe 
kann  niemals  der  Dienst  in  der  Marine  oder  in  der  Armee  zu- 
erkannt werden.  Spanier  zahlen  keine  JCosten  für  das  wider 
sie  vom  Kriegsgericht  geleitete  und  abgeschlossene  peinliehe 
Verfahren. 

Die  Strafen,  welche  nach  dem  Spanischen  Militair-^ Codex 
zuerkannt  werden,  sind  entweder 

penas  aflictivas,   Tod,  lebenslängliche  Ketten-,  Gefang- 
nissstrafe  oder  lebenslänghche  Verbannung,  oder  zeit- 
weise Ketten-,  Gefangnissstrafe  oder  Verbannung; 
penas  correccionales,  Gefangnissstrafe,  Degradation  oder 

Suspension; 
pena  leve,  geringer  Arrest; 

penas    comunes  a   las  tres  clases  anteriores,    Geld- 
strafe, Caution. 
penas  accessorias,  Halseisen,  Entschädigung,  Tragung  der 
Prozesskosten. 
Stockschläge  und  Ohrfeigen  sind  durch  Königliches  Decret 
vom  13  Juli  1834  abgeschafft    Nach  Art.  119  soll  derjenige  Ofi- 
cial,  welcher  einem  Anderen  Stocksehläge  oder  Ohrfeigen  giebt, 
abgesetzt  und  zu  lebenslänglicher  einsamer  Haft  verurtheilt  wer- 
den.  Das  Letztere  ist  inzwischen  aufgehoben. 

Der  Tod  ist  entweder  del  arcebuceo,  Erschiessen,  oder  del 
garrote,  Stranguliren  durch  Halseisen,  oder  decapitackHi,  Ent- 
hauptung. Der  Galgen  ist  durch  Gesetz  vom  28  April  1832  ab- 
geschafft. Der  Tod  del  garrote  findet  auf  einem  erhöhten  Schau- 
gerüste bei  Tage  öffentlich,  jedoch  nicht  an  Sonn-,  Fest-  ode^ 
National -Feiertagen,  statt.  Der  Verurtheilte  erscheint  in  einem 
schwarzen  Rocke  und  legt  den  Weg  zu  Pferde  oder  auf  einem 


511 

Karren  zurück.  Der  Richter  bezeichnet  diejenigen  Orte  der 
Nachbarschaft^  in  denen  das  Urtheil  durch  den  öffentlichen  Aus- 
rufer bekannt  gemacht  wird.  Der  Leichnam  des  Gerichteten 
bleibt  den  Tag  über  bis  eine  Stunde  vor  Sonnenuntergang  aus- 
gestellt ;  dann  wird  er  begraben  oder  den  Verwandten  zu  die- 
sem Behufe  auf  ihren  Wunsch  ausgeliefert.  Die  Beerdigung 
darf  in  letzterem  Falle  nicht  mit  Pomp  statt  finden.  Königs- 
und Verwandtenmörder  werden  zur  Richtstätte  in  einem  gelben 
Kleide  mit  blutrothen  oder  blutbespritzten  Aermeln  und  Kappe 
gefuhrt.     (Art.  89  —  92  Cod.  Pen.) 

Die  Presidios  bestanden  früher  aus  drei  Klassen,  diese  sind 
jedoch  durch  Decret  vom  5  September  1844  vereinigt.  Es  be- 
findet sich  in  denselben  eine  besondere  Abtheilung  fftr  die  Cor- 
rectionell-  G  efangenen. 

Blasphemien  wider  Gott  oder  die  Jungfrau  Maria  werden 
das  erstemal  durch  einen  Strafposten ,  mit  dem  Knebel  im 
Munde,  bestraft;  im  Falle  der  Wiederholung  wird  dem  Ver- 
brecher durch  den  Nachrichter  die  Zunge  mit  einem  heissen 
Eisen  durchbohrt  und  er  aus  dem  Regimente  gestossen.  (Tit.  10 
Trad.  8  Ord.  MÜ.) 

Das  Conat  zur  Desertion  wird  im  Frieden  mit  vieqähriger 
Strafdienstzeit,  im  Kriege  mit  dem  Tode  bestraft.  Die  Desertion 
selbst  das  erstemal,  wenn  der  Deserteur  sich  freiwiUig  stellt  und 
nichts  von  Waffen  und  Kleidungsstücken  mitgenommen  hatte, 
mit  dem  Verlust  der  Anrechnimg  seiner  bisherigen  Diens^ahre 
und  der  Aussicht  auf  Prämien  und  Invaliden -Versorgung.  Sind 
Kleidungsstücke  mit  fortgenommen ,  so  wird  der  Deserteur  vier 
Monate  eingesperrt  und  muss  acht  StraQahre  abdienen.  Die 
zweite  Desertion  wird  mit  zehnjähriger  oder,  bei  freiwilliger 
Rückkehr,  mit  achtjähriger  Strafe  in  den  Presidios  von  Africa 
bestraft.  Auf  die  dritte  Desertion  folgt  zehnjährige  Einsperrung 
und  Ausstossung  aus  dem  Soldatenstande.  Im  Kriege  wird  die 
Desertion  mit  dem  Tode  oder  durch  Verurtheilung  zu  den  Ga- 
leeren bestraft.  (Ges.  v.  24  Januar  1841,  20  März  1806,  8  Ja- 
nuar  1815.) 


512 

Bei  der  Vollstreckung  der  Todesstrafe  ist  das  Bataillon,  in 
welchem  der  Verurtheilte  gedient,  gegenwärtig.  Es  wird  auf 
dem  Richtplatze  durch  den  Platzmajor  unter  den  Fahnen  und 
Trommelschlag  ausgerufen:  «Im  Namen  des  Königs!  (hier  neh- 
men alle  Oflficiere,  bis  zu  den  Sergeanten  herab,  die  Kopfbe- 
deckung ab)  Jeder,  der  seine  Stimme  erhebt,  um  Gnade  für  den 
Verurtheilten  zu  erbitten,  wird  mit  dem  Tode  bestraft.»  Dem 
Verurtheilten,  welcher  niederknien  muss,  wird  das  Erkenntniss 
vorgelesen;  dann  wird  er  auf  seinen  Platz  geführt  Sechs  Mann 
treten  in  zwei  GKedem  an  und  schiessen  auf  vier  Schritt  Das 
Bataillon  marschirt  an  dem  Leichnam  vorüber,  dessen  Bestat- 
tung ihm  obliegt.   (Tit  3  Trad.  8  Ord.  Mil.) 

Bei  dem  Sorteo  de  la  vida,  Loosen  um  den  Tod,  ziehen  die 
Aeltesten  mit  verbundenen  Augen,  in  Gegenwart  des  Oficials, 
der  Defensoren  und  des  Secretairs,  zuerst  die  Nummern  aus  der 
Urne.   (Tit  10  Trad.  8  Ord.  Mil.) 


Das  Activ-Personal  der  Spanischen  Armee  bestand 
im  Jahre  1851  auf  der  Halbinsel  und  den  Adjacentes  aus  10  Mar- 
schällen (Capitanes  generales  del  ejercito,  nicht  zu  verwechseln 
mit  den  Capitanes  generales  de  las  provincias),  78  General- 
Lieutenants,  203  Mariscales  de  Campo,  345  Brigadiers  (Briga* 
dier  ist  der  erste  Grad  des  Generals).  In  der  Linien-Infanterie 
befanden  sich  allein  93  Obersten,  137  Oberst- Lieutenants,  237 
erste,  460  zweite  Commandanten,  1554  Capitaine,  2409  AcUutan- 
ten  und  Lieutenants,  1757  Unterlieutenants.  Von  den  Obersten 
waren  17  Brigadiers.  Die  Kriegsstarke  der  Spanischen  Armee 
beträgt  180,000  Mann,  för  welche  die  miUtairische  Ausrüstung 
in  den  Depots  bereit  liegt.  An  der  Spitze  der  Armee  steht  das 
Corps  der  Hellebardiere  (Garde  du  Corps  du  Palais). 

Die  Infanterie  zahlt: 

1.  In  der  Linie:  45  Regimenter  zu  3  Bataillonen,  1  Grena- 
dier-Regiment, 18  Bataillone  Jäger  (ligeros,  cazadores), 
1  Regiment  zu  2  Bataillonen  in  Ceuta. 

2.  In  der  Reserve:  49  Bataillone. 


513 

Die  Regimenter  fQhren  ihre  Nummern  tbeils  nach  den  Pro- 
vinzen, in  welchen  sie  stehen,  von  denen  sie  auch  ihre  Benen- 
nung entlehnen ,  theils  fuhren  sie  als  Bevorzugung  Namen  von 
Schlachten,  in  denen  sie  sich  besonders  ausgezeichnet  haben, 
wie  Castillo,  Zamora,  S.  Quintin.  Diese  Einrichtung  beruht  auf 
den  Königlichen  Decreten  vom  31  März,  15  und  16  Septem- 
ber 1848. 

Die  Armee  besteht  in  Friedenszeiten,  nach  Inhalt  des  Kö- 
niglichen Decrets  vom  24  October  1849,  aus  der  activen  Truppe 
und  aus  der  Reserve.  Die  letztere  wird  durch  ein  Bataillon  von 
den  dreien  eines  Regimentes  und  aus  zwei  Compagnien  eines 
Chasseur-BataiUons  gebildet. 

Die  Infanterie  zahlte  am  1  Januar  1852  79,670  Mann,  und 
stand  ihre  Unterhaltung  etatsmässig  zu  82,692,651  r.  fest. 

Die  Cavallerie  bestand  im  Jahre  1851  aus  2  Regunentem 
Carabiniers,  1 3  Regimentern  Ulanen,  1 3  Escadrons  Jäger,  3  Re- 
monte-Escadrons  zu  Ubeda,  Baena  und  Estremadura,  so  wie 
10  Escadrons,  zur  Central-Instruction  (Lehr-Escadron)  gehörend, 
errichtet  durch  Königliches  Decret  vom  1  Februar  1849. 

Im  Granzen  zShlte  die  Reiterei  12,000  Mann  und  kostete 
17,547,562  r. 

Die  Artillerie  bestand  aus  einem  Director,  Inspector  y  Co- 
ronel  general  de  Espana  e  Indias,  5  Mariscales  de  Gampo,  Sub- 
inspectores,  5  Brigadiers  (Chefes  de  escuela),  38  Obersten,  56 
Oberst -Lieutenants,  27  ersten,  12  zweiten  Bataillons  -  Conmian- 
danten,  1  Ac^utanten-Major,  149  Capitains,  246  Lieutenants  und 
Adjutanten.  Ausserdem  14  Capitains,  24  Lieutenants  und  28 
Unterlieutenants  de  la  clase  de  practicos.  Die  fiinf  Departe- 
ments von  Barcelona,  Valencia,  Sevilla,  Coruna,  Segovia  sind 
mit  je  einem  Regimente  FussartiUerie  besetzt.  Ausserdem  sind 
5  Brigaden  schwere,  3  Brigaden  reitende,  3  Brigaden  Berg- 
Artillerie,  5  Arbeiter -Compagnien  und  1  Compagnie  Waffen- 
schmiede. 

Das  Corps  bestand  aus  10,000  Mann  und  kostete  15,989,262 
Realen. 

y.  Minutoli,  Spanien.  33 


514 

Das  Ingenieur-Corps^  aus  1  Ingemeur^Gefieral,  14  Direc- 
toreu  (Untermspectoren),  14  Obersten,  19  Oberst-Lieutenants, 
18  Bataillons-Commandeurs  erster  Glasse,  61  Capitains,  80  Lieu- 
tenants bestehend,  mit  einem  Regimente  zu  drei  Bataillonen,  je- 
des Bataillon  aus  4  Sapeur-,  1  Mineur-  und  1  Pontonnier-Cona- 
pagnie  zusammengesetzt 

Die  Guardia  civil  zählte  13  Regimenter  oder  49  Gom- 
pagnien  und  11  Escadrons. 

Das  Carabinier-Corps,  30  Commandantscbaften  auf  fimf 
Distdcte  vertheilt,  bildet  zwei  Linien  an  den  Küsten  und  Grenzen. 

Die  Escuadra  de  Cataluna  ist  in  14  Corregimientos  ge- 
theiit  und  für  Catalonien  ausschliesslich  bestimmt 

Die  Invaliden- Compagnien  sind  in  San  Geronimo,  in 
Madrid  und  in  Atocha  stationirt 

Die  Gesammtstärke  der  Armee  betrug  103,000  Mann. 

In  den  überseeischen  Provinzen  waren: 
1.   In  America: 

a)  auf  Cuba:  2  General-Lieutenants^  3  Mariscales  de 
Campo,  18  Brigadiers,  28  Oberst-Lieutenants^  und  in 
der  Infanterie  17  Majore,  117  Capitains,  294  Adju- 
tanten tmd  Lieutenants,  284  Unterlieutenants  im 
Dienste.  1 6  Regimenter  Veteranen-Infanterie,  4  Com- 
pagnien Freiwillige  (12  September  1817  errichtet). 
Die  Artillerie  besteht  aus  einem  Regiment  von  2  Bri- 
gaden zu  4  Batterien,  einer  Brigade  zu  4  Batterien 
Berg -Artillerie,  einer  berittenen  Brigade  und  einer 
Handwerks -Gompagnie.  Die  Cavallerie  zählt  2  Re- 
gimenter und  4  Escadrons,  die  Ingenieure  1  Ba- 
taillon. Die  Milicias  disciplinadas  bestehen  aus 
2  Bataillonen  und  resp.  4  Bataillonen  Freiwilliger  xu 
Fuss,  und  2  Escadrons  und  resp.  4  Escadrons  Frei- 
williger zu  Pferde.  Die  Milicias  urbanas  bestehen 
aus  8  Escadrons  zu  3  Compagnien. 

b)  Auf  Puerto  Rico  sind  1  General-Lieutenant^  1  Ma- 
riscal  de  Campo,  3  Brigadiers,  3  Obersten,  14  Oberst- 


515 

liji^utepants,  26  Capitaine,  55  Adjutanten  und  Lieute- 
juants  y  3 1  Unterlieutenants  mit  3  Bataillonen  V  etera- 
nen-Infanterie,  einejr  Brigade  von  4  Batterien  Artille- 
rie zu  Fnss,  einer  halben  Handwerks -Compagnie, 
7  Bataillonen  disciplinirter  Milizen,  einem  Regimente 
freiwilliger  Eingel;>orenen  aus  2  Bataillonen  xmd  einer 
Escadron  bestehend. 
2.  In  Asien  auf  den  Philippinen  stehen  1  General-Lieutenant, 
1  Mariscal  de  Campo,   16  Brigadiers  und  Obersten,   16 
Oberst-Lieutenants,  46  Gapitaine,  111  Lieutenants  und  85 
ITnterlieutenants.  Das  Hellebardieren-Corps,  1590  gegrün- 
det^ bildet  die  Leibwache  des  Gouverneurs.   5  Regimenter 
Infanterie,  aus  1  Compagnie  Grenadieren,   1  Compagnie 
Jägern,  6  Compagnien  Füselieren,  im  Ganzen  1000  Mann, 
bestehend,  1  Regiment  JSger  von  Luzon,  2  Brigaden  Artil- 
lerie, eine  zu  7,  die  andere  zu  4  Batterien,  worunter  eine 
berittene  und  eine  Berg-Batterie,  1  Handwerks-Compagnie, 
1  Ingenieur- Abtheilung,  Provinzial-Infanterie  4  Bataillone, 
1  ßataiUon  leichte  Jäger,  1  Bataillon  Zambalos  (seit  1796), 
300  Mann  Marine -Grenadiere,  2  Compagnien  de  Zambo- 
imga  (seit  5  Mai  1848),  4  Gompanias  Urbanas  de  Manila, 
1  Invaliden- Abtheilung.    Nach  den  neuesten  Nachrichten 
von  den  Philippinen  sind  die  Provinzial -Milizen  aufgelöst, 
die  Jager  von  Luzon  neu  organisirt  und  die  Ofßciere  die- 
ser ^Regimenter  nach  Europa  gesandt. 
Die  46  Spfuü^chen  Infanterie-Regimenter  bestehen  ein  jedes 
aus  3  Bataillonen  zu  6  Compagnien.    Von  diesen  ist  die  erste 
die  Gbrena^ier-,  eine  Jäger- Compagnie,  die  vier  übrigen  sind  Fü- 
seUere.    Der  Stab  eines  jeden  Regimentes  hat  einen  Oberst, 
einen  Oberst-Lieutenant,  einen  Tambour- Major,  einen  Schnei- 
der und  einen  Schuhmacher;  der  eines  jeden  Bataillons  einen 
ersten,  einen  zweiten  Commandanten,  einen  Adjutanten,  einen 
Stands^rtenträger  (abanderado,  zum  Richten  der  Front),  einen 
.GapeUan,  einen  Chirurgus  und  einen  Chef  (Cabo)  der  Tronunler 
oder  .Hörigsten.    Die  Starke  jeder  Compagnie  betragt  1  Haupt- 

33' 


516 

mann,  2  Lieutenante,  1  Unterlieiitenant,  1  Sergeanten  (Sargento 
oder  Unterofficier)  erster,  3  zweiter  Klasse,  5  Gefreite  (cabo)  erster, 
5  zweiter  Klasse,  1  Tambour,  1  Hornisten  und  73  Soldaten. 

Die  Hornisten  tragen  im  Dienst  stete  ein  Gewehr  auf  dem 
Rücken. 

Die  Abzeichen  für  die  verschiedenen  Rangstufen  sind: 

Für  den  Cabo  oder  Gefreiten  zweiter  Klasse  eine  gewirkte 
wollene  rothe  Tresse  über  den  linken  Arm;  der  Cabo  erster 
Klasse  trägt  deren  zwei  von  derselben  Farbe  übereinander. 

Der  UnterolGficier  zweiter  Klasse  trägt  eine  solche  Tresse 
in  Gold,  der  Sargento  erster  Klasse  zwei  dergleichen  über- 
einander. 

Der  Tambour-Major  hat  goldene  Tressen  am  Arm,  Kragen, 
Aufschläge  und  Pantalons  mit  dergleichen  besetzt ;  er  trägt  den 
Stab,  ein  ausserordentüch  breites  Bandelier  von  schwarzem 
lackirten  Leder  mit  Goldbronce -Einfassung  und  Arabesken,  und 
eine  schwarze  Bärenmütze  mit  weissem  Reiherbusch. 

Der  Unterlieutenant  trägt  auf  der  linken  Schulter  ein  gol- 
denes Franzen-Epaulett,  von  Goldfaden  und  Posamentierarbeit, 
auf  der  rechten  Schulter  ein  Contre-Epaulett  Der  Lieutenant 
trägt  auf  der  linken  Schulter  das  Contre-,  auf  der  rechten  das 
Franzen  -  Epaulett. 

Der  Capitain  trägt  auf  beiden  Schultern  das  Franzen-Epau- 
lett; Majore  und  weiter  hinauf  bis  zu  den  Generalen  nur  zwei 
Contre-Epauletts ;  die  Generale  tragen  nichte  auf  den  Schultern. 

Das  Abzeichen  des  Majors  ist  eine  Gold-  oder  Silbertresse 
auf  dem  Aermelaufschlag  tmd  oben  um  den  Rand  des  Czakos, 
der  Oberst-Lieutenant  trägt  daselbst  eine  Gold-  und  eine  Silber- 
tresse dicht  nebeneinander,  der  Oberst  drei  Tressen. 

Der  Brigade -General  ist  an  einer  Bordüre  in  Silberstiekerei 
am  Aermel  kenntlich.  Der  Mariscal  de  Campo  trägt  die  Sticke- 
rei in  Gold  am  Kragen  und  Aermel;  eine  roth  seidene  Schärpe 
mit  gleicher  Stickerei  und  einem  seidenen  gestickten  Schieber 
(pasador);  die  roth  gefätterten  BrustaufschlSge  mit  goldener 
Tresse  besetzt.     Der  General -Lieutenant  trägt  die  Kragen-  und 


517 

Aermelstickerei  doppelt  un.d  zwei  Schieber  an  der  seidenen 
Schärpe;  der  General -Capitain  die  Stickerei  dreifach,  drei  ge- 
stickte Schärpenschieber,  die  Rockschösse  und  Klappen  in  Gold 
gestickt,  in  den  Rockschössen  goldene  Thürme  und  Löwen, 
breite  goldene  Tressen  an  den  Pantalons,  schwarze  Binde,  zuge- 
spitzten schwarzen  Hut  mit  goldener  Tresse,  rother  Kokarde, 
vierfacher  Goldschnurkette  (presiUa)  und  weisser  Feder.  An 
Gallatagen  werden  weisse  Weste  und  Binde  getragen.  Zu  Pferde 
erscheinen  die  Generale  in  engen  weissen  Unterkleidern  und 
Kanonenstiefieln.  Alle  Officiere  bis  zum  General-Capitain  tragen 
im  Dienste,  wenn  sie  irgend  ein  Commando  haben,  den  Rohr- 
stock mit  goldenem  Knopf;  der  General-Capitain  trägt  an  dem- 
selben eine  gold  und^carmoisinseidene  Schnur. 

Die  Infanterie -Regimenter  heissen: 

1  König,  2  Königin,  3  Principe,  4  Princesa,  5  Infante, 
6  Saboya,  7  A&ica,  8  Zamora,  9  Soria,  10  Cordova,  11  S.  Fer- 
nando, 12  Zaragoza,  13  Mallorca,  14  America,  15  Estremadura, 
16  Castilla,  17  Borbon,  18  Ahnansa,  19  Fijo  de  Ceuta,  20  Gua- 
dakgara,  21  Aragon,  22  Gerona,  23  Valencia,  24  Bailen,  25  Na- 
varra,  26  Abuera,  27  Reina  Gobemadora,  28  Union,  29  Consti- 
tucion,  30  Espana,  31  Galicia,  32  Isabel  U,  33  Sevilla,  34  Gra- 
nada, 35  Toledo,  36  Burgos,  37  Murcia,  38  Leon,  39  Cantabria, 
40  Malaga,  41  Jaen,  42  Vitoria,  43  S.  Quinün,  44  Astorga, 
45  S.  Marcial,  46  Segundo  de  Ceuta. 

Die  Uniform  der  Infanterie  der  ganzen  Spanischen  Armee 
ist  nach  dem  Königlichen  Decrete  vom  9  und  10  Februar  1846 
gleich.  Sie  besteht  in  einem  kurzen  blauen  (azul  turqui)  Leib- 
rock (cazaca),  mit  rothem  Kragen  und  Aufschlagen,  gelben 
Knöpfen,  convex  mit  der  Nummer  des  Regimentes,  graublauen 
(gris  Celeste)  Pantalons,  schwarzen  Kamaschen,  Czacko  von 
schwarzem  Tuch  mit  rothem  Streifen,  gelbem  Nummerknopf, 
gelbem  Blechschilde  mit  dem  Wappen  von  Castilien,  rother  Ko- 
karde, mit  Messingstreifen  gehalten.  Die  Grenadiere  tragen 
reihe  woUene  Franzen-Epauletts  und  Haarbüsche,  die  Jäger 
gräne  Franzen-Epauletts   und  Gzackoborte  und  Büsche;   die 


518 

Musketiere  rotlie  Halbmonde  auf  den  Schultern  oder  gelbe  £pan- 
letts.  Die  bevorzugten  Compagnien  tragen  auf  deü  Epatdetts  die 
runde  halbmondförmige  Erhöhung  (puente)  in  weisser  Wolle, 
Das  Lederzeug  wird  kreuzweis  ober  der  Brust  und  ein  breiter 
Gurt  mit  Messingblech  für  das  Bayonet  um  den  Leib  getragen. 
Das  letztere  trägt  der  Soldat  beim  Ausgehen  ausser  Dienst  statt 
Waffe.  Das  Aufstecken  des  Bayonettes  auf  das  GeT^ehf  ist  das 
Zeichen,  dass  der  Soldat  sich  im  Dienste  befindet.  Gfer^ÖhnHch 
werden  im  Dienst  weite  paletotartige  graublaue  Röcke  getragen, 
ähnlich  wie  die  Preussischen  MiHtairmäntel  auf  dem  RAcken  mit 
Tuchstreifen  und  Knopf  zusanimengehalt^n,  auf  den  Aermelatif^ 
schlagen  drei  gelbe  aufrechtstehende  Litzen  (carretäras).  Auf 
dem  Marsch,  bei  grösseren  Uebungen  oder  schlechtem  Wetter 
werden  die  Tuchkamaschen  über  die  Unterkleider  bis  zu  den 
Knien  hinauf  geknöpft  und  die  Patrontaschen  mit  eineih  weissen 
Leinwandüberzug  versehen.  Bei  Paraden,  an  Sonntagen,  Bei 
Ehrenposten  trägt  das  Spanische  Militair  stets  flandschuhe,  di^ 
Infanterie  weisse  von  Baumwolle,  die  Cavallerie  gelbgrüne  Iren 
Leder.  Rothe  imd  respective  grüne  wollene  Büsche  trägt  di6 
Infanterie  auf  den  Czakos,  wenn  dieselben  ohne  Wachsleinen- 
Ueberzug  aufgesetzt  werden.  Die  Czakos  der  Infanterie  haben 
die  Form  der  nach  oben  etwas  spitz  zulaufenden  FränzÖsisdien 
mit  breitem  gerade  stehenden  Schirm.  Das  Lederzeug  ist  wteiss, 
nur  bei  den  Jägern  schwarz.  Letztere  tra^6n  auch  schwärze 
Leder- Tornister,  während  solche  bei  den  übrigen  Compagnien 
von  braunem  Fell  sind.  Darüber  liegt  ein  Mantelsack,  mit  weiss 
und  blau  gestreifter  Leinwand  überzogen,  an  den  Seiten  auf 
Messingschild  die  Regiments-Nummer,  welche  auf  einem  Metali- 
schilde vom  am  Leibgurt  gleichfalls  befindlich  ist  Der  tnfism- 
terist  trägt  seine  Zündhütchen  in  einer  gelben  Messingbüch^e  mit 
Deckel,  welche  vom  auf  der  Brust  am  Lederzeug  befestigt  ist 
Das  Gewehr  wird  entweder  bequem  auf  der  Schulter  getragen, 
mit  dem  Lauf  aufliegend,  den  Schaft  nach  oben  gewandt^  oder 
im  Armgelenke  mit  untergeschlagenen  Armen.  GevH^e  Posten 
werden  mit  vollem  Gepäck,  andere  im  Paradeahzuge,  ändere  in 


519 

der  gewöhnlichen  Uniform  ohne  Gepäck  bezogen.  Nachts  ziehen 
die  Schildwachen  eine  Eapntze  über  den  Kopf.  Posten  vor  einem 
Hause  gehen  nicht  rechts  und  links  patronillirend,  sondern  ge- 
rade aus  und  zuri^ck.  Ausser  dem  Dienst  oder  in  der  Kaserne 
tragen  die  Soldaten  gelbe  Jacken  und  Französische  Kappen. 

Die  Spanische  Infanterie  bestand  noch  gegen  Ende  des  ver- 
gangenen Jahrhunderts  grossentheils  aus  Irländem,  ItaUenern, 
Niederländern  und  Schweizern.    Es  waren 

1.  die  Wallonischen  Regimenter,  und  zwar  die  Brabanter, 
welche  am  28  November  1791  aufgelöst  wurden,  die  Flan- 
drischen, seit  dem  22  März  1792,  die  Brüsseler,  seit  dem 
2  September  1792  eingegangen; 

2.  die  Italienischen,  und  zwar  die  Mailänder,  am  20  April 
1792  aufgehoben,  und  die  Neapolitanischen,  am  1  Juni 
1818  aufgelöst; 

3.  die  Irländer,  nämlich  Irlandos,  Hibemios  und  Ultonios, 
gleichfalls  am  1  Juni  1818  beseitigt; 

4.  die  Schweizer-Regimenter,  fünf  an  der  Zahl,  deren  Ueber^ 
reste  erst  durch  Königliches  Decret  vom  20  Juni  1835  enir 
weder  pensionirt  oder  in  die  übrigen  Infanterie-Regimenter 
aufgenommen  wurden. 

Die  Hellebardiere  (Real  cuerpo  de  guardias  Alabarderos) 
wurden  im  Jahre  1707  errichtet^  imd  haben  seit  dieser  Zeit  mehr- 
fache Veränderungen  erfahren.  Nach  dem  Könighchen  Decrete 
vom  16  November  1845  wurde  das  Corps  reorganisirt ;  es  be* 
steht  aus  zwei  Compagnien  zu  120  Hellebardenträgem,  10  Ge- 
freiten, 4  Sargenten  zweiten  und  einem  erster  Klasse.  Es  wird 
auch  mit  grossen  Garabinem,  mit  Bajonetten  versehen,  der 
Dienst  abwechselnd  gehandhabt  Säbelscheide  und  Tasche  sind 
mit  rothem,  silberbordirten  Tuche  besetzt  Die  Uniform:  weiter 
türkischblauer  Leibrock,  Kragen,  Aermel-  und  Brustaufschläge 
purpurroth  nut  Silber,  Unterfutter  von  rothem  woUenen  Zeug, 
Rockschösse  mit  breiten  Silbertressen  besetzt,  in  den  Ecken  die 
Thürme  und  Löwen  von  Castilien  gestickt,  rothe  Unterweste  mit 


520 

breiter  Silberstickerei,  weisse  Unterkleider  mit  schwarzen  Ka^ 
maschen  bis  auf  die  halbe  Hüfte ,  Dreimaster  mit  breiten  Silber- 
tressen, Silber -Convexknöpfe  mit  den  Buchstaben  R,  G.  A.  und 
Königskrone.  Zuweilen  ist  es  zur  WinterszeiJ  oder  bei  schlech- 
tem Wetter  gestattet,  einen  grossen  blauen  Radmantelkragen  mit 
Capuchon,  am  Kragen  mit  breiter  Silberborte  versehen,  umzu- 
nehmen. Chef  der  Truppe  ist  der  älteste  Marschall  der  Armee, 
General-Capitain  Castanos,  Herzog  von  Bailen.  Der  zweite  Chef 
ist  Mariscal  de  Campo.  Die  beiden  Adjutanten  imd  der  Haupt- 
mann sind  Brigadiers,  die  Lieutenants  Oberste  und  die  vier  Fähn- 
riche Oberst -Lieutenants  der  Armee. 

Die  früheren  Veteranen-Compagnien  sind  aufgelöst;  es 
bestehen  nur  noch  die  Pelotones  de  mar,  welche  den  Compagnien 
der  Presidios  beigeordnet  sind  und  imter  dem  Befehl  des  betref- 
fenden Platz  -  Commandanten  stehen,  so  wie  unter  der  ControUe 
des  General- Directors  der  Infanterie.  Die  Sectionen  der  Inva- 
Uden  (inutiles)  stehen  unter  dem  General-Capitain,  welcher  für 
jede  Festung  einen  Adjutanten  des  Platzes  ernennt,  der  nach  In- 
halt des  KönigUchen  Decretes  vom  7  September  1846  das  Com- 
mando  über  dieselben  fiihrt. 

Guardias  de  la  Reina.  Unter  dem  27  Januar  1852  ist 
eine  berittene  Leibwache  der  Königin,  aus  100  Veteranen  imd 
Pferden  bestehend,  organisirt,  mit  einem  Commandanten  im 
Range  eines  Brigadiers,  einem  Gapitain  im  Bange  eines  Obersten, 
zwei  Lieutenants  mit  dem  Range  eines  Oberst -Lieutenants,  drei 
Fähnriche  mit  dem  Range  von  Conunandanten  und  einem  Adju- 
tanten mit  dem  Range  eines  Capitains.  Die  Guardias  müssen  in 
der  Armee  gedient,  mindestens  5  Fuss  3  Zoll  haben  und  dürfen 
nicht  unter  30  und  nicht  über  40  Jahre  alt  sein.  Die  Uniform 
ist  blau  und  roth  mit  reicher  Goldstickerei,  weisse  enge  Unter- 
kleider, hohe  Stiefeln,  weisser  Mantel  und  als  Kopfbedeckung 
ein  leichter  Helm. 

Die  Artillerie  in  Spanien  gehört  zu  den  ältesten  Truppen- 
corps. Unmittelbar  nach  Erfindung  des  Schiesspulvers  bildete 
sich  unter  Don  Juan  II  eine  Heeresabtheilimg  zur  Bedientmg  der 


521 

Hakenbüchsen  und  des  schweren  Geschützes  aus.  Man  liess  die 
ersten  Büchsenmeister  aus  Italien  kommen.  Im  Jahre  1475  un- 
ter Isabella  I  bestand  bereits  ein  abgesondertes  Corps  der  Artil- 
lerie. Carl  I  (V)  vermehrte  dasselbe  bedeutend  und  gründete 
dazu  einen  besonderen  Generalstab  im  Jahre  1551,  dei^  er  mit 
den  tüchtigsten  Officieren  besetzte.  Die  Artillerie  zählte  damals 
10  Compagnien  und  bediente  sich  nicht  mehr  der  Steinkugeln. 
Philipp  V  bildete  durch  die  Ordonnanz  vom  2  Mai  1710  ein  Re- 
giment von  3  Bataillonen  zu  1 2  Compagnien  unter  der  Bezeich- 
nung: Regimento  Real  de  Artilleria  de  Espana.  Von  den  zwölf 
Compagnien  waren  drei  Artilleristen ,  eine  Mineurs  und  acht  Fü- 
seüere,  im  Ganzen  2000  Mann  unter  einem  General-Inspector« 
Den  Stab  (piano  nugor)  bildeten  ein  Oberst,  ein  Oberst-Lieute- 
nant^ ein  Sergeant- Major,  drei  Adjutanten -Majors.  Die  Depen- 
dientes  des  Corps  hatten  General-Lieutenants-  und  Brigadiers- 
Rang,  die  Lieutenants  standen  mit  den  Obersten,  die  Comisarios 
apuntadores  mit  den  Lieutenants  der  Armee  in  gleichem  Rang- 
verhältnisse. Die  Gesammttruppe  stand  unter  dem  Befehle  des 
General  -  Capitains.  Die  Königliche  Ordre  vom  28  November 
1728  erklärte  das  Alter  des  Corps  für  « inmemorial ».  Es  wur- 
den schon  damals  vier  Artillerieschulen  in  Aragon,  Estremadura, 
Galicien  und  Andalusien  gegründet,  1732  der  erste  General- 
Inspector  angestellt  und  nach  mehreren  Veränderungen  im  Jahre 
1756  ein  zweiter  General -Inspector  1761  hinzugefiigt.  Im  fol- 
genden Jahre  ward  das  Corps  um  zwei  Bataillone  vermehrt  und 
eine  Cadetten-Compagnie,  53  Köpfe  stark,  errichtet  1763 
trennte  man  die  Artilleristen  von  den  Ingenieuren.  1781  ent* 
standen  die  fünften  Bataillone  mit  vier  Compagnien  Volontairs. 
1803  trat  unter  dem  Friedensfursten  eine  ganz  neue  Organisa- 
tion ein.  Ein  anders  gebildeter  Generalstab,  eine  Cadettenschule 
wurden  errichtet,  und  5  Regimenter  Artillerie  zu  12  Compagnien, 
von  denen  zwei  beritten  waren ,  46  Compagnien  Veteranen  und 
64  Compagnien  disciplinirter  Milizen,  endlich  4  Invaliden -Com- 
pagnien. 


922 

Der  jetzige  Stand  ist  oben  angegeben.  Die  Cadetten-Cbm- 
pagnie  zählt  nach  den  Königlichen  Bestimmungen  vom  5  De- 
eember  1843  und  13  December  1847  80  etat^mässige  Stellen 
tmd  eben  so  viele  Supemumerarien ,  und  ausserdem  eine  unbe- 
schränkte Zahl  von  ausserhalb  der  Anstalt  wohnenden  Schülern. 

In  den  Philippinen^  Habana  und  Portorico  sind  2  Artillerie^ 
Subinspectoren,  1  Departements- Commandant,  7  Obersten,  15 
Oberst -Lieutenants,  4  Bataillons -Commandanten,  26  Capitanes 
facultativos,  18  Capitanes  practicos,  58  Lieutenants  und  54  Unter- 
lieutenants angestellt. 

Die  Geschütze  der  Artillerie  werden  mit  Haulthieren  be- 
spannt Die  Fussartillerie  ist  mit  Gewehren  bewaflfhet»  welche 
über  dem  Rücken  hängen.  Die  Artilleristen  fahren  je  zwei  auf 
den  drei  Protzkasten ,  welche  zusammen  ein  vierrädriges  Fuhr- 
werk bilden. 

Die  im  Jahre  1839  errichtete  Spanische  Berg -Artillerie  be- 
steht auf  der  Halbinsel,  wie  bereits  bemerkt,  aus  3  Brigaden, 
eine  jede  Brigade  zählt  4  Batterien,  jede  Batterie  im  Frieden  6, 
Im  Felde  8  Geschütze.  Zur  Bedienung  jedes  Geschützes  sind 
1 1  Mann  und  1  Unterofficier  commandirt,  zum  Transport  3  Maul- 
thiere.  Im  Frieden  sind  fiir  jede  Batterie  3,  im  Kriege  12  Maul- 
thiere  zur  Reserve  vorhanden.  Die  Uniform  der  Artilleristen 
besteht  aus  einem  bequemen  blauen ,  bis  zu  den  Knien  reichen- 
den Waffenrock,  blauen  Kragen,  mit  rothen  Streifen  versehenen 
weiten  Pantalons,  und  schwarzen  Kamaschen,  welche  bis  an  die 
Knie  über  die  Pantalons  geknöpft  werden,  wenn  die  Brigade  sich 
auf  dem  Marsche  befindet.  In  den  Ecken  des  Kragens  eine  gol- 
dene Bombe.  Czako  mit  rothem  Streifen  am  oberen  Rande,  ro- 
them  Federbusch,  gelbem  Blechschilde  mit  Nummer,  Krone, 
Sonne  imd  Schuppenketten.  Gelbe  Messing -Epauletts  nnt  roth 
wollenen  Franzen.  14  gelbe  convexe,  mit  Kanonen  und  Krone 
gezierte  Knöpfe  halten  in  zwei  Reihen  den  Rock  auf  der  Brust 
zusammen.  Bandelier  imd  Leibgurt  von  weissem  Leder  mit  gel- 
bem Blechschild,  kurzes  breites  Fangmesser  als  Säbel,  weisse 
Handschuhe.     Zur  Parade  wird  ein  Leibrock  mit  kurzen  Schös- 


523 

Sen,  vom  breitem,  roth  gefutterten  Ueberschlag,  roth  paspellirt, 
angethan,  mit  rothem  Kragen  und  Aufschlägen.  Auf  letzterem 
vier  übereinderstehende  gelbe  Knöpfe,  auf  jedem  Rockschoss  je 
zwei  Reihen  zu  drei  Knüpfen,  durch  rotben  Paspel  getrennt,  rothe 
Streifen  an  den  Pantalons,  weisse  Handschuhe.  Die  Sommer- 
tracht besteht  in  weisser  Leinwandsjacke,  Pantalons,  Ejtmaschen ; 
Epauletts,  goldene  Bomben  im  Kragen,  rothe  wollene  Fangschnüre 
Wi^  b^i  der  Uniform.  Auf  dem  an  zwei  schmalen  weissen  Rie- 
mto  getragenen  Tornister  liegt  der  mit  blau  und  weiss  gestreif- 
t^t  Leinwand  überzogene  Mantelsack  und  die  Metallhülse  für 
den  Federbusch.  Ein  Paar  Halbstiefel  ist  zu  beiden  Seiten  des 
Tornisters  angeschnallt.  Die  Carabiner  werden  gegen  Percus- 
sions  -  Oe'wehre  umgetäuscht,  sobald  die  in  Arbeit  befindlichen 
heuen  Gewehre  fertig  sind. 

Es  werden  för  die  Artillerie  die  kräftigsten  und  grossesten 
Männer  ausgewählt  Man  hat  auch  hier  die  Bemerkung  ge- 
macht, dass  die  physische  Entwickelung  des  Spaniers  in  dem 
18ten  fesp.  20ten  Lebensjahre,  dem  militairpflichtigen  Alter,  im 
Allgemeinen  nicht  in  dem  Maasse  vollendet  ist,  um  den  anstren« 
gendeii  Dienst  der  Artillerie,  welcher  besondere  Muskelkraft  er- 
fördert, ohne  Nachtheil  für  die  Gesundheit  ertragen  zu  können. 
Ed  sind  in  der  Artillerie  meist  Leute  vom  22sten  Jahre  an  ein-* 
gestellt 

Die  Berg -Artillerie  gehört  zu  der  vorzüglichsten  Waffen- 
gattung der  Spanischen  Armee.  Bei  der  Beschaffenheit  des 
Landes  wird  jeder  in  der  Halbinsel  geführte  Krieg  mehr  oder 
weniger  die  Natur  eines  Guerilla -Krieges  annehmen;  es  ist  also 
üothwendig,  für  solche  Expeditionen  eine  sehr  bewegliche  Ar- 
tillerie zur  Disposition  zu  haben,  um  die  Unebenheiten  des  Ter- 
Iräbis  tehnell  imd  leicht  überwinden  zu  können.  Dazu  ist  die 
Spanische  Berg -Artillerie  vorzugsweise  geeignet.  Das  Material 
derselben  ist  ausgezeichnet^  die  Behandlung  praktisch,  und  die 
Maulthiere  haben  sich  durch  ihre  Kraft  und  Ausdauer,  und  selbst 
durch  die  Schnelligkeit,  mit  der  sie  im  lebhaften  Schritte  stun- 
denlang, ohne  zu  ruhen ^  sich  fortbewegen,  besonders  bewährt^ 


524 

und  erst  während  der  letzten  Italienischen  Campagne  den  Be« 
weis  geliefert,  dass  weder  Infanterie  noch  Cavallerie  ihr  zu  fol- 
gen im  Stande  ist. 

Man  wählt  für  die  Artillerie  Maulthiere,  die  kurz,  gedrun- 
gen, mit  starker  Brust  und  Hals,  rundem  Rücken  imd  kurzen, 
festen  Beinen  versehen  sind.  Sie  werden  vom  sechsten  Jahre  ab 
zum  Dienst  benutzt,  und  bleiben  in  demselben  acht  bis  zehn 
Jahre.  Im  sechszehnten  Jahre  werden  sie  ausrangirt^  doch  finden 
sich  ausnahmsweise  besonders  dauerhafte  Thiere  bis  ziun  zwan- 
zigsten Jahre  im  Dienst.  Der  Beschlag  ist  leicht  und  ohne  Stol- 
len. Die  Maulthiere  der  fahrenden  Artillerie  sind  meist  gescho- 
ren, die  der  Bergartillerie  nicht.  Man  hält  die  in  den  Bergen 
Cataloniens  gezogenen  Maulthiere  für  besonders  tüchtig  und 
zieht  die  schwarzbraunen  und  schwarzen  den  hellfarbigen  vor. 
Die  Mähnen  der  Maulthiere  dieser  Zucht  sind  steif  aufrecht- 
stehend, aber  dünn,  die  Schweife  dagegen  voll  und  stark. 
Die  Thiere  erhalten  täglich  8  Quartillos  (3  Metzen)  Gerste  und 
1  Arroba  oder  25  Pfund  Weizenstroh.  Das  letztere  wird 
gedrillt,  aber  nicht  zu  ganz  kleinen  Schnitzeln,  sondern  zu 
grösseren  Stücken,  welche  jedoch  ziemlich  weich  durch  jenen 
Prozess  geworden  sind.  Fehlt  es  an  gedrilltem  Stroh,  so  wird 
solches  von  den  Soldaten  geschnitten,  zu  welchem  Behuf e  sie 
ein  kleines  sichelförmiges  Messer  bei  sich  führen.  Das  Hechsei- 
schneiden zu  5  Zoll  langen  Stücken  geschieht,  indem  man  ein 
Bündchen  Stroh  mit  der  Hand  umfasst  und  damit  über  die 
scharfe  Schneide  der  Sichel  herunter  drückend  und  reissend 
hinabfahrt.  Es  wird  die  tägliche  Ration  zu  dreien  Malen  verfut- 
tert, Morgens  um  7  —  8,  Mittags  12  und  Abends  8  Uhr.  Das 
Gerstenfutter  wird  im  Frühjahr  nass  gereicht  Auf  sorgfältiges 
Putzen  wird  streng  gesehen;  im  Sommer  werden  die  Thiere  re- 
gelmässig gebadet.  Im  Stall  stehen  sie  auf  Steinpflaster.  Nach 
Anstrengungen  und  starken  Bewegungen  lieben  es  die  Maul- 
thiere, sich  zu  wälzen;  ein  Vergnügen,  das  man  ihnen  häufig  ge- 
währt Die  Last,  welche  die  Maulthiere  der  Bergartillerie  tra- 
gen, sind  3  und  resp.  2  Centner.    Zu  jedem  Geschütz  gehören 


525 

drei  Thiere.  Das  erste  trägt  das  Rohr  (pieza),  das  zweite  die  La- 
fette (coruiia),  das  dritte  die  Munition. 

Auf  Commando  treten  8  Mann ,  4  und  4  sich  gegenüber, 
hart  an  das  Geschütz,  hinter  welchem  zwei  4  Fuss  lange  schmale 
lederne  Munitionskasten  stehen,  in  weissen  Buchstaben  die  Num- 
mer der  Brigade,  Batterie  imd  des  Geschützes  angebend.  In 
jedem  Munitionskasten  sind  6  Granaten-  und  2  Kartätschen- 
Schüsse.  Im  Frieden  gehören  4,  im  Kriege  10  Munitionskasten 
zu  jedem  Geschütz.  '  Aus  der  dahinter  aufgestellten  Reihe  der 
gerichteten  Maulthiere  werden  zwei  vorgeführt,  das  eine  vor, 
das  zweite  hinter  das  Geschütz ,  beide  mit  dem  Hintertheile  ge- 
gen dasselbe  gewendet.  Auf  ein  weiteres  Commando  treten  zwei 
Mann  an  die  Munitionskasten  imd  heben  dieselben  einen  nach 
dem  andern  auf  das  hinterste  dritte  Maulthier;  drei  Mann  heben 
das  Geschützrohr  ab,  indem  sie  die  eine  beschlagene  Geschütz- 
stange hineinstecken  und  die  Traube  in  einen  in  der  Mitte  der 
zweiten  Stange  befestigten  eisernen  Ring  hängen,  und  so  das 
Rohr  vom  an  der  im  Rohre  steckenden  Stange  durch  einen 
Mann,  die  hintere  Stange  durch  zwei  Mann  getragen  auf  das 
Sattelgestell  des  mittelsten  Thieres  legen  und  befestigen,  wäh- 
rend die  drei  letzten  Artilleristen  die  Lafette  mit  den  Rädern 
auf  das  Sattelgestell  des  vordersten  Thieres  heben  und  an- 
schliessen.  Das  mittelste  Maulthier  wird  umgewandt,  und  es 
stehen  nun  die  drei  Maulthiere  hinter  einander  gerichtet;  vom 
das  Thier  mit  der  Lafette,  dann  das  Thier  mit  dem  Geschütz, 
zuletzt  das  Thier  mit  der  Munition.  Die  Mannschaft  tritt  zusam- 
men, und  in  unglaublich  kurzer  Zeit  ist  wieder  abgeladen,  das 
Geschützrohr  aufgelegt  und  bedient.  Die  Sättel  und  Gestelle 
sind  sehr  schwer  und  praktisch  eingerichtet,  so  dass  auf  jedes 
Gestell  das  Rohr,  oder  die  Lafette,  oder  die  Mimition  gelegt,  also 
auch  mit  der  Last  auf  Märschen  gewechselt  werden  kann.  Jeder 
Sattel  wiegt  1  Quintal  (Centner),  das  Geschützrohr  2  Quintales,  die 
Lafette  2  Quintales  und  die  Munition  1^.  Die  letztere  trägt  sich, 
nicht  allein  des  geringeren  Gewichts ,  sondern  der  Verpackung 
wegen  am  leichtesten;  das  Geschützrohr,  weil  die  volle  Last 


d26 

jiussobliesßlich  auf  die  Mitte  des  Rückens  drückt^  pm  schwerstea; 
die  Lafette  um  deshalb  leichter,  weil  die  beiden  R&der  die  ^^ast 
zu  beiden  Seiten  mehr  vertheilen. 

Mit  dem  grossesten  Vergnügen  habe  ich  einige  Male  die 
Artillerie -Kasernen  und  Ställe  besucht,  und  mich  eben  so  über 
die  musterhafte  Ordnung  und  Reinlichkeit,  die  überall  herrscht, 
4il8  über  die  ausgezeichnete  Haltung  der  Mannschaft^  ihre  Frische 
und  Tüchtigkeit  gejQreut 

Es  besteht  auf  dem  Festlande  eine  Jimta  superior  econo- 
mica  de  Artilleria,  der  General-Direction  untergeordnet,  deren 
Bestimmung  es  ist,  Alles  zu  prüfen,  was  die  Ausgaben,  die  Be- 
stände, das  Material  anbetriffl;,  und  die  Methoden  der  öccmomi- 
schen  Departements -Junten  in  Einklang  zu  bringen. 

Eine  andere  Junta  facultativa  de  Artilleria  bemüht  sich, 
durch  ihre  Unterstützung  dem  obersten  Chef  des  Corps  die  Be- 
aufsichtigung imd  Leitung  desselben  zu  erleichtem. 

Diese  Junten  bestehen  je  aus  einem  Präsidenten,  Viee- 
Präsidenten,  4  Mitgliedern  und  dem  Secretariate.  Ausser  den 
militairischen  Mitgliedern  der  Junta  superior  economica  werden 
ein  höherer  Rechnungs- Beamte  und  ein  Eriegs-Conunissair  zu 
den  Sitzungen  zugezogen. 

Die  Secretaria  der  General-Direction  zählt  11  Mitglieder. 

Die  Hauptstadt  des  ersten  Artillerie -Depart^nents  ist  Bar- 
celona. Dort  sind  2  Brigaden  des  ersten  Regiments,  eine  Berg- 
brigade, eine  schwere  Brigade  und  die  Handwerks -Compagnie 
(maestranza)  stationirt.  Artillerie -Festungs-Commandanten  die- 
ses General- Capitanats  stehen  in  Barcelona,  Figueras,  Mallorca, 
Menorca,  Tarragona,  Tortosa,  Lerida,  la  Seo  de  Urgel,  Car- 
dona,  Gerona  und  Rosas. 

Die  Hauptstadt  des  zweiten  Departements  ist  Valencia. 
Dort  stehen  2  Brigaden  des  zweiten  Regiments,  eine  Bergbri- 
gade und  die  Handwerks -Compagnie  zu  Cartagena.  Es  gehiSren 
dazu  die  Pulyer&brik  zu  Murcia,  die  Salpet^fabriken  zu  Zara- 
goza und  Lorca,  die  Schwefelminen  von  Hellin.  Festungs-Axtil- 


527 

lerie-CommAndaaten  befinden  sich  zu  Cartagena,  Valencia,  Ali- 
cante,  Zaragoza,  Jaca,  Peniscola,  MoreJla  und  Murviedro. 

Sevilla  ist  die  Hauptstadt  des  dritten  Departements.  In 
demselben  sind  drei  Brigaden  des  dritten  Regiments,  eine  rei- 
tende ,  eine  schwere  und  eine  Bergbrigade  staüonirt.  Dsusu  ge- 
hört die  Brigade  von  Ceuta  in  Afirica,  die  Handwerks -^C<Hnpagnie 
zu  SeviUa,  die  Bronce-Giesserei  daselbst,  die  Fabrik  der  Kupfer- 
hütchen, die  pyrotechnische  Centralscbule,  die  Feuersteinj&brik 
zu  Loja,  die  Pulver-  und  Salpeterfabrik  zu  Granada,  die  Schwe- 
felmine  von  Benamaurel.  Festimgs -Artillerie -Commandanten 
des  Districts  sind  stationirt  in  Sevilla,  Gadiz,  Badajoz,  Malaga, 
Algesiras,  Ceuta,  Almeria,  San  Fernando,  Granada^  MeliUa,  Ta- 
rifa, die  Chafarinen- Inseln  und  Olivenza. 

Im  vierten  Departement  ist  Coruna  die  Hauptstadt  Es 
stehen  in  demselben  2  Brigaden  des  vierten  Regiments  und  eine 
Brigada  montada;  es  gehört  dazu  die  Handwerks -Compagnie 
zu  Coruna,  die  Gewehrfabrik  zu  Oviedo,  die  Geschütz-  imd  Mu- 
nitions-Giesserei  zu  Trubia.  Festungs- Artillerie -Commandanten 
stehen  in  Coruna,  Ferrol,  Vigo,  Gyon. 

Segovia  ist  die  Hauptstadt  des  fünften  Departements.  Dort 
sind  die  Brigaden  des  fünften  Regiments,  eine  schwere  und  eine 
Bergbrigade,  die  Handwerks -Compagnie  von  Segovia,  die  Waf- 
fenfabrik von  Toledo,  die  Gewehrfabrik  von  Placencia,  die  Mu- 
nitionsfabrik (£isenguss)  von  Orbaiceta,  die  Pulverfabrik  von 
Ruidera,  die  SalpeterGäbriken  von  Tembleque  imd  Alcazar  de 
San  Juan;  desgleichen  befindet  sich  in  diesem  Departement  die 
Cadettenschule  (Colegio  y  Compania  de  Caballeros  Cadetes)  zu 
Segovia.  Artillerie -Festungs- Commandanten  sind  stationirt  in 
Madrid,  Pamplona,  San  Sebastian,  Santander,  Ciudad  Rodrigo, 
Santona,  Valladolid,  Burgos,  Yitoria,  Zamora. 

Auf  den  Canarischen  Inseln  steht  eine  schwere  Brigade. 

Die  Artillerie-Yerwaltungs-  undRechnungs-Behörde  (Cuerpp 
de  cuenta  y  razon)  besteht  aus  einem  Intendanten,  6  Kriegs-  und 
Artillerie- Departements -Rftthen  erster,  19  zweiter  Klasse,  2  Su- 
ipecDumerarien  erster  und  3  zweiter  iKlasse,  4  honoraiios  zweiter 


528 

und  2  dritter  Klasse,  und  27  Oficiales  erster,  zweiter,  dritter 
Klasse  mit  dem  erforderlichen  Kanzlei -Personale. 

Der  Gerichtshof  für  die  Artillerie  ( Juzgado  general  y  priva- 
tivo)  besteht  aus  einem  General -Assessor,  einem  Fiscal  und 
einem  Gerichtsschreiber.  In  jedem  Artillerie -Departement  befin- 
det sich  ein  Untergericht,  zusammengesetzt  aus  dem  Sub- 
inspector,  einem  Assessor,  einem  Fiscal- Ad vocaten  und  einem 
Gerichtsschreiber.  An  denjenigen  Orten,  wo  Fabriken,  Hand- 
werks-Compagnien  oder  industrielle  EtabUssements  sich  befin- 
den, welche  weit  entfernt  von  der  Hauptstadt  des  Departements 
liegen,  sind  Gerichts -Commissionen  niedergesetzt,  die  aus  einem 
höheren  OfBcier  der  Waffe,  aus  einem  Assessor,  einem  Fiscal 
und  einem  Schreiber  bestehen. 

Es  muss  schliesslich  noch  erwähnt  werden,  dass  die  Artille- 
rie ein  sehr  interessantes,  vortre£Qich  geordnetes  und  unterhal- 
tenes Museum  besitzt,  welches  unter  die  Beaufsichtigung  eines 
Brigadiers  als  Directors  gestellt  ist.  Das  Gehalt  der  Artillerie, 
nach  Abrechnung  der  Abzüge,  beträgt  monatlich  für  den 
Sargento  . .  I.  Klasse  188  r.    8  m.  IL  Klasse  169  r.  14  m. 

Cabo I.       .         94  »     4   »    n.       .         75  »  10   » 

Artilleristen  I.       »         66  .  12   »    H.       .         60  »  24   » 
nebst  Brod,  Holz,  Oel  und  Bett. 

Das  Ingenieur-Corps  (Cuerpo  de  Ingenieros).  Wenn  die 
Spanische  Armee  ihrem  Vaterlande  zur  Ehre  und  Zierde  gereicht, 
so  bildet  das  Ingenieur- Corps  ein  kostbares  Juwel  in  diesem 
Schmucke.  In  seiner  Organisation,  in  seiner  Tüchtigkeit  und  in 
seinen  Leistungen  steht  dies  Corps  unter  den  Auspicien  seines 
würdigen  Vertreters  so  ausgezeichnet  da,  dass  jedes  Land  Euro- 
pas, dem  es  angehören  möchte,  stolz  auf  seinen  Besitz  sein  würde. 
Die  Geschichte  hat  uns  gezeigt,  dass  es  in  den  verschiedenen 
Völkerstämmen  der  Erde  eben  keiner  besonderen  Entwickelung 
der  Civilisation  bedurfte,  um  sich  durch  die  Wahl  der  Wohn- 
plätze, durch  natürliche  oder  künstliche  Schutzwehren  gegen 
feindliche  Ueberf&lle  sichern,  gegen  feindliche  Angriffe  verthei- 
digen  zu  können.  Die  Celtiberier  in  Spanien  befanden  sich  noch 


529 

im  leidlichen  Naturzustande,  als  sie  ihre  Cyclopenmauem  errich- 
teten, welche  Jahrtausenden  Trotz  geboten  haben.  Die  Umwal- 
lungen der  Städte  als  solche  erföllten  nach  Erfindung  des  Schiess- 
pulvers ihren  Zweck  nicht  mehr ;  die  alten  Systeme  der  Befesti- 
gung mussten  aufgegeben,  es  mussten  neue  Principien  der  Ver- 
theidigung  und  des  Angriffs  erdacht  und  durchgeführt,  kurz  die 
Fortüication  musste  zur  Wissenschaft  erhoben  werden.  Spanien 
blieb  in  dieser  Beziehung  keinesweges  hinter  den  Anforderungen 
seiner  Zeit  zurück.  Unter  Isabella  der  Kathoüschen,  imter  Carl  I 
(V),  unter  PhiÜpp  II  war  es  nicht  das  Kriegsglück,  es  war  das 
Uebergewicht  der  entwickelten  Kriegskunst,  welche  Erfolge  her- 
beiführte, die  Spanien  auf  den  Höhepunkt  seines  Ruhmes  und 
seiner  Grösse  erheben  mussten.  Die  damals  in  Spanien  und  den 
Niederlanden  errichteteii  Academien  bildeten  die  Pflanzschule 
tüchtiger  Ingenieure,  aber  man  war  der  Ansicht,  deren  Thätig- 
keit  nicht  zu  einer  selbstständigen  Entfaltung  gelangen  zu  lassen, 
sie  vielmehr  von  den  Urtheilen  anderer  Waffengattungen  abhän- 
gig zu  machen.  So  sollte  es  erst  Phiüpp  V  vorbehalten  bleiben, 
nach  dem  Vorbilde,  das  ihm  Heinrich  IV  von  Frankreich  gege- 
ben, in  Spanien  am  24  April  1711  ein  besonderes  Ingenieur- 
Corps  zu  errichten. 

Die  Spanischen  Ingenieurs  haben  in  allen  Kriegen  Aus- 
gezeichnetes geleistet;  sie  haben  in  Friedenszeiten  Festungs- 
werke renovirt,  neue  erbaut,  gemeinnützige  Anlagen  ausgefBhrt, 
Arsenale,  Werkstätten,  Hafenbauten,  Landstrassen  und  Canäle 
hergestellt,  und  sich  um  die  Wissenschaft  durch  Karten,  Pläne, 
topographische  und  hydrographische  Arbeiten  verdient  gemacht 
Die  Strassen  von  Andalusien  und  Castilien,  die  Chaussee  durch 
die  Cabrillen,  der  Canal  von  Castilien  sind  solche  Werke,  die  für 
sich  selbst  sprechen.  Im  Jahre  1774  wurde  das  Corps  in  drei  Sec- 
tionen  unter  drei  Generale  getheilt;  die  erste  übernahm  die  Lei- 
timg und  den  Unterricht  in  den  Militair- Academien,  die  zweite 
föhrte  Land-  und  Wasserbauten  für  die  Regierung  aus,  die 
dritte  verfolgte  ausschliesslich  militairische  Zwecke. 

▼.  Minutoli,  Spanien.  34 


530 

Eine  Division  des  Corps  befindet  sich  in  den  überseeischen 
Provinzen,  und  hat  durch  ihre  Werke,  wie  durch  die  uHssen- 
schaftlichen  Beiträge  flir  Geographie  und  Geschichte  jener  Län- 
der grosse  Anerkennung  erworben. 

Am  5  September  1802  ward  das  Königliche  Regiment  der 
Zapadores  minadores  mit  2  Bataillonen  errichtet,  ausschliesslich 
fiir  den  Campagnedienst  bestimmt.  Dies  Corps  war  das  erste, 
welches  1808  seine  Fahne  wider  Napoleon  erhob. 

Im  Jahre  1851  war  das  Ingenieur -Corps  durch  einen  Gefe 
Superior  aus  der  Klasse  der  Generale  dirigirt^  welcher  den  Titel 
«Ingenieur- General  der  Heere,  Festungen  imd  Grenzen  des  Kö- 
nigreichs» fuhrt,  und  zu  gleicher  Zeit  General -Inspector  der 
Truppen  dieser  Waffe  ist>  die  sich  im  Dienste  befinden  und  ihre 
Thätigkeit  nach  den  verschiedenen  Richtungen  ihres  Berufes 
entwickeln.  Auf  der  Halbinsel  sind  3  Mariscales  de  Campe  als 
Directores  subinspectores  angestellt;  7  Brigadiers  con  letras  de 
servicio  als  Directoren;  7  Obersten  als  XJnterdirectoren,  14  Ober- 
sten, 19  Oberst -Lieutenants,  18  erste  Commandanten,  61  Capi- 
taine  und  80  Lieutenants.  In  den  überseeischen  Provinzen  sind 
ausserdem  ein  Mariscal  de  Campo  als  Director,  ein  zweiter  Di- 
rector  mit  dem  Range  eines  Brigadiers,  3  Obersten,  1  Oberst- 
Lieutenant,  15  erste  Bataillons  -  Commandanten  und  16  Capitaine 
im  Dienst. 

Die  Truppen  dieser  Waffe  bilden  ein  Regiment,  mit  Chefs 
und  Ingenieur -Offideren  versehen,  in  deren  Ermangelung  zur 
Complettirung  Officiere  von  der  Linie  commandirt  werden.  Das 
Ingenieur- Regiment  besteht  aus  3  Bataillonen  zu  6  Compagnien, 
nämlich  1  Pontonnier-,  1  Mineur-  und  4  Sapeur-Compagnien. 
In  jeder  Compagnie  sind  18  Handwerker,  1  Unterofficier  (Sar^ 
gento),  1  Gefreiter  (Cabo)  und  8  Sapeure,  welche  die  zum  Spe- 
daldienst  des  Train  bestimmte  Abtheilung  bilden ;  dazu  kommen 
2  Mann  jugendlicheren  Alters,  welche,  vereinigt  mit  denen  der 
übrigen  Compagnien,  als  die  Section  der  Zapadores  jovenes  be- 
stimmt sind,  die  Klassen  der  Gefreiten  und  Unteroffidere  au 
ganzen. 


531 

Das  Ingenieur -Regiment  ist  in  Guadalajara  stationirt.  Dort 
ist  zur  tüchtigen  wissenschafUichen  Vorbildung  von  Ingenieiir- 
Officieren  eine  Academie  errichtet^  deren  Alumnen  in  einem  vier- 
jährigen Zeiträume  den  theoretischen  und  praktischen  Unterricht 
ihrer  Waffe  erhalten*  Zur  Ertheilung  dieses  Unterrichts  sind  ein 
Studien-  und  ein  Disciplinar-Director,  9  Professoren  und  4  Hül£s- 
Professoren  angestellt,  auch  ist  durch  die  ganze  Einrichttmg  imd 
Ausstattung  der  Anstalt  in  würdigster  Weise  gesorgt. 

Die  Academie  befindet  sich  in  den  schönen  und  weiüäufti- 
gen  Gebäuden,  welche  Philipp  V  errichten  Hess,  um  durch  eine 
im  grossartigsten  Maasstabe  angelegte  Tuchfabrik  zunächst  den 
diesfäUigen  Bedarf  für  ganz  Spanien  zu  decken.  Das  Etablisse- 
ment Utt  jedoch  in  seinen  Grundlagen  an  solchen  Mängeln,  dass 
die  unter  Carl  lU  in  den  Jahren  1757  bis  1784  durch  den  Mini- 
ster Florida  Bianca  eingeleiteten  mehrfachen  ReorganisationiS- 
Versuche  ohne  allen  Erfolg  blieben.  Von  den  Franzosen  zer- 
stört^ wurden  die  Baulichkeiten  durch  Ferdinand  VII  wieder  her- 
gestellt, \md  im  Jahre  1839  durch  Eönigl.  Decret  vom  1  October 
zu  ihrer  jetzigen  Bestimmung  eingerichtet 

Zur  Aufnahme  in  die  Academie  ist  das  sechszehnte  Lebens- 
jahr erforderlich,  und  eine  gesunde  und  kräftige  Natur,  geeignet^ 
den  anstrengenden  Dienst  ertragen  zu  können.  Es  werden  Offi- 
cierssOhne  und  Cadetten  der  Armee,  so  wie  Alumnen  aus  bürger- 
Uchen  Verhältnissen  aufgenommen;  die  ersteren  richten  ihr  Auf- 
nahmegesuch durch  ihre  Vorgesetzten  an  Ihre  Majestät  die  Kö- 
nigin, die  anderen  an  den  Ingenieur- General,  unter  Beifügung 
der  erforderlichen  Documente  über  die  Familien -Verhältnisse 
und  tadellose  Führimg.  Vor  der  Zulassung  zur  Prüfung  findet 
eine  körperliche  ärztliche  Untersuchung  statt.  Die  erforderliche 
wissenschaftliche  Vorbildung  wird  durch  Examina  festgestellt, 
welche  im  Monat  JuU  statt  finden  und  von  fünf  Professoren  ge- 
leitet werden. 

Die  Prüfung  setzt  ziemlich  gründliche  Kenntnisse  in  der 
Arithmetik  und  Algebra  voraus,  in  der  Geometrie,  in  der  Trigo- 
nometria  rectelinea  und  Geomettia  practica^  und  endlich  im  Zeich- 

34' 


532 

neiif  in  Sprachen,  Geschichte  und  Geographie.  Nur  diejenigen  wer- 
den aufgenommen,  welche  in  den  drei  ersten  Gegenständen  gut 
bestehen.  Nach  dem  Ausfall  der  Prüfiing  rangiren  die  Aspiran- 
ten zur  Besetzung  der  statt  findenden  Vacanzen.  Diejenigen, 
welche  nicht  militairischen  Sold  von  der  Armee  beziehen,  müs- 
sen den  Kostenbetrag  für  die  Theilnahme  an  den  Studien  für 
das  erste  Halbjahr  im  Voraus  deponiren.  Es  beläuft  sich  der- 
selbe auf  1800  r.,  also  10  r.  (21  Silbergroschen)  täglich. 

Die  Alumnen  der  Ingenieurschule  stehen  in  gleicher  Cate- 
gorie  mit  den  Cadetten  der  Armee.  Nach  zwei  Studienjahren 
können  sie  zu  Unterlieutenants  avanciren,  in  welcher  Eigenschaft 
sie  bis  zum  Austritte  verharren,  wo  sie  als  Lieutenants  in  das 
Corps  einrangirt  werden.  Der  jährliche  Unterrichts -Cursus  be- 
ginnt am  1  September  imd  dauert  bis  zum  Schluss  des  Monats 
Juni.  Zwischen-Ferien  finden  nur  an  den  hohen  Festtagen  statt. 

Die  Unterrichts -Gegenstände  vertheilen  sich  auf  zwei  Klas- 
sen und  einen  vierjährigen  Lehr- Cursus  wie  folgt: 

Im  ersten  Jahre. 

Erste  Klasse:   1.  Differenzial-  und  Integral -Rechnung. 

2.  Analytische  und  angewandte  Geometrie. 

3.  Sphärische  Trigonometrie  und  Cosmogra- 
phie. 

4.  Speculativer  oder  höherer  Theil  der  Feld- 
messkunst 

Zweite  Klasse:   1.  Beschreibende  Geometrie. 

2.  Schattenlehre. 

3.  Lineal-Perspective. 

4.  Topographie. 

Im  zweiten  Jahre. 

Erste  Klasse:   1.  Speculative  Mechanik. 

2.  Angewandte  Mechanik. 

3.  Maschinenlehre.'' 


533 

Zweite  Klasse:  1.  Allgemeine  Physik. 

2.  Optik  und  Licht-Peispectlye. 

3.  Chemie. 

Im  dritten  Jahre. 

Erste  Klasse:   1.  Vorarbeiten  zur  Construction. 

2.  Gleichgewicht  und  resistencia  de  las  piezas. 

3.  Construction  in  Erde  imd  Stein. 

4.  »  in  Holz  und  Eisen. 

5.  Gewölbebau  (Bovedas). 

6.  Architectur. 

7.  Wegebau. 

8.  Brückenbau. 

9.  Canalbau. 

Zweite  Klasse:  1.  Physische  Geographie. 

2.  Geologie. 

3.  Das  Schneiden  und  Bearbeiten  der  Steine. 

4.  Schneiden,  Verbinden  und  Befestigen  des 
Holzes. 

5.  Maschinen  zum  Bau  anzuwenden. 

6.  Fliegende  Brücken. 

7.  Geräthe  und  Eisenwerkzeuge. 

Im  vierten  Jahre. 
Erste  Klasse:   1.  Artillerie;    Beschreibung    der   alten    und 

neueren    Angriffs-    und    Vertheidigungs- 
Waffen. 

2.  Feldfortification;  ihr  Angriff  und  Verthei- 
digung. 

3 .  Dauernde  Fortification ;  ihr  Angriff  und  Ver- 
theidigung. 

4.  Minen. 

5.  Militair-Brücken. 

6.  Allgemeine  Taktik. 

7.  Strategie. 

8.  Militairische  Kenntnisse  imd  Erfthrungen. 


534 

Zweite  Klasse:    Zeichnen,  mit  Bezug  auf  die  in  der  ersten 

Klasse  desselben  Jahres  vorgetragenen  Ma- 
terien. 
Die  Unterrichtsstunden  der  ersten  Klasse  beginnen  um  9  Uhr 
Morgens 9  dauern  l\  Stunden;  die  der  zweiten  Klasse  beginnen 
nach  einer  Viertelstunde  Zwischenzeit  und  dauern  gleichfalls 
1-1  Stunden;  der  Zeichnenunterricht  täglich  Vormittags  eine 
Stunde.  Das  Planzeichnen  wird  nach  der  Lehmann -Müffling- 
schen  Methode  gelehrt.  Das  Studium  der  Ordonnanzen  und  mi- 
litairischen  taktischen  Anordnungen  sammtlicher  Waffen  wird 
in  einer  besonderen  Klasse  Nachmittags  theoretisch  und  prak- 
tisch gelehrt.  Des  Donnerstags  werden  Excursionen  gemacht^ 
um  Feldmessen  oder  praktische  Versuche  zur  Erläuterung  der 
vorgetragenen  Theorien  zu  üben. 

Nach  dem  beendeten  academischen  Lehrcursus  werden  die 
früheren  Alumnen  in  ihrer  Eigenschaft  als  Lieutenants  zu  grösse- 
ren praktischen  Uebungen  im  Festungsbau,  Schiffbrückenbau,  in 
Manövern  und  Scheingefechten  etc.  geübt.  Examina  werden,  wie 
auf  allen  Spanii^chen  Lehrinstituten,  so  auch  auf  der  Academie 
zu  Guadaligara,  sehr  viele  absolvirt     Zunächst: 

1.  Die  Prüfung  zur  Aufnahme  durch  5  Professoren; 

2.  am  Schlüsse  jeden  Monats  von  jedem  Professor  in  dem  er- 
theilten  Unterrichts- Gegenstande; 

3.  am  Schlüsse  jedes  Jahres  von  3  Professoren ; 

4.  am  Schlüsse  des  vierjährigen  Cursus  von  5  Professoren. 
Die  Alimmen,  welche  bei  den  Versetzungs -Prüfungen  nicht 

genügende  Kenntnisse  nachweisen,  bleiben  in  ihrer  Klasse;  ent- 
spricht auch  das  nächstfolgende  Examen  oder  ihre  Führung 
nicht  den  gehegten  Erwartungen,  so  werden  sie  aus  der  Anstalt 
entfernt. 

Die  Schlussprüfungen  sind  sehr  streng.  Jeder  Examinande 
wählt  durch  das  Loos  die  zu  liefernden  Arbeiten,  zu  deren  An- 
fertigung er  eingeschlossen,  aber  mit  dem  erforderlichen  Mate- 
rial an  Büchern  versehen  wird.    Diese  Examina  sind  schriftlich 


585 

und  miindlich,  praktisch  und  theoretisch,  und  die  ertheilten 
Zeugnisse  lauten: 

1.  Vorzflglich  in  allen  Gegenständen. 

2.  Vorzüglich  in  den  meisten  Gegenständen. 

3.  Einstimmig  sehr  gut. 

4.  Der  Mehrzahl  der  Stimmen  nach  —  sehr  gut. 

5.  Einstimmig  —  gut 

6.  Der  Mehrzahl  der  Stimmen  nach  —  gut. 

Nach  dem  Ausfall  dieser  Sclilussprüfung  wird  die  Ancien* 
netät  im  Corps  bestimmt 

Im  Monat  Juli  und  August  ist  die  Anstalt  geschlossen,  in« 
dem  kein  Untenicht  ertheilt  wkd,  und  Alumnen  und  Lehrer, 
welche  es  wünschen,  die  Ferienzeit  ausserhalb  zubringen  können. 

Die  Junta  der  Professoren  zahlt  sehr  ausgezeichnete  Offi- 
eiere.  Sie  sind  sämmtUch  zu  ihrer  wissenschafUichen  Ausbildimg 
im  Auslande  gewesen;  sie  haben  neben  schätzbaren  Spraclikennt« 
lüssen  die  gründhchsten  Studien  in  ihren  Fächern,  vorzugsweise 
in  Frankreich  gemacht,  wo  insbesondere  sehr  ausgezeichnete  Ma- 
thematiker, Chemiker  imd  Physiker  gebildet  wurden.  Aber  in 
den  schönen  Räumen  der  Academie,  deren  hohe  und  helle  Säle 
nichts  zu  wünschen  übrig  lassen,  ist  auch  fiir  eine  ausgewählte 
Bibliothek,  für  ein  sehr  schönes  Cabinet  fiir  Naturgeschichte,  für 
eine  reichhaltige  Sammlung  der  neuesten  Instrumente  für  Feld* 
messkunst,  Topographie,  Mechanik,  Electricität,  Physik  und 
Chemie  aus  den  ersten  Werkstätten  des  Auslandes,  es  ist  för 
ein  höchst  zweckmässiges  Laboratorium  für  Chemie,  ein  beson- 
ders eingerichtetes  Zimmer  fiii'  Versuche  in  der  Optik,  und  end- 
lich für  ein  wohlgeordnetes  Museum  gesorgt,  welches  eine  voll- 
ständige Modellkammer  für  alle  Arten  der  Construction  und 
Fortüication ,  für  Material  in  allen  Stein-  und  Holzarten,  Mörtel, 
Kalke,  Maschinen,  Pontons,  Werkzeuge,  Geräthe  und  Waffen 
bild(md,  eben  so  interessant  för  den  Beschauer,  als  nützlich  und 
belehrend  für  den  Schüler  ist 

Ich  kann  mit  Genugthuung  aussprechen,  dass  ich  mit  be- 
sonderem Vergnügen  die  Academie  in  Guadalajara  besucht  habe. 


536 

Eben  daselbst  befinden  sich  aber  auch  in  dem  alten»  auf  der 
Höhe  belegenen,  vortreflfüch  benutzten  Kloster  des  heili^n 
Franciscus  die  Handwerker -Werkstätten.  Das  Bloster  ward  im 
Jahre  1200  durch  Donna  Berenguela  für  die  Templer  errichtet, 
durch  Admiral  Mendoza  1393  umgebaut,  und  ist  nach  Auf- 
hebung der  Klöster  seiner  jetzigen  Bestimmung  übergeben,  und 
neuerdings  mit  zinnengekrönten  Mauern  umgeben  und  befestigt 
Unter  der  sehr  tüchtigen  Leitung  von  0£ficieren  werden  hier  die 
Handwerker  ausgebildet  für  die  Anfertigung  der  Wagen,  Brücken, 
Lafetten  und  Geschützparke.  Das  Zeughaus  enthält  AUes,  um  bei 
plötzUcher  Mobilmachung  den  ganzen  Train  mit  den  erforder- 
lichen Gespannen  und  Geschirren  sofort  in  Bewegung  zu  setzen. 

EndUch  besteht  in  Guadalajara  unter  der  Direction  eines 
talentvollen  Ingenieur -Capitains  ein  Gymnasium,  in  welchem 
auch  diejenigen  jungen  Leute  unterrichtet  werden,  welche  auf 
Kosten  der  Regierung  ihre  wissenschaftUche  Vorbildung  für  den 
Kriegsdienst  erhalten.  Ich  habe  den  Pompiers-  und  Turnübun- 
gen dieser  Schaar  frischer,  kräftiger  und  körperhch  gewandter 
Knaben  zugesehen.  Die  Uebimgen  sind  eben  so  zweckmässig 
als  praktisch ;  im  Springen,  im  Erklettern  von  Mauern  und  Mus- 
kelkraft-Uebungen  wird  AusserordentUches  geleistet,  und  ich 
bedauere  aufrichtig,  dass  der  Raum  mir  nicht  gestattet,  in  die 
Details  einiger  Uebungen  hier  einzugehen,  welche  ausschliesslich 
darauf  berechnet  sind,  bei  Schanzarbeiten,  Brückenschlagungen, 
Sturmlaufen  durch  Gelenkigkeit,  Krafl  imd  GeschickUchkeit  zu 
ergänzen,  was  an  sonst  gebräuchUchen  Hülfsmitteln  etwa  nicht 
zur  Stelle  sein  sollte. 

Zur  Au&ahme  der  Festungsplane,  der  Grenzen  und  Küsten, 
und  zur  Beaufsichtigung  tmd  Unterhaltung  der  Festungswerke 
selbst  ist  eine  topographische  Brigade,  aus  einem  Chef,  2  Goips- 
Officieren,  2  Sargenten  erster,  4  zweiter  Klasse,  2  Cabos  erster, 
4  zweiter  Klasse  xmd  8  Sapeurs  bestimmt,  so  wie  far  die  Un- 
terhaltung der  Fortificationen  eine  Anzahl  von  Officieren  in  die 
Festungen  commandirt  sind. 


537 

Die  15  Subinspectionen  correspondiren  mit  den  General* 
Capitanaten.  Unter  der  General- Dir ection  steht  das  Secretariat, 
das  Archiv,  das  Museum,  das  Depositum  topographicum ,  die 
Bibliothek,  die  Correspondenz  mit  dem  Auslande  und  die  ausser- 
ordentlichen Commissionen,  welche  in  militair-wissenschafUicher 
Beziehung  nach  den  HaupÜändem  Europas  ausgesandt  werden. 
Unter  der  Bezeichnung  von  Subaltem -Beamten  sind  zwei  Klas- 
sen von  Oficialen  in  Thätigkeit;  die  eine,  um  die  Leitung  der 
auszuführenden  Bauten  zu  übernehmen;  die  andere,  um  das 
Rechnungswesen  des  Corps  zu  leiten.  Die  ersteren  sind  Werk- 
meister ersten  und  zweiten  Ranges,  die  anderen  Bauaufseher  und 
Castellane. 

Das  Juzgado  privativo  dieses  Corps  besteht  in  dem  Appell- 
hofe in  Madrid,  zusammengesetzt  aus  dem  Ingenieur- General, 
1  Assessor  general,  1  Fiscal,  1  Gerichtsschreiber,  1  Procurador 
und  Alguazil.  Die  Untergerichte,  welche  in  jeder  der  15  Sub- 
inspectionen der  Halbinsel  und  Adjacenten  niedergesetzt  sind, 
so  wie  in  dem  Stationsorte  Guadalajara,  sind  durch  einen  Chef 
oder  Director,  1  Assessor,  1  Advocat- Fiscal  und  1  Gerichts- 
schreiber gebildet 

Durch  KönigUches  Decret  vom  31  Juli  1850  ist  eine  Com- 
pagnie  von  Ingenieur-Handwerkern,  unabhängig  vom  Re^mente, 
ausschliesslich  für  den  Dienst  in  Cuba  bestimmt  (105  Mann),  mit 
einem  Capitain  als  Chef,  2  Lieutenants,  2  Unterlieutenants  der 
Infanterie,  1  Sargenten  erster,  4  zweiter  Klasse,  1  Fourier,  8  Ca- 
bos  erster,  8  zweiter  Klasse,  1  Tambour,  1  Hornisten,  25  Hand- 
werker ersten  und  80  zweiten  Ranges. 

Die  Uniform  der  Ingenieure  besteht  aus  einem  Türkisch 
blauen  Leibrock,  blauen  Brustaufschlag  (solapa)  mit  7  weissen 
Knöpfen  auf  jeder  Seite;  Kragen,  Aufschläge,  Schoossbesätze 
scharlachroth ;  am  Kragen  und  in  den  Rockschössen  die  Thürme 
von  Castilien  in  Silber;  3  Knöpfe  sind  auf  dem  Aermelaufschlag; 
auf  den  Knöpfen  die  Krone,  auf  dem  Hutschilde  die  Bezeichnung 
(Guerpo  de  Ingenieros);  blaue  Beinkleider,  silbergalonirter  Hut. 


538 

Das  Regiment  trä^  dieselbe  Uniform,  mit  dem  Unterschiede, 
dass  auf  dem  Schilde  (lama)  «Regimiento  de  Ingenieros»  steht; 
der  Helm  ist  von  Leder  mit  weissem  Beschlag  und  Zierratli. 

Am  21  September  1847  bewilligte  Ihre  Majestät  die  Köni- 
gin dem  Regimente,  als  eine  Anerkennung  für  seine  Tapferkeit 
und  Führung,  tm  seine  drei  Bataillonsfahnen  die  Bänder  des  Or- 
dens von  San  Fernando,  und  am  15  November  1850  fiind  der 
feierliche  Act  selbst  statt,  in  welchem  die  Königin  in  Gegenwart 
der  Minister,  vieler  Generale  und  der  Gesammt- Garnison  von 
Madrid  diese  Ehrenzeichen  an  die  Fahnen  befestigte. 

Al\jahrUch  erscheint  eine  besondere  Rangliste  für  das  In- 
genieur-Corps, mit  vollständigen  Nach  Weisungen  über  den  Stand 
und  die  im  Verlaufe  des  verflossenen  Jahres  eingetretenen  Ver- 
änderungen. 

Das  Corps  ist  im  Besitz  einer  lithographischen  und  einer 
Druckerpresse.  Auf  der  ersteren  werden  die  Vorträge  der  Pro- 
fessoren durch  Ueberdruck  vervielfältigt;  auf  der  anderen  kön- 
nen die  Ofificiere  literarische  Arbeiten  gegen  Erstattimg  der  haa- 
ren Auslagen  drucken  lassen. 

Am  25  Mai  1851  legte  der  Kriegs -Minister  der  Königin  ein 
Memoire  vor,  worin  er  auseinander  setzte,  dass  das  Vertheidi- 
gungs- System  Spaniens  unvollständig  und  ungenügend  sei;  dass 
ein  grosser  Theil  der  Festungen  nach  veralteten »  der  modernen 
Kriegs  -  und  Befestigungskunst  nicht  entsprechenden  Systemen 
erbaut  sei,  dass  in  allen  Ländern  Europas  seit  1815  die  Jahre 
des  Friedens  benutzt  wären,  um  neue  und  starke  Festungswerke 
aufzufuhren,  und  dass  mithin  in  Spanien  zunächst  eine  Conunia- 
sion  von  Sachverständigen  niedergesetzt  werden  möchte,  um 
den  jetzigen  Zustand  der  Dinge  an  Ort  und  SteUe  zu  prüfen  und 
danach  die  erforderlichen  Vorschläge  vorzubereiten.  Durch  Kö- 
nigliche Decrete  vom  25  Mal  1851  wurde  eine  solche  Conunis- 
sion  bestellt,  bestehend  aus  dem  (reneral  Zarco  del  Valle  als 
Präsidenten,  2  General-Lieutenants,  7  Brigadiers  und  3  Senato- 
ren des  Königreichs ,  mit  dem  Auftrage ,  ihre  Vorschläge  über 
die  Erhaltung  und  Erweiterung  der  Hauptfestungen,  über  die 


539 

etwa  neu  anzulegenden  fortificatorischen  Werke  und  zu  befesti- 
genden Platze,  und  über  die  Art  und  Weise,  wie  die  Werke  der 
als  Festungen  Preis  zu  gebenden  Plätze  geschleift  oder  ander- 
weit erhalten  oder  verwerüiet  werden  können. 

Die  Commission  hat  ihre  Arbeiten  bereits  mit  grosser  Thä- 
tigkeit  begonnen. 

Die  Spanische  Cavallerie  (Caballeria).  Die  15  Regi- 
menter Carabineros  und  Ulanen  (lanceros)  haben  nach  der  Or- 
ganisation vom  21  September  1847  je  4  Escadrons,  im  Ganzen 
522  Mann  und  446  Pferde.  Durch  Königliches  Decret  vom 
9  December  1851  wurde  ein  neues  Regiment  Cavallerie,  und 
neben  den  bestehenden  8  Escadrons  Jftgem  (cazadores)  noch 
3  Escadrons  JSger  und  eine  Remonte  -  Schwadron  in  gleicher 
Stärke  wie  die  übrigen  der  Armee  zu  bilden  befohlen,  und  be* 
stimmt,  dass  die  beiden  ersten  Ulanen -Regimenter  das  dritte 
imd  vierte  Regiment  Carabiniers  bilden  sollten.  Die  Carabiniers- 
und  Ulanen -Regimenter  bestehen  aus  4  Escadrons  zu  522  Mann 
und  400  Pferden;  die  Jäger -Escadrons  aus  134  Mann  imd  103 
Pferden;  die  Remonte-Escadrons  aus  138  Mann  und  48  Pferden. 

Das  erste  Regiment  Carabiniers  (Rey)  trägt  Metall« 
helme  mit  gelbem  Pompon  und  Wappenschild,  Schuppenketten 
vom  selben  Metall,  schwarzem  Kamm  tmd  Schweif  von  Pferde- 
haar mit  rothem  Federbusch ;  kurzer  rother  Leibrock ;  der  Kra- 
gen mit  4  Haken  geschlossen,  9  Knöpfe  auf  der  Brust,  2  in  der 
Taille;  in  den  breiten  Rockschössen  4  Granaten  in  gelbem  Tuche, 
am  Halskragen  2  goldgelbe  Litzen  und  gleiche  Einfassung;  him- 
melblauer Kragen  und  Aermelaufschläge  mit  Querlitzen  (carte- 
ras)  und  drei  kleinen  Knöpfen  besetzt;  gelbe,  convexe  Teller- 
knöpfe mit  einer  Granate;  goldgelbe  Tuch-Epauletts  mit  wolle- 
nem rothem  Rande  (pnente)  und  Franzen  (forro)  und  kleinem 
Knopfe  oben;  graublaue  Pantalons  mit  2  Zoll  breiten  rothen 
Streifen,  innerhalb  doublirt,  ohne  cuchiUos  (früher  gebräuchliche 
Sitzleder),  Linnen -Futter  bis  zur  Wade,  Steigriemen  mit  8 
Knöpfen  von  gelbem  Metall.  Grauer  Mantel  mit  rothem  Kragen 
und  gelben  Litzen,  mit  Haken  von  Metall  und  zur  Hälfte  mit 


540 

Leinwand  gefuttert  Die  Stiefelsohle  mit  40  starken  Nageln  be* 
schlagen;  eiserne  Sporen  mit  geradem  Stachel  und  achtspitzigem 
Spomrade. 

Das  zweite  Regiment  Carabiniers  (Reinar)  trägt  die- 
selbe Uniform,  mit  dem  Unterschiede,  dass  Kragen,  Aufschläge 
und  Epauletts  weiss,  die  Ränder  und  Franzen  der  letzteren  aber 
gelb  sind 

Das  erste  Regiment  Ulanen  (Principe)  ist  durch  De- 
cret  vom  9  December  1851  zum  dritten  Regiment  Carabiniers 
unter  Beibehaltung  seiner  Bezeichnung  befördert. 

Das  zweite  Regiment  Ulanen  ist  durch  dasselbe  De- 
cret  in  das  vierte  Garabinier- Regiment  verwandelt  und  fuhrt 
den  Namen  Bourbon.  Die  Uniformen  sind  dieselben  und  sollen 
in  Zukimfl  ohne  Unterschied  der  ersten  Carabineros- Regimenter 
aus  rothen  Röcken  mit  blauem  Kragen  und  Aufschlägen  bestehen. 

Das  dritte  Ulanen-Regiment  (Famesio)  wird  das  erste 
Ulanen- Regiment  und  fuhrt  die  laufende  Regiments -Nummer  5. 
Die  Uniform  besteht  in  weissem  Leibrock  und  Kragen,  kurzen 
Schössen,  roth  umgeschlagen;  rothem  Kragen  auf  dem  Ueber- 
rock  und  rothen  Franzen  an  den  Metall-Epauletts  (hombreras), 
so  wie  rothe  Streifen  an  den  graublauen  Beinkleidern.  Am  Man- 
telkragen eine  gelbe  Litze,  eben  so  wie  am  Uniformskragen; 
Haarbusch  von  rothen  Pferdehaaren;  rothes  Pompon.  Die  Re- 
giments-Niunmer  in  gelb  auf  den  Rock -Achselklappen;  gelbe 
Metallknöpfe  mit  Türkenkopf  und  zwei  gekreuzten  Lanzen; 
Schuppenketten  an  dem  Czapka  und  Beschlag  an  dem  Carabi- 
ner  gelb. 

Die  Ulanen  von  Almansa  bilden  das  zweite  Ulanen-  und 
das  sechste  Cavallerie- Regiment  Leibrock,  Kragen,  Beinkleider- 
streifen und  Pompon  gelb.  Aufschläge  an  Aermel  imd  Schössen, 
so  wie  Epauletts-Franzen  himmelblau.  Haarbusch  weiss. 

Die  Ulanen  von  Pavia,  das  dritte  Regiment  dieser 
Waffe,  das  siebente  der  Cavallerie,  hat  gelbe  Röcke  mit  schai^ 
lachrothen  Abzeichen,  in  demselben  Verhaltnisse,  wie  die  vor- 
genannten Regimenter  dieser  Waffe. 


541 

Die  Ulanen  von  Villaviciosa,  das  vierte  Regiment  der 
WaflFe,  das  achte  der  Cavallerie:  gelb  mit  carmoisin;  Pompon 
gelb,  Haaxbusch  weiss. 

Die  Ulanen  von  Espana,  das  fünfte  Ulanen-,  das  neunte 
Cavallerie-Regiment:  himmelblauer  Leibrock  mit  scharlachrothen 
Abzeichen;  Pompon  und  Haarbusch  desgleichen. 

Die  Ulanen  von  Sagunt,  das  sechste  Ulanen-  und  zehnte 
Cavallerie-Regiment:  blassgelb  mit  goldgelben  Abzeichen;  weis- 
sem Haarbusch. 

Die  Ulanen  von  Galatrava,  das  siebente  Ulanen-  und 
eilfte  Cavallerie-Regiment:  weisser  Rock  mit  goldgelben  Abzei- 
chen ;  weissem  Haarbusch. 

Die  Ulanen  von  Santiago,  das  achte  Ulanen-  imd 
zwölfte  Cavallerie-Regiment:  himmelblau  mit  gelben  Abzeichen; 
weissem  Haarbusch. 

Die  Ulanen  von  Monte sa,  das  neunte  Ulanen-  und 
dreizehnte  Cavallerie-Regiment:  weiss  mit  goldgelb;  weissem 
Haarbusch. 

Die  Ulanen  von  Numancia,  das  zehnte  Ulanen-  und 
vierzehnte  Cavallerie-Regiment:  alles  gelb;  Haarbusch  weiss. 

Die  Ulanen  von  Lusitania,  das  eilfte  Ulanen-  und 
fünfzehnte  Cavallerie-Regiment:  gelb  mit  schwarzen  Abzeichen, 
jedoch  gelben  Streifen  an  den  Pantalons ;  schwarzer  Haarbusch 
und  Pompon. 

Das  durch  Decret  vom  9  December  1851  neu  errichtete 
16te  Cavallerie-Regiment  erhielt  den  Namen  von  Al- 
cantara. 

Die  Czapkas  der  Ulanen  sind  entweder  gelb,  blau,  weiss, 
roth  oder  schwarz. 

Die  Ulanen -Regimenter  sollen  in  Zukunft  eiserne  Helme 
und  Uniformen  wie  die  Carabiniers  erhalten. 

Die  neuerrichtete  berittene  Leibgarde  der  Prinzessin  von 
Asturien  erinnert  in  ihrer  äusseren  Erscheinung  an  die  Horse- 
guaxd  in  London. 


542 

Zu  den  8  Jftger-Escadrons  sind  im  Laufe  des  Jahres  1851 
durch  KönigUches  Decret  vom  2  Februar  5,  und  durch  Decret 
vom  9  December  abermals  3  hinzugekommen,  so  dass  deren  16 
vorhanden  sind,  um  für  den  Fall  eines  Krieges  einem  jeden  Re- 
gimente  Cavallerie  eine  Eseadron  leichte  (sueltos)  Jäger  zaord- 
nen  zu  können. 

Die  Namen  der  16  Escadrons  sind: 

Mallorca  1 ,  Galicia  2 ,  Africa  3 ,  Africa  4 ,  Constitucion  5, 
Bailen  6,  Maria  Cristina  7,  Aragon  8,  Valencia  9,  Sevilla  10, 
CastiUa  1 1 ,  Alava  1 2 ,  Burgos  1 3 ,  Cataluna  1 4 ,  Granada  1 5, 
ValladoUd  16. 

Die  Uniform  besteht  in  einem  kurzen  bouteillengrünen  Leib- 
rock, dreieckigen  Aermelaufschlag  carmoisinroth,  eben  solche 
Epauletten  mit  weissen  oder  carmoisinrothen  wollenen  Franzen, 
am  Kragen  auf  jeder  Seite  eine  gelbe  Litze  mit  einem  kleinen 
Knopf  (Türkenkopf,  cabeza  de  turco),  in  der  Mitte  ein  Hom  (oor- 
neta).  Neun  grosse  glatte  Knöpfe  von  gelbem  Metall  auf  der 
Brust,  zwei  in  der  Taille,  in  der  Mitte  der  Rockschösse,  zwischen 
den  rothen  Umschlägen  ein  Messinghom.  Blaugraue  Beinkleider, 
unten  8  Zoll  hoch  mit  Leder  besetzt  Sitzleder  werden  erst  auf- 
gesetzt, wenn  das  Tuch  durch  den  Gebrauch  dünner  geworden. 
Czako  von  schwarzem  Filz,  mit  schwarzem  Tuch  gefüttert,  mit 
carmoisinrothen  oder  schwarzem  Bimde,  gelbe  Schuppenketten 
und  Czakoschild  mit  dem  Königlichen  Wappen  und  Jägerhoro, 
grüner  oder  schwarzer  Busch  von  Pferde-  oder  Ziegenhaar,  lan- 
ges carmoisin  Pompon  mit  Ueberzug  von  Wachstuch.  Blau- 
grauer Burnus  mit  Aermeln  und  Kaputze,  zur  Hälfte  mit  rothem 
Tuch,  zur  anderen  Hilfte  mit  Leinwand,  Kappe  und  Aermel  mit 
Wachsleinwand  gefuttert;  der  Mantel  mit  Tuchstreifen  zum 
Ueberknöpfen  versehen. 

Die  neuen  Jägerumformen  unterscheiden  sich  durch  schwarz 
zes  Lederzeug  und  Czakos  in  Französischer  Form  mit  schwarzem 
schmalen  Haarbusche,  Preussische  Epauletts  von  schwarzem 
Tuch  und  weisser  Nummer. 


543 

Die  vier  Remonte-Escadrons,  von  denen  die  neu  errichtete 
vierte  den  Namen  Aragon  flihrt,  haben  ähnliche  Uniform,  jedoch 
tragen  sie  auf  dem  Epaulett  die  Nummer  der  Escadron ;  sie  tra- 
gen  hohe  Stiefel,  einen  rotben  Gürtel  und  graublaue  Weste. 

Die  Cavallerie  -  Regimenter  waren  im  Laufe  des  Jahres 
stationirt: 

Rey  I  de  Carabineros in  Arai\juez. 

Reina  11 »  Madrid. 

Principe  I  de  Lanceros  ....  »  Barcelona. 

Famesio  11 »  Valladolid. 

Alcantara  III »  Burgos. 

Almansa  IV »  Madrid. 

Pavia  V »  Almagro. 

Villaviciosa  VI »  Sevilla. 

Espana  VII »  Ciudad-Real. 

Sagunto  Vni »  Granada. 

Calatrava  IX »  Valencia. 

Santiago  X .  Zaragoza. 

Montesa  XI »  Ocana. 

Numancia  XII »  Madrid. 

Lusitania  XIII »  Vicalvaro. 

Die  Escadrons: 

Mallorca  1 in  Gerona. 

Section  de  id »  Palma. 

Galicia  2 »  Corufla. 

Africa  3 >  Malaga. 

AlQrica  4 »  Badajoz. 

Gonstitucion  5 »  Madrid. 

Ballen  6 »  Zaragoza. 

Maria  Christina  7 »  Barcelona. 

Aragon  8 »  Pamplona. 

Valencia  9 »  Valencia. 

Sevilla  10 »  SeviUa. 


544 

Castilla  11 in  ValladoHd. 

Alava  12 »  Vitoria. 

Burgos  13 »  Burgos. 

Die  fehlenden  Regimenter  und  Escadrons  waren  in  der  Or- 
ganisation noch  nicht  beendet. 

Die  Uniform  der  Lehrescadrons  ist  grün,  wie  die  der  Jäger; 
auf  der  Schulter  tragen  sie  gekreuzte  Lanzen;  rothes  Pompon, 
weissen  Federbusch. 

Die  Trompeter  der  Jäger  sind  carmoisinroth  gekleidet.  Die 
Schnüre  der  Trompeten  sind  gelb.  Die  Trompeter  der  Ulanen 
tragen  auf  der  Brust  fünf  breite ,  in  Spitzen  auslaufende  Litzen 
von  der  Farbe  der  Kragen  und  Aufschläge ,  und  an  den  Panta- 
Ions  goldene  oder  Silberstreifen. 

In  Stelle  der  allgemeinen  Kriegsschule  ist  durch  König- 
liches Decret  vom  5  November  1850  die  Infanterieschule  in  To- 
ledo und  die  Cavallerieschide  in  Alcala  de  Henares  getreten. 
Letztere  ist  durch  Decret  vom  9  December  1851  aufgelöst  und 
in  ihre  Stelle  ebendaselbst  eine  allgemeine  Cavallerieschule 
(escuela  general  de  caballeria)  getreten,  mit  1  Brigadier  -  Unter- 
director,  1  Obersten,  1  Oberst -Lieutenaut,  1  Commandanten, 
8  Capitainen,  1  ersten  Adjutanten,  1  Lieutenant,  1  Fähnrich  als 
Secretaip,  1  Arzt  aus  der  Klasse  der  zweiten  Adjutanten,  1  Ca- 
pellan,  2  Ober-,  2  Unterkurschmieden,  3  Picadores,  1  Fechtmei- 
ster, 1  Tanzmeister,  1  Stabstrompeter,  1  Trompeter-Unterofficier, 
1  Sattler,  1  Waffenschmied,  2  Sargenten  zweiter  Klasse,  2  Ge- 
freiten, 24  Soldaten  und  300  Pferden. 

Zugleich  sind  die  Picadores ,  deren  Geschäft  es  ist,  die  Re- 
monten  schulmässig  und  militair  brauchbar  zuzureiten,  wie- 
derum eingeführt  imd  einem  jeden  Regimente  ein  Picador  über- 
wiesen. 

Was  die  Waffen  der  Cavallerie  anbetrifft^  so  sind  die  Feuer- 
waffen bis  jetzt  noch  mit  Steinschlössern  versehen.  Die  Carabi- 
ner  der  Jäger  haben  keine  gezogenen  Läufe ;  sie  sind  länger,  als 
die  der  Preussischen  Cavallerie,  aber  leichter  gearbeitet  Die  Pisto- 
len sind  meist  Commisarbeit.    Jeder  Cavallerist  trägt  deren  eine 


545 

im  linken  Pistolenholfter.  Die  Annas  blancas,  Hiebwaffen,  sind 
aus  der  Fabrik  von  Toledo;  sie  scheinen  im  Verhältniss  zur 
Länge  sehr  sehmal  und  schwach,  und  sind  deshalb  eben  so  sehr 
auf  den  Stich  als  auf  den  Hieb  berechnet.  Die  Infanterie-Officiere 
tragen  ganz  schmale  lange  Schwerter,  die  berittenen  Jäger  fast 
gerade  Säbel,  die  berittenen  Guardias  civiles  und  die  Carabiniers 
Pallasche.  Die  Säbelkoppelrieme  werden  nicht  geschnallt,  son- 
dern mit  flachen  Messingknöpfen  je  nach  dem  richtigen  Maasse 
geknöpft.  Das  Lederzeug  der  Cavallerie  ist  durchweg  weiss, 
und  dies  sowohl,  wie  die  schwarz  lackirten  Cartouschen,  und  die 
Gewehr-,  Carabinerläufe,  die  Candaren,  Steigbügel,  die  Kochge- 
schirre, Säbelgriffe,  Czakobleche,  Schuppenketten  von  einer  Sau- 
berkeit und  Politur,  welche  überrascht  Insbesondere  sieht  das 
weisse  Lederzeug  Avie  lackirt  aus.  Die  Cavallerie  bedient  sich 
zum  Putzen  des  weissen  Lederzeuges,  eben  so  wie  die  Artillerie, 
einer  Art  Bleiweiss,  albayalde  genannt;  die  Infanterie  einer 
Ereideart,  tierra;  die  ganze  Armee  zum  Putzen  des  weissen 
imd  gelben  Metalles  der  tierra  von  Segovia. 

Die  Cavallerie,  und  zwar  die  Ulanen  tragen  gelbe,  die  Jäger 
carmoisin,  und  die  Artillerie  trägt  roth  wollene  Fangschnüre  an 
den  Czapkas  oder  Czakos ,  um  solche  beim  HinabfaUen  nicht  zu 
verlieren. 

Die  Regimenter  sind  verschieden  beritten.  Man  findet  ein- 
zelne recht  tüchtige  Pferde,  allein  auch  sehr  schwache  und  häss- 
liche.  Man  vermisst  eine  Gleichartigkeit  des  Schlages  und  des 
Temperaments.  Die  Zäumung  entspricht  der  unsrigen;  häufig 
habe  ich  bemerkt,  dass  die  Candaren  zu  tief  liegen ;  da  dieselben 
ohnedies  ausserordentlich  lang  und  stark  sind,  der  Cavallerist 
die  Trense  gar  nicht  fasst,  sondern  diese,  durch  eine  Schlaufe 
gezogen,  über  dem  Halse  des  Pferdes  hegt,  so  ist  eine  leichte 
Führung  des  Pferdes  kaum  möglich ;  man  lässt  demselben  ent- 
weder zu  viel  Freiheit,  oder  macht  es  durch  rüde  Behandlung 
unruhig.  Der  als  Aushülfe  för  schwierige  Pferde  auch  in  der 
Cavallerie  eingeführte  eiserne  Nasen -Metallbügel  ist  schon  oben 
besprochen  worden.      Statt  der  Halfterstricke   sind  jetzt  die 

T.  Minatoli»  Spanien.  35 


546 

Halfterketten  eingefiUirt.  Der  Hufbeschlag  ist  leicht.  Die  Hufe 
der  Pferde  sind  im  Allgemeinen  gesund  und  fest.  Faule  Strah- 
len,  Mauke,  Homspalte  kommen  fast  nie  vor.  Die  Ration  des 
Cavalleriepferdes  beträgt  6  Quartillos  (etwa  2^  Hetzen)  Gerste 
und  4  Arroba  (124  Pfoi^d)  Weitzenstroh.  Das  Putzzeug,  Kar- 
tätsche und  Striegel,  ist  wie  das  bei  uns  angewandte.  Die 
Pferde  werden  im  Sonuner,  wo  Wasser  in  der  Nahe,  taghch  ge- 
badet und  im  Schwimmen  geübt. 

Dem  Gavalleristen  sitzt  seine  Uniform  fest  und  gut,  ohne 
ihn  in  der  freien  Bewegung  zu  behindern.  Mag  ihm  Ordnung 
und  Sauberkeit  ein  Bedürfioiss  sein,  oder  er  dazu  angehalten  wer- 
den müssen,  jedenfalls  ist  es  eine  Thatsache,  dass  der  Soldat 
stets  reinlich,  ordentlich  und  in  einer  echt  militairischen  Haltung 
erscheint;  dabei  giebt  er  ohne  Befangenheit  und  in  freundlichem 
Tone  jederzeit  Bescheid.  Die  Gartousche  wird  an  das  Bande- 
lier  auf  jeder  Seite  mit  zwei  Messingknöpfen  angeknöpft;  des- 
gleichen die  Steigrieme ,  die  niemals  angenSht  sein  dürfen.  Die 
Packerei  ist  der  unsrigen  sehr  ähnlich.  Die  Sattel  sind  Prit- 
schen, sehr  stark  gepolstert.  Auf  dem  nackten  Pferde  liegt  statt 
Woilah  eine  kleine  dünne  Decke.  Der  Sattelgurt  ist  breit,  mit 
drei  Schnallen  versehen.  Als  Chabraque  liegt  ein  zugeschnitte- 
nes Schaffell  darüber;  dies  ist  durch  einen  sehr  breiten  schwar- 
zen Uebergurt  festgehalten,  und  bedeckt  sowohl  die  beiden  Pi- 
stolenholfter,  wie  den  dazwischen  und  vor  zusammengerollten 
Mantel  vollständig.  Das  Pistol  steckt  im  linken  Holfter,  im  rech- 
ten das  Putzzeug.  Der  Mantelsack  ist  von  Tuch  und  hat  einen 
drillichenen  Ueberzug.  Im  Mantelsack  befindet  sich  eine  voll- 
ständige Uniform,  2  Hemden  und  50  scharfe  Patronen,  in  der 
Tasche  des  Ueberzuges  ein  Paar  Halbstiefeln.  Unter  dem  Mantel- 
sack liegt  ein  Stück  Drillich,  an  beiden  vorstehenden  und  hinab- 
hängenden Enden  eine  Tasche  oder  Sack  bildend,  in  welchen 
der  Cavailerist  eine  Tagesration  für  sein  Pferd  mit  sich  fiihrL 
Reserveeisen,  Fouragierleinen,  Beile  fuhrt  er  nicht;  dergleichen 
hat  die  bei  jedem  Regimente  befindliche  Sapeur-Abtheilung.  Das 
runde  blanke  Kochgeschirr,  auf  dem  Marsche  eine  Ration  f&r 


547 

den  Reiter  enthaltend,  liegt  hinten  am  Tornister  ohne  Leinwand- 
Ueberzug  festgeschnallt.  Sehr  zweckmässig  ist  der  Carabiner  so  an 
dem  Sattel  befestigt,  dass  er  vom  in  dem  Schuhe  am  Brustriemen 
und  oben  am  Rande  des  Sattels  festliegt,  um  den  Reiter  beim  Auf- 
und  Absteigen,  wie  beim  Reiten,  durchaus  nicht  hinderlich  werden 
zu  können.  Mit  Leichtigkeit  kann  der  Carabiner  losgeschnallt  und 
ergriffen  werden.  Der  Säbelkoppel-Riemen  ist  bei  der  Cavallerie 
weiss  und  besonders  lang.  Bevor  der  Säbel  gezogen,  wird  je- 
desmal die  Faust  durch  den  Riemen  gesteckt,  und  darin  die 
ganze  Zeit  hindurch,  dass  der  Säbel  aufgenommen  ist,  belassen. 
Beim  Aufnehmen  imd  Einstecken  des  Gewehrs  wird  der  Griff 
jedesmal  auf  Commando  zuerst  oben  auf  die  Brust  aufgesetzt 
Die  Lanze  der  Ulanen  ist  wenigstens  18  Zoll  kürzer  als  die 
,  Preussische.  Die  Flagge  ist  rotli  und  weiss,  oder  gelb  und 
braun,  nach  der  Farbe  der  Uniformkragen,  der  Schaft  sehr  fest, 
von  Americanischem  Macobaholz,  der  Lanzenriemen  braun,  eben 
so,  wie  der  mit  Oelfarbe  angestrichene  Schaft.  Der  Lanzenrie- 
men ist  festgenagelt^  wodurch  der  Gebrauch  fttr  das  Preussische 
Lanzen  -  Exercieren  sehr  erschwert  werden  würde;  der  Stich 
links  rückwärts  und  die  Deckungen  lassen  sich  mit  dem  mehr- 
mals in  der  Mitte  umgeschlungenen,  festgenagelteif  Armriemen 
nicht  ausfuhren.  Der  Spanische  Ulan  kennt  aber  keine  Deckun- 
gen. Vor  jedem  Stiche  fuhrt  er  mit  der  Spitze  der  Lanze  eine 
kreisförmige  Bewegung  aus,  als  suche  er  sich  inzwischen  sein 
Ziel.  Dies  halte  ich  für  impraktisch ,  weil  es  die  Sicherheit  und 
Energie  des  Stosses  in  Frage  stellt,  wie  denn  aus  demselben 
Grunde  die  mit  der  nicht  am  Körper  anliegenden,  sondern  mit 
der  frei  in  der  Hand  schwebenden  Lanze  ausgeföhrten  Stiche 
einen  viel  geringeren  Effect  haben  müssen. 

Das  Exerdr- Reglement  der  Spanischen  Armee,  besonders 
der  Cavallerie,  ist  dem  Französischen  in  Bewegungen,  Wendun- 
gen und  Formationen  entlehnt.  Im  Allgemeinen  ist  mir  bei  den 
Uebungen,  denen  ich  beigewohnt,  eine  grosse  Ruhe  und  Sicher- 
heit der  Reiter,  und  ein  grösserer  Grad  von  Ruhe  imd  Geschlos- 
sensein der  Pferde,  als  ich  erwartet  hatte,  aufgefallen.    Die 

35^ 


548 

Colonnen- Formationen,  Aufimärsche,  Veränderungen  der  Front 
wurden  mit  grosser  Präcision  ausgeführt  Dagegen  ist  mir  bei 
den  Attaquen  die  Schwerfälligkeit  der  Pferde  entgegeü  getreten, 
und  auch  bei  dem  Ausfallen  der  vierten  Züge ,  wohin  man  die 
leichtesten  Pferde  und  die  besten  Cavalleristen  vertheilt,  habe 
ich  die  sogenannten  flotten  Reiter,  wie  wir  sie  gewohnt  sind, 
vermisst. 

In  Madrid  stehen  besonders  schöne  und  gut  berittene  Re- 
gimenter, und  die  in  der  Umgebung  des  Palais  vor  zeltfÖrmigen 
grossen  Schilderhäusern  aufgestellten  berittenen  Cavallerieposten 
des  Regimentes  Königin  Carabiniers  oder  Numancia*Lanzeros  ei^ 
innem  an  die  Horseguards  in  London. 

Auch  die  Guardia  civil  ist  vortrefflich  beritten,  weil  man 
beim  Ankauf  der  Pferde  fiir  das  Corps  sorgfaltig  die  grossesten 
und  tüchtigsten  Thiere  auswählt ,  und  weit  höhere  Preise  zahlt, 
als  für  die  Remonten  der  Cavallerie. 

Was  die  Guardia  civil,  welche  aus  49  Compagnien  und 
1 1  Escadrons  besteht ,  was  die  Mozos  de  Escuadra  von  Catalo- 
nien  und  das  Cuerpo  de  Carabineros  del  Reino  anbetrifft^  so  ste- 
hen dieselben  zwar  auf  dem  Militair-Etat  unter  dem  Kriegs- 
Ministerio,  sie  sind  aber,  ihrer  Bestimmung  entsprechend,  dem 
Ministerio  des  Innem  und  resp.  der  Finanzen  überwiesen,  und 
oben  bereits  von  ihnen  das  Erforderliche  besprochen,  weshalb 
darauf  zurückgewiesen  werden  muss.  Durch  Königliches  Be- 
eret vom  6  Januar  1852  ist  dem  Finanz  -  Ministerium  ein  Credit 
von  einer  MiUion  eröffnet,  um  mit  Bezug  auf  den  diesjährigen 
Etat  die  Bewaffiaung  dieses  Corps  der  Carabineros  nach  Art  der 
Truppen  des  stehenden  Heeres  umzuändern. 

Der  Generalstab  der  Armee  (Cuerpo  de  estado  mayor 
del  Ejercito)  ward  durch  KönigUches  Decret  vom  25  Juli  1837 
in  Gemässheit  der  Genehmigimg  der  Cortes  vom  15  Juli  dessel- 
ben Jahres  als  besonderes  Corps  errichtet,  und  durch  Decret 
vom  9  Januar  1838  anderweit  organisirt.  Er  ist  nach  der  Be- 
stimmung vom  31  May  1847  gegenwärtig  aus  3  Brigadiers, 
9  Obersten,  12  Oberst- Lieutenants ,  25  Conmotandant  n,  60  Ca- 


549 

pitainen,  40  Lieutenants,  so  wie  aus  einer  entsprechenden  An- 
zahl von  Bureau-  und  Canzlei-Beamten  gebildet. 

Die  Uniform  besteht  in  einem  langen  dunkelblauen  Leib- 
rock mit  zwei  Reihen  goldener  convexer  Knöpfe,  die  Bjrone  und 
die  Umschrift:  «Cuerpo  de  estado  mayor  delEjercito»  enthal- 
tend. Kragen,  Aufschläge  der  Aermel  und  Rockschösse  himmel- 
blau, an  Kragen  und  Rockschössen  eine  goldene  (alegorico) 
Stickerei.  Blaue  Pantalons  mit  goldenen  Streifen.  Dreimaster 
(sombrero  apuntado)  mit  goldener  Tresse,  Schuppenkette  und 
Kokardenschnur.  Goldene  Epauletts  und  Degen,  statt  des  letz- 
teren, wenn  die  Officiere  zu  Pferde  erscheinen,  Pallasch  mit  ei- 
serner Scheide.  Sämmtliche  Chefs  tragen  himmelblaue  Schärpen 
und  eben  solche  Federbüsche,  welche  nach  hinten  flach  über  den 
Hut  fallen. 

Die  zur  Ausbildung  des  Corps  bestehende  Schule  zählt 
6  Professoren  und  4  Unterlehrer,  und  vereinigt  den  theoretischen 
Unterricht  mit  praktischen  Uebungen. 

Das  topographische  Kriegs-Büreau  steht  unter  der 
Aufsicht  und  Leitung  des  Generalstabes,  und  beschäftigt  1  Di- 
rector  und  9  Ofidales,  im  Range  der  Oberst-Lieutenants,  Majore 
und  Capitaine.  Jedem  General  -  Capitanate  ist  ein  Generalstab 
imter  einem  besonderen  Chef  des  Corps  zugetheilt. 

Die  Adjutantur  der  Armee  ist  sehr  zahlreich  besetzt;  sie 
besteht  aus  Officieren  verschiedener  Grade  bis  zum  Major.  Die 
Uniform  ist  scharlachroth  mit  weissem ,  goldgestickten  Kragen, 
goldenen  Knöpfen  und  Epauletts,  schwarzen  Beinkleidern  mit 
goldenen  Streifen,  niedrigem  Dreimaster  mit  goldener  Tresse, 
Schuppenkette  und  rothem,  hinterwärts  herabfidlenden  Feder- 
busch. Zur  Parade  werden  enge  weisse  Unterkleider  und  Ka- 
nonenstiefel getragen. 

Die  Militair-Administration  oder  Intendantur  (Cuerpo 
administrativo  delEjercito)  beschäftigt  sich  mit  den  Gehaltszahlun- 
gen, Rechnungsprüfungen,  mit  dem  Proviantwesen  der  Garnisonen, 
auf  Etappen -Stationen  oder  Märschen,  im  Frieden  wie  im  Felde. 
Es  werden  durch  sie  die  Utensilien  der  Casernements  und  Militair- 


550 

Institute  und  Dienstwohnungen  besorgt;  die  Einrichtung  und 
Unterhaltung  der  Hospitäler ,  die  Beschaffung  der  Eriegsbedürf- 
nisse,  die  Erfordernisse  fiir  die  Fortification,  der  Bagagen  und 
des  Trains  fiir  Märsche.  Die  Verordnungen  vom  12  Januar 
1824,  12  Januar  1827,  13  December  1827  und  17  Juü  1837  ent- 
halten die  vollständigen  Reglements  und  Dienst- Instructionen, 
so  wie  die  Bestimmung,  dass  die  bei  dieser  Behörde  angestellten 
Aspiranten  und  Oficiales  der  vier  Rangklassen  unter  sich  nach 
der  Anciennetät  durch  die  einzelnen  Klassen  avanciren  sollen. 

Der  oberste  Chef  ist  der  General-Militair-Intendant  mit  dem 
Range  eines  Mariscal  de  Campo.  Die  Central-Behörde  in  Madrid 
steht  unter  einem  Interventor  oder  Intendente  efectivo  der  Ar- 
mee, und  ist  aus  zwei  Sections- Chefs,  aus  einem  Militair -Inten- 
danten erster  und  einem  zweiter  Klasse,  und  einer  bedeutenden 
Zahl  von  etatsmässigen  Mitgliedern  und  Hülfsarbeitem  zusam- 
mengesetzt. Die  Allgemeine  Kriegskasse  steht  imter  einem  Gre- 
neral- Kriegszahlmeister  (Pagador  general  militar). 

Die  Intendanten  erster  Klasse,  welches  immer  die  vier  älte- 
sten sind,  haben  den  Rang  der  Brigadiers,  die  der  zweiten  Klasse 
den  Rang  der  Infanterie -Obersten,  die  Kriegs- Commissarien  der 
ersten  Klasse  den  Rang  der  Oberst-Lieutenants,  die  der  zweiten 
den  Rang  der  ersten  Commandanten  (von  Bataillonen),  die  der 
dritten  den  Rang  der  zweiten  Majore ,  die  der  6  ersten  Erlassen 
der  Oficiales  den  Rang  der  Lieutenants,  die  der  7ten  und  8ten 
Klasse  der  Oficiales  den  Rang  der  Unterlieutenants,  die  Aspiran- 
ten den  Rang  der  Militair- Alumnen. 

Die  Intervencion  der  Administration  hat  die  Archive,  die 
Sammlungen  der  Ordonnanzen,  Reglements  imd  Verordnungen 
über  das  Zahlungs-  imd  Rechnungswesen,  die  Rechnungen, 
Quittungen,  Contracte  und  Militair -Docimiente  zu  ordnen  und 
zu  bewahren. 

In  den  Provinzen  befinden  sich  an  den  Sitzen  des  General- 
Capitanats  die  Administrations  -  Oficinas ,  aus  der  Intendantur, 
Intervencion  und  Fagaduria  bestehend,  jedoch  imabh&ngig  von 
dem  General -Capitain  selbst 


551 

Für  den  Fall  des  Krieges  werden  die  Militaiivlntendanturen, 
dem  Bedürfiiisse  entsprechend »  als  mobile  Behörden  aus  Beam- 
ten gewählt,  welche  eine  besondere  Umsicht  bekundet  haben 
und  von  kräftigem  Körperbau  sind,  um  den  Anstrengungen  des 
Krieges  Trotz  bieten  zu  können. 

Die  Zahl  der  Kriegs -Commissaire  erster  Klasse  beträgt  25, 
die  der  zweiten  31,  die  der  dritten  60.  Ausserdem  werden  in 
dieser  Behörde  als  nicht  im  activen  Dienste  befindlich  fortge- 
ftihrt: 

als  Excedentes:  1  Intendant,  11  Kriegs -Commissaire, 
als  Cesantes:  11  Intendanten,  29  Kriegs -Commissaire, 
als  Jubilados:  12  Intendanten  und  Interventoren,  18  Kriegs- 

Commissaire, 
als  Honorarios:  17  Intendanten,  Interventoren  und  Zahlmei- 
ster, 51  Kriegs -Commissaire. 

Die  Uniform  der  Intendantur  ist  blau ,  mit  rothem  Kragen, 
Brust-,  Aermel-  imd  Rockaufschlägen.  Die  Stickerei  ist  wie  in 
der  Französischen  Armee  in  Gold  und  Silber. 

Die  Kriegs-Auditeure  stehen  unter  den  General-Capi- 
tainen  oder  der  betreffenden  Militair-Commandantschaft  der  Pro- 
vinz; sie  üben  die  Justiz  im  Namen  imd  Auftrag  des  Militair- 
Chefs  aus.  Die  Auditeure  müssen  sich  über  ihre  gründliche 
wissenschaftliche  und  juristische  Vorbildung  und  über  ihre  Be- 
kanntschaft mit  dem  Militair-Strafcodex  und  denMilitair-Gesetzen 
und  Verordnungen  ausweisen.  Sie  stehen  untereinander  in  glei- 
chem Rangverhaltnisse,  gemessen  einen  privilegirten  Gerichts- 
stand und  erhalten  ihre  Ernennung  durch  die  Königin.  Nur  in 
dringenden  Fällen  können  die  General -Capitaine  eingetretene 
Vacanzen  selbst  besetzen.  Die  Besoldung  ist  nach  dem  Decret 
vom  29  März  1847  auf  24,000  r.  und  auf  30,000  r.  in  Neu-Casti- 
lien  festgesetzt 

Die  Uniform  ist  blau  mit  maulbeerfarbenen  (morado,  dun- 
kelviolett) Aufschlägen  und  Kragen  mit  Goldstickerei  tmd  weis« 
sen  Pantalons. 


552 

Nicht  activ  sind  augenblicklich  26  Auditores  cesantes  und 
130  Honorarios. 

Die  Militair-Aerzte  (Cuerpo  de  Sanidad  militar)  bilden 
ein  besonderes  Corps  unter  einem  General -Director,  aus  Docto- 
ren  und  Licenciaten  der  Medicin  und  Chirurgie  bestehend,  und 
einer  Section  graduirter  Pharmaceuten.  Das  Reglement  vom 
7  September  1846  hatte  die  frühere  Verfassung  des  Corps  der 
Aerzte  reorganisirt;  dasselbe  hat  aber  durch  das  Königliche  Decret 
vom  7  Februar  1852  abermals  einige  wesentliche  Veränderungen 
erfahren.  Dem  Director  steht  in  allen  wichtigen  Fällen,  mag 
es  sich  um  Verwaltungs  -  Gegenstände  oder  wissenschaftliche 
Entscheidungen  handeln,  eine  Junta  zur  Seite.  Sie  scheidet 
sich  in  zwei  Sectionen,  welche  ärztliche  (medica)  und  pharma- 
ceutische  Junta  der  Armee  genannt  werden,  aber  nur  bera- 
thend,  nicht  entscheidend  auftreten.  Der  Gesammtstand  des 
Corps  zählt  etatsmässig  neben  dem  General -Director  4  Vice- 
Directoren,  9  Consultoren,  14  Vice-Consultoren,  86  erste,  161 
zweite  Adjutanten  für  die  ärztliche  Praxis;  1  Vice -Director, 
2  Vice-Consultoren,  10  erste  und  20  zweite  Adjutanten  für 
die  Pharmacie.  In  wichtigen  Fällen  wird  die  Zahl  durch  Hül&- 
Professoren  und  provisorisch  oder  versuchsweise  angestellte  Me- 
diciner  vermehrt. 

Der  Eintritt  in  das  Corps  beginnt  nach  absolvirter  Prüfung 
mit  der  Thätigkeit  als  zweiter  Adjutant  in  den  Hospitälern ;  von 
dort  avancirt  der  Arzt  in  gleicher  Eigenschaft  in  das  Regiment; 
dann  wird  er  erster  Adjutant  im  Hospitale;  demnächst  tritt  er 
in  dieser  Eigenschaft  ins  Regiment  zurück,  steigt  dann  zum 
Vice  -  Consultor  und  so  fort  bis  zur  höchsten  Stufe.  Es  wird 
aber  zu  jedem  Avancement  neben  der  nothwendigen  Vacanz 
eine  besondere  GeschickUchkeit,  glückhche  Kuren,  Umsicht^  gute 
Führung,  Discretion  in  der  Haltung  u.  s.  w.  vorausgesetzt,  und  je 
nach  den  ausgezeichneten  Leistungen  der  Aspiranten  die  einge- 
tretene Vacanz  besetzt. 


553 

Der  Sold  der  zweiten  A^'utanten  im  Hospitale  betraf 
6900  r.,  im  Regimente  8000  r.  Die  ersten  Adjutanten  erhalten 
im  Hospitale  10,800  r.,  die  Vice  -  Consultores  14,400  r.,  die 
Consultores  18,000  r.,  die  Vice  -  Directoren  24,000  r.,  die  Di- 
rectoren  30,000  r. 

Die  Uniform  ist  blau  mit  gleichfarbigem  Kragen,  rothen  Auf- 
schlägen, den  Aeskulapstab  zwischen  Palmen  und  Lorbeeren  auf 
den  Rockschössen,  gelbe  Knöpfe  mit  der  Bezeichnimg  des  Corps, 
Dreimaster  und  Rohrstock  mit  goldenem  Knopf  Die  Stickerei 
in  Gold  an  Kragen,  Aufschlägen  und  Brustklappen  wird  in  den 
höheren  Graden  stufenweise  reicher. 

Die  Militair- Geistlichkeit  besteht  aus  Capellanen  der 
Landarmee  und  der  Marine.  Beide  stehen  unter  dem  General- 
Vicar  del  Ejercito.  Dies  ist  der  Patriarch  von  Indien,  welcher 
den  General -Auditeur  als  Stellvertreter  zur  Seite  hat,  so  wie 
Subdelegirte  in  allen  Departements.  Die  Capellane  sind  unter 
alle  Truppentheile ,  Festungen  und  Hospitäler  vertheilt  Sie 
üben  mit  der  Seelsorge  und  der  Beaufsichtigimg  des  moralischen 
Wandels  Parochialrechte  aus.  Sie  werden  von  den  Obersten  der 
Regimenter  gewählt  imd  vom  General-Vicar  bestätigt;  sie  avan- 
ciren  von  der  Infanterie  zur  Cavallerie,  Artillerie,  Ingenieurs 
nach  dem  Dienstalter.  Sie  stehen  unter  dem  Fuero  militar,  hin- 
sichts  der  Spiritualien  unter  dem  General-Vicariate.  Die  Militair- 
Capellane  müssen  die  Tauf-,  Copulations-  und  Todten -Register 
fuhren;  in  letzteren  müssen  sie  vermerken,  ob  der  Verstorbene 
die  Sacramente  erhalten,  ob  er  testirt  hat  und  wo  er  beerdigt 
ist  Die  Militair-Gapellane  haben  nach  1 5  Diens^ahren  Anspruch 
auf  eine  Präbende  in  einer  Cathedrale,  nach  20jahriger  und  resp. 
25jähriger  Dienstzeit  steigen  die  Ansprüche  an  Canonicate  der 
bedeutenderen  imd  ersten  Hauptkirchen  des  Landes.  Ohne  be- 
sondere Erlaubniss  darf  kein  Mihtair- Geistlicher  sich  nach  der 
Residenz  begeben.  Wird  ein  solcher  vom  Kriegsgericht  zur  De- 
gradation verurtheilt,  so  wird  die  geistliche  Oberbehörde  requi- 


554 

rirt,  binnen  sechs  Tagen  die  Degradation  zu  veranlassen.  Für 
den  Fall  der  Todesstrafe  wird  der  Geistliche  in  Laientracht,  mit 
einer  schwarzen  Mütze  bedeckt ,  hinausgeföhrt.  Der  Eönigs- 
mörder  Martin  Merina  ward  am  7  Februar  1852  zum  Blutgerfiste 
auf  einem  Esel  geführt.  Sein  Anzug  bestand  in  einem  gelben 
Barret  und  gelbem  Talar  mit  blutbespritzten  Aermeln.  Der 
Leichnam  ward  zu  Asche  verbrannt. 


lieber  die  Militair- Organisation  und  militairische  Einthei- 
lung  der  Spanischen  Monarchie  in  General- Capitanate  und  Com- 
mandantschaften  ist  im  ersten  Gapitel  das  Erforderliche  mitge- 
theilt,  weshalb,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  darauf  zu- 
rückgewiesen werden  muss. 

Die  Würde  der  General -Capitaine  in  Spanien  ist  sehr  alt; 
sie  war  bereits  im  1 3ten  Jahrhunderte  bekannt.  Auch  aus  der 
Dynastie  der  Hohenzollern  war  ein  Fürst,  Markgraf  Johann  von 
Brandenburg,  durch  Kaiser  Carl  V  mit  dieser  Stellung  für  das 
Königreich  Valencia  betraut  worden.  Königliche  Verordnungen 
aus  den  Jahren  1740  und  1777,  und  zuletzt  vom  2  Juli  1844, 
haben  die  Prärogative  des  General- Capitains  zusammengestellt 
und  seine  Besoldung  auf  120,000  r.  fixirt  Er  ist  der  Repräsen- 
tant Ihrer  M^'estät  der  Königin ,  und  nimmt  in  besonders  vorge- 
schriebenen  Fällen  die  der  Königin  gebührenden  Ehrenbezeu- 
gungen in  Empfang.  Dazu  gehört,  dass  bei  feierlichen  Gelegen^ 
heiten  und  Paraden  die  Militair -Musik  bei  seinem  Erscheinen 
den  Königsmarsch  vorträgt,  der  sonst  nur  vor  der  Königin  oder 
dem  Könige  gespielt  werden  darf.  Desgleichen  wird  an  den 
Gallatagen  des  Hofes  vom  General- Capitain  in  Vertretung  der 
Königin  grosse  Cour  angesagt  (Besä  manos)  und  von  allen  Be- 
hörden und  Courfähigen  in  G^a  in  der  Königlichen  Dienstwoh- 
nung entgegen  genommen.  Es  ist  eine  Pflicht,  dass  die  Hof- 
fähigen dort  erscheinen ,  und  ist  diese  Pflicht  auf  die  hofflihigen 
Damen  in  dei\jenigen  Fällen  ausgedehnt,  wo  bei  solchen  Gele- 
genheiten die  Salons  des  General-Capitanats  für  die  Reunion  ge- 


555 

öSaet  sind.  Da  die  Justiz -Behörden  in  Spanien  in  der  Verwal- 
tung eine  bevorzugte  Stellung  einnehmen,  so  waren  Differenzen 
über  ihre  Verpflichtung,  an  Gallatagen  den  General- Capitain  in 
seiner  Wohnung  zu  beglückwünschen,  entstanden,  welche  durch 
Decret  vom  19  Februar  1836  dahin  entschieden  wurden,  dass 
die  Justiz  -  Behörden  erscheinen,  jedoch  zur  Cour  förmlich  einge- 
laden und  abgesondert  empfangen  werden  müssen. 

Dem  General -Capitain  steht  eine,  durch  ihre  Lage  beson- 
ders bevorzugte  Loge  in  den  Theatern  zur  Disposition.  Er  er- 
nennt die  Platz -Commandanten  der  Garnisonen  seines  Bezirks 
(Verordnung  vom  27  Juli  1832);  er  ertheilt  die  Erlaubniss  zur 
Jagd  und  Fischerei;  er  ertheilt  den  Soldaten  und  Unteroflfi- 
cieren  bis  zu  einem  gewissen  Grade  den  Heiraths-Consens;  er 
allein  hat  die  Erlaubniss,  ohne  weitere  Anzeige,  Bekanntmachun- 
gen in  die  Amtsblätter  (Boletino)  setzen  zu  lassen;  er  bestimmt, 
ob  fremde  Schiffe  in  den  Hafen  einlaufen  dürfen  oder  solchen 
verlassen  müssen;  er  vertritt  die  Autorität  des  Consular- Corps; 
er  unterstützt  in  geeigneten  Fällen  die  jurisdiccion  ordinaria  tmd 
ecclesiastica,  so  wie  die  Executionen  wegen  rückständiger  Steuern; 
er  repräsentirt  den  Gerichtsstand  der  Ausländer,  und  das  Corps- 
gericht, welches  in  seinem  Namen  ausgeübt  wird.  Bei  diesen 
letzteren  ist  zu  bemerken,  dass  Documente,  welche  in  einer  an- 
deren als  der  Spanischen  Sprache  abgefasst  sind,  nicht  angenom- 
men werden  dürfen  (Decret  vom  3  November  1843).  Die  Con- 
troUe  der  Hospital-  und  Gefangniss -Verwaltung  und  in  Fällen, 
wo  die  von  ihm  verwaltete  Provinz  im  Belagerungs -Zustande 
sich  befindet,  der  Oberbefehl  im  Miütair  imd  Civil  und  der  Ge- 
sammt- Administration,  ruht  unter  persönlicher  Verantwortlich- 
keit allein  in  seiner  Hand.  Wohl  dem  Lande  und  der  Regierung, 
wo  eine  so  gewichtige  und  schwierige  Stellung  auf  so  würdige, 
kräftige  imd  dabei  doch  so  humane  Weise  gehandhabt  wird,  als 
in  der  im  Belagerungs -Zustande  befindUchen  Provinz  Catalonien. 

In  jeder  Provinz  residirt  imter  dem  Oberbefehl  des  General- 
Gapitains  ein  Militair-Chef  als  General- Commandant,  welchem 
in  der  Localverwaltung  die  entsprechenden  Attribute  zustehen. 


556 

Sehr  um&ssend  sind  die  Bestimmungen  über  die  Titel,  Cu- 
rialien,  Begrussungen  und  militairischen  Ehrenbezeugungen,  in 
mündlichen,  schriftlichen,  dienstlichen  und  ausserdienstlich^n 
Beziehungen,  mit  und  ohne  Waffen,  Musik  und  Fahnen,  in  der 
Armee  und  Marine  den  Lebenden  und  Todten  in  ihren  verschie- 
denen Rangverhältnissen  gebührend.  Die  Gesetzgebung  hierin 
geht  ziemlich  weit  zurück  und  bildet  ein  compUcirtes  Studium. 

Beispielsweise  mag  hier  angeführt  werden,  dass  bei  Paraden 
und  wo  sich  sonst  der  General-Capitain  öffentlich  dienstlich  zeigt, 
ihm  ausser  der  reichen  militairischen  Umgebung  seines  Stabes 
stets  eine  Abtheilung  Cavallerie  voranreitet;  dass  derselbe  da- 
gegen, wenn  er  nicht  den  Degen  aufnimmt,  beim  Herunterreiten 
der  ganzen  Front  der  in  Linie  aufgestellten  Infanterie,  Cavallerie 
und  Artillerie  den  Hut  zimi  Grusse  in  der  rechten  Hand  trägt. 

Viele  Curialien  und  militairische  Honneurs  werden  auch 
den  Frauen  der  Generale,  selbst  den  Witt  wen  derselben,  den 
Frauen  der  Gesandten  (Decret  vom  16  Mai  1788)  erwiesen;  eben 
so  den  Granden  von  Spanien  und  ihren  Gattinnen,  den  Ordens- 
trägem, den  Inhaberinnen  des  Maria  Luisen -Ordens  und  den 
Männern  dieser  Damen. 

Besondere  Ehrenbezeugungen  gebühren  der  Schutzpatronin 
der  Armee,  der  heiligen  Jimgfrau  Maria,  und  der  heiligen  The- 
resa  als  Patronin  der  Infanterie,  so  wie  der  heiligen  Barbara,  der 
Schutzheiligen  der  Artillerie. 

Die  Leichenbegängnisse  für  Militairs  sind  sehr  feierlich  und 
stufen  sich  nach  unten  hin  sehr  genau  in  den  verschiedenen 
Rangverhältnissen  ab.  Beim  Tode  des  General -Capitains  wer- 
den 15  Kanonenschüsse  gelöst,  ihm  folgt  das  Armee -Corps;  dem 
General -Lieutenant  folgt  ein  Mariscal  de  Campo,  ein  Bataillon, 
eine  Escadron  mit  ihrem  Obersten ;  eben  so  ist  es  beim  Leichen- 
begängniss  des  Mariscal  de  Campo  und  eines  Brigadiers;  dem 
Oberst  folgt  ein  Bataillon;  dem  graduirten  Oberst  4  Compagnien; 
dem  Oberst -Lieutenant  3;  dem  Sargent- Major  2;  den  Capitain 
begleitet  seine  Compagnie  und  die  mit  Flor  umhüllte  Trommel; 
den  graduirten  Hauptmann  ein  Lieutenant  mit  40  Mann,  Sargen- 


557 

ten  und  Trommler  ohne  Spiel ;  den  Adjutanten  Major ,  Lieute- 
nant und  Fähnrich  ein  Officier  derselben  Categorie  mit  20  Mann 
und  einem  Trommler;  den  Feldprediger  ein  Unterofficier,  2  Ge- 
freite und  20  Mann  ohne  Waflfen;  den  Chirurgus  des  Bataillons 
ein  Gefreiter  und  10  Mann  ohne  Waflfen;  den  Unteroflficier  ein 
College  mit  den  Soldaten  der  Compagnie  ohne  Waflfen;  den 
Tambour  alle  übrigen  Tambours  ohne  Trommeln;  den  Gefrei- 
ten ein  Gefreiter  mit  12  Mann;  den  Soldaten  6  Soldaten  ohne 
Waflfen. 

Die  Avancements  in  der  Armee  sollen  eigentlich  nach  der 
Anciennetät  statt  finden ,  allein  es  wird  dieser  Grundsatz  nur  in 
der  Artillerie,  im  Ingenieur-Corps  und  im  Generalstab  mit  Strenge 
durchgeführt.  In  diesen  Theilen  der  Armee  werden  die  Officier- 
steUen  nur  mit  oficiales  facultativos  besetzt,  das  heisst  mit  sol- 
chen Officieren,  welche  die  in  dem  Corps  erforderüche  besondere 
wissenschaftliche  Vorbildimg  genossen  und  nachgewiesen  haben. 
Die  aus  irgend  anderen  Gründen  zu  diesen  Truppentheilen  com- 
mandirten  Officiere  können  mit  den  Ofäcieren  des  Corps  nicht 
avanciren. 

Die  Stelle  des  General -Inspectors  der  Artillerie  wird  da« 
gegen  nicht  älteren  Officieren  der  Waflfe,  sondern  an  ältere,  wohl- 
verdiente Generale  der  Armee  übertragen. 

Der  Consens  zur  Verheirathung  der  Officiere  muss  von  der 
Königin  erbeten  werden.  Die  Heirathslustigen  müssen  Mitglie- 
der des  Monte  pio  (Wittwencasse)  und  entweder  als  Capitains 
angestellt  sein,  oder  deren  Besoldung,  40  escudos  monatlich,  be« 
ziehen,  oder  sie  müssen  über  ein  Vermögen  von  60,000  r.  und 
die  Braut  über  ein  Capital  oder  zinsentragendes  Besitzthum  von 
50,000  r.  Werth  disponiren  können ,  wenn  sie  nicht  gewärtigen 
wollen,  abschlägliche  Antwort  zu  erhalten.  Eine  Verheirathung 
ohne  Consens  zieht  den  Verlust  der  Stellung  als  Officier  und 
der  Aussicht  auf  Pension  nach  sich.  Der  Geistliche,  welcher 
die  Trauung  ohne  Consens  vollzogen,  wird  mit  Verbannung 
bestraft. 


558 

Den  Consens  zur  Verheirathung  der  Oficiale  unteren  Ran- 
ges, der  Sargenten,  Gabos,  Tambours  und  Gemeinen  geht  durch 
die  Hände  des  Capitains  und  wird  vom  Obersten,  resp.  vom  Gre* 
neral-Capitatn  ertheilt;  bei  der  Cavallerie  durch  den  Inspector 
der  Truppe.  Der  Sargent,  welcher  ohne  Consens  sich  verheira- 
thet,  verhert  seine  Stelle  und  muss  6  Jahre  in  Genta  dienen. 
Gemeine  Soldaten  müssen  in  demselben  Falle  6  StraQahre  die- 
nen; Artilleristen  6  Jahre  in  der  untersten  Klasse  der  Bombar- 
diere, nach  deren  Ablauf  sie  wieder  in  den  früheren  Platz  ein- 
rücken. 

Der  Sold  der  Spanischen  Officiere  und  Unterofficiere  betragt 
für  die  ersten  Gommandanten  der  Fussartillerie,  Ingenieure  und 
Infanterie  15,600  r.  (integros),  fiir  die  zweiten  Gommandanten 
derselben  Truppenkörper  14,400  r.,  für  die  Lieutenants  720Ö 
bis  6370  r.  hinab,  für  die  Fähnriche  5160  —  3100  r.,  fÖr  die  er 
sten  Sargenten  2800  r.,  für  die  zweiten  Sargenten  1485  r. 

Diejenigen  Officiere,  deren  Gommando  nicht  im  activen 
Dienste  im  Regimente  besteht,  wie  zum  Beispiel  die  in  die 
Festungen  commandirten  Ingenieur- Officiere,  erhalten  ihren  Mo- 
natssold nur  auf  1 1  Monate  des  Jahres ,  indem  der  zwölfte  Mo- 
nat zu  Ersparnissen  in  Abzug  gebracht  wird. 

Verwundete  und  emeritirte  Officiere  haben  gesetzlichen  An- 
spruch auf  Givil-Versorgung,  und  es  sind  zu  diesem  Behufe  in 
allen  Ministerien  und  Verwaltungs- Behörden  diejenigen  etats- 
mässigen  Stellen  bezeichnet,  welche  an  Militairs  der  verschiede- 
nen Bang-  und  Bildungsstufen  vergeben  werden  können,  sollen 
und  wirkhch  vergeben  werden  müssen.  So  beispielsweise  im 
Finanz -Ministerio  sind  für  die  Mihtair-Ghefs  und  Officiere  re- 
servirt: 

In  den  Hauptcassen  der  verschiedenen  Ressorts  zwei  Diit» 

theile  der  etatsmässigen  Stellen, 
^  der  Stellen  als  Provinzial- Steuererheber, 
^  der  Stellen  als  Lotterie-  und  Gruzada- Administratoren, 
^  der  Stellen  als  Alcaiden-  und  Douanen- Vorsteher, 
I  der  letzten  Stellen  der  OiScialen  im  Ministerio, 


559 


^  der  letzten  Stellen  als  Administradores  sabalternos  im  Stern- 
pel-Büreau. 

^  der  letzten  Stellen  im  Münz -Departement 

Für  Unterofficiere,  Gefreite  und  Gemeine. 

\  der  von  der  Regierung  zu  besetzenden  Eanzleistellen, 

^  der  Tabacksmonopol-Commissarienstellen, 

I  der  Salzdistributoren, 

I  der  Portierstellen  in  den  Bureaus, 

^  der  Botenstellen, 

^  der  Bleisiegler  und  Wagemeister  der  ZoUämter, 

^  der  Steuererheberstellen. 
Die  Pension,  welche  von  der  Regierung  an  Militairs  gezahlt 
wird  Ar  Verwundungen,  welche  im  Felde  durch  Feuer  und 
Schwerdt  zugefügt^  die  Amputation  eines  oder  mehrerer  Glieder, 
oder  vollständige  Dienstunfähigkeit,  oder  Erblindung  zur  Folge 
gehabt  haben,  beträgt 


Die  Stellung  tls: 


Für  vollständige  Un- 

tauglichkeit,  Erblindung, 

gleichviel,  welcheDienst- 

zeit: 


Für  den  Verlust  eines 

Gliedes,  unabhängig  von 

der  Dienstzeit: 


Oberst 

Oberst  -  Lieutenant 
Commandant  .  .  .  . 

Capitain 

Lieutenant 

ünterlieutenant.  .  . 


16,200  r. 

13,200  • 

10,200  » 

8,220  > 

4,800  . 

4,200  . 


8,100  r. 
6,600  . 
5,100  . 
4,110  . 
2,400  » 
2,100  . 


Diejenigen,  welche  nur  ein  Glied  verloren  haben,  erhalten 
für  jedes  fernere  Dienstjahr  eine  Gehaltserhöhung,  welche  den 
fünfzehnten  Theil  der  oben  berechneten  Pension  beträgt,  mithin 

der  Oberst 540  r. 

der  Oberst*' Lieutenant 440  » 

der  Commandant 340  » 

der  Capitain 274  » 

der  Lieutenant 160  » 

der  Ünterlieutenant 140  » 


560 


Im  Allgemeinen  beginnt  die  Pensions -Berechtigung  erst 
nach  vollendetem  25sten  Militair-Dienstjahre,  die  Campagne- 
Jahre  nicht  doppelt  gerechnet.  Diese  Berechnung  kann  erst  mit 
dem  16ten  Lebensjahre  beginnen,  ausgenommen  bei  den  Trom- 
melschlägern und  Cadetten,  welche  die  Diensljahre  schon  mit 
dem  14ten,  respective  12ten  Lebensjahre  zählen  dürfen.  Das 
Maximum  der  zur  Berechnung  zu  stellenden  Diensljahre  ist  die 
Zahl  40.  Die  Pension  steigt  von  25  Dienstjahren  zu  30,  35  imd 
40  in  entsprechendem  Verhältnisse.  Chefs  imd  Ofifidere  behal- 
ten nach  12jähriger  Dienstzeit  die  Regiments -Uniform.  (Decret 
vom  3  Juni  1828.  Declaration  vom  28  August  1841.)  Der  Sold 
steigt  in  nachstehender  Stufenleiter: 

20  Dienstjahre 30  Hunderttheile. 


25 
30 
31 
32 
33 
34 
35 
36 
37 
38 
39 
40 


40 
60 
63 
66 
69 
72 
75 
78 
81 
84 
87 
90 


Yersorgungsberechtigte  MiUtairs  erhalten  beim  Uebertritt 
in  den  Civildienst  zwei  Jahre  hindurch  ihre  MiUtair-Pension. 
Dann  müssen  sie  sich  entscheiden,  ob  sie  die  letztere  behalten 
oder  das  etatsmässige  Gehalt  der  Civilstelle  vorziehen,  und  da< 
mit  aus  dem  MiUtair-Etat  und  aus  dem  militairischen  Gerichts- 
stand ausscheiden,  und  in  die  Civil-Pensions-Berechtigung  ein- 
treten wollen. 


561 

Der  Monatssold  des  lUlitairs  steigt  in  naehfolgender  Scala : 


15)20 

- 

» 

31 

D 
32 

3.3 

st 

34 

ah 

e 
36 

37 

38 

39 

40 

Oberst 

Oberat-Lieu- 
tenuit  .... 

Mijor 

apiuin  .... 

Lieutenant . . 

Unterlieute- 
nant, Fihu- 
rich 

Sargent,  Ca- 
bo,  Soldat, 
welche  nicht 
im  Dienste 
bleiben  und 
sich  vor  d. 
25teii  Jahre 
lurQckzie- 
hen 

Salvent,  wel- 
cher dienen 
bleibt 

Cftbo  IterKl. 
der  Armee, 
2t«rKLder 
Artillerie  u. 
Ingenieure, 
welche  fort 
dienen.... 

10 
10 

lü 

135 
I(» 

20 
20 

20 

180 
140 

90 
90 

) 

) 
) 
) 

270 
210 

1124 

1260 

945 
756 
693 
567 
2834 

220i 

1320 

990 
792 
721 
591 
297 

231 

1380 

1035 

759 
621 

31(H 

24i; 

144U 

1070 
861 
792 
648 
321 

252 

1500 

1125 

900 
825 
6T7 

2625 
120 

1560 

1170 
936 

858 
702 
351 

273 

1620 

1215 
972 
892 
729 
3641 

283i 

1680 

1260 

1008 
924 
736 

378 

294 

1740 

1305 

1044 
957 
782 
3914 

304i 

1800 

1350 

1080 
990 
810 
405 

315 

Pensionen  erhalten  auch  die  Inhaber  der  Militair- Orden  ron 
San  Fernando  und  des  heiBgen  Hermenegildo.  Der  erstere  be- 
steht aus  fünf  Klassen  und  muss,  da  er  zur  Belohnung  für  heroi- 
sche Handlungen  bestimmt  ist,  von  denjenigen,  welcher  statu- 
tenmässig  darauf  Anspruch  machen  zu  können  glaubt,  selbst 
gefordert  werden,  "Wer  mit  diesem  Orden  decorirt  ist,  erhält 
nach  der  zweiten  heroischen  That, 

wenn  er  Divisions-General  ist,  eine  Pension  von  15,000  r. 

.      .  Brigadier  lebenslänglich 12,000  . 

.      .  Oberst  oder  überhaupt  Chef 10,000  . 

r.  Uiantoll,  Spanien.  gg 


562 

Nach  einer  dritten  ausgezeichneten  That  geht  die  Pension 
auf  die  Wittwe  bis  zu  ihrer  Wiederverheirathung,  in  diesem 
Falle  auf  die  Söhne  bis  zur  Volljährigkeit  über.  Unverheirathete 
vermachen  sie  ihren  Eltern  auf  Lebenszeit. 

Der  Hermenegilden- Orden  wird  für  tadellose  Dienstjahre 
nach  20  und  40  Jahren  in  verschiedenen  Rangstufen  ertheilt 
Vom  Sargent  abwärts  werden  nur  goldene  Litzen  über  dem  lin- 
ken Arm,  nach  15,  «20  und  25  Jahren  eine,  zwei  oder  drei  er- 
theilt. Bei  Avp^ncements  zu  Lieutenants  werden  die  firOheren 
Jahre  zu  gut  gerechnet.  Das  Grosskreuz  erhalten  alle  General- 
Capitaine  und  diejenigen  Generale,  welche  40  Jahre  gedient 
haben.  Die  Plaque  ohne  Cordon  erhalten  für  gleiche  Diensljjahre 
Officiere,  welche  noch  nicht  den  Rang  als  Brigadiers  haben. 
Die  für  das  einfache  Kreuz  nach  2  5j  ähriger  Dienstzeit  gezahlte 
Pension  beträgt  2400  r.,  fiir  die  Plaque  nach  40  Diens^ahren 
4800  r.,  für  das  Grosskreuz  10,000  r. 

Für  eine  15-  bis  20jährige  Dienstzeit  werden  besondere 
Prämien  gezahlt,  deren  Höhe  nach  den  Rangverhältnissen  des 
Miütairs  wechselt  (Decret  vom  3  Juni  1828). 

Pensionaire  müssen  bei  der  Erhebung  der  Pension  alle  drei 
Monate  ein  amtUch  beglaubigtes  Lebensattest  einreichen.  Auf 
Inactivitäts- Gehalt  gestellte  Officiere  erhalten  gewöhnlich  die 
Weisung,  ihre  Pension  an  genau  bezeichneten  Orten  zu  ver- 
zehren. 

Die  Wittwen-Pensionscasse  des  Mihtairs  (Monte  pio 
miUtar)  ward  auf  Gnmd  der  Verordnung  vom  20  April  1761  ge- 
gründet. Die  Statuten  derselben  wurden  1788  umgearbeitet» 
und  das  Institut  am  1  Januar  1796  unter  Carl  IV  vollständig  re- 
organisirt.  Der  Zweck  desselben  betrifft  die  Sorge  für  die  hin- 
terbhebenen  Wittwen  und  Waisen  der  Militairs,  insbesondere 
auch  fiir  die  Erziehung  der  Söhne.  An  der  Spitze  der  Verwal- 
tung befindet  sich  eine  Junta  de  Gobierno,  bestehend  aus  einem 
Director,  Decan  des  Ober-Kriegstribunals,  aus  einem  Subdirector 
aus  der  Klasse  der  Oficiales  generales,  aus  drei  Kriegsräthen  des- 
selben Ranges,  einem  Kriegsrath  aus  der  Klasse  der  togados, 


563 

einem  Intendanten,  den  Zahl-,  Schatzmeistern  und  Secretairen 
(Verordnungen  vom  11  Juli  1828,  vom  11  October  1834). 

Die  Fonds  der  Anstalt  bestehen : 

1.  In  einer  etatsmässigen  Simime  von  6000  Dublonen  aus 
Staatsfonds  und  200,000  r.  Zuschuss  jährlich. 

2.  In  20  procent  von  den  Gehältern  der  inactiven  Beamten. 

3.  In  der  media  anata  (5000  Piaster),  eine  Abgabe  ßxr  die  in 
Indien  erhaltenen  geistlichen  Pfründen. 

4.  In  dem  dritten  Theile  des  Ertrages  der  vacanten  geist- 
lichen Güter  überhaupt 

5.  Die  Abgaben  für  die  erste  Anstellimg  im  Königlichen 
Dienste.  Die  Beiträge  der  dabei  betheiligten  Klassen  be- 
laufen sich  (Decret  vom  31  Mai  1821)  auf  -^  des  Gehalts, 
bei  den  Unterlieutenants  auf  ^  (Decret  vom  16  October 
1839).  Bei  jedem  Avancement  auf  einen  Monatssold,  und 
für  alle  Gehalts  -  Zulagen  und  Gratificationen  für  jeden  Es- 
cudo  10  Maravedis.  Invaliden  zahlen  3  Maravedis  von 
jedem  Escudo  ihrer  Pension. 

Ansprüche  auf  Unterstützung  Seitens  dieser  Gasse  haben 
die  Wittwen,  die  Waisen  und  (Decret  vom  14  August  1830)  die 
verwittweten  Mütter  verstorbener  Militairs;  jedoch  nur  unter 
der  Voraussetzung,  dass  die  Ehe  des  Verstorbenen  mit  Königli- 
chem Consens  geschlossen  war.  War  der  letztere  nicht  extrahirt, 
so  bleibt  die  Familie  von  jedem  Anrechte  auf  den  Monte  pio 
ausgeschlossen.  Die  Pensionen  betragen  für  die  Wittwen  und 
Waisen 

des  General- Capitains 15,000  r. 

des  General-Lieutenants 10,000  » 

des  Mariscal  de  Campo 8,250  » 

des  Brigadiers 6,600  » 

Für  die  Königlichen  Haustruppen: 

Sargent-Major 8,250  r. 

Officiere  bis  zu  den  Guardias  hinab 10,000  — 1500  r. 

36' 


1> 


564 

Für  die  Hellebardiere: 

Vom  Chef  mit 8,250  r. 

bis  zu  den  Adjutanten  mit 4,000  » 

nach  verschiedenen  Stufen. 

Für  die  Infanterie  und  Cavallerie 
(Decret  vom  11  November  1847): 

Familie  des  Obersten 6,600  r. 

»         »   Oberst- Lieutenants 5,000  » 

»         »   Bataillons- und  Escadron- Chefs     4,500  » 

»   Sargent-Majors 4,000  » 

»  Adjutant-Majors 2,200  » 

»   Capitains 2,500  » 

»   Premier.Lieutenants(20JuU1810)   1,880  • 

»         »   Unterlieutenants 1,520  » 

»  Fähnrichs  (28  Juni  1824) 1,200  » (1600)r. 

Die  Truppen  in  Ceuta  erhalten: 
Vom  Obersten  bis  Unterlieutenant 6,000 — 1,000  r. 

Die  Artillerie: 

Familie  des  Obersten 6,600 — 6,400  r. 

»         »   Oberst-Lieutenants   (nach  dem 

Decret  vom  20  November  1830) 

für  ein  Jahrgehalt  von  18,000  r.  5,000—4,200  . 

»  »   Capitains 2,600  r. 

»         »   Lieutenants 1,880  » 

»         »   Unterlieutenants 1,600  » 

»         »   Adjutanten  I  Klasse 2,200  » 

»         »   Adjutanten  II  Klasse 1,600  » 

Die  Ingenieure: 

Von  der  Familie  des  Obersten  mit 6,600  r. 

bis  zu  den  Ingenieros  delineadores 1,500  » 

Die  Armada: 

Famihe  des  General- Capitains 15,000  r. 

»         »   General -Lieutenants .  10,000  » 


565 

Familie  des  Escuadre- Chefs 8,000  » 

»  »   Brigadiers 6,600  » 

hinab  bis  zum  Fregatten -Fahmich  mit  ....     1,200  » 
Der  Generalstab:  ^  des  Gehalts  von.  .  .  .  18,000—6,000  r. 
Die  Oficiale:  desgleichen  vom  Gehalt  von  18,000 — 6,000   » 
Die  Intendantur  (Gesetz  vom  26  Novem- 
ber 1838):  Pensionen  von 8,000—    600  » 

Im  Allgemeinen  betragen  die  Wittwencassen- Pensionen  und 
Erziehungsgel  der  den  dritten  Theilder  Besoldungen  der  Activos, 
oder  der  Wartegelder  der  Cesantes,  oder  der  Pensionen  der  Ju- 
bilados. 

Im  Januar  1852  berechneten  sich  die  Pensionen  und  Mihtau-- 
wittwencassen  -  Zahlungen  wie  folgt: 
6,344  Individuen  erhielten  17,811,092  r.  aus  der  Wittwencasse. 
19,818         »  »         46,697,859  » Miütair-Pensionen. 

86         »  »  163,796  »  Pensionen  von  der  Con- 

vention von  Vergara. 
1,169  »  »         10,816,016  » Pensionen  als  Jubilirte. 

4,257         »  »         17,562,315  »Wartegeld. 

4,887         .  »  4,783,583  » Gnaden- Pension. 

5,217  »  .         16,098,499  »  Civü-Wittwen-Pension. 

9,326  vormalige  KlostergeisÜiche  erhielten  15,603,466  r.,  die 
letzten  Pensionaire  der  Schweizer-,  Französischen  und  Engü- 
schen  Regimenter  erhielten  68,242  r.;  —  macht  monatlich  eine 
Ausgabe  von  11,221,771  r. 

Die  Militair-Dienstpflicht  in  Spanien  dauert  acht  Jahre, 
in  den  armas  facultativas  oder  de  preferencia  (Artillerie,  Inge- 
nieure und  Cavallerie)  nur  7  Jahre.  Die  in  den  überseeischen 
Provinzen  Dienenden  erhalten  einen  Erlass  von  zwei  Jahren. 
Der  Militairdienst  wird  nicht  als  eine  Last,  sondern  als  eine  Ehre 
betrachtet.  Bis  zum  Jahre  1851  begann  das  miUtairpflichtige 
Alter  mit  dem  18ten  Lebensjahre.  Die  Erfahrung  hat  jedoch  ge- 
zeigt, dass  trotz  der  frühzeitigeren  Entwickelung  des  Südens  der 
Spanier  im  Allgemeinen  im  18ten  Jahre  körperlich  noch  nicht 


566 


kräftig  genug  ausgebildet  ist,  um  ohne  Nachtheil  für  seine  Ge- 
sundheit die  Waffen  führen  und  die  Anstrengungen  des  Dienstes 
ertragen  zu  können.  Durch  Gesetz  vom  18  Juni  1851,  dessen 
Inhalt  weiter  imten  ausführlicher  wiedergegeben,  ist  das  mili- 
tairdienstpflichtige  Alter  auf  das  20ste  Lebensjahr  festgesetzt, 
und  die  Bestimmungen  über  die  Befreiungen  vom  Dienst  und 
die  in  Spanien  zulässige  Stellvertretung  erlassen.  Die  Gesetz- 
gebimg des  Jahres  1837  hat  die  früher  üblich  gewesenen  Exem- 
tionen aufgehoben  und  die  Miütairdienstpflicht  als  eine  allen  Un- 
terthanen  obliegende  gesetzliche  Verpflichtung  festgestellt.  Ne- 
ger, Mulatten,  Scharfrichter  und  Abdecker,  welche  früher  aus- 
geschlossen waren,  nehmen  jetzt  am  Militairdienste  Theil.  Das 
Ersatzgeschäft  selbst  erinnert  in  einzelnen  Punkten  an  die  dies- 
fälligen  Preussischen  gesetzlichen  Vorschiiften.  Es  sollen,  wenn 
nicht  besondere  Umstände  etwas  Anderes  bestimmen,  alljährlich 
25,000  Mann  zum  stehenden  Heere  ausgehoben  und  ausgebildet, 
und  die  dadurch  sich  herausstellende  überetatsmässige  Zahl  der 
Truppen  der  Reserve  überwiesen  werden.  Im  Jahre  1848  wur- 
den 3  Contingente,  also  75,000  Mann  ausgehoben. 

Die  Regierung  veröffentlicht  den  Bedarf  für  die  Armee  und 
Marine,  und  vertheilt  denselben  auf  die  einzelnen  Provinzen, 
nach  Verhältniss  des  in  den  letzten  Aushebungen  (quintas)  fest- 
gestellten Bestandes  an  ersatzpflichtigen  jungen  Leuten. 

So  wurden  am  20  Juni  1851  von  der  Regierung  25,000  Mann 
ausgeschrieben  und  wie  folgt  auf  die  Provinzen  vertheilt: 
Alava 144     Cadiz 645     Huelva 261 

Castellon 414 

Ciudad  Real  .  .  577 

Gordova 674 

Coruiia 866 

Cuenca 501 

Gerona 426 

Granada 790 

Guadalajara.  .  .  340 

Guipuzcoa ....  223 


Albacete 403 

Alicante 617 

Almeria 492 

AvUa 295 

Badajoz 675 

Balearen 440 

Barcelona  ....  893 

Burgos 480 

Caceres 495 


Huesca 455 

Jaen 570 

Leon 571 

Lerida 323 

Logroiio 316 

Lugo 749 

Madrid 789 

Malaga 701 

Murda 561 


567 

Navarra 474     Santander 341     Toledo 592 

Orense 682     Segovia 288     Valencia 974 

Oviedo 906     Sevüla 769     Valladolid  ....  394 

Palencia 317     Soria 247     Viscaya .  .  288 

Pontevedra  . . .  685     Tarragona ....  483     Zamora 341 

Salamanca. .  . .  449     Teruel 459     Zaragoza 655 

Die  Pro vinzial- Deputationen  vertheilen  demnächst  (§45  der 
Ordonnanz  vom  2  November  1837),  nachdem  sie  vom  Gouver- 
neur die  diesfallige  Aufforderung  und  die  nöthigen  Data  erhal- 
ten (Art.  37  des  Gesetzes  vom  8  Januar  1845),  das  Provinzial- 
Contingent  auf  die  einzehien  Gemeinden,  und  berufen  die  Ersatz- 
pflichtigen zu  einem  bestimmten  Termine  zur  allgemeinen  Loo- 
sung.  Die  Väter  und  Vormünder  sind  bei  100 — 1000  r.  Strafe 
oder  8 — 30tägigem  Gefangniss  ihre  im  militairpflichtigen  Alter 
befindlichen  Söhne  oder  Mündel  anzumelden  verpflichtet;  die 
Parochial- Geistlichen  müssen  die  betreffenden  Notizen  aus  den 
Taufregistem  suppeditiren.  Nach  Revision,  Vergleichung  imd 
Berichtigung  der  SeelenUsten  wurden  bisher  die  Altersklassen 
von  je  zwei  Jahrgängen  zusammengestellt.  Die  Namen  der 
Dienstpflichtigen  der  beiden  jüngsten  Altersklassen  wurden  in 
eine  Urne  gethan;  in  eine  zweite  so  viele  Nummern,  als  Namen 
eingezeichnet  sind.  Es  wird  abwechselnd  Name  und  Nummer 
aus  den  Urnen  gezogen  und  beides  fortlaufend  in  die  Loosungs- 
liste  eingetragen  und  damit  fortgefahren,  bis  sämmtliche  Alters- 
klassen, immer  zu  2  Jahrgängen  vereinigt,  die  Loosung  beendet 
haben.  Dies  ist  gegenwärtig  dahin  abgeändert,  dass  in  einer 
Liste  die  jungen  Leute  von  20  Jahren  geführt  werden,  welche 
bis  zum  30  April  nicht  in  das  21ste  Lebensjahr  getreten  sind, 
und  in  der  zweiten  die  Militairpflichtigen  von  21  —  25  Jahren. 
Es  loosen  dann  auch  nur  die  Zwanzigjährigen  unter  sich,  und 
wenn  dadurch  das  Contingent  (cupo)  nicht  gedeckt  wird,  rücken 
die  anderen  älteren  Altersklassen  successive  nach  den  Nummern, 
die  sie  in  ihrer  ursprünglichen  Loosung  gezogen,  ohne  Weiteres 
ein.  Im  Jahre  1851  loosten  noch  19-,  20-  imd  21jährige  unter 
sich  und  folgten  in  der  Aushebung  ihren  Nummern  nach  aufein- 


568 

ander.  Darauf  begiimt  die  ärztliche  Untersuchung  durch  den 
Civilarzt,  die  Prüfung  imd  Entscheidung  der  gesetzUchen  Reclar 
mationen  und  die  Bestimmungen  hinsichts  der  Stellvertretung. 
Inzwischen  sind  die  Loosungsnummern  chronologisch  zusammen- 
gestellt, die  als  zu  schwach  oder  wegen  häusUcher  Verhältnisse 
oder  wegen  Stellung  von  Ersatzmännern  Ausscheidenden  gestri- 
chen. Die  zu  stellende  Zahl  von  Rekruten  (quintas)  werden  dann 
in  das  Pro vinzial- Depositum  (caja)  mit  50  —  60  procent  Zuschlag 
für  etwaige  Ausfälle  gesandt,  dort  militairärzüich  untersucht  und 
die  diensttaugUch  befundenen  von  commandirten  Officieren  auf 
die  verschiedenen  WaJÖfengattungen  verüieilt,  und  zu  den  betref- 
fenden Regimentern  durch  Unterofficiere  abgeführt  Im  folgen- 
den Jahre  wiederholt  sich  das  Loosimgsgeschäft  von  Neuem,  in 
derselben  Weise  durch  alle  Altersklassen  hindurch,  indem  jedes- 
mal die  beiden  jüngsten  mit  den  ersten  laufenden  Nummern  be- 
ginnen, und  nimmt  jeder  Ersatzpflichtige  so  lange  daran  Theil, 
bis  er  aus  dem  dienstpflichtigen  Alter  gesetzlich  ausscheidet 
EigentUch  soll  die  Regierung  am  1  Januar  das  Gonüngent  aus- 
schreiben, die  Civilbehörde  solches  am  1  Februar  vertheilen  imd 
die  Loosung  am  ersten  April -Sonntag  beginnen.  Die  Loosungs- 
Districte  sollen  etwa  15,000  Seelen  enthalten. 

Beim  Eintritt  in  den  Truppentheil  wird  der  Rekrut  ver- 
eidigt, was  jedoch  nicht  in  der  Barche  geschieht,  sein  Nationale 
aufgenommen  und  ihm  die  EönigUchen  Uniformstücke  über- 
geben (prendas).   Diese  bestehen  in 

dem  Czako  mit  vollständiger  Garnitur  (morrion),  dem  Leib- 
rock (casaca),  Ueberrock  (capote),    dem  Tornister  (mo- 
chila),  der  Cartousche,   Gewehr,  Bayonett,  Säbel  und 
Leibgurt. 
Alles  Uebrige,  was  der  Soldat  braucht,  ist  nicht  Königlich, 
sondern  sein  Eigenthum  (mesita);  dasselbe  besteht  gesetzUch  in 
2  Hemden,  1  Paar  Kamaschen  von  schwarzem  Tuch,  1  Jacke 
von  Leinwand,  1  Paar  Stiefeln,  2  Halsbinden,  1  Tuch- 
hose, 1  Dienstmütze,  1  Paar  Tragbänder,  1  leinener  Pro- 


569 

viantbeutel,  1  Beutel  mit  Putzzeug,  1  Ledertasche  mit 
Nadeln,  Zwirn,  Knöpfen. 

Diese  Gegenstände  müssen  vom  Rekruten  aus  dem  Regi- 
ments-Depot  angekauft  imd  waJbrend  der  Dienstzeit  in  gutem, 
reinlichen  Zustande  erhalten,  erforderlichenfalls  vom  Soldaten 
neu  angeschafft  werden.  Zu  diesem  Behufe  wird  ihm  beim  Ein- 
tritt ein  Conto  angelegt,  und  das  vorschussweise  Angeschaffte 
successive  monatlich  vom  Regimente  auf  den  Kostenpreis  von 
149  r.  5  r.  30  m.  (12  Silbergroschen)  vergütigt,  und  sobald  der- 
selbe gedeckt  ist,  berechnet  und  der  ihm  zu  gut  kommende 
Ueberschuss  nach  jeder  Quartalzusammenstellung  ausgezahlt 
oder  aufbewahrt.  Die  Regierung  vergütigt  dem  Fussartilleristen 
7  r.  4  m.,  dem  reitenden  Artilleristen  10  r.  1  m.,  dem  Ingenieur 
6  r.  22  m.,  dem  Carabinier  10  r.  17  m.,  dem  Ulanen  10  r.  31  m., 
dem  Jäger  1 0  r.  1 1  m.  monatlich. 

Die  prenda  kostet  nämlich  fiir  Fussartilleristen  167  r.,  für 
reitende  Jäger  178  r.  17  m.,  für  Ingenieure  167  r.,  für  Cavalle- 
risten  178  r, 

Aber  auch  die  Königlichen  Uniformstücke  muss  der  Soldat 
aus  seinem  Gehalte  ersetzen  oder  ausbessern  lassen,  wenn  er  sie 
verliert  oder  nicht  die  gesetzlich  vorgeschriebene  Zeit  der  Dauer 
zu  conserviren  weiss.  Der  Czako  muss  4  Jahre  aushalten,  das 
Tuchzeug  3,  das  Dragoner- CoUet  2,  der  Tornister  8  imd  die 
Cartouche  und  Lederzeug  1 2  Jahre. 

Das  Rechnungswesen  ist  sehr  wohl  geordnet  und  con- 
trollirt.  Der  Rechnungsführer  des  Regiments  (capitan  cajero) 
hat  die  Gasse  unter  sich,  zu  welcher  4  Schlüssel  gehören,  von 
denen  er,  der  Commandant^  der  Major  und  der  Oberst  ein  Jeder 
einen  fiihren.  Er  empfangt  aUe  1 4  Tage  den  Sold.  Zu  den  von 
ihm  ausgestellten  Quittungen,  wie  fiir  aUe  nur  immer  vorkom- 
menden Documente,  Listen,  Uebersichten,  Zusammenstellungen, 
Abschlüsse  und  Kleidercassen-,  Verpflegungs-,  Kranken-  und 
Gehaltsberechnungen  bestehen  Formulare.  In  der  Aufstellung 
seiner  Rechnung,  in  welcher  jeder  einzelne  Soldat  sein  Conto 


570 

hat,  sind  die  wesentlichen  Posten  die  Eleidercasse  (mesita)  und 
die  Verpflegung  (rancho). 

Jede  Compagnie  hat  ihre  besondere  Menage.  Die  Soldaten 
sind  verpflichtet,  daran  Theil  zu  nehmen,  mit  Ausschluss  der 
Sargenten,  welche  für  sich  essen,  und  derjenigen,  welche  ver- 
heirathet  sind  oder  Angehörige  im  Orte  haben,  und  denen  ge- 
stattet ist,  ausserhalb  der  Caseme  zu  essen.  Der  Soldat  erhält 
taglich  14  Pfund  gemengtes  Brod  und  zweimal  des  Tages  warme 
Kost  (rancho),  welche  von  den  damit  beauftragten  Unterofficie- 
ren  requirirt  und  von  einigen  Soldaten  zubereitet  ist.  Als  Küchen 
dienen  kleine  Kessel  von  Eisenblech,  in  deren  Mitte  sich  ein 
eisernes  mit  Kohlen  angefülltes  Rohr  befindet.  AUe  drei  Tage 
wechseln  die  Köche  durch  die  Compagnie;  der  Cabo  oder  Sar- 
gente de  rancho  requirirt  aus  einem  bezeichneten  Verkaufs- 
gewölbe, nach  den  dort  bestehenden  Tax-  oder  Marktpreisen, 
gegen  schriftliche  Assignationen  den  Bedarf  Der  Rechnungs- 
fahrer zieht  jene  Anweisungen  gegen  Zahlimg  ein,  und  schreibt 
jedem  Soldaten  fär  die  zwei  tägüchen  Mahlzeiten  8  Cuartos  (2  Sil- 
bergroschen) an;  er  revidirt  täglich  das  Essen,  zieht  auch  wohl 
einen  Arzt  zu,  und  berechnet  am  Monatsschluss  das  Brod,  Speck, 
Garbanzos,  Bohnen,  Kartoffeln,  die  gekauften  Kohlen,  Holz  und 
Oel,  und  repartirt  die  Ausgabe  auf  die  einzelnen  Soldaten. 

In  d6r  Caseme  erhält  jeder  Soldat  eine  Bettlade,  3  Bretter 
auf  2  Böcken  stehend,  mitunter  eine  eiserne  Bettstelle,  worauf 
eine  Reisstroh -Matratze,  Kopfkissen,  Decke,  zwei  weisse  leinene 
Laken  und  Kopfkissen- Ueberzug  befindüch;  fiir  je  20  Mann 
wird  ein  Tisch,  zwei  Bänke,  Lampe  und  Waschbecken  angewie- 
sen; dafür  monatlich  5  r.  von  Jedem  gezahlt.  Die  Beiträge, 
welche  den  Soldaten  für  ihre  Krankenzeit  im  Hospitale  gut  ge- 
schrieben werden,  betragen  20  und  resp.  12  m.  täglich;  6  r.  täg- 
lich für  Bäder  oder  Mineralwasser.  Ausserdem  besteht  ihr  Gut- 
haben neben  dem  Solde  in  4  m.  für  Wasser,  wenn  sie  in  Cadiz 
gamisoniren;  in  drei  Brodrationen,  die  sie  nicht  emp&ngen 
haben;  in  den  5  r.  30  m.  resp.  nach  den  verschiedenen  Truppen- 
theUen  höherem  monatlichen  Ersatz  für  die  mesita  und  sonstige 


571 

Procente.  Dagegen  zahlen  sie  1  r.  und  2  m.  für  die  Militair- 
Verwaltung,  weil  sie  die  mesita  nicht  gleich  baar  bezahlen;  1  r. 
monatlich  fiir  den  Barbier,  und  sonstige  Abgaben  fftr  Kost,  Cur, 
Bekleidung.  Sie  erhalten  alle  drei  Monat  eine  genau  specificirte 
Berechnung  ihrer  Abzüge  und  ihres  Guthabens. 

Bis  auf  50  r.  kann  ihnen  vom  RechnungsjRihrer  creditirt  wer- 
den, von  da  ab  wird  ihnen  täglich  1  Cuart  zur  Erstattung  des 
Vorschusses  abgezogen. 

Der  Grenadier  und  der  Jäger  erhalten  monatlich  57  r.  14  m., 
der  Musketier  53  r.  5  m.,  der  Gefreite  100  r.,  der  Unterofficier, 
Hornist  und  Tambour  150  r.  Es  bleiben  faktisch  dem  Soldaten 
davon  nur  3  bis  4  Cuart  (9  Pfennige  bis  1  Silbergroschen  Preus- 
sisch)  für  kleine  Bedürfhisse  und  zu  seinem  Vergnügen.  Auf 
dem  Marsche  erhält  der  Soldat  1  r.  tägliche  Zulage. 

Im  Quartiere  darf  er  vom  Wirth  nur  Bett,  Licht,  Wasser, 
Essig,  Salz  und  einen  Platz  am  Feuer  fordern. 

Auf  dem  Marsche  trägt  der  Soldat  seine  lüeidungsstücke 
im  Tornister,  ein  Hemd  und  ein  Paar  Beinkleider  in  dem  mit 
Leinwand  überzogenen,  mit  der  Regimentsnummer  bezeichneten 
Mantelsack,  ein  Paar  Stiefeln  in  den  Taschen  des  Tornisters, 
den  Mantel  gerollt  über  die  Biiist  und  Schulter  gelegt.  Zur  Be- 
förderung der  Regimentssachen,  Kochgeschirre  etc.  sind  pro  Bar 
taillon  ein  zweirädriger  Karren  und  ein  Maulthier  bestimmt. 

Die  Fahnen  der  Spanischen  Armee  sind  durch  Königliches 
Decret  vom  1 3  October  fiir  die  ganze  Armee  übereinstimmend  neu 
angefertigt.  Sie  tragen  die  Landesfarben ,  das  Königliche  Wap- 
pen mit  der  Bezeichnung  des  Truppentheils  imd  Bataillons.  Die 
bis  dahin  getragenen  Fahnen  sind  im  Museum  der  Artillerie  de- 
ponirt.  Die  Fahne  wird  bei  den  Alignements  und  in  allen  Fäl- 
len, wo  es  darauf  ankommt,  die  Richtung  des  Bataillons  zu  er- 
leichtem, auf  die  dazu  geeigneten  Punkte,  so  beim  Deployiren 
auf  den  äussersten  Flügel  getragen. 

Die  Militair-Musik  leistet  Vorzügliches.  Das  Regiments- 
Musikcorps  erhält  eine  Zulage  von  1100  r.  Die  Instrumente  sind 


572 

von  trefflicher  Arbeit,  und  die  Hautboisten  sehr  gut  eingeübt 
Jedes  Corps  besteht  aus  44  Mann.    Die  Instrumente  sind: 

Ein  Requinto  von  Holz  oder  Metall 1. 

Flauto  desgl.  desgl 1. 

Clarinete  principal 1. 

»         primo 1. 

»         2  segundos,  2  terceros,  2  quartos  . 6. 

Bügle  primo 1. 

»      segundo 2. 

Cometin  a  piston,  1  prim.,  2  segund 3. 

Clavicor 1. 

Clarinetes  de  armonia,  prim.,  segund 2. 

Trompas,  prim.,  segund 2. 

Trombones,  prim.,  segund 2. 

Bugsenes,  1  prim.,  2  segund 3. 

Figle  requintado  principal 1. 

»      2  prim.,  4  segund 6. 

»     monstruos 2. 

redoblante  a  piston  marcato 1. 

Ausserdem  2  Glockenspiele,  Becken,  Triangel,  grosse  Trom- 
mel, 2  kleine  und  die  Roulirtrommel,  sehr  gross  aber  ganz  flach. 
Beim  Marschieren  des  Regiments  geht  die  Sapeur- Abthei- 
lung, oder  12  Mann  in  zwei  Gliedern,  mit  so  grossen  Lücken, 
dass  sie  die  ganze  Breite  der  Kolonnen  einnehmen  und  für  diese 
den  Weg  frei  machen,  voran.  Dann  folgt  der  Tambour- Major, 
welcher  in  der  marcha  regulär  60,  in  der  redoblada  120  Schritt 
in  der  Minute  machen  muss ;  die  Tambours  und  mit  Gewehren 
be waffiieten  Hornisten ;  hierauf  das  Musikcorps,  in  4  oder  5  Rei- 
hen, in  der  ersten  die  Trommeln,  Becken  und  Glockenspiel,  in 
der  zweiten  Bombardon,  Bässe  imd  Posaunen,  Comet,  Trom- 
pete, Hom,  auf  dem  Flügel  Bass,  in  den  letzten  Reihen  die 
Clarinetten. 

Wenn  kleinere  Militair- Abtheilungen  zu  Ablösungen  von 
einem  Officier  gefuhrt  werden,  so  bläst  der  begleitende  Hornist 
einen  Marsch. 


573 

Der  Gamisondienst  ist  sehr  anstrengend  wegen  der  vielen 
Wachen,  welche  auch  in  Ministerial- Gebäude,  öffentliche  Eta- 
blissements, Audienz -Paläste  gegeben  werden.  Man  berechnet, 
dass  der  Soldat  durchschnittUch  den  dritten  Tag  auf  Wache 
kommt. 

Die  Wachtgebäude  sind  mit  Eisengittern  umgeben  und  mit 
Schiessscharten  versehen  zur  Vertheidigung  eingerichtet. 

Die  Soldaten  treten  mit  dem  rechten  Fuss  an;  sie  machen 
die  Kehrtwendimg  rechts  um,  und  haben  das  Französische  Exer- 
cier- Reglement  vollständig  adoptirt.  Das  Deployiren,  Frontver- 
änderungen, Achsenschwenkungen  werden  mit  grosser  Präcision 
ausgeführt.  Die  Tirailir-Uebungen,  denen  ich  beigewohnt, 
Hessen  Manches  zu  wünschen  übrig.  Beim  Scheibenschiessen 
habe  ich  nicht  viele  gute  Schüsse  gesehen.  JedenfSsQls  war  die 
gewählte  Entfernung  von  280  Schritten  für  die  Gewehre  zu  weit, 
imd  es  wurde  von  den  Schützen  zu  wenig  gezielt,  um  bessere 
Resultate  erwarten  zu  können.  Der  Scheibenweiser  befand  sich 
vor  der  Scheibe  in  einer  5  Fuss  tiefen  Grube,  die  ihn  sicher 
stellte,  und  die  Gelegenheit  bot,  die  Scheibe  stets  übersehen  zu 
können. 

Die  nach  Art  der  Französischen  Chasseurs  d'Afnque  orga- 
nisirten  Jäger-Bataillone  entwickeln  eine  ganz  besondere  Ge- 
wandtheit. 

Beim  Exerciren  im  Bataillon  werden  zur  Uebung  die  Be- 
wegungen und  Griffe  mit  dem  Gewehr  durch  lautes  Zählen  der 
Gesammtheit  begleitet. 

Die  Soldaten  werden  mit  Sie  (Usted,  eigentlich  «Vuestra 
merced»  Euer  Gnaden)  angeredet. 

Die  Infanterie-,  Cavallerie-  und  Artillerie -Casemen,  die  ich 
besucht,  zeichneten  sich  sämmtlich  durch  grosse  Ordnung,  reine 
Lufl  und  Reinüchkeit  aus.  Die  Gesammt- Armatur-  und  Monti- 
rungsstücke  jedes  Soldaten  haben  oberhalb  seines  Bettes  auf 
Bretter-Repositorien  ihren  Platz.  Die  gemeinschafUichen  kupfer- 
nen oder  Messing- Waschbecken,  die  Metallschilde,  Epauletts, 
Zaimizeug,  Gewehrläufe  imd  Schlösser  sind  spiegelblank.     Die 


574 

Verzeichnisse  der  in  den  Sälen  zusammen  Wohnenden,  die  Ca- 
sernen- Gesetze  tmd  Instructionen  hängen  unter  Glas  und  Rah- 
men an  den  Wänden.  Die  Aufsicht  fuhrenden  Stubenältesten 
tragen  zum  Kennzeichen  grosse  runde  Messingscheiben  am  lin- 
ken Arme.  In  der  Caseme  werden  Kappen  getragen  und  diese 
grüssend  abgenommen.  Die  Ofificiere  tragen  ausserhalb  der  Ca- 
seme oder  im  Dienst  niemals  Mützen.  Das  Zimmer  des  du  jour 
habenden  Officiers  ist  auf  das  eleganteste  mit  Sophas,  Spiegeln 
und  Polsterstühlen  meublirt.  Dort  stehen  die  Fahnen  und  befin- 
det sich  häufig  eine  kleine  BibUothek. 

Diejenigen,  welche  freiwillig  in  den  Militairdienst  treten, 
geniessen  bedeutende  Vortheile.  Das  Königliche  Decret  vom 
2  Juli  1851  hat  über  die  Annahme  derselben  Nachstehendes  be- 
stimmt. Es  müssen  dieselben,  wenn  sie  im  Heere  schon  gedient 
haben,  nicht  älter  als  34  Jahr,  im  Uebrigen  23  bis  30  Jahr  alt^ 
kräftig,  wohl  gewachsen,  wenigstens  4  Fuss  11  Zoll  gross  sein 
und  bei  der  vorzunehmenden  ärztlichen  Untersuchung  vollkom- 
men brauchbar  befunden  werden.  Sie  erhalten  f&r  das  Engage- 
ment auf  4,  6  oder  8  Jahre  3000,  4500  und  resp.  6000  r.  Es 
wird  ihnen,  wenn  sie  früher  gedient  hatten  und  Sargenten  ge- 
wesen, die  Dienstzeit  fiir  den  Fall  der  Pensionirung  mit  berech- 
net, und  die  Aussicht  eröfl&iet,  fiir  den  Fall  bestehender  Vacan-' 
zen,  ohne  die  sonst  erforderjichen  Prüfungen,  in  die  Stelle  als 
Sargent  eintreten  zu  können.  Es  wird  ihnen  eine  monatliche  Zu- 
lage von  1 5  und  resp.  6  r.  und  die  Anwartschaft  auf  Eintritt  in 
die  Guardia  civil,  Carabiniers  del  Reino  (Grenzaufseher)  oder 
Civil-Versorgung  zugesichert.  Die  Freiwilligen  zahlen  monatlich 
14  r.  in  den  Fond  der  Mesita,  und  beziehen  täglich  11  oder 
12  cuartos,  von  denen  7  —  8  fiir  den  rancho  abgehen;  ihre  Brod- 
ration besteht  in  1^  Pfund.  Die  monatliche  Zulage  von  4,  10,  20 
und  30  r.  erhalten  sie  nach  10,  15,  20  imd  25  Diens^ahren;  für 
Verwundungen  im  Kriege  60  r.,  fiir  Verstümmelung  oder  Erblin- 
dung 90  r.  monatliche  Pension,  oder  Aufnahme  in  die  Invaliden- 
Abtheilung  nüt  3  r.  täglich. 


575 

Iq  Erwägung  der  oben  angeführten  allgemeinen  gesetzliehen 
Bestimmungen,  die  Militair-Verpfliehtung  imd  das  Ersatzwesen 
betreffend  9  durfte  es  von  Interesse  sein,  Nachstehendes  hierüber 
aus  der  Gesetzes -Vorlage  vom  29  Januar  1850,  sanctionirt  durch 
Königliches  Decret  vom  18  Juni  1851,  zu  erfahren,  um  nament- 
lich die  Gründe  zur  Befreiung  vom  Militairdienst  und  die  neue- 
ren Beschrankimgen  der  Stellvertretung  kennen  zu  lernen. 

Ausgeschlossen  und  befreit  vom  Dienste  sind 
(Cap.  IX.): 

1.  Diejenigen,  welche  nicht  das  Maass  von  4  Fuss  11  Zoll 
haben. 

2.  Diejenigen,  welche  wegen  körperlicher  Gebrechen  un- 
brauchbar sind. 

Vom  Dienst  in  der  Armee  befreit,  aber  zuzulas- 
sen sind: 

1.  Diejenigen,  welche  sich  im  18ten  Jahre  zum  Seedienst, 

2.  welche  sich  als  Schiffszimmerleute  oder  Tischler  für  den 
Marinedienst  haben  notiren  lassen;  sie  werden  dessenun- 
geachtet eingestellt,  wenn  Mangel  an  DiensttaugUchen 
vorhanden  ist.  Jedes  Dienstgahr  an  Bord  wird  fiir  zwei 
Dienstjahre  in  der  Landarmee  gerechnet. 

3.  Die  Rehgiosos  profesos  der  Missionsschulen  in  den  Philip- 
piuen. 

4.  Die  Novizen  derselben,  welche  vor  ihrer  Einberufung  zum 
Heere  ein  Jahr  in  der  Anstalt  gewesen ;  diese  können  frei- 
willig eintreten,  wenn  sie  das  30te  Lebensjahr  noch  nicht 
zurückgelegt  haben. 

5.  Die  Quecksilberminen-Arbeiter  von  Almaden,  Chillon,  Al- 
madenejos imd  Garganüel,  und  diejenigen  Bewohner  der 
Nachbarschaft,  welche  sich  für  diese  der  Gesundheit  so 
nachtheiligen  Arbeiten,  dass  auf  das  Jahr  nur  1 50  Arbeits- 
tage gerechnet  werden  können,  haben  einschreiben  lassen. 

Auch  diese  können,  wenn  sie  bis  zum  SOten  Jahre 
nicht  ziun  Minendienst  herangezogen  wurden,  bis  dahin 
freiwillig  eintreten. 


576 

Befreit    sind,     aber    freiwillig    einstellungsfällig 
(Art  67.): 

1.  Diejenigen,  welche  ihrer  Dienstpflicht  als  Freiwillige  ge- 
nügt. 

2.  Diejenigen,  die  sich  freigeloost  haben. 

3.  Diejenigen,  welche  das  dienstpflichtige  Alter  noch  nicht 
erreicht  oder  überschritten  haben. 

4.  Die  Ordinirten  in  Sacris. 

Befreit   sind,    wenn    dies  Recht  in   Anspruch  ge- 
nomnoien  wird  (Art.  68.): 

1.  Der  einzige  Sohn  von  arbeitsunfähigen  oder  60jährigen 
Eltern. 

2.  Der  einzige  Sohn  einer  armen  Wittwe. 

3.  Der  einzige  Sohn  einer  armen  Mutter,  deren  Mann  eine 
Criminalstrafe  leidet  und  nicht  innerhalb  sechs  Monaten 
seine  Befreiung  zu  erwarten  hat.  Sobald  die  Behinderung 
fortf&llt,  muss  der  Militairpflicht  genügt  werden. 

4.  Der  einzige  Sohn  einer  armen  Mutter,  deren  Ehemann  seit 
zehn  Jahren  abwesend,  wenn  sein  Aufenthalt  unbekannt 
ist,  auf  so  lange,  als  der  Grund  dauert 

5.  Der  einzige  Sohn  einer  armen  Mutter,  deren  Gatte  60  Jahre 
alt  und  arbeitsunfähig  ist 

6.  Dieselben  Exceptionen  gelten  fiir  den  unehelichen  Sohn 
mit  Bezug  auf  seine  Mutter. 

7.  Nicht  minder,  wenn  sie  unverheirathet  oder  Wittwe  ist 

8.  Der  einzige  Enkel,  der  arme,  60jährige  oder  arbeitsun- 
faliige  Grosseltem  ernährt, 

9.  oder  eine  arme  Grossmutter,  deren  Mann  arbeitsunfähig. 

1 0.  Der  Bruder  verwaister  Geschwister,  der  seit  Jahr  und  Tag 
für  deren  Unterhalt  sorgt 

11.  Der  Sohn  eines  Vaters,  dessen  übrige  mehr  als  17  Jahre 
alten  Söhne  im  Mihtair  dienen.  Letztere  dürfen  nicht  be- 
zahlte Stellvertreter,  Deserteurs,  Alumnen  der  Militair- 
CoUegien  sein.  Die  Befreiimg  hört  mit  dem  Wegfall  des 
Behinderungsgrundes  auf. 


577 

In  den  Erläuterungen  dieser  Bestimmungen  werden  die  Be- 
griffe der  Armuth  der  Eltern,  der  Arbeitsunfähigkeit,  die  Be- 
zeichnungen des  einzigen  Sohnes  oder  Enkels  neben  anderen 
jüngeren  Geschwistern,  in  derselben  Weise  aufgefasst,  wie  dies 
in  den  Preussischen  Bestimmungen  in  Betreff  der  Reclamationen 
der  Fall  ist. 

Bei  dem  Aushebungsgeschäft  (Cap.  X.)  sollen,  wenn 
irgend  möglich,  Militairs  gegenwärtig  sein,  um  über  Maass  und 
Körperbeschaffenheit  der  Ersatzmannschaften  ein  sachverständi- 
ges Gutachten  abzugeben.  (Art.  72.) 

Ueber  Reclamationen  entscheidet  nach  vorangegangener 
Prüfung  das  Ayuntamiento,  vorbehaltlich  des  Recurses  an  den 
Provinzial-Rath.  (Art.  75.)  Zur  Verification  ungenügender  Zeug- 
nisse werden  kurze  Fristen  gesetzt.  (Art  74.) 

Wegen  körperlicher  ünbrauchbarkeit  wird  bei  obwaltender 
Einstinunigkeit  der  Commission  das  Ayuntamiento  entscheiden, 
anderenfalls  die  Entscheidung  von  einer  ärztlichen  Superrevision 
abhängig  gemacht  (Art.  75.) 

Kann  das  zu  gestellende  Contingent  weder  aus  der  Alters- 
klasse, noch  aus  der  Klasse  der  beiden  zunächst  folgenden  Jahr- 
gänge gedeckt  werden,  so  wird  an  den  Gouverneur  berichtet^ 
welcher  die  aufgestellten  Listen  und  die  entschiedenen  Recla- 
mationen durch  den  Provinzial-Rath  prüfen  und  entweder  be- 
richtigen oder  mit  der  Aushebung  durch  die  höheren  Alters- 
klassen fortfahren  lässt 

Die  Behandlung  der  Militairflüchtigen  und  der  Selbstver- 
stümmler entspricht  der  Unsrigen.  Sie  werden  primo  loco  und 
meist  in  die  Bataillone  in  Africa  eingestellt  oder  dort  zu  den 
Strafarbeiten  verwendet ;  sie  zahlen  ausserdem  Geldstrafen  von 
500  —  2000  r.  Eben  so  viel,  ausser  der  Criminalstrafe,  diejeni- 
gen, welche  bei  der  Flucht  behülflich  waren. 

So  lange  Jemand  im  militairpflichtigen  Alter  befindlich, 
erhält  derselbe  niemals  einen  Pass  ins  Ausland,  ohne  vorher 
6000  r.  zur  Sicherheit  für  etwaige  Stellvertretung  bestellt  zu 
haben.  (Art  117.) 

T.  Minutöli,  Spanien.  37 


578 

Diejenigen,  welche  entehrende  Strafen  erlitten,  werden 
nicht  dem  stehenden  Heere  einverleibt;  solche,  welche  gerin- 
gere Strafen  erhalten,  genügen  ihrer  Militairverpflichtung  in 
den  africanischen  Besitzungen  oder  in  America,  auf  Cuba  oder 
Puerto  Rico. 

Reclamationen  der  Ersatzpflichtigen  über  das  Verfahren  und 
die  getroffenen  Entscheidungen  der  Aushebungs  -  Commission 
müssen  sofort  dem  Alcalden  mündlich  oder  schriftlich  angemel- 
det und  dem  Provinzial-Rath  übersandt  werden,  um  die  Ent- 
scheidung noch  vor  dem  Abmärsche  nach  dem  Provinzial-Depot 
extrahiren  zu  können.  (Art.  93.) 

Zum  1 5  Mai  müssen  die  ausgehobenen  Contingente  der  ein- 
zelnen Gemeinden  mit  den  nöthigen  Procent -Mannschaften  im 
Provinzial-Depot  eintreffen.  Sie  werden  durch  ein  beim  Ersatz- 
geschäft nicht  betheiligtes  Mitglied  des  Ayuntamiento  dorthin 
gefuhrt  und  fiir  die  Verpflegung  der  Recruten  auf  dem  Marsche 
auf  Kosten  des  Ayuntamiento  gesorgt  (Art.  95.)  Es  werden  zu 
diesem  Behufe  vom  Tage  des  Abmarsches  an  pro  Kopf  täglich 
2  Realen,  die  Marschtage  zu  5  Leguas  gerechnet,  vergütigt,  und 
diese  Summe  den  wirklich  Eingestellten  bis  zum  Tage  der 
Uebergabe  an  die  Mihtair- Behörde,  den  übrigen  Mannschaften 
ftir  die  Dauer  ihres  Aufenthaltes  in  dem  Depot  und  bis  zum 
Tage  des  Wiedereintreffens  in  der  Heimath  gezahlt.  Besteht 
Jemand  darauf,  dass  ein  vom  Ayuntamiento  wegen  Mindermaass 
oder  körperlicher  Unbrauchbarkeit  Entlassener  zur  Nachrevision 
in  das  Depot  gefuhrt  werde,  und  wird  diese  Reclamation  bei  der 
dortigen  Prüfung  zurückgewiesen,  so  hat  der  Reclamant  die  da- 
durch entstandenen  Kosten  zu  ersetzen.  (Art  98.) 

Im  Provinzial-Depot  ist  zur  Empfangnahme  der  Rekruten 
vom  General -Capitain  ein  Beamter  commandirt;  eine  Conmiis- 
sion,  aus  einem  Militair -Beamten  und  einem  Abgeordneten  des 
Provinzial- Gouverneurs  bestehend,  prüft  die  etwa  noch  ange- 
brachten Reclamationen.  Zum  Nachmessen  und  zur  körper- 
lichen Untersuchung  sind  zwei  Sargenten  der  Garnison  imd  zwei 
Aerzte  von  der  Civil-  und  Militair -Behörde  erwählt 


579 

Mangelnde  Uebereinstimmung  der  Commissarien  über  das 
Maass  und  die  Figur  des  Einzustellenden  hat  die  Folge  der  Zu- 
ziehung zweier  neuen  Sargenten ;  einigt  man  sich  nicht  über  kör- 
perliche Fehler  und  Gebrechen,  so  werden  der  dritte  und  vierte 
Arzt  zugezogen.  Abweichende  Ansichten  unter  den  Mitghedern 
der  gemischten  Commission  entscheidet  in  letzter  Instanz  der 
General -Capitain.  Dagegen  werden  die  Reclamationen  über  Be- 
freiung wegen  häuslicher  Verhältnisse  nur  von  der  Civil-Behörde 
geprüft  und  entschieden.  Gegen  die  Entscheidung  des  Provin- 
zial-Rathes  kann  an  das  Ministerium  des  Innern  appellirt  wer- 
den; eben  so  wohl,  weil  Individuen  angeblich  ohne  Grund  aus 
den  Listen  gestrichen,  als  weil  andere,  trotz  der  angebUch  trif- 
tigen Reclamationsgründe,  in  den  Listen  aufgenommen  sind.  Ein 
solcher  Recurs  muss  jedoch  binnen  acht  Tagen  eingeleitet  und 
in  kürzester  Frist  entschieden  werden.  (Art.  128.) 

Diejenigen  körperlichen  Gebrechen,  welche  eine  Militair- 
dienstverpflichtung  ausschUessen ,  nicht  allein  bei  den  Loosen- 
den,  sondern  auch  bei  den  Procent-Mannschaften,  Stellvertre- 
tern, Selbstverstümmlem  und  Flüchtigen  oder  unsicheren  Can- 
tonisten,  zerfallen  in  zwei  Klassen. 

Die  «rste  Klasse  umfasst  solche  Gebrechen,  welche  von  den 
Aerzten  bei  Gelegenheit  der  Revision  bemerkt,  erkannt  und  fest- 
gestellt werden;  die  zweite  Klasse  dagegen  solche  Leiden,  welche 
hinsichts  ihres*  dauernden  oder  chronischen,  ihres  eingewurzelten, 
veralteten  oder  neu  entwickelten  Zustandes,  oder  ihrer  besonde- 
ren Eigenthümlichkdt  und  bisherigen  Behandlimg  wegen,  einer 
weiteren  sachverständigen  oder  durch  andere  Beweise  festge- 
stellten Bescheinigung  bedürfen. 

Zur  ersten  Klasse  gehören : 

a)  Gebrechen,  welche  das  Hirn-  (cerebro-espinal)  und  das 
Nervensystem  betreffen,  5  verschiedene  Fehler  oder 
Uebel  aufstellend. 

b)  Augenleiden  mit  32  verschiedenen  Gebrechen. 

c)  Gehörschw&che  mit  2  Arten  von  Leiden. 

37' 


580 

d)  Gebrechen  und  Krankheit,  aus  mangelhafter  Verdauung 
entstanden  (aparato  digestivo  y  sus  anejos),  wozu  fehlende 
Zäline,  Lippen  etc.,  im  Granzen  23  Arten  von  Uebeln,  ge- 
rechnet werden. 

e)  Gebrechen  in  Betreff  der  Respiration  mit  9  Krankheits- 
erscheinungen. 

f)  Gebrechen  del  aparato  genito-urinario  mit  14  ver- 
schiedenen Leiden. 

g)  Gebrechen,  das  Zellensystem  betreffend,  mit  5  Fehlem, 
h)  Gebrechen  im  Lymphen  System  mit  4  Fehlem. 

i)  Gebrechen,  die  das  Gehen  oder  die  freie  Bewegung 
hindern,  11  Fehler  enthaltend. 

Es  mag  hierbei  bemerkt  werden,  dass  PlattfGisse  und  Krampf- 
aderbrüche in  Spanien  sehr  selten  vorkommen,  weil  der  Fuss,  da 
er  meistentheils  frei  in  Sandalen  oder  in  bequemen  Leinwand- 
oder weiten,  weichen  Lederschuhen  getragen  wird,  nicht  solchen 
Leiden  imterworfen  ist,  wie  sie  sich  in  harten,  engen  und  schlech- 
ten Stiefeln  bilden. 

Zur  zweiten  Klasse  gehören  dieselben,  in  9  Klassen  getheil- 
ten  Gebrechen  unter  der  oben  angegebenen  Voraussetzung, 
welche  eine  genauere  Beschreibung  oder  Bescheinigung  erfor- 
derhch  macht.  Es  sind  in  diesen  9  Klassen  15,  17,  7,  34,  28,  11, 
8,  4  und  resp.  14,  im  Ganzen  139  verschiedene  Krankheits- 
Erscheinungen  aufgeführt.  Die  nothwendigen  Zeugnisse  müssen 
von  Behörden  ausgestellt  oder  beglaubigt  sein,  oder  auf  der  Er- 
klärung von  6  Zeugen  beruhen,  von  denen  4  bei  der  Aushebung 
selbst  concurrirt  haben. 

Um  einen  Stellvertreter  statt  des  Dienstpflichtigen  einstel* 
len  zu  dürfen,  ist  erforderlich,  dass  derselbe  unverheirathet 
oder  Wittwer,  vollständig  gesund,  aus  derselben  oder  den  bei- 
den nächstfolgenden  Altersklassen  des  Verpflichteten,  auch 
aus  derselben  Provinz  sei,  imd  im  Einverstpndniss  mit  seinem 
Vater  handle.  Demnächst  muss  der  Verpflichtete  6000  r.  in  der 
San  Fernando -Bank  in  Madrid  oder  deren  Provinzial-Comman- 
diten  deponiren ;  er  wird  aber  dessenungeachtet  zum  Dienst  ein- 


581 

gezogen^  wenn  durch  eine  Nachgestellong  sein  Ersatzmann  selbst 
die  Ordre  zur  Einstellung  erhält.  Jene  Summe  von  6000  r.  bleibt 
der  Regierung  zur  Verfugung  gestellt^  um  daraus  die  Kosten  der 
freiwilligen  Gestellung  oder  der  Capitulation  der  ausscheidenden 
Militairs  zu  bestreiten.  Sie  giebt  in  der  Justificirung  ihrer  Ver- 
waltung darüber  Rechenschaft  (Art  141). 

Die  Ersatzmannschaften,  so  wie  die  nach  beendeter  Dienst- 
zeit Entlassenen  erhalten  zur  Aufiiahme  der  amtUchen  Entschei* 
düng,  der  Atteste  imd  Führungs- Zeugnisse  runde  Blechfutterale, 
die  sie  an  breiten  bunten  Bändern  um  den  Hals  tragen. 

Die  Spanischen  Festungen  des  Festlandes  und  der  Ad- 
jacentes,  so  wie  die  Commandantschaften  derselben  haben  durch 
die  Verordnung  vom  13  September  1842  eine  Eintheilung  er- 
fahren. 

SämmÜiche  feste  Plätze,  Forts,  Castelle  etc.  sind  in  fünf 
Klassen  gesondert  Die  Hauptstädte  der  MiUtair-Districte  sind 
mit  hinzu  gerechnet,  selbst  wenn  sie  nicht  befestigt  sind,  weil 
die  General- Capitaine  dort  residiren,  die  Parks-  und  Kriegs- 
bedürfiiisse  daselbst  befindlich  und  starke  Garnisonen  gemeinig- 
Hch  in  denselben  concentrirt  sind.  Die  Gouverneure  der  Plätze 
erster  Klasse  sind  General-Lieutenants  oder  Mariscales  de  Gampo ; 
die  der  zweiten  Brigadiers;  die  der  dritten  Obersten,  Oberst- 
Lieutenants  oder  Commandanten;  die  der  vierten  Capitaine,  die 
der  fünften  Subalternen. 

Die  Gouverneure  der  Festungen  erster  Klasse ,  welche  die 
Hauptstadt  des  Miütair-Districts  oder  des  General- Capitanats 
bildet,  sind  zweite  Chefs  (Cabo)  des  Districts.  Die  Gouverneure 
der  Festungen  erster  und  zweiter  Klasse,  welche  Hauptstädte 
der  Civil -Provinzen,  sind  General-Commandanten  in  diesen  Pro- 
vinzen, mit  Ausnahme  von  Navarra,  den  Balearen  und  Canarien, 
wo  der  General- Capitain  beide  Posten  vereinigt  Gouverneure 
heissen  die  Befehlshaber  in  den  Festungen  der  drei  ersten  Klas- 
sen; die  übrigen  Festungs-,  Fort-  oder  Gasteil- Commandanten. 
Zur  Unterstützung  sind  ihnen  Sargentes -Mayores  der  ersten, 


582 

zweiten  und  dritten  Klasse  zugeordnet.  Diese  Majore  sind  Ober- 
sten oder  Oberst-Lieutenants  in  Festungen  erster  Klasse ,  Com- 
mandanten  in  denen  dritter  Klasse;  die  Platz -Adjutanten  sind 
Hauptleute  und  Lieutenants.  Um  in  diesen  Aemtem  angestellt 
zu  werden,  muss  eine  15jährige  Dienstzeit  absolvirt  und  der 
Nachweis  der  nöthigen  Kenntnisse  geführt  sein.  Der  Sold  be- 
trägt fiir  den 

^                   T  Tri  (  General-Lieutenant  60,000  r. 

trouverneur  I  Klasse 1^ 

(  Mariscal  de  Campo    45,000  » 

Gouverneur  11  Klasse Brigadier 30,000  » 

Oberst 25,800  • 

,>,  rrr  Tri  /  Oberst-Lleutenaut  .  20,400  • 

(xouvemeur  III  Klasse <^  ^  ,  /^^^ 

Erster  Commandant  18,000  » 

Zweiter         »  17,000  » 

Fort  -  Commandant  IV  IQasse.  . . .  Hauptmann 8,000  » 

Castell- Commandant  V  Klasse  .  <    -  ' 

Unterlieutenant. .  .  .    3,360  » 

Oberst 19,800  » 

o  X  Tvr  •      j     T>i  X  )  Oberst- Lieutenant  .  14,400  » 

Sargent -Major  des  Platzes  .  .  .  .  <  ^  ^ 

Erster  Commandant  12,000  » 
Zweiter         »  11,000  • 

Adjutant  des  Platzes    I  Klasse  . .  Capitain 8,400  » 

»  »         »         n  Blasse  . .  Lieutenant 4,800  » 

»  »         »       in  Klasse  . .  XJnterlieutenant. .  . .    3,360  ■ 

Die  Stelle  als  Schlüssel -Major  versieht  der  Adjutant  der  un- 
tersten Klasse. 

Die  Festungs-Commandantschaften  sind: 

1.  Im  General-Capitanat  von  Neu-Castilien: 
Madrid  I  Klasse. 

General- Commandantschaften  in  Madrid,  Cuenca,   Segovia, 
Guadalajara,  Toledo,  CiudadReal. 

2.  General-Capitanat  von  Alt-Castilien: 

Festungen  von  Valladolid  I,  Ciudad  Rodrigo  11,  Zamora  U, 
Gijon  m,  Puebla  de  Sanabria  in. 


583 

General- CommandantschafleQ  in  Valladolid,  Leon,  Palencia, 
Salamanca,  Zamora,  Avila,  Oviedo. 

3.  General-Capitanat  von  Aragon: 

Festung  von  Zaragoza  I,  Castillo  de  A^jaferia  IV,  Jaca  II,  Mon- 
zon  n,  Alcaniz  in,  Maquinenza  III,  Castillo  de  Benasque  V. 
General -Gommandantschaften:  Zaragoza,  Huesca,  Teruel.. 

4.  General-Capitanat  von  Catalonien: 

Festung  von  Barcelona  I,  Ciudadela  de  Barcelona  11,  Castillo 
de  Monjuich  11,  Lerida  I,  Castillo  principal  HI,  Castillo 
de  Gardeny  IV,  Gerona  I,  Tortosa  I,  Tarragona  I,  Fi- 
gueras  I,  Seu  de  Urgel  11,  Cardona  HI,  Hostairich  DI, 
Rosas  in,  Col  de  Balaguer  V. 

General  -  Commandantschaften:  Barcelona,  Lerida,  Gerona, 
Tarragona. 

5.  General-Capitanat  von  Valencia: 

Festung  Valencia  I,  Ciudadela  de  Valencia  IV,  Aücante  I,  Ca- 
stillo de  Alicante  IV,  Cartagena  I,  Murviedro  11,  Castillo 
de  Denia  HI,  Peniscola  11,  Morella  HI,  Penas  de  San  Pe- 
dro III,  San  Pß,blo  de  la  nueva  Tabarca  V. 

General- Commandantschaften:  Valencia,  Murda,  Alicante,  Al- 
bacete,  Castellon,  Maestrazgo. 

6.  General-Capitanat  der  Balearen: 

Festung  Palma  I,  Alcudia  m,  Castillo  de  San  Carlos  V,  Ca- 
stillo de  Bollver  V,  Castillo  de  Cap  de  Pera  V,  Castillo 
de  Pallenza  V,  Castillo  de  Soller  V,  de  Portapetro  V,  de 
piedra  picada  V,  la  Cabrera  V,  Festimg  Mahon  I,  Ciuda- 
dela de  Mahon  m,  Fomells  IV,  Festung  Iviza  II. 

General- Commandantschaften:  Mallorca,  Menorca. 

7.  General-Capitanat  von  Navarra  und  Vascon- 
gadas: 

Festung  von  Pamplona  I,  Ciudadela  von  Pamplona  m,  Brücken- 
kopf von  Tudela  FV,  Festung  Vitoria  I ,  San  Sebastian  I, 
Castillo  de  la  Mota  IV,  Guetaria  IV,  Pasages  IV,  Fort 
von  S.  Barbara  de  Hernani  V. 


584 


General -Commaadautschaften  von  Navarra,  Alava,  Viscaya» 
Guipuzcoa. 

8.  General-Capitanat  von  Andalusien: 

Festung  Sevilla  I,  Cadiz  I,  Castillo  San  Sebastian  III,  Pun- 
tal  TV,  Santa  Catalina  IV,  Cortadura  San  Fernando  V, 
Santi  Petri  III,  Ayamonte  III,  Paymogo  IE,  Tarifa  V, 
San  Lucar  de  Guadiana  V,  Cabo  de  las  Torres  V. 

General -Commandantschaften  von  Sevilla,  Cadiz,  Cordova, 
Huelva. 

9.  General-Capitanat  von  Granada: 

Festung  Granada  I,  Fort  der  Alhambra  IV,  Almeria  II,  Ma- 
laga n,  Castillo  de  Gibraltaro  IV,  Motril  III,  CastiUo  de 
Jaen  V. 

General -Commandantschaften  von  Granada,  Malaga,  Alme- 
ria^ Jaen. 

10.  General-Capitanat  von  Estremadura: 
Festung  Badajoz  I,  Castillo  San  Cristobal  IV,  Fort  von  Parda- 

leras  IV,  Olivenza  II,  Albuquerque  HI,  Alcantara  EI,  Va- 
lencia de  Alcantara  IE. 
General  -  Commandantschaften  von  Badajoz  und  Caceres. 

11.  General-Capitanat  von  Galicien: 

Festung  Coruna  I,  Castillo  San  Anton  IV,  de  San  Diego  FV, 
de  Santa  Cruz  V,  Ferrol  B,  Castillo  de  San  Felipe  IV,  de 
la  Palma  V,  de  San  Martin  V,  Tuy  II,  Vigo  IE,  Bayona  IV, 
Monterey  IV,  Salvatierra  IV,  Fuerte  de  Goyan  IV,  de 
Santa  Cruz  de  la  Guardia  V. 

General  -  Commandantschaften  von  Coruiia,  Lugo,  Orense, 
Pontevedra. 

12.  General-Capitanat  von  Burgos: 

Festung  Burgos  I,  Castillo  de  Burgos  IE,  Santona  E,  Lo- 
grono  E,  Castrourdiales  IE,  Castillo  de  Miranda  de 
Ebro  V. 

General  -  Commandantschaften  von  Burgos ,  Logrono,  Santan- 
der,  Soria. 


585 

13.  General-Gapitanat  von  den  Canarien: 
Festung  Santa  Cruz  de  Tenerifa  I,  Castillo  San  Cristobal  IV, 

Castillo  de  Paso  alto  V,  Gran  Canaria  III ,  Puerto  de  la 
Orotava  IV,  Castillo  de  San  Francisco  del  Bisco  IV,  Lau- 
zarote  III,  Palma  III. 

Auf  der  Insel  Palma  bestehen  8  Bataillone  Provin- 
zial-Milizen;  sie  wurden  1770  errichtet  und  durch  Kö- 
nigliches Decret  vom  22  April  1844  reorgaoisirt.  Sie 
führen  die  Namen  La  Laguna,  Orotava,  Abona,  Pal- 
mas, Guia,  Palma,  Lanzarote  und  Fuerte Ventura. 
Daran  schliessen  sich  die  Sectionen  der  Inseln  la  Go- 
mera  und  Hierro.  Die  Uniform  entspricht  der  der 
Truppen  gleicher  Gattung  auf  dem  Festlande. 

14.  Das  General-Capitanat  der  Africanischen  Be- 
sitzungen: 

Festung  Ceuta  I,  Melilla  in,  Penon  IV,  Alhucemas  IV  und  die 
Chafarinen-Inseln  III. 

Die   General-Commandantschaft  del  Campo  de  Gi- 
braltar, vertreten  durch  einen  Mariscal  de  Campo,  be- 
aufsichtigt die  befestigte  Insel  Verde  IV. 
Hiemach  bestehen  die  festen  Plätze  Spaniens  aus 

25  zur  ersten  Klasse  gehörend. 
17  zur  zweiten     »  » 

30  zur  dritten      »  » 

27  zur  vierten      »  » 

26  zur  fünften     »  » 
Im  Ganzen  aus  125  Plätzen. 

Bei  der  Besprechung  des  Ingenieur -Corps  ist  bereits  des 
Könighchen  Decretes  vom  25  Mai  1851  Erwähnung  geschehen, 
durch  welches  eine  Commission  von  Sachverständigen  nieder- 
gesetzt ist^  um  die  Festungen  einer  Revision  zu  unterwerfen  und 
Vorschläge  zu  machen,  welche  überhaupt  beizubehalten,  in 
ihren  Vertheidigungs- Systemen  zu  ändern  oder  zu  er  weitem, 
welche  als  feste  Plätze  eingehen  zu  lassen  und  an  welchen  Punk- 
ten des  Landes  etwa  neue  Befestigungen  anzulegen  sein  möchten. 


586 


Das  Marine  -  Ministerium. 

Ministerio  de  Maxina. 

rromt9  opomque  fiBrai,  eomnaiua  uer»  tacti. 
Ovi<L  ex  Ponte  IV.  8.  81. 

Im  Kriegs -Ministerio  sind  13  Oficiale,  einige  Hülfsarbeiter 
und  das  erforderliche  Subaltern -Personal  fiir  die  Bureaus  an- 
gestellt. Das  Marine  -  Obergericht  befindet  sich  in  Madrid.  Das 
Corps  der  Armada  theilt  sich  in  den  activen  Dienst  und  die  ter- 
cios  navales.  Zu  dem  ersteren  gehören:  1  General -Capitain, 
5  General -Lieutenants,  8  Gefes  de  Escuadra,  14  Brigadiers, 
25  SchiflFs-Capitaine,  50  Fregatten- Capitaine,  157  Schiffs-Lieu- 
tenants und  172  Schiffsfahnriche.  Die  anderen  bestehen  aus 
1 0  Commandanten  de  tercios  navales  aus  der  Klasse  der  Briga- 
diers, 26  Pro vinzial- Commandanten  aus  der  Klasse  der  Schifiis- 
oder  Fregatten -Capitaine,  36  zweite  Commandanten  aus  der 
Klasse  der  Fregatten -Capitaine  oder  Schiffs -Lieutenants,  aus 
der  entsprechenden  Zahl  von  Subalternen  für  die  Aciyutantschaf- 
ten  der  Districte ,  in  welclie  die  Provinz  getheilt  ist,  und  für  die 
Adjutanten  der  Commandantschaflen,  imd  endlich  aus  den  Hafen- 
Capitainen  verschiedener  Grade,  je  nach  der  Wichtigkeit  der  55 
Spanischen  Häfen  in  den  Europäischen,  Americanischen  und 
Asiatischen  Besitzimgen.  Jedoch  bleiben  in  allen  diesen  dienst- 
lichen Stellungen  die  resp.  Beamten  so  lange  in  der  Zahl  der 
Supemumerarien,  als  die  etatsmässige  Zahl  voll  ist. 

Die  Junta  direcüva  de  la  Armada  ward  durch  KönigUches 
Decret  vom  23  Februar  1848  aufgehoben,  und  statt  dessen  eine 
Junta  consultativa  eingesetzt 

Der  Generalstab  der  Armada  besteht  aus  dem  General- 
Director,  dem  Präsidenten  der  eben  erwähnten  Junta^  4  ordent- 
lichen und  3  ausserordentlichen  Mitgliedern  (Yocales)  und  dem 
Secretair. 

Die  Direction  der  hydrographischen  Arbeiten  beschäftigt 
eine  Anzahl  von  Beamten  und  Piloten  mit  der  Aufnahme  von 
Karten  und  Plänen,  so  wie  Kupferstecher  und  Lithographen  mit 


587 

deren  Stich,  Zeichnung  und  Druck.  Die  Direction  veröffentlichte 
im  Jahre  1851  die  Karte  der  Insel  Fuerte Ventura  und  des  Hafens 
von  Baton  in  den  Phiüppinen,  die  sphärischen  Karten  von  Te- 
nerifa,  Lanzarote  und  der  Bay  von  Taxpaulin.  Es  wird  noch  an 
Karten  der  Canarien  und  Azoren  gearbeitet,  und  sind  mehrere 
Bücher  in  der  Druckerei  des  Instituts  erscliienen. 

Bei  dem  astronomischen  Observatorium  in  San  Fernando  auf 
der  Insel  Leon  bei  Cadiz  sind  ausser  dem  Director  und  3  Astro- 
nomen eine  Anzahl  von  Ayudantes  de  observacion  und  Calcula- 
dores  angestellt,  von  denen  die  ersteren  mit  den  Beobachtungen, 
die  übrigen  mit  den  Berechnungen  beschäftigt  sind. 

Das  Museo  Naval  mit  seinen  schönen  Schiffs-  und  Maschi- 
nen-Modellen, Waffen  und  interessanten  archäologischen  imd 
überseeischen  Merkwürdigkeiten  wird  fortwährend  durch  An- 
käufe von  Kunstsachen  bereichert,  und  erfreut  sich  der  Aller- 
höchsten Protection. 

Der  Generalstab  in  den  Departements  von  Cadiz,  Ferrol, 
Cartagena,  Habana  und  den  Philippinen  besteht  überall  aus 
einem  General -Capitain  oder  Commandanten,  einem  Segundo 
Gefe,  einem  General-Major,  einem  Adjutanten  der  Commandant- 
schaft  imd  den  Departements -Adjutanten.  In  denselben  Hafen- 
plätzen residiren  die  Commandanten  der  Spanischen  See-Arsenale, 
so  wie  Junten,  welche  seit  1772  bestehen,  aus  dem  General- 
Commandanten,  dem  zweiten  Chef,  dem  Departements -General- 
Msgor,  dem  Arsenals-Commandanten,  dem  Ordenator  und  Inter- 
ventor  zusammengesetzt  sind,  und  den  Zweck  haben,  für  Alles 
zu  sorgen,  was  den  Bau,  die  Ausbesserung,  Bewai&iung  imd 
Verproviantirung  der  Schiffe  anbetrifft  Die  zur  Administration 
der  Armada  gehörenden  Beamten  zählen  13  Kriegs -Commissare, 
42  Oficiales  I  Klasse,  68  Oficiales  n  Klasse,  53  Oficiales  in  Klasse, 
26  Oficiales  IV  Klasse  und  16  Emeritirte. 

In  die  See -Matrikeln  sind  alle  diejenigen  aufgenommen, 
welche  sich  an  den  Küsten  mit  Schiffahrt  imd  Fischerei  beschäf- 
tigen und  wegen  früherer  Dienste  in  der  Marine  oder  den  Ar- 
senalen abgabenfrei  und  gewissermaassen  als  Mihtair- Corps  an- 


588 

gesehen  (Decret  vom  12  August  1802)  tercios  navales  genannt 
werden. 

Die  Tercios  navales  in  den  Departements  sind: 

a)  InCadiz:  Gadiz  mit  den  Provinzen  Canarien  und  Algesi- 
ras;  Malaga  mit  Motril  und  Almeria;  Sevilla  mit  San  Lu- 
car  tmd  Huelva. 

b)  In  Ferrol:  Ferrol  mit  Corufia:  Vigo  mit  Villa  Gracia; 
Santander  mit  Vivero  und  Gijon;  Bilbao  und  San  Se- 
bastian. 

c)  In  Cartagena:  Gartagena  mit  Alicante;  Barcelona  mit  Pa- 
lamos,  MatarOy  Tarragona;  Valencia  mit  Tortosa;  Mallorca 
mit  Mahon  und  Iviza. 

d)  In  America:  Habana,  Trinidad  de  Guba,  Nuevitas,  San- 
tiago de  Guba,  San  Juan  de  los  Remedios,  Puerto  Rico. 

Die  Häfen  theilen  sich  in  4  Klassen;  es  giebt  18  Gapitanien 
erster  Klasse,  8  zweiter,  14  Gapitanien  dritter  Klasse  mit  78  Ad- 
jutantschaften und  8  Gapitanien  vierter  Klasse. 

Die  Marineschule  (Golegio  naval  miUtar  de  Aspirantes 
de  Marina)  ward  am  1  Januar  1845  errichtet  und  durch  König- 
Uches  Decret  vom  29  November  1850  mit  einem  neuen  Regle- 
ment versehen.  Sie  besteht  aus  89  Aspiranten,  deren  Zahl  durch 
die  Verordnung  vom  20  April  und  16  Mai  um  20  vermehrt 
ward,  von  denen  10  durch  Königliche  Wahl  berufen  werden. 
Die  Schule  steht  unter  der  Inspection  des  General-Directors  der 
Armada  und  unter  der  Subinspection  des  General -Gapitains  von 
Gadiz.  Als  erster,  zweiter  und  dritter  Director  fungiren  ein  Bri- 
gadier, ein  Schiflfe-  und  ein  Fregatten -Gapitain;  als  die  etats- 
mässigen  5  Adjutanten  3  Schiffs-Lieutenants  und  2  HaupÜeute 
der  Marine  -  Artillerie ;  als  Secretair,  Archivar  und  Bibliothekar 
ein  Schiffs -Lieutenant.  Eine  entsprechende  Zahl  von  Lehrern 
ertheilt  den  Unterricht  in  der  Mathematik,  Astronomie,  Zeich- 
nen, Schiffsbau,  Gebrauch  des  Takel Werkes,  der  Schifisaus- 
drücke,  Fechten,  Gymnastik,  Tanz  etc.  Ausserdem  sind  2  Ca- 
pellane,  1  Arzt  und  die  nöthigen  Subaltern -Beamten  angestellt 
Die  Zöglinge  werden  vom  Uten  bis  14ten  Jahre  aufgenonunen ; 


589 

sie  müssen  Religions- Unterricht  genossen  haben,  fertig  lesen, 
correct  sehreiben,  die  vier  ersten  Regeln  der  Arithmetik  und 
Decimal- Rechnung  inne  haben  und  einige  Gewandtheit  besitzen. 
Während  3^  Jahr  werden  die  Aspiranten  durch  eine  militairische 
Erziehung  zum  Eintritt  in  die  Guardias  Marinas  vorbereitet,  von 
wo  ab  sie  ihre  Studien,  welche  insbesondere  die  Astronomie  und 
Hydrographie  umfassen,  auf  den  Kriegsschiffen  fortsetzen. 

Das  Corps  der  Guardias  marinas  ward  1717  gestiftet, 
um  die  Armada  mit  den  nöthigen  Oficialen  zu  versehen.  Im 
Jahre  1777  bestand  das  Corps  aus  drei  Compagnien,  welche  in 
Cadiz,  Ferrol  und  Cartagena  stationirt  waren.  Diese  wurden 
1825  aufgehoben.  Seit  dem  Jahre  1845  mit  der  Marineschule 
in  Verbindung  gesetzt,  ward  die  Schüleranzahl  durch  König- 
liches Decret  vom  17  Maxz  1845  auf  160  beschränkt 

Das  National-Corps  der  Marine -Artillerie  besteht 
nach  dem  Könighchen  Decret  vom  22  März  1851  aus  einem 
Obersten  als  Commandanten,  einem  Oberst -Lieutenant  als  zwei- 
ten Commandanten  und  aus  drei  Brigaden.  In  jeder  Brigade 
befinden  sich  1  Capitain,  2  Lieutenants,  2  Unterlieutenants, 
4  Sargenten  (Condestables)  erster,  8  zweiter  Klasse  und  die 
etatsmässige  Zahl  von  Unteroflficieren  und  Artilleristen.  Zur 
Unterweisung  ist  eine  Plana -Mayor  bestimmt,  aus  1  Oberst- 
Lieutenant,  1  Ayudante- Mayor  und  8  Capitainen  zusammenge- 
setzt, unter  deren  Aufsicht  die  Waffenübungen  statt  finden. 
Desgleichen  leiten  dieselben  die  Compagnie  -  Schulen  der  Sar- 
genten, errichtet  durch  Königliches  Decret  vom  25  Septem- 
ber 1846. 

Die  Uniform  der  Marine-ArtUlerie  besteht  aus  einem  blauen 
Waffenrock  (casaca),  bis  an  die  Knie  reichend,  mit  Umschlag  von 
derselben  Farbe,  rotli  gefiittert  (solapa);  Kragen  und  Armstrei- 
fen roth;  Pantalons  blau;  am  Kragen  eine  in  Gold  gestickte 
Bombe;  Knöpfe  mit  Anker  und  Kanonen;  Taschenklappe  mit 
drei  Goldstreifchen ;  Infanteriesäbel  und  Kopfbedeckung  mit  ro- 
them  Pompon. 


590 

Die  Marine-Infanterie  zählt  3  Bataillone  mit  je  1  Ober- 
sten, Commandanten,  1  Oberst-Lieutenant,  zweiten  Commandan- 
ten,  1  Adjutanten-Lieutenant,  1  Fähnrich  (Abanderado)  Unter- 
lieutenant^  1  Capellan,  1  Chirurgus  und  6  Compagnien.  Bei  je- 
der der  letzteren  stehen  1  Hauptmann,  1  Lieutenant  und  1  ünter- 
lieutenant 

Die  Uniform  besteht  in  einem  blauen  Waffenrock,  vom  mit 
2  Reihen  von  9  Knöpfen  versehen;  mit  blauem  Kragen,  auf 
welchem  sich  zu  beiden  Seiten  ein  goldener  Knopf  befindet; 
rothe  Aufschläge  mit  Ankern ;  niedriger  Czako  mit  rothem  Pom- 
pon,  gelbem  Blech  mit  Krone  und  Sonne;  blaue  Beinkleider; 
Infanteriesäbel. 

Die  Marine-Ingenieure  wurden  1770  eingeführt^  später 
mehrmals  anderweitig  reorganisirt  und  im  Jahre  1827  durch 
Königliches  Decret  vom  9  Mai  aufgelöst  Das  Königliche  De- 
cret  vom  9  Juni  1848  errichtete  dies  Corps  von  Neuem.  1  Ge- 
neral, 2  Brigadiers,  3  Schiffs-,  5  Fregatten- Capitsdne,  12  Schiffs- 
Lieutenants  und  18  Schiffs-Fähnriche  (alferezes)  sind  etatsmässig 
angestellt;  desgleichen  ist  eine  Special -Schule  errichtet,  in  wel- 
cher sämmtliche  zum  Corps  gehörende  Individuen  ausgebildet 
werden. 

Das  Corps  der  Schiffs-  und  Wasserbaumeister  ward 
durch  Königliches  Decret  vom  1  August  1825  errichtet,  um 
Schiffsbauten  imd  Reparaturen  und  Wasserbauten  in  den  Arse- 
nalen zu  leiten  und  auszuführen.  1  Baudirector,  2  Constructores 
erster,  3  Constructores  zweiter  Klasse  und  8  Adjutanten,  1  Pro- 
fessor der  Hydrauhk  imd  4  Adjutanten  sind  etatsmässig  ange- 
stellt Die  auf  die  verschiedenen  Arsenale  vertheilten  Maestran- 
zas  enthalten  ausser  den  Hydrauhkem  70  Handwerker  erster, 
160  zweiter  und  120  dritter  Klasse. 

Die  Verwaltung  der  Armada  (Cuerpo  administrativo 
de  la  Armada)  wurde  im  Jahre  1717  aus  den  Aufsichts-Beamteo 
(veedores),  Commissarien  und  Zahlmeistern  der  Armada  gebil- 
det, und  fiihrte  den  Titel  «Cuerpo  del  Ministerio  de  Marina». 
Durch  Königliches  Decret  vom  13  December  1850  wurde  be- 


591 

stimmt,  dass  dieselbe  bestehen  soll  aus  1  Director,  5  Comisarios 
Ordenadores,  13  Kriegs- Commissarien,  42  Oficialen  erster,  68 
zweiter,  53  dritter  imd  26  Oficialen  vierter  Klasse,  so  wie  aus 
16  Ehrenmitgliedern.  Zur  Zeit  giebt  es  24  Intendentes  honora- 
rios,  35  Comisarios  ordenadores  honorarios  und  47  Comisarios 
de  guerra  honorarios. 

Die  Marine-Geistlichkeit  (Cuerpo  eclesiastico  de  la  Ar- 
mada) besteht  aus  einem  General- Vicar,  drei  Stellvertretern  des- 
selben in  den  Departements  von  Cadiz,  Ferrol  und  Cartagena, 
und  aus  der  entsprechenden  Zahl  von  Capellanen,  um  auf  den 
Schiffen,  in  den  Marine-Hospitalern,  im  Collegio  und  in  allen  sich 
bietenden  Veranlassungen  ihre  Functionen  auszuüben.  Durch 
Könighches  Decret  vom  8  November  1848  sind  die  diesfälligen 
Reglements  genehmigt  und  die  Zahl  der  Marine -Geistlichen  auf 
8  Capeliane  erster,  16  zweiter  und  24  dritter  Klasse  festgesetzt 
worden. 

Die  Uniform  der  Spanischen  Feldcapellane  besteht  in  einem 
dunkelblauen  Frack  mit  angelaufenen  Stahlknöpfen,  vom  auf 
der  Brust  schwarze  Sammet-Ueberschläge;  in  engen,  blauen 
Beinkleidern,  hohen  Stiefeln,  schwarzem  dreieckigen  Hut  und 
Handschuhen,  und  Degen.  Der  Schnitt  des  Kleides  ist  nfiilitai- 
risch,  wie  der  runde  geschlossene  Kragen. 

Sie  stehen  (Reglement  vom  8  November  1848)  unter  dem 
General -Vicariat  der  Armee  und  unter  dessen  Delegirten.  Sie 
beziehen  400,  300  und  200  r.  monatlichen  Sold,  und  avanciren 
nach  ihrer  Tüchtigkeit  zu  Diöcesan- Geistlichen. 

Fünf  Auditeure  sind  in  den  Hauptstädten  der  fiinf  De- 
partements, und  34  Justiz  -  Assessoren  und  5  Fiscale  in  den  zu 
den  Departements  gehörenden  Haupt-Provinzialhäfen  angestellt. 
(Decret  vom  28  September  1826.) 

Die  Sanität  (Cuerpo  de  Sanidad)  besteht  aus  1  Director^ 
2  Vice-Directoren,  3  Consultoren,  24  Aerzten  erster,  50  zwei- 
ter Klasse  und  7  Adjutanten  der  Medicin.  (Reglement  vom  7  Au- 
gust 1847.) 


592 

Die  Spanische  Kriegs-Flotte  führte  am  1  Januar  1852 
927  Geschütze;  sie  zalilte  238  Officiere,  105  höhere  Beamte, 
1058  Marine -Soldaten,  3949  Matrosen,  385  Maschinisten. 

3  Linienschiffe:  zu  74  Kanonen  Soberano,  zu  84  Isabel  II 
und  Franz  Asis. 

5  Fregatten:  1  zu  44,  2  zu  42,  1  zu  40,  1  zu  32  Geschützen. 

6  Corvetten:  2  zu  30,  1  zu  24,  3  zu  16  Geschützen. 

13  Briggs:  1  zu  20,  1  zu  18,  5  zu  16,  4  zu  12,  2  zu  10  Ge- 
schützen. 

4  Goeletten  zu  1,  5,  7,*  8  Kanonen. 

1  Brigantin-Goelette  zu  10  Kanonen. 
4  Paketbote  von  1  Kanone. 

2  Misticos  zu  7  und  3  Geschützen. 

22  Dampfschiffe  mit  2  bis  6  Geschützen,  von  70  bis  500 

Pferdekraft. 
12  Transportschiffe:    5  Fregatten,    4   Briggs,    1   Goelette, 

2  Brigantin- Goeletten. 

3  Pontones. 

(NB.  Die  Kriegsschiffe  zum  Küstendienst  folgen  zum  Schluss.) 
Der  Marine-Etat  für  1852  beträgt  86,150,570  r. 
Als  inactiv  werden  etatsmässig  bei  der  Marine  geführt: 
33  Schiffs -Capitaine,  38  Fregatten -Capitaine,  42  Schiffs -Lieute- 
nants, 37  Fregatten -Lieutenants,   105  Scliiffs-  und  Fregatten- 
Fähnriche. 

Der  Aufschwung,  den  die  Spanische  Marine  in  den  letzten 
Jahren  genonunen,  verdient  die  lebhafteste  Anerkennimg.  Ent- 
spricht auch  die  Thätigkeit  nicht  derjenigen,  welche  sich  in  den 
Jahren  1754  bis  1758  entwickelte,  in  welchen  in  dem  einzigen 
Hafen  von  Ferrol  14  Linienschiffe  gebaut  wurden,  und  lässt  sich 
der  heutige  Zustand  der  Spanischen  Marine  auch  nicht  mit  der- 
jenigen Blüthezeit  derselben  vergleichen,  die  unter  den  Regie- 
rungen Ferdinands  VI  und  Carls  IE  herrschte,  und  reicht  end- 
lich auch  der  heutige  Bestand  der  Spanischen  Marine  noch 
lange,  lange  nicht  an  denjenigen  hinan,  den  sie  im  Jahre  1790 
nachwies,   wo    die  Flotte  294  Schiffe    verschiedener  Gattung 


593 

zählte  y  so  gebührt  doch  der  jetzigen  Regierung  das  grosse  Ver- 
dienst, nach  dem  aUmSügen  Verfall  der  Flotte  mit  dem  Jahre 
1845  die  Reorganisation  derselben  mit  eben  so  vieler  Energie 
als  Umsicht  imd  Geschick  begonnen  und  eine  Entwickelung  an- 
gebahnt zu  haben,  welche  zu  den  kühnsten  Hoffiiungen  berech- 
tigt Es  handelt  sich  nicht  darum,  die  Summen  anzuweisen,  lun 
Schiffe  zu  kaufen  oder  in  wohlunterhaltenen  und  ausgerüsteten 
Arsenalen  durch  die  bis  dahin  müssig  gebliebenen  Baumeister 
erbauen  zu  lassen,  sondern  mit  ungeheueren  Schwierigkeiten 
alles  zum  Bau  Erforderliche  erst  in  Stand  zu  setzen,  zu  schaflEen 
und. auszubilden;  denn  inzwischen  waren  die  Bassins  versandet, 
die  Vorräthe,  Arbeitsmaterial  und  Geräthschaflen  vermodert  \md 
verschwunden,  Arbeiter  nicht  vorhanden  oder  nicht  gehörig  aus- 
gebildet worden.  Man  musste  damit  beginnen,  Schiffe  für  den 
Seedienst^  für  den  Transport,  für  die  Marineschule  im  Auslande 
zu  bestellen  und  zu  kaufen,  Material  und  Arbeiter  zu  verschrei- 
ben, Holz  aus  dem  Auslande  kommen  zu  lassen,  die  Bassins  in 
den  Arsenalhäfen  aufzuräumen,  bevor  mit  dem  Bau  neuer  Schiffe 
begonnen  werden  konnte.  Und  wie  ward  diese  Aufgabe  gelöst? 
Man  sehe  und  staune  über  das  Leben,  welches  in  jenen  seit  so 
langer  Zeit  verödeten  Arsenalen  zurückgekehrt  ist,  imd  insbe- 
sondere in  Ferrol,  wo  seit  dem  Jahre  1790  nur  zwei  Schiffe  er- 
baut wurden,  nämlich  eine  Fregatte  im  Jahre  1802  und  eine 
Corvette  im  Jahre  1804.  Im  Jahre  1850  waren  in  Cadiz  und 
Cartagena  schon  sehr  tüchtige  eingeborene  Maschinenbaumeister 
beschäftigt,  durch  Königliches  Decret  vom  22  Mai  in  Ferrol 
eine  Schide  für  Maschinenbauer  ins  Leben  gerufen,  aus  1  Di- 
rector,  6  Professoren,  40  Eleven  imd  4  Aspiranten  bestehend, 
welche  letztere  in  den  berühmtesten  Werkstätten  des  Auslandes 
praktisch  ausgebildet  werden.  Seit  einigen  Jahren  werden  auch 
abtheilungsweise  Eleven  der  oben  gedachten  Marineschule  zu 
ihrer  gründlichen  Vorbildung  in  Institute  des  Auslandes ,  so  be- 
sonders nach  Frankreich,  gesandt. 

Der  erste  Einfall  in  Cuba  im  Jahre  1850  gab  die  Veranlas- 
sung zur  BewiUigxmg  eines  Credites,  welcher  durch  Königliches 

y.  Minntoli,  Spanien.  gg 


594 

Decret  vom  23  März  im  Betrage  von  30,000,000  r.  für  das  Ma- 
rine-Ministerium eröffiiet  wurde,  um  zwei  Dampfschiffe  von  500 
Pferdekraft  und  das  nöthige  Bauholz  für  acht  Kriegsschiffe  an- 
zukaufen. Am  30  Juni  1850  erhielt  der  General -Director  der 
Marine  den  Befehl  zum  schleunigen  Bau  eines  Kriegsschiffes  von 
80  und  einer  Corvette  von  30  Kanonen  in  Ferrol,  einer  Fregatte 
und  einer  Goelette  von  8  Kanonen  in  Cadiz,  einer  Brigg  von  16 
und  einer  Goelette  von  8  Geschützen  in  Cartagena,  und  einem 
Hucker  (urca)  von  800  Tonnenladungen  und  einer  Goelette  von 
8  Kanonen  im  Arsenal  von  Mahon.  Im  Frülyahre  1851  waren 
in  den  genannten  Arsenalen  78  Schiffe,  meistentheils  BÜegs- 
schiffe,  im  Bau  oder  in  grossen  Reparaturen  begriffen.  Die  Re- 
gierung hatte  zwei  prächtige  Englische  Dampfschiffe  gekauft, 
die  Caledonia  und  die  Hibemia ,  um  den  regelmässigen  Dienst 
zwischen  dem  Festlande  und  den  überseeischen  Provinzen  her- 
zustellen. Der  Namenstag  Ihrer  Majestät  der  Königin,  der 
19  November,  gab  Veranlassung  zu  grossen  Feierlichkeiten,  mit 
welchen  eine  Anzahl  neugebauter  Schiffe  in  See  gelassen  wurde, 
darunter  die  (Urca)  Pinta  von  800  Tonnen,  die  Santa  Maria 
von  1000  Tonnen,  die  Dampfschiffe  Isabella  die  Katholische  mid 
Isabella  11  mit  Maschinen  von  je  500  Pferdekraft,  in  England 
gekauft,  der  Jorge  Juan  von  350  Pferdekraft,  imd  der  Narvaez, 
in  Ferrol  gebaut.  Es  folgten  dann  im  Jahre  1851  der  in  Cadiz 
gebaute  Scipio,  dessen  vorzügüche  Tüchtigkeit  die  wohlver- 
diente Anerkennung  der  Englischen  Flotte  erhielt,  und  die  Ga- 
rina, in  Cartagena  gebaut  Der  im  Jahre  1850  eröflSxete  Credit 
war  jedoch  zu  Ende  des  Jahres  1851  vollständig  erschöpft,  in- 
dem verausgabt  waren  für 

die  zwei  Dampfschiffe  zu  500  Pferdekraft 13,297,000  r. 

4  Schiffsgerippe  für  Dampfer  von  980  Tonnen  .  1 1,430,667  » 

4  Dampfkessel  dazu  zu  350  Pferdekraft 6,580,000  » 

Doppelstücke  der  Maschinen 2,976,000  • 

2  Hucker  (urcas)  von  800  Tonnenladungen  .  .  .     4,054,000  » 
Zur  Deckung  der  Mehrausgabe  ward  durch  Königliches  De- 
cret vom  17  December  1851  ein  neuer  Credit  fiir  das  Marine- 


595 

Ministeriuin  auf  Höhe  von  6,000,000  pro  1852  eröflaiet,'  so  wie 
durch  Königliches  Deeret  vom  8  Februar  1852  ein  Credit  von 
2,000,000  zur  Beendigung  der  Molen  und  Forüficationen  von 
Mahon. 

Während  die  Halbinsel  im  Jahre  1843  ..  .    24  Kriegsschiffe 

besass,  zählte  dieselbe 1845  ...    42  » 

und  demnächst  im  Jahre 1851  ...    64  » 

oder  mit  Zufiigung  der  zum  Küstendienst  be- 
stimmten Schiffe 124  » 

Im  Jahre  1845  war  ein  Dampfschiff  von  650  Pferdekraft 
vorhanden,  und  bis  zum  Jahre  1851  hatte  sich  diese  Dampfkxaft 
auf  5000  erhöht. 

Im  Jahre  1850  hatte  ein  einziges  Haus  in  Danzig  fiir  150,000 
Thaler  Holz  im  Arsenal  von  Ferrol  verkauft. 

In  der  Zeit  vom  15  October  1850  bis  zum  15  October  1851 
wurden  in  den  Departements  folgende  Schiffsbauten,  hydrau- 
lische Arbeiten  und  sonstige  Werke  ausgeführt: 

In  Gadiz  das  Kriegsschiff  Königin  Isabellall,  am  1  Novem- 
ber 1850  begonnen,  ward  zur  Hälfte  vollendet;  das  Kriegsschiff 
Soberano;  die  Fregatten  Isabel  11,  Cristina;  die  Corvetten  Co- 
lumbus,  Mazaredo,  Luisa  Femanda,  Venus;  die  Birgantinen 
Galiano,  Soberano,  Patriota,  Cristina,  Volador;  die  Dampfschiffe 
Isabel  n,  Castillo,  Leon,  Caledonia,  Hibemia,  Isabella  die  Ka- 
tholische, D.  Fernando  der  Katholische,  die  Urea  Pinta,  Santa- 
cilia,  Marigalante,  Santa  Maria;  die  Bergantinas  barcas  Laborde, 
Ensenada,  Ebro  und  die  Küstenwachtschiffe;  Dampfer  Isabella, 
Lepanto,  Vulcano,  Vigilante;  die  Goleta  Cruz,  der  Mistico  Ja- 
cinta;  die  Felucken  Catalan,  Veloz,  Astuto,  Fandango  wurden 
reparirt  —  Ausserdem  Mauern,  Wasserleitungen,  Magazine,  eine 
Caseme,  Brücken  und  ein  Hospital  neu  erbaut. 

In  Ferrol  die  Kriegsschiffe  König  Franz  von  Asis;  Corvet- 
ten Luisa  Femanda,  Columbus;  Brigantine  Absedo;  Dampfschiffe 
D.  Jorge  Juan,  Ullao,  Narvaez,  Peninsula;  Urea  Miiia;  Brigan- 
tinen Laborde  und  Urumea  und  4  Küstenwachtschiffe.  Die 
Giessereien,  Maschinenbau -Werkstätten,  ModeUkammem  waren 

38- 


596 

in  voller  Thätigkeit;  Maschinen,  Fabrikgebäude,  Verkaufs- 
gewölbe, ein  Arsenal  und  Casemen,  Küchen,  Dienstwohnungen 
und  2  Thore  wurden  gebaut;  Ziegel,  Mörtel  und  Kalk  selbst  ge- 
brannt. In  den  Königlichen  Docks  zu  Ferrol  wurden  2000  Arbei- 
ter beschäftigt. 

In  Cartagena  waren  8  Kriegsfahrzeuge,  3  Küsten-Dampf- 
und 1 3  Küsten- Wachtsegelschiffe  in  Arbeit,  so  wie  Fabrikgebäude, 
Casemen,  Festungs- Arbeiten. 

In  den  Arsenalen  der  Hab  an a  6;  nämlich  3  Dampf-  und 
3  Segelschiffe;  in  den  Philippinen  3  in  Arbeit. 

Die  Guardia  der  Arsenale,  durch  Königliches  Decret  vom 
15  März  1848  errichtet,  theilt  sich  in  3  Sectionen,  fiir  die  Depar- 
tements Cadiz,  Ferrol  und  Cartagena,  zu  141,  145  und  87  Mann; 
in  Mahon  steht  ein  Unteroflficier  mit  6  Mann. 

Die  Nautischen  Schulen  zur  Ausbildung  von  Piloten 
sind  durch  Decrete  vom  20  September  1850  und  7  Januar  1851 
reorganisirt,  und  befinden  sich  in  Alicante,  Barcelona,  Malaga, 
Palma,  Santander,  Tarragona,  Cartagena,  Coruiia,  Ferrol,  Santa 
Cruz  de  Tenerifa,  Palma  de  Canarias,  Mahon  und  San  Sebastian. 
Die  Ausgaben  des  Ministerii  betrugen  pro  1851  65,128,172  r. 
Die  fiir  den  Küstenwachtdienst  bestimmten  Kriegsschiffe 
zählen  in  der 

ersten  Division,  Gerona,  Barcelona  xmd  Tarragona: 

1  Dampfschiff  von  200  Pferdekraft,  7  Felucken  und  12 
Escampavias  mit  22  Kanonen; 
zweiten  Division,  die  Balearen: 

1  Dampfschiff  von  150  Pferdekraft,  1  Paketbot,  3  Fe- 
lucken, 8  Escampavias  mit  19  Geschützen; 
dritten  Division,  Castellon,  Valencia,  Alicante: 

1  Dampfschiff  von  120  Pferdekraft,  7  Felucken  und  Briggs, 
6  Escampavias  mit  23  Geschützen; 
vierten  Division,  Murcia,  Almeria: 

1  Dampfschiff  von  192  Pferdekraft,  8  Felucken,  Briggs 
etc.,  5  Escampavias  mit  24  Geschützen; 


597 

fünften  Division,  Granada,  Malaga,  Algesiras: 

1  Dampfschiff  von  140  Pferdekraft,  9  Briggs  und  Fe- 
lucken,  15  Escampavias  mit  33  Kanonen; 
sechsten  Division,  Cadiz,  Huelva,  Canarien: 

1  Dampfschiff  von  3 00  Pferdekraft,  8  Briggs,  Felucken  etc., 
7  Escampavias  mit  35  Kanonen; 
siebenten  Division,  Galicien,  Cantabrien: 

9  Briggs,  Goeletten  etc.,  7  Escampavias  mit  37  Kanonen; 
In  Puerto  Rico  1  Paketboot  mit  1  Kitnone. 
Im  Ganzen  6  Dampfer,  53  Schiffe,  60  Escampavias  mit  194 
Kanonen,  75  Officieren,  90  Oficiales,  300  Soldaten,  3183  Ma- 
trosen, 75  Maschinisten. 

Rechnet  man  die  Kriegsflotte  hierzu,   so  beläuft  sich  die 
Zahl  der  kriegsfahigen  Schiffe  und  Mannschaften  auf: 

3  Linienschiffe,  5  Fregatten,  6  Gorvetten,  85  Briggs,  Fe- 
lucken etc.,  21  Dampfschiffe  mit  1121  Kanonen,  313  Of- 
ficieren, 195  Oficiales,  1358  Marine -Soldaten,  7132  Ma- 
trosen und  460  Maschinisten. 

Die  Tercios  und  die  Handels-Marine  zählten: 


In  den  De- 

Piloten 

Beamte 

Uand- 

Patrone 

Seeleute 

Inhabile 

Vete- 

partements 

werker 

ranen 

Cadiz  .... 

687 

196 

599 

771 

13,378 

1222 

623 

Ferrol    .  .  . 

2020 

157 

984 

99 

21,925 

1237 

798 

Cartagena   . 

2414 

88 

894 

3951 

22,185- 

1124 

90 

Hab  ana  .  .  . 

323 

82 

366 

65 

1,933 

475 

255 

Manila  .  .  . 

104 

■ 

■ 

■ 

17,493 

• 

• 

Total 

5548 

523 

2853 

4886 

76,914 

4058 

1766 

An  Fahrzeugen  sind  1852  vorhanden: 

In  den  De- 
partements 

Schiffe  über 
400  Tonnen 

Schiffe    von 

200  —  400 

Tonnen 

Schiffe    von 

80-200 

Tonnen 

Schiffe    von 
20-80  Ton- 
nen. 

Schiffe  anter 
20  Tonnen 

a 

der  Schiffe 

ToUl 
der  Tonnen 

Fiechfanff  u. 
innerer  Ver- 
kehr 

d 
o 

Cadiz  .... 

4 

22 

57 

298 

425 

3 

760 

39,318 

8,030 

16,340 

Ferrol    .  .  . 

9 

55 

329 

429 

350 

2 

1195 

85,045 

4,925 

18,054 

Cartagena   . 

15 

112 

352 

1123 

856 

8 

1198 

120,491 

5,466 

15,619 

Habana  .  .  . 

7 

25 

87 

276 

242 

17 

958 

48,672 

2,379 

. 

Manila  .  .  . 

8 

23 

85 

1169 

799 

• 

1094 

67,875 

1,073 

21,534 

Total 

43 

237 

910 

3295 

2672 

40 

5205 

361,403 

16,873 

71,548 

598 

Im  Bau  waren  begriffen  am  1  Januar  1852  in  Cadiz  15 
Schiffe,  Ferrol  53,  Cartagena  71,  Habana  10.  Im  Ganzen  149 
Schiffe. 


Nachtrag. 


Indem  ich  hiermit  die  Uebersicht  von  den  Zustanden  und 
der  Verwaltungsart  und  Form  Spaniens  schjiesse,  bescheide  ich 
mich  gern,  Manches  nicht  mit  der  wünschenswerthen  Genauig- 
keit und  Vollständigkeit  behandelt  zu  haben;  allein  es  ist  mit 
grossen,  oft  durchaus  nicht  zu  überwindenden  Schwierigkeiten 
verknüpft,  zuverlässige  oder  amtliche  Auskunft  zu  seiner  Infor- 
mation zu  erhalten.  '  Mögen  Andere  und  Berufene  die  gelieferte 
Skizze  ausfuhren  und  vollenden  und  der  fortschreitenden  Ent- 
wlckelung  Spaniens  mit  demselben  Interesse  folgen,  welches  ich 
dem  Lande  aus  vollem  Herzen  gewidmet,  und  welches  ihm  Nie- 
mand versagen  wird,  der  dasselbe  ruhig,  genau  und  vorurtheils- 
frei  beurtheilt.  Ein  so  kräftiger  Entwickelungs-Prozess,  wie  ihn 
die  Regierung  Ihrer  Majestät  der  Königin  Isabella  II  bekundet, 
kennt  keinen  Stillstand.  Veränderungen  haben  statt  gefunden 
während  ich  schrieb  und  während  des  Druckes;  Einiges  hiervon 
glaube  ich  nicht  übergehen  zu  dürfen. 

Die  diplomatischen  Beziehungen  mit  dem  Königreich  Sach- 
sen sind  wieder  angeknüpft  worden. 

Das  scheussliche  Attentat  vom  Februar  hat  Europa  die  Ge- 
legenheit geboten,  die  Seelengrösse  und  Mutterliebe  der  Königin 
zu  bewundem  xmd  die  unzweideutigsten  Beweise  der  Begeiste- 
rung und  Verehrung  der  Spanier  fiir  ihre  Monarchin  zu  be- 
obachten. 

Durch  Königliches  Decret  vom  14  Mai  1848  hat  eine  Reor- 
ganisation des  Ministerii  des  Innern  dahin  statt  gefunden ,  dass 
die  Geschäfts -Thätigkeit  desselben  sich  auf  7  Abtheilungen  be- 
göhränkt,  nämlich  1.  Central-Büreau,  2.  Subsecretaria,  3.  Gene- 


599 

ral-Direction  der  Localverwaltung,  4.  der  Posten,  5.  der  Wohl- 
thätigkeits-Institute,  6.  der  Strafanstalten,  7.  der  Gassen- An- 
gelegenheiten. 

Die  Central -Verwaltung  bearbeitet  in  6  Unterabtheilungen 
(negociados)  die  Personalien  und  Gehalts -Angelegenheiten  des 
Ministerii,  die  Pro vinzial -Verwaltung,  Anstellung,  Besoldung, 
Dienstwohnungen  und  Reisen  der  Pro  vinzial- Gouverneurs,  Lan- 
desvermessungen, Provinzial-,  Municipal-,  Wahlbezirke,  Wah- 
len der  Senatoren,  Deputirten,  Provinzial -Deputationen,  der 
Ayuntamientos,  Alcalden  und  Corregidore,  den  Staatsrath,  Attri- 
bute der  Königüchen  und  Communal-Beamten,  fiscaHsche  Pro- 
zesse, Competenz-Confliete  und  Sequestrationen,  Recurs  Minder- 
jähriger wegen  verweigerter  Erlaubniss  sich  verheirathen  zu 
dürfen,  Siegel,  Archiv  und  BibHothek  des  Ministerii. 

Die  Special-Verwaltimg  behandelt  in  5  Abtheilimgen  das 
Militair-Ersatzwesen,  die  öffentUche  Sicherheit,  die  Presse,  die 
Medicinal- Angelegenheiten  und  die  Telegraphen. 

Die  General- Dir ection  der  Localverwaltung  bearbeitet  in 
7  Unterabtheilungen  die  Gegenstände,  die  sich  auf  den  Grund- 
besitz, Hypotheken,  Landvertheilung  und  Colonisationen ,  Pro- 
vinzialsteuem,  Reclamationen  und  Subhastationen  beziehen,  Com- 
munallasten,  Beschwerdesachen,  Gassen -Angelegenheiten,  Rech- 
nungslegung und  sonstige  GontroUe  der  Direction. 

Die  Post- Administration  begreift  in  5  Abtheilungen  die 
Personalien,  Kosten,  Gebäude,  Wagen,  Personen-  und  Correspon- 
denz- Beförderung  zu  Lande  und  über  See,  Tarife,  Gertificate, 
Freimarken,  Packetsendungen  und  amtliche  Brief- Expeditionen, 
so  wie  die  Sammlung  der  darauf  bezügüchen  statistischen 
Notizen. 

Die  Verwaltung  der  Wohlthätigkeits- Anstalten  bearbeitet 
in  5  Abtheilungen  die  Gonstituirung  der  Provinzial-  und  Munici- 
pal-Junten,  der  Irrenhäuser,  Erziehungs- Institute,  Sparcassen, 
Hospitäler  und  deren  Aerzte  und  Beamten,  Zufluchtsstätten, 
Waisenhäuser,  Sorge  für  Findlinge,  verwahrloste  und  uneheliche 


600 

Kinder,  Beschäftigungs- Anstalten  und  die  Anfertigung  statisti- 
scher Notizen  über  die  Armuth  und  Mittel  dagegen. 

Die  Verwaltung  der  Strafanstalten  behandelt  in  5  Sectionen 
die  Organisation,  Einrichtung,  Unterhaltung  und  Beaufsichtigung 
der  Polizei-,  Detentions-,  Disciplinar-  und  Criminal- Gefangnisse. 
Die  Besserungs-Anstalten  fiir  Männer  und  Frauen,  Hausordnung, 
Disciplinarstrafen,  Bekleidung,  Beköstigung,  Beschäftigung,  Un- 
terricht und  Beaufsichtigung  und  Zuspruch  durch  Geistliche,  Ar- 
beitsverdienst, Belohnungen  und  Begnadigungen;  endlich  die 
statistischen  Tabellen  der  gebesserten,  entlassenen  und  rückfal- 
ligen Verbrecher. 

Die  Abtheilungs- Dirigenten  erhalten  eine  Besoldung  von 
50,000  r.  Sie  bilden  mit  dem  Minister  und  Unter- Staatssecretair 
eine  Junta,  imd  verhandeln  persönUch  mit  dem  Minister.  4  Sub- 
directoren  mit  36,000  r.  Gehalt,  4  Beamte  I  Klasse  zu  32,000  r., 
4  Beamte  11  Klasse  zu  30,000  r.,  5  Beamte  HI  Klasse  zu  26,000  r., 
6  Hülfsarbeiter  zu  20,000  r.  bilden  das  Arbeits-Personal,  wel- 
chem die  erforderüche  Zahl  von  Subaltem -Beamten  zugeord- 
net ist. 

Durch  Königliches  Gesetz  vom  18  Juni'  d.  J.  sind  die  Grund- 
züge festgestellt  worden,  wonach  bei  Anstellung  der  Beamten 
zu  verfahren  und  die  Rechte  und  Pflichten  derselben  zu  begren- 
zen sind.  Es  sind  hiernach  die  Regierungs-Beamten  in  folgende 
Klassen  getheilt: 

1.  Jefes  superiores  (die  obersten  Chefs). 

2.  Jefes  de  Administracion. 

3.  Jefes  de  negociado. 

4.  Oficiales  (Räthe). 

5.  Aspirantes  a  Oficial. 

Die  Subalternen  haben  nicht  den  Charakter  öflFentlicher 
Beamten.  Die  Classification  der  Beamten  erfolgt  je  nach  den 
verschiedenen  Ministerien;  unter  einander  stehen  dieselben  in 
dem  entsprechenden  gleichen  Rang-  und  Besoldungs-Verhält- 
nisse. Die  Beamten  der  vier  ersten  Categorien  können  wegen 
Dienstunfahigkeit  pensionirt  werden  (ser  jubilados),  in  welchem 


601 

Falle  sie  keinen  Anspruch  auf  Wartegeld  haben  ( sueldo  de  ce- 
santia);  allein  es  kann  ihnen  als  Anerkennung  für  geleistete 
Dienste  beim  Ausscheiden  ein  höherer  Rang  beigelegt  werden, 
ohne  dass  sie  deshalb  in  die  Vortheile  der  Besoldung  jener  Rang- 
stelle träten.  Die  Beamten  der  fünften  Klasse  und  die  Subalter- 
nen haben  nicht  die  Wahl  zwischen  Wartegeld  und  Pension  oder 
Witt wencassen  -  Gehalt  fQr  ihre  Familien  (pension  de  monte  pio), 
sondern  sie  erhalten  diejenige  Pension,  welche  ihnen  nach  Be- 
rechnung ihrer  Dienstjahre  zukommt. 

Die  Beamten  der  ersten  Klasse  haben  den  Rang  der  Staats- 
räthe,  die  der  zweiten  Klasse  den  der  Senoria.  Die  Uniformen 
sind  den  vier  ersten  Klassen  vorgezeichnet,  die  fünfte  Klasse 
und  die  Subalternen  haben  keine  Uniformen.  Die  Besoldungen 
betragen : 

In  der  ersten  Klasse  50,000  r.  (3400  Thaler). 

•  »    zweiten    »      40,000,  35,000,  30,000  und  26,000  r. 
»     »    dritten     .      24,000,  20,000  und  16,000  r. 

•  »    vierten     »      14,000,  12,000,  10,000,  8000  und  6000  r. 
»     .    fünften     »         5000,  4000  und  3000  r. 

Die  Subalternen  erhalten  kein  fixirtes  Gehalt.  Die  Ernen- 
nung der  Beamten  der  beiden  ersten  Klassen  erfolgt  durch  Kö- 
nigliches Decret,  die  der  beiden  folgenden  durch  KönigUche  Ver- 
ordnung ( Orden),  die  der  fünften  Klasse  und  der  Subalternen 
durch  die  Chefs  der  Dikasterien.  Man  rückt  zimächst  jederzeit 
in  das  unterste  Gehalt  ein  imd  steigt  successive  zu  den  höheren 
Besoldungen  hinauf. 

Um  Aspirant  zum  Oficial  werden  zu  können,  bedarf  es, 
ausser  der  allgemeinen  Vorbildimg,  des  Alters  von  16  Jahren, 
des  Nachweises  moralischer  Führung,  eines  academischen  Titels 
oder  Diplomes  über  die  absolvirten  Studien  und  endhch  der  be- 
standenen öffentlichen  Prüfung.  Die  Termine  zu  den  letzteren 
werden  alljährUch  unter  Bezeichnung  der  Examinatoren  durch 
die  Amtsblätter  bekannt  gemacht.  Der  Ausfall  derselben  lautet: 
entweder  «vorzüglich»  (sobresaliente)  durch  Einstimmigkeit^ 
oder.  . . .  «gut»  (aprobado)  durch  Einstimmigkeit, 


602 

oder .  .  .  .  « gut »  durch  Majorität  der  Examinatoren, 
oder.  .  .  .  «schlecht»  (reprobado). 

Die  Abstimmung  erfolgt  schriftlich.  Unter  den  Cöncurren- 
ten  zu  Aspiranten  erhalten  diejenigen  den  Vorzug,  welche  die 
besten  Zeugnisse  aufweisen  oder  welche  sich  im  Genüsse  einer 
Besoldung  aus  Staatsfonds  befinden,  Pensionaire  oder  Ofificiere, 
welche  mit  Auszeichnung  in  der  Armee  oder  Flotte  gedient  har 
ben.  Diejenigen,  welche  die  Prüfung  bestanden,  können  auf 
ihren  Wunsch  in  den  Bureaus  unentgeltlich  beschäftigt  werden, 
in  welchem  Falle  ihnen  diese  Zeit  als  Dienstzeit  angerechnet  und 
ihnen  die  zunächst  eintretenden  Vacanzen  vorbehalten  werden. 

Die  Ernennung  zum  Oficial  geschieht  durch  Oposicion,  dte 
heisst  durch  öffentUche  Concurrenz  der  Aspiranten  nach  ihrer 
Quahfication. 

Um  in  die  dritte  Klasse  der  Beamten  eintreten  zu  können, 
ist  nothwendig,  6  Jahre  in  den  beiden  unteren  Erlassen  und  da- 
von mindestens  2  Jahre  in  der  vorhergehenden  gearbeitet  zu  har 
ben  und  Licentiat  oder  im  Besitz  des  Döctorgrades  irgend  einer 
Facultät  zu  sein.  Um  in  die  beiden  höchsten  Klassen  eintreten 
zu  köimen,  muss  man  mindestens  4  Jahre  in  der  vorhergehenden 
gearbeit/Ct  haben.  Ausnahmsweise  kann  für  ganz  aussergewöhn- 
liche  Leistimgen  der  dritte  Theil  der  Beamten  jener  Klassen 
ohne  diese  Vorbedingungen  ernannt  werden.  Die  Beamten  der 
ersten  beiden  Categorien  werden  immer  durch  Wahl,  die  der 
beiden  folgenden  zu  zwei  Drittheilen  durch  Wahl,  zu  einem 
Drittheil  nach  dem  Dienstalter  ernannt.  Eine  gewisse  Zahl  von 
Stellen  wird  durch  OfSciere  der  Armee  und  Flotte  besetzt,  und 
ein  Theil  der  Subaltemstellen  filr  Serganten,  Unterofficiere  und 
Soldaten  vorbehalten,  welche  mit  Auszeichnung  gedient  haben. 

In  höhere  Besoldung  treten,  wenn  drei  Vacanzen  vorhanden 
sind,  zwei  Beamte  nach  der  Anciennetät,  einer  durch  Wahl.  Sind 
sechs  Vacanzen  zu  besetzen ,  so  müssen  mindestens  zwei  davon 
an  befähigte  Wartegeld -Empfanger  vergeben  werden. 

Sämmtliche  Ernennimgen  imd  Beförderungen  werden  durch 
die  Gazeta  de  Madrid  oder  in  den  betreffenden  Ministerial-Bülle- 


603 

tins  unter  näherer  Bezeichnung,  ob  sie  durch  Dienstalter  oder 
Wahl  veranlasst  sind,  veröffentlicht.  Ausserdem  wird  alljährlich 
die  Reihenfolge  der  Könighchen  Beamten  und  das  Namen- 
Verzeichniss  der  eingetretenen  Aspiranten  bekannt  gemacht. 

Um  dem  Staats-  und  Provinzialrath  die  Gegenstände  von 
besonderer  Bedeutung  vorzubehalten,  werden  zur  Erledigung 
der  übrigen  Disciplinar- Angelegenheiten  Jmitas  de  Jefes  nieder- 
gesetzt, welche  gegen  die  Beamten  ihres  Ressorts  im  administra- 
tiven Wege  Untersuchungen  einleiten  imd  Strafen  festsetzen  und 
vollstrecken ;  welche  sich  über  Fleiss  und  Tüchtigkeit  der  Beam- 
ten aussprechen,  die  Dienst-  und  Anciennetätslisten  fuhren,  die 
Vorschläge  zur  Besetzung  von  Vacanzen  machen,  und  in  allen 
Fällen  ihr  Gutachten  abgeben,  wo  dies  vom  Chef  gewünscht 
wird.  An  Rügen  können  die  Juntas  festsetzen:  eine  Zurechtwei- 
sung unter  vier  Augen  (reprension  privada)  durch  den  Vor- 
gesetzten; Suspension  vom  Dienst  und  Gehalt,  sobald  die  Ent- 
lassung in  Vorschlag  gebracht  ist;  Gehalts -Entziehung  bis  zu 
zwei  Monaten. 

Die  Besoldung  wird  erst  beim  wirküchen  Antritte  des  Am- 
tes ausgezahlt;  bei  Beförderung  in  höhere  Stellen  beginnt  die 
Gehaltszahlimg  mit  dem  Tage  der  Ernennung. 

Commissions- Gebühren  werden  nur  für  Aufträge  vergütigt^ 
welche  in  Folge  ausdrücklichen  Königlichen  Decrets  und  ausser- 
halb des  Wohnortes  ausgeführt  sind;  sie  betragen«  neben  dem 
fortlaufenden  Gehalte  für  die  Dauer  der  Abwesenheit  den  vier- 
ten Theil  des  etatsmässigen  Gehalts.  Während  eines  Urlaubs 
für  nachgewiesene  Krankheit  wird  das  volle  Gehalt,  bei  einem 
Nachurlaube  die  Hälfte  desselben  gezahlt.  Während  der  Beur- 
laubung in  Privat- Angelegenheiten  empfangt  der  Beurlaubte  di^ 
Hälfle,  für  die  Zeit  des  Nachurlaubes  erhält  derselbe  gar  nichts 
von  seiner  Besoldung.  Ein  dreimonatlicher  Kranken-Urlaub  oder 
ein  45tägiger  in  Privat- Angelegenheiten  werden  bei  der  Berech- 
nung der  Pensionen  und  Wartegelder  von  der  Dienstzeit  nicht 
in  Abzug  gebracht  Zu  Privat-Urlaub  dürfen  im  Laufe  eines  Jah- 
res höchstens  drei  Monate  erbeten  werden. 


604 

Der  suspendirte  Beamte  bezieht  die  Hälfte  seines  Gehaltes; 
ist  eine  gerichtliche  Untersuchung  wider  ihn  wegen  Unterschla- 
gung oder  gemeiner  Verbrechen  eingeleitet,  so  erhält  er  gar 
nichts;  wegen  anderer  Vergehen  zur  Verantwortung  gezogen, 
wird  er  auf  Wartegeld  gesetzt.  Nur  in  dem  Falle  gerichtlicher 
Freisprechung  hat  der  Beamte  das  Recht,  die  Nachzahlung  des 
ihm  Vorenthaltenen  zu  verlangen. 

Die  Beamten  sind  verpflichtet,  sich  eine  Versetzung  inner- 
halb der  Halbinsel  und  der  Adjacentes  (benachbarten  Inseln)  ge- 
fallen zu  lassen,  wenn  sie  hinsichts  des  Ranges  oder  der  Besol- 
dung der  Stelle  keinen  Nachtheil  erfahren.  Verzichtet  ein  Be- 
amter auf  die  ihm  angebotene  Verbesserung,  mit  welcher  ein 
Wechsel  des  Aufenthaltes  verbunden  ist,  aus  triftigen  Gründen, 
so  soll  darauf  eine  billige  Rücksicht  genommen  werden.  Beamte, 
welche  zur  Criminal- Untersuchung  gezogen  sind,  haben  selbst 
nach  freisprechenden  Erkenntnissen  nicht  das  Recht,  zu  verlan- 
gen, in  ihrem  früheren  Amte  belassen  zu  werden.  Keinem  Be- 
amten steht  das  Recht  zu,  die  Einsicht  der  seine  Entlassimg  be- 
treffenden Documente  oder  die  Mittheilung  der  Gründe  zu  seiner 
Suspension  oder  Versetzung,  oder  die  Einleitung  eines  gericht- 
lichen Verfahrens  zu  verlangen,  wenn  diese  Maassregeln  nur  im 
administrativem  Wege  erfolgt  sind. 

Das  vorstehende  Gesetz,  welches  mit  dem  1  October  d.  J. 
in  Kraft  tiitt,  hat  keine  Anwendung  auf  die  Räthe  und  Beamten 
der  Administracion  consultativa,  auf  die  Provinzial-Gouvemeure, 
auf  die  Diplomaten  im  Auslande,  auf  die  Magistratualen,  Richter, 
fiscalischen  Beamten  und  sonstigen  Gerichts -Beamten,  welche 
nach  besonderen  Gesetzen  behandelt  werden.  Eben  so  wenig 
bezieht  sich  dies  Gesetz  auf  Professoren,  Civil-  und  Bergwerks- 
Ingenieure,  Officiere,  Soldaten  und  MiUtair- Beamten,  da  diese 
unter  den  fiir  sie  ergangenen  gesetzüchen  Bestimmungen  auch 
femer  verbleiben. 

Das  Wohl  für  die  öffentliche  Sicherheit  hat  die  Sorge  der 
Regierung  in  Anspruch  genommen.  Die  Thätigkeit  der  Guar- 
dias  civiles  im  Jahre  1851  hat  nach  den  amtiichen  Zusammen- 


605 

Stellungen  die  entsprechenden  Resultate  geliefert.  6021  Delin- 
quenten, 3899  Diebe  und  Räuber,  920  Flüchtlinge,  877  Ersatz- 
pflichtige, 215  Schmuggler  smd  von  ihnen  verhaftet,  22,481 
Polizei-,  34,350  Criminal-Vergehen  constatirt,  bei  192  Feuers- 
brünsten kräftige  Hülfe  geleistet,  10  Postberaubungen  verhindert, 
und  in  Ausübung  ihres  Dienstes  10  schwer  verwundet  und  2  er- 
mordet worden.  Insbesondere  stellte  sich  für  Madrid  die  Noth- 
wendigkeit  der  Reorganisation  der  dortigen  executiven  Polizei 
heraus.  Das  Gesetz  vom  25  Februar  1852  hat  die  Umgestal- 
tung imd  Vermehrung  der  Kräfte  herbeigeführt.  Die  Residenz 
ist  danach  in  2  Districte  getheilt,  diese  in  89  Bezirke.  Statt  der 
bisherigen  Commissarien  fungiren  gegenwärtig  Sicherheits  -  In- 
spectoren.  Unter  ihnen  stehen  in  den  Bezirken  65  Celadoren 
(Revier-Commissarien)  und  zu  deren  Verfugung  die  bisherigen 
Salveguardias ,  jetzt  Vigilantes  (Serganten),  deren  258  nebst  20 
UnteroflScieren  angestellt  und  militairisch  gekleidet  und  bewaff 
net  sind.  Das  Gehalt  der  Inspectoren  beträgt  24,000  r.,  das  der 
Celadoren  7000  r.,  das  der  Vigilantes  2916  r.  Das  Reglement 
vom  11  März  1852  setzt  das  Nähere  über  die  Dienst- Bureau- 
stunden,  über  Functionen,  Revisionen  und  den  Geschäftsgang  bei 
Meldungen,  Anlage  und  Veränderung  von  Seelenlisten,  Pass- 
und Ueberwachungs-Controllen  fest.  Die  Anzustellenden,  welche 
meist  aus  gedienten  Militairs  gewählt  werden,  müssen  wenig- 
stens 25  Jahr  alt,  kräftig  sein,  lesen  und  schreiben  können,  und 
sich  einer  besonders  guten  Führung  erfreut  haben.  Als  Kenn- 
zeichen tragen  die  Beamten,  ausser  den  Uniformen,  Rohrstöcke 
mit  silbernen  oder  goldenen  Knöpfen,  und  auf  diesen,  an  blauen 
Bändern,  silberne  und  respective  goldene  Medaillen.  Die  Uni- 
form ist  dunkelblau  mit  hellblauem  Kragen  und  rothgestickter 
Nummer,  Dreimaster,  Säbel  und  Gewehr.  Etwaige  Unterstützung 
requirirt  jeder  einzelne  Beamte  von  den  Guardias  civiles  oder 
den  nächsten  Militairwachen. 

Unter  dem  5  März  1852  hat  eine  Umarbeitung  und  Ver- 
öffentlichung des  Araucels  und  der  Aduanen- Instruction  statt- 
gefunden. 


606 

Die  Veröffentlichung  der  Briefpost- Correspondenzen  wäh- 
rend des  Jahres  1851  erwiess  eine  mit  der  Ermässigung  des 
Portos  und  der  Erleichterung  des  Frankirens  zusammenhän- 
gende Zunahme  an  Briefsendungen  und  Staatseinnahmen.  Es 
waren  durch  Spanische  Posten  befördert  20,856,031  Briefe  und 
dafüir  eingegangen  15,327,522  Realen,  so  wie  fiir  Freimarken 
6,756,175  r.,  also  im  Ganzen  22,083,687  r. 

Das  Pressgesetz  vom  2  April  1852  enthält  besonders  fiir 
poUtische  imd  rehgiöse  Schriften  strenge  Bestimmungen.  Die 
Cautionen,  welche  von  den  verantwortlichen  Redacteuren  der 
periodischen  Schriften  in  der  Fernando- Bank,  und  zwar  binnen 
Monatsfirist  zu  erlegen  sind,  betragen  für  Madrid  120 — 160,000  r. 
in  den  Provinzen  erster  Klasse  80 —  120,000  r.,  in  den  übrigen 
40  —  60,000.  Verbrechen  wider  Moral,  Religion,  Autorität  und 
Königüche  Familie  verübt,  werden  mit  500  bis  60,000  r.  bestraft. 
Die  Untersuchung  fiihren,  je  nach  dem  Gegenstande  und  den 
Grad  der  Beleidigung,  die  gewöhnlichen  oder  die  Obergerichte 
oder  das  höchste  Tribunal.  Die  Geschwornen  werden  aus  den 
100  Höchstbesteuerten  gewählt;  sie  müssen  mindestens  30  Jahr 
alt  imd  dürfen  weder  Geistliche,  noch  active  Mihtairs  oder  Civil- 
Beamte  sein.  Ein  Censor  mit  24,000  r.  Gehalt  und  6000  r. 
Büreaukosten- Entschädigung  ist  angestellt,  um  Romane  und 
sonstige  schönwissenschaftliche  Werke  einer  Prüfung  zu  imter- 
werfen. 

Habe  ich  es  auch  möglichst  vermieden ,  Namen  auszuspre- 
chen, und  es  vorgezogen,  die  Thatsachen  anzufahren,  so  glaube 
ich  es  andererseits  der  Sache  schuldig  zu  sein,  zum  Schluss 
eines  Staatsmannes  zu  gedenken,  dessen  Thätigkeit  nicht  allein 
diejenige  Anerkennung  gefunden,  welche  auch  die  Gegner  des 
Generals  Narvaez  vielen  seiner  Anordnungen  zu  zollen  gezwun- 
gen sind,  sondern  in  dessen  Consequenzen  auch  der  Grund  zu 
dem  sicheren  imd  kräftigen  Fortschreiten  der  Verwaltung  liegt, 
deren  Ruhm  die  Geschichte  seinem  Vaterlande  wie  ihm  selbst 
aufbewahren  wird.  Ich  meine  den  Minister -Präsidenten  Bravo 
Murillo,  welcher  durch  die  grössere  Centralisation  der  Regierung 


607 

« 

die  Kräfte  vereinigt,  die  Controlle  und  IntegritÄt  erleichtert  und 
das  so  wesentlich  nothwendige  Vertrauen  zu  derselben  gestei- 
gert hat 

Mag  es  mir  vergönnt  sein,  auch  noch  in  späteren  Aufsätzen 
falsche  Ansichten  über  Spanien  und  seine  Zustande  zu  berichti- 
gen, zur  Anerkennung  seiner  weiteren  Entwickelung  beizutragen 
und  das  Interesse  flir  ein  Land  zu  fessehi,  das  insbesondere  für 
Deutschland  in  vielfacher  Beziehung  von  Bedeutung  ist  und 
bleiben  wird. 


Verzeichniss 

der 

Vorzugs  vsreise  benutzten  Bücher. 


John  Murray 's  Hand-book  for  Spain;  ein  treJBFliehes  Werk, 
welches  keinem  in  Spanien  Reisenden  fehlen  sollte.  —  Guia  von 
Francisco  Mellado.  —  Guia  de  Forasteros.  —  Annuaire  des  deux 
mondes  1850.  —  Maria  Florez  Geographie.  —  Conde's  Geschichte 
der  Mauren.  —  Olivan's  Ackerbau  —  D.  Juan  Sempre,  historia 
del  derecho  Espanol.  —  Antonio  Valecillo,  Ordenanzas  de 
S.  M.  para  el  regimen,  disciplina  de  sus  ejercitos.  —  Larreategui, 
juzgados  militares.  —  Nuevo  Colon  von  Recardi.  —  Schaar- 
schmidt's  Atlas.  —  Stricker 's  Deutsche  in  Spanien.  —  Die  Ge- 
setz-Codices, organischen  Gesetze,  Bulletins,  Amtsblätter  und 
officiellen  ActenstOcke,  in  so  weit  solche  zu  beschaffen  oder  zu- 
gänglich waren  etc. 


Beiiin,  gedruckt  in  der  Deekcrtchen  Geheimen  Ober-Hofbuebdrac^ereL 


L)a  einzelne  ergänzende  Notizen  noch  während  des  Drucks  ein- 
geschaltet wurden,  und  dies  ohne  das  Manuscript  einsehen  zu 
können  geschah ,  so  finden  sich  diese  Ergänzungen  nicht  immer 
am  geeigneten  Orte,  welches  der  Leser  freundlichst  entschul- 
digen wolle,  so  wie  die  Druckfehler,  welche  stehen  geblieben, 
weil  eine  Revision  der  Druckbogen  meinerseits  nicht  mögUch 
gewesen  ist. 

V.  Minutoli. 


SFANISN 

TOm  JaLre  218  vor  Cliristi  Gebxnrt  bis  1479  nach  Christi  Geburt. 


Sa^AlOEir  HUT  Zeit  djeaAP«mUc]L6aXTi«^et,V 
21«T.Cltt.  ^ 


4/ 


SPANIB^BtirZeitConstanlinüi  d.Gr.\ 
a20ji.Clir. 


SPANIEN  iiat«r  4«iLlireftt^otlLen, 
4^0-6dO]i.CkK 


!R  e  n  e  11    2.eT 


&PAMEX«ni«r  ArabiTdicr  Herrrduft) 
1080. 


SPAl«Eyiuiterrerfcliied«a«üümi^«, 

1250. 


r" 


SPAXIElfvBterTerdixLAnaimdlftabella, 
1479. 


Mau 


r  ^    8    o 


JiJ  n  Ilinutvk  Tiatk  %^amrjt^inudt^ 


^-&fÄa^^nf?A^Anit'.f:BJftÄimann/. 


liujnliis  riirilcs  und  Uoio^  it  h  bcit^iilra 
im  raljlanien. 


Spanischf  Rpri  Arlillrrir. 


PIANO. 


MARGHA    HEAI.; 


Alldante. 


r 


—^